In diesen trockenen Zeiten hat es der südfranzösische Hotelierverband schwer, positive Nachrichten zu verbreiten. In die Schlagzeilen schaffte es dann dieser Satz: "Wir werden genug Wasser für den Pastis und die Eiswürfel im Rosé haben."
Für ihre außergewöhnliche klimatische Situation finden die Menschen in Frankreich inzwischen viele neue Worte: Erst erlebten sie eine "Winterdürre" – einen trockenen Januar und Februar, die üblicherweise regen- und schneereiche Monate sind. Es folgten "Frühlingsbrände", also flächendeckende Feuer, die sonst typischerweise erst im Hoch- und Spätsommer auftreten. Im Mai und Juni riefen einige Präfekturen dann die Zeit der "extremen Dürre" aus. Auch die Pariser Regierung schlägt inzwischen nahezu wöchentlich Alarm, hält Pressekonferenzen und Interviews zur Wassernot. "Wir werden einen noch trockeneren Sommer haben als 2022", warnt Umweltminister Christophe Béchu.
Verantwortlich für die außergewöhnliche Dürre ist der über viele Monate fehlende Regen,
Tatsächlich tritt gerade in ganz Südeuropa ein, wovor Klimaforschende lange gewarnt haben: Ein Extremwetterereignis reiht sich an das nächste. Der bisher letzte große Niederschlag an der östlichen Mittelmeerküste war der Sturm Alex im Herbst 2020. Er ließ in wenigen Stunden in den Bergtälern bis zu 500 Millimeter Wasser niederprasseln, fast hundert Häuser wurden fortgerissen, mehr als zwei Dutzend Menschen starben. Seit diesem letzten Starkregenereignis trocknet die Region wieder Tag für Tag weiter aus. In umgekehrter Reihenfolge – aber genauso dramatisch – häufen sich die Wetterextreme in den Gebieten der italienischen Region Emilia-Romagna: Nach einer dramatischen Dürre, bei der selbst der wichtigste norditalienische Fluss, der Po, nur noch einem Rinnsal glich, fielen in 36 Stunden 500 Liter Regen pro Quadratmeter – das ist rund die Hälfte der jährlichen Menge. Auch in Bologna und Ravenna mussten 8.000 Menschen ihr Zuhause verlassen, Zehntausende waren ohne Strom, Dutzende Städte und Gemeinden überschwemmt, zahlreiche Orte meldeten Erdrutsche. Bilder von weggespülten Brücken gingen um die Welt.
Viele kleine Verbote und ein großer Wasserplan
"Zum ersten Mal realisieren die französische Bevölkerung und auch die Regierung, dass es wirklich ernst ist mit der Klimakrise", sagt der Politikwissenschaftler und Klimaexperte François Gemenne.
Ebenso sollen private Haushalte im südöstlichen Département Var seit Frühsommer 2023 an allen "transportablen" Wasserbassins sparen, zu denen etwa auch Planschbecken gehören. Der Erfolg solch kleinteiliger Verbote ist allerdings fragwürdig. Denn kurz vor dem Beginn des Verkaufsverbots wurden Planschbecken zu niedrigen Preisen im Baumarkt verhökert – und die Leute griffen zu. Die Maßnahme ist auch deshalb umstritten, weil sie nur die günstigeren und meist kleineren Schwimmbecken betrifft, dauerhafte Pools aber weiter befüllt werden dürfen. Auch ein zweiter Erlass wird stark kritisiert: Hausbesitzer sollen ihre Blumen und Rasenflächen nicht mehr gießen – eine Maßnahme mit geringem Effekt, aber vielen negativen Folgen auch für Insekten und generell die Biodiversität in Wohnvierteln. Hinzu kommt, dass die Durchsetzung solcher Regeln aufwendig und tendenziell übergriffig ist: Manch südfranzösischer Bürgermeister denkt schon darüber nach, die Gärten seiner Kommune mit Drohnen zu überfliegen, um zu kontrollieren, ob die Wiesen verdächtig grün aussehen.
Im südfranzösischen Fayence dürfen zudem keine privaten Pools mehr gebaut werden – in einer Region, in der in manchen Vierteln nahezu jedes Haus über einen verfügt: 90.000 private Schwimmbäder gibt es dort insgesamt. Andere Kommunen gehen noch weiter und haben beschlossen, für mindestens vier Jahre überhaupt keine neuen Baugenehmigungen mehr zu erteilen – nicht mal für Häuser oder Wohnungen. Ihr Argument: Bereits die bestehende Bevölkerung könne kaum noch ausreichend mit Wasser versorgt werden. Bislang aber beschließen die Präfekte und Regionalregierungen eher viele kleine Verbote für die Bürgerinnen und Bürger, anstatt strukturell etwas zu ändern und die großen Wasserkonsumenten – die Landwirtschaft und die Atomkraftwerkbetreiber – einzuschränken.
