Sie ist wieder da – die Inflationsangst. Im Zuge der Pandemie haben die Verbraucherpreise kräftig angezogen. Europaweit und auch in anderen wichtigen Volkswirtschaften wie den USA ist die Inflation in der zweiten Jahreshälfte 2021 deutlich gestiegen. Jetzt wird sie durch weitere Verunsicherungen angetrieben. Krieg zerstört, eine Geldwirtschaft ist aber auf stabile Rahmenbedingungen angewiesen. Instabilität bedeutet oftmals Angst, auch Inflationsangst.
Was wird gemessen?
Die Inflation wird in Deutschland vom Statistischen Bundesamt berechnet. Es geht dabei um die Verbraucherpreisentwicklung. Zu deren Messung wird ein Warenkorb konstruiert, in den 650 verschiedene Waren eingehen. Die einzelnen Güter werden gewichtet, sodass ihre jeweilige Preisentwicklung immer nur zu einem kleinen Teil in die Berechnung des Gesamtindex eingeht. Die Werte der so berechneten Indizes können dann über die Zeit verglichen werden, so kann die Situation 2021 leicht der Situation im Jahre 2020 gegenübergestellt werden.
Steigt der Verbraucherpreisindex über einen längeren Zeitraum um mehr als 2 Prozent, wird dies Inflation genannt. Im Januar 2022 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 4,9 Prozent.
Die Inflation in der gesamten Eurozone betrug im Januar 2022 5,1 Prozent
Inflation und Geldwertstabilität
Geld ist systemisch relevant. Über das Geld sind wir alle verbunden. Das Wirtschaftsleben funktioniert auf der Grundlage von Geldtransaktionen. Wir kommunizieren unsere ökonomischen Entscheidungen auf der Grundlage der geldwirtschaftlichen Infrastruktur.
Die Inflationsrate wird als Maßstab für die Geldwertstabilität betrachtet. In der Wirtschaftswissenschaft wird eine zweiprozentige Steigerung der Verbraucherpreise gewissermaßen als Puffer verstanden, den die Wirtschaft zum "Atmen "braucht. Erst das dauerhafte Überschreiten dieser "magischen" Zwei-Prozent-Marke wird als Problem betrachtet.
Bei alledem werden in der Inflationsdiskussion nur die Verbraucherpreise betrachtet. Die jahrelange Steigerung etwa der Immobilienpreise, des Goldpreises, von Aktienkursen und anderer Vermögenswerte wird nicht als Inflation betrachtet. Erst, wenn sich die Preisdynamik etwa für Immobilien auf dem Wohnungsmarkt in Form von Mietpreissteigerungen spiegelt, wird daraus Inflation im eigentlichen Sinne. Folglich können Preissteigerungen für Vermögen als Frühwarnindikator für eine zukünftige dynamische Verbraucherpreisentwicklung verstanden werden.
Aus Sicht der Verbraucher:innen bedeutet Inflation, dass mit gegebenem Einkommen weniger konsumiert werden kann. Das ist einem Kaufkraftverlust gleichzusetzen. Daher wird vielfach zwischen nominalen und realen Werten unterschieden. Ein vereinfachendes Beispiel zeigt: Bei einem Nominallohn von 1000 Euro und einer jährlichen Inflation von 5 Prozent wären nach einem Jahr 1050 Euro notwendig, um die Kaufkraft – und damit das Realeinkommen – konstant zu halten.
Hyperinflation?
In den 1920er Jahren kam es zu einer Hyperinflation, die gerade in Deutschland ein Trauma im kollektiven Gedächtnis hinterließ. Später trat das Phänomen der Hyperinflation auch im Zuge der Transformation vormals sozialistischer Volkswirtschaften auf, so etwa in den Ländern der zerfallenden Sowjetunion. Auch sogenannte emerging economies, beispielsweise in Schwellenländern, können teilweise auf Episoden der Hyperinflation zurückblicken.
