Jede Arbeit mit Werkzeugen, digitalen wie analogen, bringt gesundheitliche Risiken mit sich, die von relativ harmlos bis tödlich reichen. Technologie im Arbeitskontext kann aber auch gesundheitsförderlich sein, etwa wenn sie den Beschäftigten gefährliche Tätigkeiten abnimmt. Für die betriebliche Praxis bedeutet das, dass der Einsatz von Werkzeugen hinsichtlich seines Gefährdungs- und Präventionspotenzials abgeschätzt werden muss. Dies ist keine neue Erkenntnis; solche Abschätzungen erfolgen, wenn auch mit schwankender Ernsthaftigkeit und Wissenschaftlichkeit, spätestens seit der Erfindung der Dampfmaschine. Was aber die Situation heutzutage besonders macht, ist die Allgegenwart und Vielfalt der verwendeten Technologien in der Arbeitswelt, insbesondere der digitalen Technologien.
"Dunkle" und "helle Seite" digitaler Arbeit
Wer regelmäßig mit digitalen Technologien arbeitet, kann wahrscheinlich mühelos dutzende Situationen aufzählen, in denen Technik die Arbeit entweder erleichtert, erschwert oder sogar unmöglich macht, etwa bei einem Ausfall des Internets. Zum Glück ist nicht jedes technische Problem auch gleich ein gesundheitliches, es kann aber unter bestimmten Voraussetzungen dazu werden. Mittlerweile gibt es eine solide Studienlage, die zeigt, dass es eine Verbindung zwischen verschiedenen Aspekten der Arbeit mit digitaler Technik und der körperlichen sowie der psychischen Gesundheit der Nutzer/-innen gibt. In der internationalen Forschung hat sich für diese Verbindung die Bezeichnung der "dunklen Seite von Technologie im Arbeitskontext" (dark side effects of workplace technologies) etabliert.
Starten möchte ich dennoch mit einem Überblick über die gesundheitlichen Gefahren, den ich in psychische Belastungen und ergonomische Belastungen einschließlich Unfallgefahren gliedere.
Psychische Belastungen durch Technologie
Es kann derzeit mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Arbeit mit digitaler Technik zu einer kognitiven oder emotionalen Belastung werden kann, die im schlimmsten Fall gesundheitliche Folgen wie affektive Störungen (zum Beispiel Depressionen oder Angststörungen) oder körperliche Erkrankungen nach sich zieht.
Um die Situationen, in denen Technostress typischerweise auftritt, genauer zu beschreiben, sind von verschiedenen Arbeitsgruppen Typologien entwickelt worden. Die derzeit populärste stammt von Monideepa Tarafdar und Kolleg/-innen und unterscheidet fünf Auslöser von Technostress (technostress creators):
Überlastung durch Technologie (techno-overload), etwa infolge häufiger Unterbrechungen, kurzer Reaktionszeiten oder eines hohen Arbeitstempos;
kognitive Belastung durch technische Komplexität (techno-complexity), etwa bei der Arbeit mit schwer zu bedienender oder hochkomplexer Software;
Arbeitsplatzunsicherheit durch Technik (techno-insecurity), verstanden als die Angst, durch Technologien wie Roboter oder besser qualifizierteres Personal ersetzt zu werden;
unruhiges Arbeitsumfeld (techno-uncertainty), insbesondere als Folge konstanter Einführung technischer Neuerungen;
zunehmende Durchdringung aller Lebensbereiche mit Arbeit (techno-invasion), da mobile Geräte zeit- und ortsunabhängige Arbeit sehr einfach machen.
Diese Ordnung ist das aktuell am häufigsten verwendete Raster für die Beschreibung und Messung
Allerdings ist die Liste nicht vollständig, denn in der neueren Forschung wurden weitere mögliche Auslöser identifiziert und beschrieben. Zu nennen ist hier insbesondere das Thema der chronischen Unzuverlässigkeit von digitaler Technik (techno unreliability). Systemabstürze, Datenverluste, fehlerhafte Anzeigen, instabile Netzwerkverbindungen und ähnliche Fehler kommen bei vielen digitalen Technologien vor und erschweren den Beschäftigten die Arbeit. Dies kann sich zu einer psychischen Belastung entwickeln, insbesondere dann, wenn Fehler häufig auftreten und nicht selber zu lösen sind.
