Vor 75 Jahren, am 15. August 1947, war der Kampf um die indische Unabhängigkeit gewonnen und die britische Kolonialherrschaft beendet, die formell fast 90 Jahre lang, informell durch das Agieren der Britischen Ostindien-Kompanie bereits seit dem 18. Jahrhundert Bestand gehabt hatte. Die Unabhängigkeit ging mit einer Teilung Britisch-Indiens in das hinduistisch geprägte Indien und das überwiegend muslimische Pakistan einher, begleitet von Gewalt zwischen Hindus und Muslimen, die viele Todesopfer forderte. 1971 wurde Ost-Pakistan nach einem von Indien unterstützten Sezessionskrieg als Bangladesch unabhängig.
Das Miteinander verschiedener Religionen, Ethnien und sozialen Gruppen war auch vor der britischen Kolonialisierung nicht reibungslos verlaufen, doch trugen die gewaltvolle Herrschaft ebenso wie die Standardisierung von Sprachen, die administrative Erfassung der Religions-, Kasten- und Stammeszugehörigkeit und Eingriffe in die Wirtschaftsstruktur zu Spannungen bei. Das Versprechen der britischen Monarchin Victoria, ab 1876 auch als "Kaiserin von Indien" tituliert, sich nicht in religiöse Angelegenheiten einzumischen, eröffnete einen Freiraum in diesem Feld, der auch politisch genutzt wurde.
Nach 1947 dominierte die säkular orientierte Kongresspartei das politische System in Indien. Der Hindu-Nationalismus, der sich im 19. Jahrhundert entwickelt hatte und sich auf die Formel Inder = Hindu bringen lässt, spielte politisch zunächst keine große Rolle. Das hat sich spätestens mit den Wahlerfolgen der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Partei 2014 und 2019 geändert. Unter Premierminister Narendra Modi wurden Maßnahmen ergriffen, um Indien als "Hindu-Nation" zu stärken – zum Nachteil der 160 bis 180 Millionen muslimischen Inderinnen und Inder. International ist Indien zurzeit ein immer gefragterer Partner, der vom Westen umworben wird, um Chinas wachsendem Einfluss in der Region etwas entgegenzusetzen.