Seit es Menschen gibt, bewegen sie sich aus sozialen, wirtschaftlichen, ökologischen, politischen oder anderen Gründen innerhalb ihrer Region oder auch über deren Grenzen hinweg. Migration ist also keineswegs neu oder auf die aktuelle Zeit begrenzt, sondern im Gegenteil in der Menschheitsgeschichte eher die Regel als eine Ausnahme und somit ein integraler Bestandteil menschlichen Lebens. Seit der Entstehung des Nationalstaats und der Verstetigung der Drei-Elemente-Lehre, also dem Verständnis eines Staates als bestehend aus Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt, müssen migrierende Menschen allerdings nicht mehr nur geo- und topografische Hürden, sondern auch nationalstaatliche Grenzen überwinden.
2020 lebten etwa 281 Millionen Menschen weltweit in einem anderen Land als dem, in dem sie geboren wurden, also etwa 3,6 Prozent der Weltbevölkerung. Die meisten von ihnen haben ihr Heimatland aus Gründen verlassen, die mit ihrer Arbeit, Familie oder Ausbildung zu tun haben. Doch nicht alle Migrationsbewegungen sind freiwillig, geordnet, regulär oder gar sicher. Laut Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) sind etwa 117,3 Millionen Menschen auf der Flucht. Darunter gelten 37,6 Millionen Menschen als Flüchtlinge, 6,9 Millionen Menschen als asylsuchend, 5,8 Millionen Menschen als schutzbedürftig und 68,3 Millionen Menschen als Binnenvertriebene (internally displaced persons).
Die Zahlen solcher Fluchtbewegungen sind seit 2011 massiv gestiegen, machen aber immer noch einen geringen Anteil der Weltbevölkerung aus. Deren absolute Mehrheit bleibt ihr Leben lang in ihrem Geburtsland, und wer sich bewegt, tut dies viel eher innerhalb dieses Landes, als internationale Grenzen zu überwinden. Das liegt auch daran, dass Flucht und Migration sehr teure und unsichere Unterfangen sind. Nicht jede*r hat die notwendigen Ressourcen, Beziehungen und Fähigkeiten, um zu gehen, selbst dann, wenn es aufgrund sich verschlechternder Lebensumstände oder schnell eintretender Katastrophen eigentlich angezeigt wäre. Es gilt deshalb auch Immobilität zu berücksichtigen, die ebenso wie Migration freiwillig oder erzwungen sein kann.
Wer geht warum wohin?
Aktuell bewegen sich mehr Männer als Frauen über internationale Grenzen hinweg. Seit dem Jahr 2000 nimmt die Zahl der Migrantinnen ab, während die Zahl der Migranten um 1,3 Prozentpunkte gestiegen ist.
Wer wohin reisen und wie lange bleiben kann, ist stark abhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit. Der Zugang zu Visa ist gleichzeitig abhängig von der Stellung des jeweiligen Landes in und seinen Beziehungen zu der internationalen Staatengemeinschaft und gibt Hinweise darauf, als wie stabil, sicher und wohlhabend ein Staat gilt. Staatsangehörige aus Ländern mit einem sehr hohen Entwicklungsstand können in rund 85 Prozent aller anderen Länder weltweit visumfrei einreisen; diese Länder sind auch zentrale Zielländer von Migration. Die Visabeschränkungen für Staatsangehörige aus Ländern mit niedrigem Entwicklungsniveau zeigen dagegen, dass reguläre Migrationswege kaum vorhanden und problematisch sind. Daher müssen die Menschen irreguläre Wege nutzen, um Schutz zu suchen. Dies verweist auf deutliche postkoloniale Asymmetrien, denn der hohe Entwicklungsstand westlicher Staaten sowie die Möglichkeit ihrer Staatsangehörigen, visumfrei zu reisen, ist in historisch gewachsenen Machtverhältnissen und internationalen Beziehungen begründet. Visumbegrenzungen müssen also als neokoloniale Strukturen verstanden werden, die viele Menschen nach wie vor benachteiligen.
