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Editorial | Genfer Konventionen | bpb.de

Genfer Konventionen Editorial Kriege erfahren, Kriegsgewalt eindämmen Ein grausames Recht? Das humanitäre Völkerrecht zwischen Anspruch und Wirklichkeit Die Genfer Konventionen in der Praxis Vom Roten Kreuz bis zum Roten Kristall Wer kennt das humanitäre Völkerrecht?

Editorial

Johannes Piepenbrink

/ 2 Minuten zu lesen

Lässt sich Krieg "humanisieren"? Kann so etwas Zerstörerisches wie ein bewaffneter Konflikt auf irgendeine Weise abgemildert und durch universelle Normen eingehegt werden, um das Leid zu verringern? Die Genfer Konventionen sind zumindest der Versuch, dies zu tun. Sie haben in diesem Jahr ein doppeltes Jubiläum: Vor 160 Jahren, am 22. August 1864, unterzeichneten zwölf Staaten in Genf die "Konvention zur Verbesserung des Schicksals der verwundeten Soldaten der Armeen im Felde". Es war der erste völkerrechtliche Vertrag, der den Schutz von Verwundeten und die Neutralität des Sanitätspersonals vorsah. Als Schutzzeichen wurde ein rotes Kreuz auf weißem Grund vereinbart. Vor 75 Jahren schließlich folgten vier weitere Abkommen, mit denen unter anderem der Schutz von Kriegsgefangenen und Zivilpersonen festgeschrieben wurde.

Die vier Konventionen von 1949 bilden den Kernbestand des humanitären Völkerrechts, das im Laufe der Zeit beständig weiterentwickelt wurde. Seit den 1977 vereinbarten Zusatzprotokollen gilt etwa auch für nicht-internationale Konflikte der humanitäre Mindeststandard der Konventionen, denen inzwischen fast zweihundert Staaten beigetreten sind. Dennoch gehen auch heutige Kriege regelmäßig mit Verletzungen des humanitären Völkerrechts einher, oder es wird versucht, Schutzbestimmungen auszuhebeln oder zu umgehen. Der gewachsenen Autorität des Internationalen Strafgerichtshofs zum Trotz lässt die Durchsetzung der humanitär-völkerrechtlichen Bestimmungen weiter zu wünschen übrig – nicht zuletzt, weil sie allzu oft den Interessen einzelner Staaten zuwiderlaufen würde.

Ist der Versuch, Menschlichkeit auch in Kriegszeiten zu wahren, also gescheitert? Handelt es sich beim Anspruch der Genfer Konventionen um reine Utopie? Auch wenn sie wohl nie ganz verwirklicht werden können: Eine Welt ohne die Konventionen wäre noch wesentlich grausamer. Dem humanitären Völkerrecht zu mehr Geltung zu verhelfen, bleibt eine wichtige Aufgabe – gerade für freiheitlich-demokratische Staaten.