Industriepolitik hat Konjunktur – und das unter eigenem Namen. Längst ist der Begriff wieder salonfähig, nachdem er seit den 1960er Jahren für einige Zeit von einer umfassenderen „Strukturpolitik“ verdrängt worden war. Doch hatte insbesondere die sektorale, also auf einzelne Branchen bezogene und federführend vom Bundeswirtschaftsministerium betriebene Strukturpolitik stets den Fokus auf die Industrie gerichtet. Dienstleistungsbranchen spielten bestenfalls eine Nebenrolle, und für Landwirtschaft oder Verkehr waren eigene Ressorts zuständig. Die von Bund und Ländern gemeinsam verantwortete regionale Strukturpolitik umfasste zwar ein breiteres Spektrum, zielte aber ebenfalls wesentlich auf die nachholende Industrialisierung eher ländlicher Gebiete sowie zunehmend auf die Stabilisierung traditioneller, vom Strukturwandel gebeutelter Industrielandschaften.
Heute ist in der Selbstdarstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hingegen ausdrücklich von „moderner Industriepolitik“ die Rede.
Eine solche Unterstützung einzelner Unternehmen oder ganzer Branchen ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung legitimationsbedürftig, weil sie eben die Ergebnisse von Marktprozessen verzerrt. Industriepolitische Interventionen hatten in der deutschen Geschichte unterschiedliche Anlässe und Begründungen. Obwohl es dabei Versuche gab – und bis heute gibt –, Industriepolitik systematisch oder auch „strategisch“ zu betreiben, blieb sie, wie die folgende historische Skizze zeigt, stets eine Reaktion auf akute Krisen und konkrete Herausforderungen.
Heterogene Anfänge
Staatliche Einflussnahme auf die Entwicklung einzelner Branchen gab es auch schon im 19. Jahrhundert. Neben der Festlegung von Zöllen oder der Regulierung von Märkten engagierten sich Regierungen oder Kommunen vor allem in der Energieversorgung und im Verkehr auch selbst unternehmerisch. Aber die gezielte Intervention in Industriestrukturen entwickelte sich erst im 20. Jahrhundert zum Normalfall. Einen drastischen Einschnitt markierten zunächst die umfangreichen Maßnahmen zur Bewirtschaftung von Industriegütern und Rohstoffen im Ersten Weltkrieg. Die Weimarer Republik baute zwar diesen Lenkungsapparat rasch zurück, griff nun aber verstärkt notleidenden Großunternehmen unter die Arme.
Der Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg folgte bekanntlich zwei unterschiedlichen Grundmustern: der Rückkehr zur Marktwirtschaft im Westen und der Etablierung einer Zentralplanwirtschaft im Osten. In der DDR wurde Industriepolitik damit zwangsläufig zur Kernaufgabe eines Staates, der eine umfassende Lenkung des Produktionsapparats beanspruchte. Die politische Führung und der hierarchische staatliche Planungsapparat hatten letztendlich zu entscheiden, welche Branchen bevorzugt mit Investitionsmitteln, Personal und materiellen Ressourcen versorgt wurden. Davon profitierten vor allem Großbetriebe im Investitionsgüterbereich, während die traditionell starke verarbeitende Industrie zurückblieb. Spätere Versuche, die Versorgung mit Konsumgütern zu verbessern und insgesamt die Effizienz des Wirtschaftssystems durch die Simulation marktwirtschaftlicher Anreize zu steigern, blieben in Ansätzen stecken.
In den westlichen Besatzungszonen und in der frühen Bundesrepublik standen die ordnungspolitischen Zeichen hingegen auf dem Abbau staatlicher Lenkung. Auch das bedeutete keine industriepolitische Abstinenz: Das Investitionshilfegesetz von 1952 verschaffte dem Bergbau, der Eisen- und Stahlindustrie sowie der Energiewirtschaft den Zugang zu Kapital, das andere Branchen aufbringen mussten. Von besonders günstigen Abschreibungssätzen profitierte neben diesen Industrien auch der Wohnungsbau. Diese Maßnahmen zielten jedoch nicht auf eine Umgestaltung der Branchenstrukturen ab, sondern auf die vorübergehende Unterstützung bestimmter zentraler Industrien, die für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die Wiederherstellung gewisser Lebensbedingungen von Bedeutung waren. Die rasche Zunahme der Subventionen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre begünstigte dann vor allem Bergbau und Landwirtschaft, die bereits mitten im vermeintlichen „Wirtschaftswunder“ von ersten Absatzproblemen betroffen waren.