Insgesamt beherbergten Europa und Asien 2020 jeweils rund 87 beziehungsweise 86 Millionen internationale Migrant*innen, und damit 61 Prozent der Gesamtzahl weltweit. In Nordamerika lebten 2020 fast 59 Millionen oder 21 Prozent, in Afrika 9 Prozent, in Lateinamerika und der Karibik 5 Prozent und in Ozeanien 3 Prozent der internationalen Migrant*innen. Im Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerungszahl war ihr Anteil 2020 in Ozeanien, Nordamerika und Europa am höchsten; hier machten internationale Migrant*innen 22, 16 beziehungsweise 12 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. In Asien und Afrika ist ihr Anteil mit 1,8 beziehungsweise 1,9 Prozent ebenso wie in Lateinamerika und der Karibik mit 2,3 Prozent relativ gering. Der Zuwachs an internationalen Migrant*innen war zwischen 2000 und 2020 in Asien mit 74 Prozent oder rund 37 Millionen Menschen am größten, gefolgt von Europa mit einem Plus von 30 Millionen, Nordamerika mit 18 Millionen und Afrika mit 10 Millionen Zuwanderern.
Doch mit Blick auf Flucht zeigen sich Verlagerungen. Die absolute Mehrheit der Binnenvertriebenen hält sich in Ländern Afrikas, Asiens und Ozeaniens sowie Zentral- und Südamerikas auf. Unter Flüchtlingen befanden sich 2023 75 Prozent in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen und 21 Prozent in den sogenannten am wenigsten entwickelten Ländern. 69 Prozent fliehen innerhalb ihrer Herkunftsregionen und halten sich folglich in benachbarten Staaten auf. 73 Prozent aller Flüchtlinge mussten aus fünf Ländern fliehen: Afghanistan, Syrien, Venezuela, der Ukraine und dem Sudan.
Die meisten Menschen migrieren aus sozialen, Bildungs- oder Arbeitsgründen. Doch eine wachsende Zahl von Menschen verlässt ihre Herkunftsorte aufgrund von politischer Verfolgung, genderbasierter Diskriminierung, Gewalt (von Kriminalität bis zu kriegerischen Auseinandersetzungen), Perspektivlosigkeit, wirtschaftlichen und Umweltkrisen oder Naturkatastrophen. In der Regel fliehen Menschen aus ihrem Herkunftsland, um Sicherheit zu finden. Ihre Sicherheit auf und nach der Flucht ist aber oft weiter bedroht.
Was bedeutet Sicherheit also in diesem Zusammenhang? Wer oder was soll vor wem oder was geschützt werden? Sicherheit kann als Abwesenheit von physischer, psychischer und struktureller Gewalt verstanden werden. In aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten, besonders in Deutschland und anderen europäischen Staaten, wird Migration häufig als „Sicherheitsproblem“ für den aufnehmenden Staat und seine Bevölkerung gerahmt. Der Fokus dieses staatszentrierten Sicherheitsverständnisses liegt auf dem Schutz von Staatsvolk, Staatsgebiet und Staatsgewalt. Zusätzlich werden oft imaginierte „Kulturnationen“ als schützenswert angesehen. Flucht und Migration werden weitgehend als Bedrohung dieser nationalen Kultur und Gesellschaft dargestellt, vor allem von rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Parteien. Dabei wird allerdings die Sicherheit der Zuwandernden vernachlässigt. Diese kann im Konzept der menschlichen Sicherheit erfasst werden, das sich aber nicht nur auf Migrant*innen, sondern auf alle Menschen unabhängig von Merkmalen wie Staatsangehörigkeit, Geschlecht oder Hautfarbe bezieht. Folglich haben alle Menschen Anspruch auf Sicherheit und Schutz. Dieses Verständnis eröffnet den Blick auf soziale Ungerechtigkeiten und Fluchtgründe. Mit Fokus auf menschliche Sicherheit kann Migration als Flucht vor Gewalt, als gewaltvoller Prozess an sich sowie als Weg in die Gewalt betrachtet werden.