Mit einer Hyperinflation geht in der Regel eine vollständige Destabilisierung der Gesamtwirtschaft einher. In der Wirtschaftswissenschaft wird eine Hyperinflation als Teuerung von 50 Prozent pro Monat definiert.
Standardtheorien versagen
Auch wenn die Inflation in einzelnen Monaten höher ausfiel, sind die durchschnittlichen auf das Jahr 2021 berechneten Werte nicht beunruhigend. Die in der Eurozone gemessene Inflation betrug 2,6 Prozent, die in der EU 2,9 Prozent. Indes fällt auf, dass sich das Jahr 2021 in zwei Phasen teilen lässt. In den ersten Monaten des Jahres 2021 verlief die Preisentwicklung moderat. In der zweiten Jahreshälfte jedoch setzte ein beschleunigter Preisauftrieb ein, der 2022 weiter anhält.
Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ist seit Jahren expansiv ausgerichtet.
In der monetaristischen Theorie wird die Geldmengenausweitung im Kern als ursächlich für die aktuelle Preisentwicklung verstanden. Doch eine solche Argumentation greift zu kurz. Denn die lockere Geldpolitik gibt es schon länger; sie hat über einen langen Zeitraum keineswegs inflationstreibend gewirkt. Auch die Ausweitung des EZB-Anleihekaufs kann kaum als zentrale Ursache gesehen werden. Sie geht zwar mit einem immensen Aufbau von Geldvermögen der privaten Haushalte einher. Doch ist vielfach keine Nachfrage nach Gütern entstanden, sondern es wurde gespart.
Die aktuelle Situation ist durch starke Verunsicherung geprägt; Verunsicherung ist eine Inflationstreiberin. Krieg bringt Leid und ist zerstörerisch – ökonomisch ist Krieg destruktiver Unsinn. Mit dem Krieg in Europa werden Knappheiten geschaffen, die die Lage weiter verschärfen. Zudem werden nicht nur Lieferketten in Frage gestellt, sondern auch die Rahmenbedingungen einer Geldwirtschaft einem Stresstest unterzogen. Eine funktionierende Geldwirtschaft ist auf Frieden angewiesen.
All das liegt freilich nicht in der Hand der EZB. Bei einer Analyse der Inflationsfaktoren helfen die auf Liquiditätsnachfrage und Geldangebot gerichteten traditionellen geldpolitischen Modelle kaum weiter.
Kerninflation
Wo die Standardtheorie hingegen richtig liegt: Das Inflationsgeschehen wird vor allem durch Erwartungen geprägt. Aktuell scheinen diese Inflationserwartungen weltweit groß zu sein; folglich werden sich auf den Märkten leicht Preissteigerungen durchsetzen lassen. Gerade die Preise für Energie, Rohstoffe und Nahrungsmittel schwanken erfahrungsgemäß. Diese teilweise erhebliche Volatilität soll definitionsgemäß nicht in der Zielinflationsrate der Zentralbank berücksichtigt werden. Daher wird auf das Konzept der sogenannten Kerninflationsrate zurückgegriffen, um zwischen kurzfristigen und langfristigen Preiseffekten zu unterscheiden. Folglich ist die Kerninflation der zentrale Indikator für die Geldwertstabilität. Die Europäische Zentralbank orientiert sich bei ihrem grundsätzlichen Anspruch, den Geldwert zu sichern, genau an diesem Indikator. Die Kerninflation lag im Euro-Raum im Januar 2022 bei 2,3 Prozent, in Deutschland bei 2,9 Prozent, jeweils gegenüber dem Vorjahreswert. Die jeweiligen Werte der Verbraucherpreisentwicklung fielen deutlich höher aus. Zum Vergleich: Die Kerninflation in den USA lag zum gleichen Zeitpunkt bei 6 Prozent – das ist eine ganz andere Dimension. Die Betrachtung der Kerninflationsrate in der Eurozone dagegen zeigt, dass die EZB gar nicht so weit von ihrem geldpolitischen Zwei-Prozent-Ziel entfernt ist.