Ähnlich heterogen stellte sich die frühe regionale Strukturpolitik dar. Einerseits knüpften hier Bund und Länder an ältere Traditionen an, indem schwach industrialisierten Regionen durch Fördergelder zu Wachstum und Modernisierung verholfen werden sollte. Andererseits schufen das Kriegsende und die deutsche Teilung zwei ganz neue Fördergebiete buchstäblich eigenen Rechts. Entlang der Grenzlinie zur DDR, wo viele Betriebe von ihren alten Bezugs- und Absatzmärkten abgeschnitten waren, erhielt 1953 eine 40 Kilometer nach Westen reichende Region, das sogenannte Zonenrandgebiet, unabhängig von der sehr unterschiedlichen Wirtschaftsstruktur einen speziellen Förderstatus. Ähnlich wie in diesem Gebiet, aber allein durch den Bund finanziert, sollte ein ganzes Bündel an Subventionen und weiteren Unterstützungsmaßnahmen die Exklave West-Berlin vor der weiteren Abwanderung von Industriebetrieben und qualifizierten Arbeitskräften bewahren.
Aufstieg und Praxis der Strukturpolitik
Es gab also seit dem frühen 20. Jahrhundert unterschiedliche Gründe dafür, dass auch der demokratische Staat sich in Entwicklungen einmischte, die nach vorherrschendem ordnungspolitischen Verständnis eigentlich dem Markt zu überlassen waren. In den 1960er Jahren zeigten sich zumindest Ansätze einer systematischeren Herangehensweise, die einer eigentümlichen Gemengelage aus Krise und Aufbruch entsprangen. Einerseits verringerten sich im auslaufenden Nachkriegsboom allmählich die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten; das ließ die schon bestehenden Strukturprobleme im Bergbau und in der Textilindustrie umso deutlicher hervortreten und zukünftigen Anpassungsbedarf auch in anderen Branchen erwarten. Andererseits übernahm 1966 die SPD das Wirtschaftsministerium und besetzte es mit dem bekennenden Keynesianer Karl Schiller. Damit zog ein Lenkungsoptimismus in die Wirtschaftspolitik ein, der sich besonders deutlich im Konzept einer „Globalsteuerung“ von Konjunktur und Wachstum äußerte.
Beides legte eine systematischere Industriepolitik nahe. Von solchen Ambitionen zeugte auch der neue, etwas abstrakte Leitbegriff „Strukturpolitik“, der zugleich den Charme hatte, weniger interventionistisch zu klingen. Grundsatzdokumente zur sektoralen und regionalen Strukturpolitik betonten überdies, dass Subventionen nur ganzen Regionen oder Branchen zugutekommen und nicht etwa einzelne Unternehmen retten dürften. Wo überhaupt in Marktprozesse eingegriffen wurde, sollte der in einer dynamischen Volkswirtschaft unvermeidbare und grundsätzlich positiv zu bewertende Strukturwandel unterstützt werden. Das Ausscheiden nicht mehr wettbewerbsfähiger Unternehmen galt als unvermeidlich, der Staat sollte hier nur in Ausnahmefällen soziale Härten abfedern.