Auf Migration als Flucht vor Gewalt zu blicken, erfasst Migrationsgründe und Entscheidungsprozesse. Um gewaltbedingte Migration zu verstehen, muss analysiert werden, welchen Formen von Gewalt Menschen ausgesetzt sind und welche staatlichen und nichtstaatlichen Akteure Gewalt ausüben und somit Flucht und Migration verursachen. Weltweit tragen insbesondere bewaffnete Konflikte, Verfolgung und sozioökonomische Perspektivlosigkeit dazu bei, dass Menschen ihre Herkunftsorte verlassen. Doch diese Probleme können auch Immobilität auslösen, also dass Menschen aufgrund extremer Gewalt oder fehlender Mittel nicht in der Lage sind, zu fliehen. Diese trapped populations sind besonders gefährdet. Zudem wirken solche Gewaltformen wie auch Immobilität nicht im gleichen Maße auf alle Menschen, sondern es bestehen intersektionale Unterschiede. Sexuelle und geschlechterbasierte Gewalt wie Vergewaltigung, Verfolgung von LGBTQ+-Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität sowie Zwangsrekrutierung in bewaffnete Gruppen betreffen zum Beispiel Menschen mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten unterschiedlich stark.
Die Betrachtung von Migration als gewaltvollen Prozess zeigt, dass das Verlassen eines Landes, in dem das eigene Leben bedroht ist oder Zukunftsperspektiven fehlen, nicht automatisch einen Zugewinn an Sicherheit bedeutet. Der Migrationsprozess selbst kann von Gewalt geprägt sein, etwa bei der gefährlichen Überquerung des Mittelmeers oder wenn Flüchtende mit Menschenhändlern zusammenarbeiten müssen. Zudem stellen sich Fragen nach der Rolle von Grenzregimen und Gewalterfahrungen während der Migration. Durch Migration können gewaltsame Strukturen und Prozesse auch verstärkt oder instrumentalisiert werden. So hat die Gleichzeitigkeit der Flucht vieler Menschen über das Mittelmeer und terroristischer Anschläge in Europa fremdenfeindliche, islamophobe und rassistische Positionen verstärkt. Die Angst vor Terrorismus wird oft genutzt, um vor allem männliche nichtweiße Migranten zu kriminalisieren und strengere EU-Einwanderungspolitiken zu fordern. Die Sicht auf Migration als gewaltvollen Prozess erfasst schließlich, dass aufgrund der internationalen Rechtslage manche Fluchtgründe und Schutzsuchende als illegitim gelabelt werden. Menschen, die etwa aus extremer Armut fliehen, oft infolge globaler Phänomene wie Klimawandel oder postkolonialer Ungleichheiten, werden in Europa meist als „illegal“ oder „irregulär“ dargestellt. Sie unterscheiden sich in diesem Verständnis von jenen, die durch die Genfer Flüchtlingskonvention geschützt sind, obwohl beide Gruppen um ihr Überleben kämpfen. Diese juristische Einordnung beeinflusst direkt den Zugang zu Bleiberechten, Bildung sowie Arbeits- und Wohnmöglichkeiten.
Migration als Weg in die Gewalt aufzufassen, macht den Blick frei darauf, dass auf Migrationsrouten und an Ankunftsorten unsichere politische Ordnungen und Gewalt entstehen können, sowohl zwischen Schutzakteur*innen und Migrant*innen als auch unter Migrant*innen. Machtstrukturen in Flüchtlingslagern werden von der sozialen Zusammensetzung der Bewohner*innen geprägt und so bestehende Ungleichheiten verstärkt. Seit Jahren legen Studien dar, dass Unsicherheit auch hier geschlechterspezifisch auftritt. Insbesondere in Räumen wie Aufnahmelagern, die eigentlich zum Schutz von Menschen etabliert werden, ist Gewalt verbreitet. Grundbedürfnisse werden dort zwar erfüllt, aber fundamentale Rechte wie Bewegungsfreiheit gehen verloren. Zudem sind geschlechterbasierte Diskriminierung, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Ausbeutung (auch survival sex), Zwangsrekrutierung und Menschenhandel weit verbreitet. Diese Gewalt wird auch von Verwaltungspersonal verübt, das eigentlich Sicherheit gewährleisten soll.