Dennoch ist im März 2022 das Sonderaufkaufprogramm PEPP ausgelaufen. Auch eine leichte Zinswende wird diskutiert. Die Zeiten des sehr billigen Geldes sind offenbar erst einmal vorbei. Aber wird damit das Problem im Kern gelöst? Wird diese Inflation angesichts von mehreren Sonderfaktoren mit Geldpolitik zu bekämpfen sein?
Lieferengpässe
(© Statista)
(© Statista)
Mit der Globalisierung steigt die Abhängigkeit und Vulnerabilität von Volkswirtschaften, was im Zuge der Pandemie deutlich geworden ist. Der teilweise Zusammenbruch von internationalen Lieferketten ließ Engpässe auf vielen Gebrauchsgütermärkten und bei ihren Vorprodukten entstehen. Internationale Lieferengpässe konnten nicht einfach durch eine Produktionsverlagerung in EU-Länder kompensiert werden. Vielmehr war gerade in den kurzen Phasen der gesamtwirtschaftlichen Erholung 2021 eine hohe private Nachfrage zu spüren, der kurzfristig kein entsprechendes Angebot gegenüberstand. Preissteigerungen und Preisanpassungen sind in solchen Fällen die übliche Marktreaktion. Bei weiteren Erschütterungen der weltwirtschaftlichen Lieferkettensituation ist daher davon auszugehen, dass diese Art der Preissteigerungen zukünftig an Bedeutung gewinnt, während sie beim Gegenteil, nämlich der Normalisierung der Lieferketten, an Bedeutung verlieren würde.
Energiepreise
Verschärfend kam in der zweiten Jahreshälfte 2021 hinzu, dass weltweit die Energiepreise kräftig gestiegen sind. Dieser Preisauftrieb setzt sich offenbar auch 2022 weiter fort. Dabei schlugen sowohl die steigenden Strom- und Gaspreise als auch die dynamischen Kraftstoffpreise zu Buche. Bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex erreichen die Energiepreise ein Gewicht von mehr als 10 Prozent. Bei der Berechnung der Kerninflation werden dagegen die Preisbewegungen auf dem Energiemarkt vernachlässigt.
In der Rückblende zeigt sich, dass mit der Pandemie und dem weltweiten gesamtwirtschaftlichen Einbruch der Ölpreis einbrach. Wenn also jetzt die Ölpreise anziehen, so ist das zunächst eine verständliche Gegenbewegung, die auch auf die gesamtwirtschaftliche Erholung zurückgeht. Ein Barrel Öl kostete im Februar 2022 über 90 US-Dollar (gegenüber knapp 60 Dollar im Vorjahresmonat). In der langfristigen Betrachtung zeigt sich, dass der aktuelle Preis noch deutlich unter den Spitzenwerten einzelner Monate des Jahres 2007 liegt. Dennoch ist der Preisauftrieb klar zu erkennen. Angesichts des russischen Einmarschs in die Ukraine dürfte auf den Energiemärkten jede weitere Verunsicherung eher zu einem Preisschub führen.
Der Preisauftrieb auf dem Energiemarkt ist aber auch durch die vermachteten Angebotsstrukturen geprägt. Die fossilen Energieträger werden von wenigen Anbietern bereitgestellt. Das Ausweichen auf erneuerbare Energien ist kurzfristig nicht möglich. Der schon aus klimapolitischen Gründen notwendige Strukturwandel des Energiesektors wurde über einen langen Zeitraum fahrlässig vernachlässigt. Wenn jetzt die Anbieter fossiler Energieträger, die eine große Marktmacht auf den entsprechenden Märkten innehaben, Preissetzungsspielräume nutzen, so ist dies ein leicht zu durchschauendes Spiel. Möglicherweise ist dies ein letztes Aufflackern der fossilen Industrie, die bei einer weltweiten Energiewende vor den Herausforderungen einer großen Desinvestitionswelle steht.