In der Praxis erwiesen sich diese Grundsätze als dehnbar, zumal ein von Schiller angekündigtes „strukturpolitisches Gesamtkonzept“ niemals formuliert wurde. Zwar wurde noch bis weit in die 1970er Jahre hinein im Wirtschaftsministerium, in der politischen Öffentlichkeit und unter Ökonomen darüber gestritten, wie ein systematischer Rahmen dieses neuen Politikfelds aussehen könne und in welcher Weise sich der Staat überhaupt in das Investitionsverhalten privater Unternehmen einmischen dürfe. Forderungen nach einer umfassenden staatlichen „Investitionslenkung“ blieben dabei aber selbst in der Hochphase des sozialdemokratischen Steuerungsoptimismus klar in der Minderheit. Auch von Ideen einer staatlichen Rahmenplanung im Stile der französischen planification oder entsprechenden Konzepten auf Branchenebene war die deutsche Diskussion weit entfernt. Weitgehend einig war man sich immerhin, dass ein erheblicher Mangel an empirischem Wissen über die genaue Struktur der deutschen Wirtschaft bestand. Es war zugleich eine unausgesprochene Vertagung der konzeptionellen Debatten, dass erstmals 1978 die fünf großen wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute der Republik mit einer „Strukturberichterstattung“ beauftragt wurden und dann gut zwei Jahrzehnte lang in mehrjährigen Berichtsrunden umfangreiche Wissensbestände zusammentrugen. Einheitliche wirtschaftspolitische Empfehlungen aber ergaben sich aus den konkurrierenden Forschungsarbeiten nicht, und schon gar kein „Gesamtkonzept“.
Es erstaunt daher kaum, dass die politischen Interventionen in den wirtschaftlichen Strukturwandel keinem klaren Muster folgten und ihre Ergebnisse höchstens im Einzelfall, aber nicht pauschal beurteilt oder gar berechnet werden können. Der Blick auf die langfristige Entwicklung zeigt zwar, dass sehr wenige und durch große Unternehmen geprägte Branchen über lange Zeiträume hinweg einen Großteil der Industriesubventionen beziehen konnten. Dabei handelte es sich aber sowohl um absteigende Industrien mit markant rückläufiger Beschäftigtenzahl als auch um (vermeintliche) „Zukunfts-“ oder „Fortschrittsindustrien“. Unter den Traditionsbranchen war der bei Weitem größte Empfänger der Steinkohlenbergbau; neben dem jahrzehntelangen sozialverträglichen Beschäftigungsabbau in einer Branche, über deren fehlende internationale Wettbewerbsfähigkeit schon in den 1960er Jahren wenig Illusionen bestanden, spielten dafür energiepolitische Erwägungen eine herausragende Rolle. Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurde auch der Schiffbau, insbesondere pro Kopf der noch hier Beschäftigten, mit relativ hohen Summen unterstützt. Der Ertrag bestand langfristig vor allem in der Vermeidung sozialer Kosten.
Ein Gegenbeispiel bot aber schon die nicht weniger traditionsreiche Stahlindustrie, deren zeitweilig durchaus erfolgreiches Gesundschrumpfen in den 1980er Jahren nur in relativ engen, zuvor abgesteckten Grenzen finanziell unterstützt wurde. Unter den aufsteigenden Industrien profitierten mit der Luft- und Raumfahrtindustrie und mit dem Kernkraftwerksbau hochgradig konzentrierte Branchen, zeitweise flossen aber auch erhebliche Summen an die Computerindustrie beziehungsweise in die Informations- und Kommunikationstechnik, die auch von kleineren Unternehmen geprägt waren. Die Technologie- und Innovationsförderung entwickelte sich insgesamt zum Hoffnungsträger und erfuhr auch bei Subventionskritikern noch am ehesten Zustimmung. Die Bilanz ist nichtsdestoweniger gemischt: Während sich die Kernenergie nach derzeitigem Stand als Sackgasse erwiesen hat, gelten die zunächst hochsubventionierten Airbus-Flugzeuge vielfach als Erfolgsbeispiel, wenn auch weiterhin mit erheblichen Kostenrisiken verbunden.
