Die Inflationsraten in Deutschland und der Eurozone sind nach wie vor immens. In der Hoffnung, die Preissteigerungen einzudämmen, erhöhte die Europäische Zentralbank zum Jahresende 2022 den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf nunmehr 2,5 Prozent. Für 2023 kündigte sie weitere Zinsanhebungen an. Die Idee dahinter: Die Kreditaufnahme wird teurer, Investitionen und Konsum werden gedrosselt, und mit der sinkenden Nachfrage fallen die Preise. Die Erfolgsaussichten dieser Strategie sind in der jetzigen Lage jedoch ungewiss, da die aktuelle Inflation maßgeblich von hohen Energie- und Lebensmittelpreisen bestimmt ist.
Im Kontext der Eurokrise ab 2009 war häufig von einer spezifisch deutschen "Stabilitätskultur" die Rede, nicht nur im Ausland. So gilt in dieser Erzählung die Furcht vor der Inflation als "typisch deutsch". Zur Erklärung dieser vermeintlichen Eigenart wird oft die Weimarer Hyperinflation von 1923 bemüht, die tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen habe und auch 100 Jahre später noch nachwirke. Für Generationen in der Bundesrepublik blieb das Phänomen Inflation dennoch abstrakt. Heute ist es spätestens an der Supermarktkasse für alle Haushalte konkret geworden.
Wie soll der Staat reagieren? Die hohen Preise sind eine komplexe politische und soziale Herausforderung, einfache Antworten nach Lehrbuch gibt es nicht. Hinter den unterschiedlichen ökonomischen Instrumenten im Kampf gegen die Inflation stecken normative Konzepte und Vorstellungen von der Rolle des Staates. Zwar werden wir, wie der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt hat, durch die Preisschocks alle ärmer. Wer aber genau wie arm wird, lässt sich politisch steuern.