"Zukünftige Generationen" spielen in aktuellen politischen Diskussionen eine herausragende Rolle. Zwar können sie noch nicht selbst am politischen Prozess partizipieren oder eigene Interessen artikulierten, als symbolischer Referenzpunkt einer "nachhaltigen" Politik sind sie im medialen Diskurs der vergangenen Jahre jedoch in hohem Maße präsent. Das gilt insbesondere für Debatten im Kontext der Umwelt- und Klimapolitik, die vor allem durch die Bewegung Fridays for Future neue Aufmerksamkeit erhalten haben. Aber auch in anderen Themenfeldern spielt die Bezugnahme auf die Rechte oder Interessen zukünftig lebender Menschen eine wichtige Rolle: in den Debatten über die Zukunft des Sozialstaats ebenso wie in Fragen der Staatsverschuldung, in der Bildungs- und Erziehungspolitik ebenso wie in sensiblen Fragen der Technikethik wie etwa der politischen Regulierung der Gentechnik oder den Folge- und Entsorgungsproblemen der Kernenergie. Dass politische Entscheidungen nicht allein die gegenwärtige Wählerschaft, sondern auch die Interessen nachfolgender Generationen einbeziehen müssen, ist zu einer Kernforderung gegenüber einer nachhaltigen Politik geworden.
Die Popularität dieser Deutungen ist erklärungsbedürftig. Schließlich wird der Demokratie seit Langem ein (zu) kurzer politischer Zeithorizont vorgeworfen, der im Zweifelsfall nicht über die laufende Legislaturperiode hinausreiche. In allgemeinerer Perspektive ist der (Post-)Moderne im Ganzen die Fähigkeit abgesprochen worden, noch einen überzeugenden Zukunftsbezug herstellen zu können.
Der folgende Beitrag untersucht die Entstehungskontexte und Traditionslinien dieses Deutungsmusters, um aktuellen Diskussionen auf diese Weise eine historische Tiefenschärfe zu verleihen. Im Rückgriff auf neuere Ansätze der Forschung werden Generationen als politische und soziale Konstrukte interpretiert, die Ausdruck zeitgenössischer Debatten und Selbstthematisierungen sind. Die Rede von "zukünftigen Generationen" verweist demnach nicht auf einen fest definierten Katalog an Rechten und Bedürfnissen, die sich in den politischen Diskurs integrieren ließen. Vielmehr spiegelt sich in den Debatten eine übergreifende Fragestellung, die auf den Zusammenhang von Zeit und demokratischer Partizipation verweist. Im Zentrum steht die Frage, wie Demokratien sinnvolle Formen der Repräsentation und Partizipation für zukünftige Mitglieder ihrer politischen Gemeinschaft erschaffen können.
Ansätze der Generationenforschung
Generationen spielen in den politischen Diskursen moderner Gesellschaften eine zentrale Rolle – sowohl als selbst proklamierte politische Akteure als auch als Objekt politischer Zuschreibungen und Erwartungen.
Klassische Konzepte der Generationenforschung bieten daher kaum Anknüpfungspunkte. Vor allem Karl Mannheims bis heute einflussreiche Interpretation
Auf die besondere Deutungsmacht solcher Erzählungen ist von vielen Seiten hingewiesen worden. Der Historiker Bernd Weisbrod hat von der "emphatischen Überdetermination" und "lebensweltlichen Evidenz" gesprochen, die Generationsreden in der Moderne auszeichneten.
Diese Interpretation von "Generation" als "gesellschaftlicher Selbstthematisierungsformel"
Historische Entwicklungslinien
Die Bezugnahme auf nachfolgende Generationen hat eine weit zurückreichende Tradition. Als Dynamisierungsfaktor des gesellschaftlichen Wandels hat sie ihren Ursprung vor allem in der Zeit der Aufklärung und der Französischen Revolution – der Zeit also, die auch als Ausgangspunkt eines modernen Verständnisses von Generationalität überhaupt identifiziert worden ist.
Ein Beispiel hierfür ist Immanuel Kant, der in seiner 1784 erschienenen "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" das Modell eines kontinuierlichen Fortschritts der Menschheit als Idealzustand der bürgerlichen Gesellschaft entwarf. Der Text formulierte ein geschichtsphilosophisches Problem, das denkbar weit von heutigen Diskursen der Zukunftsethik und der Generationengerechtigkeit entfernt ist. Statt sich mit der potenziellen Zerstörung der Lebensgrundlagen oder einem übermäßigen Ressourcenverbrauch auseinanderzusetzen, der nachkommenden Generationen nur noch eingeschränkte Entwicklungsmöglichkeiten lassen würde, beschäftigte Kant die Frage, wie es sich rechtfertigen lasse, dass nur die letzten Protagonisten der Generationenfolge den idealen Endzustand der bürgerlichen Gesellschaft erleben würden, während alle anderen Generationen hiervon ausgeschlossen blieben – dass also "die ältern Generationen nur scheinen um der späteren willen ihr mühseliges Geschäft zu treiben", während "nur die spätesten das Glück haben sollen, in dem Gebäude zu wohnen, woran eine lange Reihe ihrer Vorfahren (…) gearbeitet hatten".
