Haben "die Deutschen" ihre Sache gut gemacht, was die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit angeht? Kann man etwas von ihnen lernen? Oder hat sich die Gedenkkultur des "Erinnerungsweltmeisters" verselbstständigt und dient stärker einer Selbstentlastung als der Erinnerung an die Opfer und dem Anspruch "Nie wieder"? Instrumentalisieren deutsche Eliten gar den Holocaust, um andere historische Verbrechen auszublenden, wie es der australische Genozidforscher A. Dirk Moses formuliert hat?
In den Feuilletons läuft zurzeit eine von manchen schon als "zweiter Historikerstreit" bezeichnete Debatte darüber, welchen Platz die Erinnerung an die deutschen Kolonialverbrechen in der Erinnerungskultur einnehmen soll. Diese rührt einerseits aus einer älteren Forschungsdebatte über Verbindungslinien vom Völkermord in "Deutsch-Südwestafrika" zum Holocaust, zum anderen aus dem Sichtbarmachen kolonialer immaterieller wie materieller Spuren, vornehmlich durch Aktivistinnen. Wie mit diesen Erblasten, etwa mit Denkmälern, Raubgut oder Rassismus, gesellschaftlich und politisch umzugehen ist, wird die Öffentlichkeit noch lange beschäftigen.
Dem Engagement ehemaliger Geiseln ist es zu verdanken, dass eine andere materielle Hinterlassenschaft der deutschen Geschichte zurück in Deutschland ist: Um das Wrack des 1977 im "Deutschen Herbst" entführten Flugzeugs "Landshut" herum soll in Verantwortung der Bundeszentrale für politische Bildung ein Lern- und Erinnerungsort geschaffen werden. Ist die Täter-Opfer-Konstellation und der Gang der Ereignisse unstrittig, wird das Bild vielschichtiger, bezieht man die zeitgeschichtlichen Hintergründe, auch in einer globalen Perspektive, ein. Fragen der kollektiven Verarbeitung stellen sich indes nicht nur bei historischen Verbrechen, sondern auch mit Blick auf (Natur-)Katastrophen, etwa bei Pandemien, Hungersnöten oder Extremwetterereignissen, bei denen die Grenzen zwischen (Mit-)Verursacherinnen und Opfern verschwimmen.