Weitere Forschung wurde zu Belastungen im Zusammenhang mit einzelnen Technologien oder speziellen Anwendungsbereichen durchgeführt. Hierfür möchte ich drei aktuelle Beispiele anführen: Das erste betrifft die digitale Überwachung der Arbeitsleistung (electronic performance monitoring), etwa durch elektronische Arbeitszeitdokumentation, Tracking von Mitarbeitenden im Außendienst oder die automatische Überwachung von E-Mails und sonstiger Kommunikation. Im Zusammenhang mit solchen Maßnahmen wurden wiederholt negative Reaktionen der betroffenen Beschäftigten berichtet, darunter auch Stressempfinden und eine verringerte Arbeitszufriedenheit.
Das zweite Beispiel sind Videokonferenzen. Diese Anwendung hat in der Covid-19-Pandemie einen regelrechten Boom erlebt und ist seitdem für viele Beschäftigte Teil des Arbeitsalltags. Das hat gute Gründe, denn Videokonferenzen haben unbestreitbare Vorzüge, die sich auch positiv auf die Gesundheit auswirken können, zum Beispiel durch den Wegfall von Reisezeiten oder die Ermöglichung flexibler Arbeitsmodelle. Zugleich werden sie aber mit speziellen Belastungen in Verbindung gebracht. So scheint die Kommunikation per Video kognitiv anstrengend und erschöpfend zu sein.
Das ließe sich auch über das letzte Beispiel, die Arbeit mit Robotern, sagen, das dennoch interessant ist, weil sich die Robotik momentan sehr dynamisch entwickelt und in Zukunft wahrscheinlich mehr Beschäftigte damit in Berührung kommen werden. Die Arbeit mit Robotern unterscheidet sich von der Arbeit mit vielen anderen digitalen Technologien, da Roboter eine physische Präsenz haben und den Eindruck eigenständig handelnder Akteure vermitteln können. Einzelne Studien legen nahe, dass diese spezielle Interaktion mit der Maschine von manchen Beschäftigten als belastend und angsteinflößend wahrgenommen wird.
Die bisher beschriebenen Belastungen beziehen sich auf Technologien, die gezielt für die berufliche Tätigkeit verwendet werden. Darüber hinaus gibt es auch psychische Gefahren der Nutzung digitaler Technologien, die kontextunabhängig sind beziehungsweise die häufiger bei der privaten Nutzung auftreten, aber eben auch im Arbeitsleben zu Problemen führen können. Ein wichtiges Beispiel ist die Social-Media- oder Internet-Sucht. Globale Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 5 Prozent der Nutzer/-innen von sozialen Netzwerken Symptome einer Suchterkrankung zeigen und abhängig von der konstanten Präsenz in virtuellen sozialen Räumen sind.
Ergonomie und Unfälle
Auch wenn sich die Sprachsteuerung und -ausgabe immer weiter verbreitet, bleibt die zentrale Schnittstelle für die Interaktion mit digitaler Technologie der Bildschirm. Ein Großteil der digitalen Arbeit findet also vor den Screens von Laptops, PCs, Tablets, Smartphones oder Steuerungselementen statt. Bildschirmarbeit bringt einige typische ergonomische Belastungen mit sich. Eine Schwierigkeit ist, dass Bildschirmarbeit meist im Sitzen erledigt wird. Zwar ist es durchaus möglich, mit Hilfsmitteln wie höhenverstellbaren Schreibtischen oder bewussten Positionswechseln auch bei Bildschirmarbeit in Bewegung zu bleiben, es ist aber gelebte Praxis, dass viele Beschäftigte lange Zeiträume vor ihren Monitoren sitzen bleiben.