Die hohen Preise für fossile Energien lassen die relativen Preise für erneuerbare Energien sinken; in einem solchen Gefüge werden Investitionen in erneuerbare Energien attraktiver. Es ist dringend geboten, hier offensiv vorzugehen.
Greenflation
Neuerdings gibt es auch eine Diskussion um die Effekte einer sogenannten green inflation – kurz Greenflation. Der Begriff der Greenflation ist nicht nur umstritten, sondern erscheint auch eher als eine populistische Wortwahl. Im Kern wird darunter eine Preiserhöhung verstanden, die beispielsweise auf die Bepreisung von CO2 zurückgeführt werden kann. In der Vergangenheit waren für Umweltbelastungen kaum Kosten bei deren Verursachern angefallen. Das ändert sich gerade deutlich, wenn es um CO2 geht. Mittels unterschiedlicher Mechanismen wird hier neuerdings eine nennenswerte Korrektur der fehlgeleiteten Marktpreise durchgesetzt. Gewissermaßen wird die Umweltzerstörung durch den neuen Preismechanismus (CO2-Steuer und Emissionshandel) zumindest teilweise berücksichtigt.
Die Klimaziele der Europäischen Union geben der CO2-Bepreisung einen neuen Rahmen. Anders ausgedrückt: Wenn die Klimaziele der Europäischen Union auch nur annähernd erreicht werden sollen, dann ist eine solche Bepreisung unumgänglich. Und weiter noch, die CO2-Preise müssen sogar zukünftig noch deutlich steigen, damit Impulse für einen Umstieg auf erneuerbare Energien, der in vielen Fällen erhebliche Investitionen voraussetzt, entsprechend verstärkt werden. Dies muss auch dann gelten, wenn der Marktpreis für fossile Energien sinkt.
Daher gibt es auch gute Argumente für einen Preispfad bei fossilen Energien zur Schärfung des Instrumentenkastens.
Nahrungsmittel
Nicht nur die Preise für Energie steigen, sondern auch die für Nahrungsmittel: Sie legten um 4,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu (ohne alkoholische Getränke). Die Preisentwicklung dieser Produkte verlief also parallel zur allgemeinen Teuerungsrate.
Im europäischen Vergleich waren die Nahrungsmittelpreise in Deutschland über Jahre hinweg besonders niedrig. Wenn sie nun kräftig anziehen, dann hat dies einerseits mit einer hohen Nachfrage zu tun. Andererseits gibt es angebotsseitig Restriktionen, die etwa auf schlechte Ernten, Lieferkettenprobleme oder die Kriegsereignisse zurückgehen. Vergessen scheint, dass über Jahre die geringen Nahrungsmittelpreise in Deutschland als ein gesamtgesellschaftlicher Makel diskutiert wurden. Im Zuge der aktuellen Entwicklung haben jetzt Akteuer:innen entlang der Lieferkette die Chance, ein mark-up pricing, also einen Preisaufschlag zu realisieren – auch um ihre Profite zu erhöhen.
Inflation und Profit
In der Pandemie ist die Produktion teilweise eingebrochen; die Gesamtwirtschaft erholt sich nur langsam. Viele Unternehmen melden trotzdem hohe Profite. Wie geht das zusammen? Hier dürfte der Preismechanismus eine wichtige Stellschraube sein. Denn höhere Preise führen zu höheren Umsätzen – aktuell lassen sich die höheren Preise gegenüber den Verbraucher:innen relativ gut mit gestiegenen Kosten begründen. Ob die Kosten tatsächlich in dem Maße gestiegen sind, wie es die Preise aktuell anzeigen, ist indes schwierig nachzuprüfen.