Diese Vorstellung der Generationenfolge als Fortschrittsgeschichte blieb weit über die Epoche der Aufklärung hinaus einflussreich und gewann sogar noch in dem Maß an Bedeutung, in dem aus den geschichtsphilosophischen Theorien ein selbstverständlicher Deutungshorizont einer sich dynamisierenden industriellen Moderne wurde.
Nach 1945 waren viele – wenn auch bei Weitem nicht alle – dieser rassistischen und eugenischen Diskurse diskreditiert. Dennoch spielte ein generationell codierter Zukunftsbezug auch in der Nachkriegszeit eine wichtige Rolle, nun in erster Linie als Symbol des Neuanfangs im Kontext einer neuen, demokratischen oder sozialistischen Gesellschaft. Dies galt sowohl für die westlichen Demokratien als auch für die sozialistischen Nachkriegsgesellschaften und deren Vorstellungen eines neuen sozialistischen Menschen.
Diskurse der 1970er Jahre
In den 1970er Jahren erhielten die generationellen Zukunftsdiskurse eine neue Bedeutung. Mit Fragen der Umweltpolitik, Diskussionen über die Folgen neuer Technologien, sowie den Debatten über die Grenzen des Sozialstaates traten neue Themenfelder in den Vordergrund. Hiermit ging ein Bruch des Fortschrittsoptimismus der ersten Nachkriegsjahrzehnte einher, der zugleich eine strukturelle Verschiebung des Generationendiskurses einleitete: Geschichtsphilosophische Theorien und biologistische Diskurse verloren an Bedeutung und wurden durch Fragen nach individueller und kollektiver Verantwortung ersetzt. Dies war der Beginn der Diskurse über Begriffe wie "Zukunftsethik" und "Generationengerechtigkeit", die in den folgenden Jahrzehnten die Debatten zu dominieren begannen. Genau in diesem Kontext entstand auch die Rede von den "zukünftigen Generationen" als einer spezifischen Akteursgruppe, der man bestimmte Rechte, Interessen oder Bedürfnisse zuschreiben konnte.
Am deutlichsten lässt sich dieser Übergang an einem Autor exemplifizieren, der noch mit mindestens einem Bein in den Diskursen eines ungebrochenen Fortschrittsnarrativs stand. Im Jahr 1971 veröffentlichte der US-amerikanische Philosoph John Rawls seine Studie "A Theory of Justice", die als eines der einflussreichsten Werke der politischen Philosophie der Nachkriegszeit gelten kann. Rawls beschäftigte sich in dem Buch mit der Frage, wie sich eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen in einer Gesellschaft realisieren ließe.
Allerdings verlor diese Prämisse eines ungebrochenen Fortschrittsversprechens beinahe zeitgleich mit der Veröffentlichung des Buches an Überzeugungskraft. Mit der Umweltbewegung und der Veröffentlichung der Studie "Grenzen des Wachstums" 1972 durch den Club of Rome gerieten zentrale Pfeiler des westlichen Wachstumsmodells in die Kritik. Technologische Entwicklungen wurden nicht mehr unhinterfragt als Signum von Fortschritt gedeutet, sondern auf ihre zeitlich oft weit in die Zukunft weisenden Risiken und Folgeprobleme befragt. Und die beiden Ölkrisen und die hieran anschließenden Wirtschaftsreformen der 1970er Jahre markierten einen Einschnitt in das Modell expansiver Sozialstaatspolitik. Die Vorstellung, dass es den eigenen Kindern einmal besser gehen würde, verlor individuell und gesellschaftlich an Selbstverständlichkeit.
Diese Umbrüche der 1970er Jahre sind auf unterschiedliche Weise beschrieben worden – als Zeit "nach dem Boom", als "Ende der Zuversicht" oder "Age of Fracture".
Diese Diskussionen wurden auch in Deutschland aufgegriffen, waren hier jedoch zunächst stärker an technikkritischen Diskursformeln als an sozialpolitischen Verteilungsfragen ausgerichtet. Besonders einflussreich wurde der Philosoph Hans Jonas, der 1979 die Warnungen vor den Gefahren moderner Technik popularisierte und einen neuen kategorischen Imperativ formulierte, der das zukünftige Überleben der Menschheit ins Zentrum rückte.