Ein Trend zur Systematisierung der Subventionspraxis war immerhin in der Regionalförderung erkennbar. Er äußerte sich vor allem in den seit 1971 veröffentlichten Rahmenplänen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Nach einer Neuregelung der föderalen Finanzbeziehungen und einer Ergänzung des Grundgesetzes übernahm der Bund die Hälfte der Ausgaben für regionale Wirtschaftsförderung, die jährlich in einem gemeinsamen Planungsausschuss mit den Ländern ausgehandelt wurden. Die Förderung erfolgte dabei nach einem einheitlichen Regelwerk, die Rahmenpläne legten Rechenschaft über Wirtschaftsstärke und Arbeitsmärkte der Fördergebiete sowie vorgesehene Maßnahmen ab und brachten damit ein statistisch-wissenschaftliches Element in die Strukturpolitik. Damit verbunden war ausdrücklich eine längerfristige Perspektive, die über ältere Traditionen der Stützung von „Notstandsgebieten“ hinausblickte und nunmehr auch altindustrielle Krisenregionen im Ruhrgebiet oder im Saarland integrierte. Erfolgreich geförderte Regionen sollten nach Erreichen eines gewissen Entwicklungsniveaus wieder aus dem Empfängerkreis ausscheiden. Solche Neuzuschnitte der Subventionslandschaft erwiesen sich allerdings als mühseliges Geschäft, zudem überschnitt sich die Gemeinschaftsaufgabe weiterhin in einem gewissen Wildwuchs mit der Zonenrandförderung und mit weiteren Projekten der Landesregierungen.
Als die Sozialdemokraten im Herbst 1982 die Macht im Bund an die Union abgeben mussten, weil die FDP den Koalitionspartner wechselte, war die Zeit der großen Entwürfe für eine Verstetigung und Verregelung der Strukturpolitik bereits vorbei. Stattdessen hatte sich, verstärkt durch den zunehmenden Druck der Haushaltskonsolidierung, eine pauschale Kritik an Staatshilfen ausgebreitet, die eine allgemeine „Subventionsmentalität“ beklagte und unter stärker marktliberalen Vorzeichen einen substanziellen Subventionsabbau forderte. Kürzungen trafen dabei allerdings in erster Linie Privathaushalte, die von Sparförderung, niedrigen Kraftstoffsteuern im Nahverkehr und anderen Steuervergünstigungen profitierten. In absoluten Zahlen gingen zwar auch die Staatshilfen an die Industrie schon seit Mitte der 1970er Jahre, also noch unter der sozialliberalen Koalition, leicht zurück. Sie nahmen aber einige Jahre später wieder deutlich zu und erreichten ihren Höhepunkt – sowohl absolut als auch in Relation zu den gesamten Subventionen – in den 1980er Jahren. Unter den Subventionen an die Gewerbliche Wirtschaft ging dabei der Anteil der (jedenfalls der Absicht nach) wachstumsfördernden „Produktivitätshilfen“ markant zurück, während das Gewicht der eher strukturkonservierenden „Erhaltungssubventionen“ auf mehr als die Hälfte anwuchs.
Die programmatische Aufwertung des Marktes bedeutete eben noch lange nicht den Verzicht auf staatliche Industriepolitik. Das galt nicht nur für den Umgang mit industriellen Krisenphänomenen im Westen, sondern in anderer Weise auch für den Zusammenbruch der staatssozialistischen Planwirtschaft im Osten. Die Effizienzmängel des Wirtschaftssystems, eine defizitäre Investitionspolitik und eine ungünstige außenwirtschaftliche Entwicklung hatten die DDR-Industrie bis 1989 in einen desaströsen Zustand geführt, auch wenn sich der Verfall der Wettbewerbsfähigkeit in den einzelnen Branchen differenziert darstellte.
„Ökologische Industriepolitik“
In die konzeptionelle Lücke schienen in den 1980er Jahren erste Ansätze einer umweltbewussten Industriepolitik zu stoßen, die das herkömmliche umweltpolitische Instrumentarium von Verboten und Grenzwerten durch gezielte Wachstumsimpulse für besonders umweltfreundliche Produktionslinien ergänzen wollten. So skizzierte Rudolf Hickel 1987 „Strategien einer ökologisch-ökonomischen Strukturpolitik“. Der Bremer Finanzwissenschaftler forderte die Lenkung des unternehmerischen Investitionsverhaltens durch umweltpolitische Auflagen, wobei die entstehenden Kosten wiederum durch Subventionen abgefedert werden sollten. Wie genau bestimmt werden sollte, welche Technologien und Branchen als ökologisch förderungswürdig zu gelten hätten, blieb aber genau wie bei den bereits geförderten „Zukunftsindustrien“ eine Frage politischer Aushandlung.