Während die so zu verstehende Profit-Preis-Spirale kaum analysiert wird, geht es in der öffentlichen Diskussion bereits wieder um die sogenannte Lohn-Preis-Spirale. Denn Löhne sind aus der Perspektive von Unternehmen erst einmal Kosten, und Kosten werden gern an die Verbraucher:innen abgewälzt. Doch bei der aktuellen Inflation ist klar erkennbar, dass die Lohnsteigerungen hinter den Tarifabschlüssen herhinken. Damit sinkt die Kaufkraft vieler Menschen. Ein Inflationsdruck durch über der Inflationsrate liegende Tarifabschlüsse lässt sich in Deutschland derzeit nicht beobachten. Damit fällt die Idee einer Lohn-Preis-Spirale als Argument in der Diskussion um die Inflationsursachen weitgehend aus. Vielmehr zeichnet sich ab, dass die Preisentwicklung der Lohnentwicklung davonläuft.
Erholung nach der Krise
In der Krise sind die Einkommen durch die zahlreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen längst nicht so stark wie die Produktion eingebrochen. Vielmehr war die Nachfrage nach vielen Produkten schon bedingt durch die jeweiligen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung stärker rückläufig als die Einkommen. Dies spiegelt sich in Deutschland in einer deutlich gestiegenen Sparquote. Die Vermögen haben kräftig zugelegt. Wenn in der Folgezeit diese Ersparnisse in Nachfrage gewandelt werden, kann leicht ein Preisdruck entstehen.
Nicht zuletzt angesichts des beobachtbaren Aufwärtstrends bei den Erzeugerpreisen ist tatsächlich davon auszugehen, dass die Teuerungstendenz in der nahen Zukunft, wenn die gesamtwirtschaftliche Erholung auch in Deutschland an Fahrt gewinnt, zunächst aufrechterhalten bleibt. Steigende Preise sind in Aufschwung und Boom einer Marktwirtschaft jedoch normal und kein Grund zur Besorgnis.
Wer gewinnt, wer verliert?
In der Debatte wird oft vergessen: Inflation erzeugt Gewinner:innen und Verlierer:innen. Es gewinnen beispielsweise all diejenigen, die zu einem relativ günstigen Zins einen Kredit aufgenommen hatten. Mit der Inflation verringern sich die nominalen Schulden nicht. Die realen Schulden jedoch werden kräftig reduziert. Aber nicht nur die geschuldete Gesamtsumme fällt unter diesen Inflationseffekt. Auch die Zinszahlungen sind betroffen. In Deutschland werden beispielsweise viele Kreditverträge zu festen nominalen Zinsen vereinbart. Vereinfachend kann gesagt werden: Der Nominalzins abzüglich der Inflationsrate entspricht dem Realzins. Je höher die Inflation, desto geringer ist daher die reale Zinsbelastung. Die gilt auch für diejenigen, die günstige Wohnungsbaukredite aufgenommen haben. Schulden lohnen sich in Zeiten der Inflation.
Große Schuldner sind weltweit vor allem die öffentlichen Haushalte, aber auch Unternehmen. Diese werden also bei der Rückzahlung von Krediten, aber auch bei den Zinszahlungen teilweise kräftig real entlastet. Gleichzeitig werden all diejenigen real belastet, die sich in einer Gläubigerposition befinden. Inflation bedeutet demnach eine Umverteilung von Gläubiger:innen zu Schuldner:innen – wohlgemerkt gerechnet in realen Einheiten. Dieses Spiel zwischen Schuldner:innen und Gläubiger:innen ist typisch für eine Kreditwirtschaft. Es lässt die relativ schwache Position der Gläubiger:innen in diesem System erkennen.