Rechtliche und politische Antworten
Global existieren klare rechtliche und politische Vorgaben zum Umgang mit Flucht und Migration. Dazu zählen das Internationale Übereinkommen zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen von 1990, die UN-Leitlinien zu Binnenvertreibung von 1998 und zentral das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951 – die sogenannte Genfer Flüchtlingskonvention – mit dem Protokoll von 1967. Daneben existieren regionale rechtliche Vereinbarungen wie die Konvention der Afrikanischen Union zur Regelung der Probleme von Flüchtlingen in Afrika von 1969 und das Gemeinsame Europäische Asylsystem, das sich aus mehreren Richtlinien zusammensetzt. Sie werden ergänzt durch Vereinbarungen wie den Globalen Pakten für Migration und Flüchtlinge.
Diese völker- und regionalrechtlichen Abkommen wurden von Staaten innerhalb internationaler Organisationen verhandelt – bei den genannten Beispielen in den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union oder der Europäischen Union. Als Teil des Prozesses wurden auch Agenturen gegründet und mit spezifischen Aufgaben beauftragt. Die Vereinten Nationen haben etwa das Flüchtlingshilfswerk UNHCR 1950 ins Leben gerufen und mit dem Schutz von und der Lösungssuche für Flüchtlinge weltweit mandatiert. Daneben haben sie 1949 das Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) geschaffen. Die Europäische Union hat mehrere Agenturen etabliert, unter anderem die Europäische Asylunterstützungsagentur (EASO), die EU-Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der europäischen Asylpolitik unterstützen soll, die Europäische Grenz- und Küstenwache (Frontex), die für die Überwachung und Sicherung der EU-Außengrenzen verantwortlich ist, das Europäische Migrationsnetzwerk (EMN), das Informationen über Migration und Asyl in der EU sammeln soll, und den Europäischen Unterstützungsfonds für Asyl, Migration und Integration (AMIF), der Mitgliedstaaten bei der Bewältigung von Herausforderungen im Bereich Migration unterstützen soll. Hier wird deutlich, dass diese Organisationen in der EU nicht primär für den Schutz von Migrant*innen und Geflüchteten zuständig sind, sondern vielmehr für die Kontrolle von Migration.
Einige Länder der Welt haben Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention mit dem Protokoll nach wie vor nicht unterzeichnet und haben keine oder nur unzureichende nationale Asylpolitiken. Trotzdem verfügen viele dieser Staaten über Einwanderungspolitiken. In manchen Fällen kann das Fehlen einer Gesetzgebung auch eine bewusste Entscheidung sein, die von einigen Wissenschaftler*innen als „Politik der Nicht-Politik“ oder „strategische Gleichgültigkeit“ bezeichnet wird.
Staaten wollen einerseits Geflüchtete und Migrant*innen in ihren Heimatländern unterstützen, damit diese dort bleiben,
Wichtig ist zudem, dass die Steuerung von Flucht häufig mit anderen Bereichen der Migrationspolitik verknüpft ist. Weltweit experimentieren Staaten zunehmend mit neuen Formen der staatlichen Zusammenarbeit, um Mobilität auf lokaler, nationaler, regionaler und globaler Ebene zu steuern.
Flucht wird also oft gleichzeitig in mehreren Bereichen geregelt, sodass die betreffenden Abläufe durch Überschneidungen und Lücken, Ad-hoc-Reaktionen und enorme Inkonsistenzen gekennzeichnet sind – ein Muster, das als „implizite Formen des Regierens“ bezeichnet wird.
In diesen Spannungsgeflechten wurden rechtliche und politische Entscheidungen bislang vorwiegend von Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter*innen internationaler Organisationen getroffen, ohne dass Geflüchtete aktiv beteiligt wurden. Zwar gab es Ausnahmen wie Gerrit Jan van Heuven Goedhart, der aufgrund des Zweiten Weltkriegs geflohen war und zum ersten Hohen Kommissar für Flüchtlinge der Vereinten Nationen ernannt wurde, aber Geflüchtete wurden selten als gleichwertige Akteur*innen in Verhandlungen um Rechte und Politiken einbezogen, die sie betreffen; sie galten vielmehr als politische Objekte.