Ungeklärt blieb damit letztlich auch das Spannungsverhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie – gerade bei Ökonomen und Politikern, die wie Hickel dem linken Spektrum zuzurechnen waren. Der Umweltschutz kollidierte angesichts der grassierenden Massenarbeitslosigkeit tendenziell mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung. Das galt, wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise, ebenso für die vorsichtige Annäherung der Gewerkschaften an neue Wachstumsmodelle wie für die Forderungen der mittlerweile in den Bundestag gelangten Grünen, deren weit radikalere Vorstellungen eines Umbaus industriegesellschaftlicher Strukturen nur durch sehr vage Ideen über die Umschichtung der industriepolitischen Staatsausgaben untersetzt waren.
Die Entdeckung einer ökologischen Dimension der Industriepolitik in den 1980er Jahren war also nicht nur Ausdruck eines gewachsenen Umweltbewusstseins, sondern lässt sich zugleich als Ausdruck einer gewissen Erschöpfung großer strukturpolitischer Entwürfe interpretieren. Diese Impulse reichten vorläufig nicht aus, um einen neuen industriepolitischen Mainstream zu begründen, aber sie erweiterten nachhaltig die Agenda. Der Naturwissenschaftler und SPD-Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker gab als Präsident des Wuppertal Instituts 1994 einen Band über den „Umweltstandort Deutschland“ heraus, um der zu dieser Zeit grassierenden Debatte über Defizite des Wirtschaftsstandorts eine ökologische Dimension zu geben. Die Konzentration der deutschen Industrie auf Umwelttechnik und umweltfreundliche Prozesse, die forschungspolitische Lenkung des technischen Fortschritts zugunsten höherer Energieproduktivität, das alles erschien hier gerade wegen der deutschen Exportstärke als Perspektive, um trotz der Kosten des „nachsorgenden Umweltschutzes“ einen positiven Netto-Arbeitsplatzeffekt zu erzielen.
Schließlich war es mit Sigmar Gabriel auch ein sozialdemokratischer und kein grüner Umweltminister, unter dessen Ägide der Begriff „ökologische Industriepolitik“ geprägt wurde. Ein Memorandum des Bundesumweltministeriums warb 2006 unter diesem Titel „für einen ‚New Deal‘ von Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung“. Das von einem markanten Technikoptimismus gekennzeichnete Papier benannte konkret eine ganze Reihe von Marktsegmenten für „Ökoinnovationen und Ökohightech“. Es identifizierte in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Unternehmensberatung Roland Berger sogenannte „Leitmärkte“. Die historischen Erfahrungen mit Industriepolitik, zumal mit den Problemen solch umfassender Förderkonzepte, wurden hier allerdings nicht reflektiert.
Das galt aber wohl auch für die 2019 von CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier vorgelegte „Industriestrategie 2030“, die ob des unbeirrten Wiederaufwärmens einer Herangehensweise, die schon in den 1970er Jahren ihre Grenzen gezeigt hatte, massive Kritik von Sachverständigen auf sich zog. Altmaier forderte nämlich allen Ernstes einen „KI-Airbus“, also eine staatliche Beteiligung an subventionsabhängigen Großunternehmen, um in neuen Schlüsseltechnologien wie der Künstlichen Intelligenz wettbewerbsfähig zu werden – und das just in dem Moment, als die lange gepflegte Airbus-Erfolgsstory mit dem Desaster des Großflugzeugs A380 ihren empfindlichsten Dämpfer erfuhr.
Nicht nur auf konzeptioneller Ebene, sondern auch in der Praxis blieb die deutsche Industriepolitik von Pragmatismus, begrenzten Zeithorizonten und branchen- beziehungsweise regionsbezogenen Verhandlungslösungen geprägt. Exemplarisch stand dafür die Förderung der Photovoltaik, die in den 2000er Jahren von der energiepolitischen Peripherie ins Zentrum einer von ökologischen Hoffnungen getragenen Industriepolitik rückte – nur, um die deutschen Hersteller unmittelbar nach der Etablierungsphase an der Preissetzungsmacht internationaler Konkurrenten scheitern zu lassen.