Künftig soll sich dies nun laut Präsident Emmanuel Macron ändern. Er stellte Ende März 2023 am symbolträchtigen Lac de Serre-Ponçon, dem größten Stausee Frankreichs, den "Wasserplan" der Regierung vor. Macron sparte dabei nicht an eindringlichen Worten: "Wir hatten eine außergewöhnliche Dürre im vergangenen Sommer, mit 2000 Kommunen, die um ihr Trinkwasser fürchten oder es sogar nicht mehr zur Verfügung stellen konnten", sagte er. "Aber diese Dürre wird in Zukunft nicht außergewöhnlich sein – nichts deutet darauf hin, dass sich die Situation verbessern wird." Aufgrund der Klimakrise werde Frankreich im Jahr 2050 bis zu 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung stehen. "Daher müssen wir nun vorsorgen, allein schon, um über den nächsten Sommer zu kommen."
"Es ist sehr positiv, dass Präsident Macron diesen Wasserplan selbst vorgestellt hat, um die Wichtigkeit zu unterstreichen", sagt Magali Reghezza, Geografin und Mitglied des Hohen Klimarates (Haut Conseil pour le climat, HCC) in Frankreich.
(Keine) Diskussionen um Atomenergie und Megabassins
Mit Blick auf den Wasserbedarf hat Frankreich aber ein noch größeres Problem als die Landwirtschaft: Der Staat ist wie weltweit kein zweites auf Atomkraft angewiesen. Rund 70 Prozent seines Stroms werden in Atomkraftwerken produziert. Das für sie verfügbare Flusswasser wird in der Klimakrise weniger werden, und das von den Kraftwerken erwärmte Wasser, das in die Flüsse zurückgeleitet wird, belastet bei Hitze die Ökosysteme zusätzlich. Fachleute gehen davon aus, dass die Rhône, der größte Fluss Südfrankreichs, an dem fünf Kernkraftwerke liegen, bis 2050 im Schnitt bis zu 40 Prozent weniger Wasser führen wird. "Wir müssen unsere Atomkraftwerke an diese Bedingungen anpassen und sie umbauen", sagte Macron dazu bei der Vorstellung des Wasserplans.
Noch aber gibt es keinen Plan B, im Gegenteil: Als einziges Mitgliedsland hinkt Frankreich bei den EU-weiten Zielen für Erneuerbare Energien hinterher. Trotz einer sehr sonnenreichen Südhälfte und windigen Küstenzonen am Atlantik stammen nur etwa 20 Prozent des französischen Stroms aus Solar- und Windkraft, weniger als die Hälfte im Vergleich zu Deutschland. Ungeachtet der bereits eingetretenen und noch zu erwartenden Dürren sowie der hohen Kosten hält Frankreich an der Atomenergie fest – bis 2035 sollen sechs weitere Kraftwerke gebaut werden.
Der immense Wasserbedarf von Atomkraftwerken wird in der französischen Öffentlichkeit allerdings kaum diskutiert. Viel Aufmerksamkeit hingegen erhalten örtliche Projekte für die Landwirtschaft wie die sogenannten Megabassins, die Bäuerinnen und Bauern in trockenen Sommern Wasser für ihre Felder zur Verfügung stellen sollen. Das Prinzip ist dabei wie folgt: Im Winter werden aus dem Grundwasser Hunderttausende Kubikmeter in einen künstlichen See hochgepumpt, aus dem im Sommer bewässert werden soll. Für die Agrarbranche – vor allem für die Fürsprecher der konventionellen Landwirtschaft – ist dies ein Weg aus der Krise. In den Augen vieler Umweltaktivisten und des Verbands der bäuerlichen Landwirtschaft hingegen würde diese Praxis eine rückwärtsgewandte Anbauweise zementieren, in der beispielsweise Felder ohne Bodenbedeckung austrocknen und wasserintensiver Mais zur Energiegewinnung genutzt wird. Auch der Agrarwissenschaftler Jean-François Soussana, der an mehreren Sachstandsberichten des Weltklimarats mitgewirkt hat, konstatierte in einer Parlamentsanhörung, dass es sich bei den Megabassins um eine "falsche Anpassung" handele.
Tatsächlich eskalierte der Konflikt um solche Megabassins bereits. In Sainte-Soline, einem 300-Seelen-Dorf östlich von Bordeaux, demonstrierten im März 2023 Tausende Menschen gegen das dortige Bassin-Projekt. Die Proteste endeten in Gewalt: Polizeiwagen brannten, Beamte feuerten Gummigeschosse ab, versprühten Tränengas und warfen Blendgranaten. Die unabhängige Beauftragte für die Verteidigung der Rechte (Défenseure des droits) Claire Hédon kritisierte den Einsatz der Sicherheitskräfte als unverhältnismäßig. Ein junger Umweltaktivist wachte erst Tage nach der Demonstration aus dem künstlichen Koma auf, ein weiterer schwebte auch Wochen später noch in Lebensgefahr.