Ihre Ausgrenzung wird allerdings international zunehmend kritisiert, und langsam lässt sich ein Wandel erkennen. Der Globale Flüchtlingspakt von 2018, der auf der New Yorker Erklärung von 2016 basiert, setzt sich beispielsweise für die bedeutsame Beteiligung von Geflüchteten ein.
Auf dem Globalen Flüchtlingsforum 2023 verkündete Staatsministerin Reem Alabali-Radovan, dass Deutschland ein Refugee Advisory Board eingerichtet hat, das die Bundesregierung in unterschiedlichen Fragen zu Flucht beraten soll. Damit folgt Deutschland Ländern wie Kanada, den USA, Neuseeland und Kenia, die bereits ähnliche Gremien etabliert haben. Dies könnte dringend benötigte Fortschritte bei der Integration und politischen Beteiligung von Geflüchteten bringen. Der Prozess wird global maßgeblich von der Geflüchtetenselbstorganisation Refugees Seeking Equal Access at the Table (R-SEAT) unter der Leitung von Mustafa Alio und Rez Gardi befördert. Mit Sitz in Kanada, aber weltweit tätig, setzt sich R-SEAT für die Beteiligung von Geflüchteten ein, vertritt Geflüchtete in internationalen Foren, fördert Vernetzung von Selbstorganisationen global und trägt zur Gestaltung partizipativer Mechanismen bei, um Teilhabe wie auch Schutz weltweit zu verbessern.
R-SEAT ist ein Beispiel für globale Initiativen und Netzwerke, die von Geflüchteten geleitet und umgesetzt werden, um politische Teilhabe zu stärken. Dass Geflüchtete politische Akteur*innen sind, die Prozesse prägen – wenngleich ihr Handlungsspielraum aufgrund der zumeist restriktiven und gefährlichen Verhältnisse stark begrenzt ist beziehungsweise wird –, zeigt sich vor allem auch lokal. Gerade hier sind Geflüchtete einflussreiche Akteur*innen, die etwa die humanitäre Gestaltung von Aufnahmelagern kritisieren und Wandel hervorrufen. Über ihre Selbstorganisierung klagen sie Rechte ein, fordern Mitbestimmung und stellen eigenständig Schutz und Unterstützung bereit. Zur Zeit der Covid-19-Pandemie wurde die immense Bedeutung von Selbstorganisationen deutlich: Lockdowns beeinträchtigten auch die Arbeit von Behörden und Hilfsorganisationen. In dieser Phase waren es weltweit hauptsächlich Geflüchtete und ihre Selbstorganisationen, die Schutz- und Unterstützungsmaßnahmen bereitstellten. Sie nähten Schutzmasken, übersetzten und verbreiteten Informationen zu Hygienemaßnahmen, sorgten für Nahrung und sauberes Trinkwasser, oft ohne ausreichende Ressourcen.
Fazit
Flucht und Migration sind Teil der Menschheitsgeschichte, aber die Art und Weise, wie politische Akteur*innen in Deutschland und anderen, hauptsächlich westlichen Staaten gegen die Aufnahme, den Schutz und die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen argumentieren, intensiviert Ressentiments. Menschen verlassen Herkunftsorte und -regionen primär auf der Suche nach friedlicheren und sichereren Verhältnissen. Während freiwillige Migration oft mit besseren Lebenschancen verbunden ist, ist erzwungene Migration oft durch Leid und Verlust geprägt. Es bedarf einer Rückkehr zu einer Politik, die auf Menschenrechten und Menschenwürde beruht und von Bestrebungen zur Externalisierung von Asylverfahren und Flüchtlingsschutz Abstand nimmt. Externalisierung von Asyl verschärft neokoloniale Macht- und Ungleichheitsverhältnisse und intensiviert das Leid von Menschen.