Aus diesen Beispielen sollte man jedoch nicht ableiten, dass sich der Diskurs über "zukünftige Generationen" in den 1970er Jahren allein auf ökologische Fragen und die Folgeprobleme moderner Technologien fokussierte. Vielmehr zeigt sich in den konkreten politischen Verwendungsweisen, dass sich die Generationenmetapher beinahe universell für alle denkbaren Themenfelder und politischen Positionierungen einsetzen lässt. Schaut man beispielsweise auf die Verwendung des Begriffs im Deutschen Bundestag, dem britischen House of Commons und der französischen Assemblée Nationale, dann zeigt sich, dass Umweltthemen hier lange Zeit eher marginal blieben und die überwiegende Zahl der Beiträge auf Fragen der Wirtschaftspolitik, des Sozialstaats und des Schuldenabbaus gerichtet waren. Statt für ökologische Reformen wurde die Rhetorik der "zukünftigen Generationen" also nicht zuletzt dafür genutzt, um unter Verweis auf expandierende Staatsschulden und Sozialausgaben wirtschaftsliberale Reformen und einen Abbau des Sozialstaats zu legitimieren.
Die Fokussierung des Diskurses auf ökologische Zukunftsfragen war stattdessen in erster Linie ein Produkt der Debatten innerhalb der Vereinten Nationen, wo vor allem im Kontext des Berichts der Brundtland-Kommission 1987 das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung proklamiert wurde,
Doch selbst in diesem zeitlichen Kontext blieb der Begriff offen und ambivalent. In Deutschland zum Beispiel wurde das Konzept der "Generationengerechtigkeit" im selben Zeitraum zu jenem zentralen Schlagwort, mit dem auch die Sozialstaatsreformen der 1990er und 2000er Jahre diskutiert und legitimiert wurden.
Die Frage politischer Repräsentation
Es lässt sich also festhalten: Für "zukünftige Generationen" zu sprechen, bleibt bis in die Gegenwart hinein ein politisch hoch umstrittenes und inhaltlich maximal offenes Argument, das für völlig unterschiedliche politische Ziele und Anschauungen aktiviert werden kann. Dies zu konstatieren, bedeutet nicht, die Relevanz aktueller Bezugnahmen auf zukünftige Generationen zu relativieren. Im Gegenteil: Niemand kann beispielsweise ernsthaft die Tatsache zurückweisen, dass es sich bei der aktuellen Entwicklung hin zu einer irreversiblen Veränderung des Weltklimas um eine Frage handelt, die die vitalen Interessen und Rechte zukünftig lebender Menschen betrifft. Zu fragen ist eher, ob die Form der Kommunikation dieser Probleme als Generationenfrage politisch überzeugend und erfolgversprechend ist, und wie sich Fragen der Generationengerechtigkeit mit Fragen sozialer Gerechtigkeit so verbinden lassen, dass beide Aspekte nicht diskursiv gegeneinander ausgespielt werden.
Die Antwort hierauf ist zwiespältig. Die Ausführungen haben gezeigt, dass sich der Verweis auf nachfolgende Generationen nicht dazu eignet, um politische Kontroversen in anthropologische Wahrheiten aufzulösen. Welche Rechte und Interessen wir zukünftigen Menschen zuschreiben, und wer legitim im Namen einer bestimmten Generation sprechen darf, sind vielmehr selbst eminent politische Fragestellungen. Statt in direkter Weise die konkreten Interessen zukünftiger Generationen definieren zu wollen, erscheint es Erfolg versprechender, die Frage in den Mittelpunkt zu stellen, wie sich demokratische Formen der Repräsentation und Partizipation so erweitern lassen, dass sie die Frage nach den Interessen und Rechten zukünftiger Mitglieder einer politischen Gemeinschaft besser als bislang integrieren. Hierzu sind in den Politik- und Sozialwissenschaften zuletzt vielversprechende Konzepte entwickelt worden.
Keiner dieser Vorschläge kann die Tatsache überwinden, dass politische Entscheidungen im Namen von Akteuren getroffen werden sollen, die selbst nicht an diesen Entscheidungsprozessen mitwirken können. Dennoch kann eine Institutionalisierung solcher Formen der Repräsentation dazu beitragen, den Verweis auf zukünftige Generationen von einer universell einsetzbaren politischen Leerformel in ein Instrument einer stärkeren Zukunftsorientierung politischer Entscheidungen zu verwandeln.