Grenzen der Anpassung
Das Dürrethema ist in Frankreich buchstäblich so brennend, dass die Pariser Regierung in einem Punkt deutlich schneller voranschreitet als die meisten EU-Länder: Sie will noch 2023 einen Plan vorlegen, wie sich das Land auf künftig höhere Temperaturen und geringere Niederschläge und damit auch Dürren vorbereiten kann. An der Ausarbeitung können und sollen sich auch Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Bei der öffentlichen Konsultation stehen Fragen wie diese zur Debatte: Rechnen Sie bis Ende des Jahrhunderts mit rund doppelt so vielen extremen Dürretagen – oder sogar mit fünfmal so vielen? Wird bis dahin nur ein bisschen weniger Schnee fallen, oder sogar ein Viertel weniger? In Rathäusern und auf der Internetseite des Umweltministeriums sollen sie angeben, ob sie sich auf eine um zwei Grad Celsius heißere Welt bis zum Jahr 2100 einstellen wollen – oder auf eine um vier Grad erwärmte.
Damit geht die französische Regierung einen europaweit einmaligen Weg. Normalerweise bestimmen allein Regierungen über ihre Pläne zur Anpassung an die Klimakrise, und nur selten geben sie konkrete Zahlen vor, mit welchem Temperaturanstieg sie rechnen. Tatsächlich ist diese Einschätzung sehr politisch: Niemand kann heute auf die Kommazahl genau angeben, welche Temperaturerhöhung am wahrscheinlichsten ist. Regierungen können aber entscheiden, ob sie mit dem Schlimmsten rechnen wollen – oder mit optimistischeren Szenarien. Der französische Umweltminister Béchu scheint sich schon vor der aktuellen Befragung festgelegt zu haben: Frankreich müsse mit einer vier Grad höheren Temperatur rechnen, schrieb er in einem Dossier über die Klimaanpassung. Nur so könne das Land widerstandsfähig bleiben und sich "so nah wie möglich an den Realitäten vor Ort" orientieren.
Mit der Befragung will sich die Regierung offenbar den Rückhalt ihrer Bevölkerung sichern. Denn einige der in Zukunft notwendigen Entscheidungen für ein Leben mit dem Klimawandel könnten ungemütlich werden – und vor allem viel kosten. "Grundsätzlich ist eine Vorbereitung auf höhere Temperaturen, die mehr Hitzetage, Überschwemmungen und Dürren mit sich bringen, natürlich sinnvoll", sagt Inke Schauser, Expertin für Klimafolgen und Anpassung beim Umweltbundesamt (UBA).
Die Zahl von vier Grad, die Béchu angibt, ist übrigens nicht dieselbe wie die der durchschnittlichen globalen Erwärmung, von der in den Berichten des Weltklimarats die Rede ist. Denn Landmasse erwärmt sich schneller als das Meer – der globale Temperaturanstieg ist immer ein Mittel aus beidem und daher niedriger als das, was auf den Kontinenten zu erwarten ist. Auf dem Land wiederum erhitzen sich die Berge stärker als das Flachland. So ist auch die französische Prognose landesweit zu verstehen: Das französische Umweltministerium geht von vier Grad für Frankreich aus, das entspricht einem globalen Mittel von etwa drei Grad. Doch ob global drei oder national vier Grad – beides liegt weit über dem Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderhitzung deutlich unter zwei Grad zu halten. Hat sich die französische Regierung etwa damit abgefunden, dass das 2015 in der eigenen Hauptstadt unterschriebene Abkommen nicht eingehalten wird? Minister Béchu behauptet: "Wir kämpfen weiter für den Pariser Vertrag."
Der Initiative Climate Action Tracker zufolge hat bislang tatsächlich kein einziges Industrieland einen Plan vorgelegt, der geeignet wäre, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Selbst wenn alle bestehenden Klimaschutzpläne umgesetzt würden, steuere die Welt auf eine Erhitzung zwischen 2,4 und 2,8 Grad zu.
… Und dann noch die Gäste
Während es in Südeuropa immer trockener und zunehmend über Anpassungsmaßnahmen diskutiert wird, bleiben die austrocknenden Regionen beliebte Urlaubsziele: Auch in diesem und in den folgenden Jahren werden die Côte-d’Azur, Südspanien und viele Teile Italiens in den Sommermonaten wieder einen Großteil der innereuropäischen Urlauber empfangen. Entsprechend ist nicht nur der Wasserverbrauch von Land- und Energiewirtschaft zu diskutieren, sondern auch die Frage, wieviel Wasser die Tourismusbranche nutzen darf, wird immer relevanter. Der hohe Wasserverbrauch der Gäste ist dabei abzuwägen gegen die wirtschaftliche Relevanz, die der Tourismus für diese Regionen hat.
Wenig überraschend zeigt der Vize-Vorsitzende des Hotelierverbandes der Region Côte-d’Azur, Eric Abihssira, Verständnis für den hohen Wasserverbrauch der Touristen: In einem Fernsehinterview im April 2023 sagte er wörtlich, dass sich "die Einheimischen bescheiden" sollten – die Hotels könnten keine Zugeständnisse von ihren Gästen verlangen, etwa kürzer zu duschen. Das würde ein "angstvolles Klima" schaffen, das nicht gut für den Tourismus sei.