Unfallrisiken im Zusammenhang mit digitalen Arbeitsmitteln sind hingegen ein relativ neues Thema der Arbeitssicherheit, und es liegen nur wenige konkrete Informationen etwa zur Art des Unfallgeschehens oder zur Häufigkeit von Zwischenfällen vor. Eine systematische Darstellung ist also derzeit schwierig, trotzdem können grob zwei Unfallszenarien unterschieden werden. Beim ersten ist die Unfallursache eine fehlerhafte digitale Technik beziehungsweise ein nicht ausreichendes Sicherheitssystem bei Bedienfehlern. Beispiele wären Arbeitsunfälle mit Industrierobotern oder Unfälle mit selbstfahrenden Fahrzeugen. Im zweiten Szenario kommt es zum Umfall, weil die Beschäftigten bei ihrer Arbeit durch digitale Medien wie Smartphones oder Navigationssysteme abgelenkt sind. Bei einer Befragung von 1769 Beschäftigten in den USA berichteten 14 Prozent der Interviewten, dass es an ihrem Arbeitsplatz zu Unfällen gekommen war, weil Beschäftigte durch digitale Geräte abgelenkt waren.
Positive Effekte und gezielte Prävention
Die Gleichzeitigkeit positiver und negativer Erfahrungen ist typisch für die digitale Arbeit; das zeigt sich auch bei der Arbeitsgesundheit. Denn neben den beschriebenen Schwierigkeiten gibt es immer wieder auch Berichte von positiven Wirkungen. Der Grund für die Nutzung digitaler Technologie ist ja, dass sie die Arbeit produktiver machen kann. Gut gestaltete und nicht überfordernde digitale Technologie hat also das Potenzial, Beschäftigten ein effizienteres Arbeiten zu ermöglichen und ihnen zu helfen, sich besser zu organisieren.
Während es darauf ankommt, die Möglichkeiten der digitalen Technik konsequent zu nutzen, müssen negative Folgen aktiv vermieden werden. Um das zu erreichen, ist es zunächst sinnvoll, bereits bei der Einführung neuer Systeme auf die Prinzipien einer gesundheitsförderlichen Gestaltung digitaler Arbeit zu achten. Darüber hinaus ist es gesetzlich vorgeschrieben, bestehende Arbeitsbedingungen regelmäßig auf mögliche Gefahren zu prüfen. In Deutschland gibt es hierfür das im Arbeitsschutzgesetz vorgeschriebene Instrument der Gefährdungsbeurteilung. Diese Verpflichtung des Arbeitgebers umfasst die Messung möglicher gesundheitlicher Gefährdungen und das Ergreifen von Gegenmaßnahmen, falls die Messung Hinweise auf Probleme ergibt. Die Suche nach Risiken kann sich an den oben beschriebenen typischen Risiken beim digitalen Arbeiten orientieren. Welche Maßnahmen dann ergriffen werden, ist höchst individuell und hängt von der Problembeschreibung im jeweiligen Betrieb ab. Es gibt allerdings einige Anhaltspunkte dafür, welche Formen von Interventionen dann wirksam sein könnten. In der Tabelle sind Beispiele für die Prävention psychischer Belastungen aufgelistet. Sie sind größtenteils direkt im Betrieb gestaltbar und erfordern in der Regel keinen übermäßigen Aufwand.
Fazit und Ausblick
Eine offene Diskussion über die gesundheitlichen Folgen digitaler Innovationen in der Wirtschaft ist notwendig – nicht um Technik zu verteufeln, sondern um sie so einzusetzen, dass ihr gesundheitsförderliches Potenzial auch zur Geltung kommt. Das passiert am besten evidenzbasiert, also auf Grundlage solider Forschungsergebnisse.
In diesem Text wurde der Forschungsstand zusammengefasst, allerdings wäre der Eindruck falsch, dass bereits für alle Aspekte digitaler Arbeit gesichertes Wissen und Handlungsempfehlungen vorliegen würden. Die technische Entwicklung der jüngsten Zeit war so rasant, dass die Forschung in vielen Bereichen nicht Schritt halten konnte. Es ist zwar grundsätzlich klar, dass die Arbeit mit digitaler Technologie bestimmte gesundheitliche Risiken mit sich bringt, ob aber bereits alle möglichen Risiken bekannt sind, darf ebenso bezweifelt werden wie die Annahme, dass die bekannten Probleme in ausreichender Tiefe verstanden werden. In einem lesenswerten Übersichtsartikel von Elisabeth Marsh und Kolleginnen weisen die Forscherinnen auf eine Reihe von Forschungslücken hin.