Inflation bedeutet aber auch Umverteilung; die Kaufkraft der Verbraucher:innen sinkt tendenziell. In einer inflationären Situation zählen all diejenigen zu den Verlierer:innen, die Geldbestände halten. Verlierer:innen werden auch leicht diejenigen, die auf Zahlungen angewiesen sind, die nicht automatisch an die Inflationsentwicklung angepasst werden, also etwa Hartz-IV-Empfänger:innen.
Typisch ist, dass gerade die privaten Haushalte von den mit der Inflation verbundenen Kostensteigerungen besonders hart betroffen sind. Allerdings trifft die Inflation die einzelnen privaten Haushalte mit unterschiedlicher Wucht. Das liegt zum einen an Unterschieden in den grundlegenden Konsumentscheidungen und -gewohnheiten. Zum anderen spielt auch die Einkommenssituation eine große Rolle. Beide – Konsumgewohnheiten und Einkommenssituation – sind nicht unabhängig voneinander.
In der längeren Frist sind es nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gerade die ärmeren Haushalte, deren Lebenshaltungskosten seit 1995 besonders stark gestiegen sind. Die Lebenshaltungskosten der einkommensstärksten Haushalte dagegen haben sich mit einer deutlich geringeren Dynamik entwickelt.
Bezogen auf die kurzfristige Inflationsentwicklung im Dezember 2021 hat das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) unterschiedliche haushaltsspezifische Teuerungsraten ausgerechnet. Dabei wurde die Preisentwicklung für den jeweils haushaltstypischen Warenkorb nachgezeichnet. Der Warenkorb etwa für einen Single-Haushalt unterscheidet sich von dem eines Familienhaushalts. Zentrales Ergebnis: Kein Haushaltstyp konnte der Teuerung entkommen; in allen Gruppen liegt das Ergebnis über der Zwei-Prozent-Marke.
Besonders betroffen von der Teuerung im Dezember 2021 waren dabei Familien mit mittlerem Einkommen. Die energiepreisgetriebene Inflation ist ein Mittelstandsproblem und führt hier zu einem unerwarteten Wohlstandsverlust. Das IMK kommt zu dem Resultat, dass Single-Haushalte mit einem geringen Einkommen unterdurchschnittlich von der Teuerung betroffen waren. Dies ist ein bemerkenswertes Ergebnis und geht auf die unterstellten spezifischen Konsumgewohnheiten zurück. Kurzum: Wo kein Geld ist, kann auch nichts Teureres konsumiert werden. Dieser Konsumverzicht kann nicht einer freiwilligen Konsumentscheidung gleichgesetzt werden, sondern geht offenbar auf die harte Budgetrestriktion zurück, der sich diese Gruppe ausgesetzt sieht.
Was tun?
Die aktuelle Inflationsentwicklung in Deutschland und in der Eurozone hat nur wenig mit der geldpolitischen Grundstimmung zu tun.
Klar ist aber auch, dass die Inflation für viele Menschen Armut bedeutet. Ohnehin ist die Vermögensungleichheit in Deutschland stark ausgeprägt. Vor diesem Hintergrund ist der Staat gefragt, gerade die Haushalte zu entlasten, die durch Energiepreise weiter prekarisiert werden.
In einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union werden unterschiedliche staatliche Entlastungsmaßnahmen diskutiert. Dazu gehören nicht nur zusätzliche oder höhere Transferzahlungen, sondern auch Preisobergrenzen und die Senkung der Mehrwertsteuersätze.
Der Staat ist als Regulierer gefragt. Aber er ist auch gefragt, weil er ein großer Profiteur der Inflation ist. Während Staat und Unternehmen als große Schuldner eine Gewinnerposition im Inflationskampf einnehmen, sind diejenigen unter den privaten Haushalten besonders getroffen, deren reales Einkommen und Vermögen inflationsbedingt kräftig sinkt. Dieser Druck auf die Realeinkommen ist bis in die Mittelschicht zu spüren. Es muss alles dafür getan werden, dass Inflation nicht mit einer Verschärfung der Armut einhergeht.