Der Begriff "Femizid" bezeichnet Tötungsdelikte an Frauen, die getötet werden, weil sie Frauen sind. Entscheidend ist, dass das weibliche Geschlecht bei der Tötung eine Rolle spielt.
Da bei Tötungen durch den (ehemaligen) Partner immer von einer geschlechtsbezogenen Motivation ausgegangen wird, steht diese Art der Tötungsdelikte bei der Betrachtung von Femiziden im Mittelpunkt. Hinzu kommt, dass es die in Deutschland, aber auch weltweit häufigste Form des Femizids ist.
Auch innerhalb der Beziehungsfemizide unterscheiden sich die von den Tätern genannten beziehungsweise die von den Gerichten angenommenen Motive: Die Tötung aus Macht- und Besitzstreben, was jedoch teilweise auch als Eifersucht und Ausweglosigkeit ausgelegt wird, wurde bereits erwähnt. Andere Täter begehen die Tat, weil sie den Gesundheitszustand des Opfers als so schlecht einschätzen, dass sie dessen Leben beenden wollen. Wieder andere Taten geschehen als Reaktion auf die jahrelange Demütigung des Täters durch das Opfer.
Über die Sanktionierung von Beziehungsfemiziden durch deutsche Gerichte ist wenig bekannt, da die Strafverfolgungsstatistik, die über die Entscheidungspraxis der Strafgerichte informiert, weder nach Geschlecht des Opfers noch nach Täter-Opfer-Beziehung unterteilt werden kann.
Welche strafrechtlichen Bewertungen können bei der Sanktionierung von Beziehungsfemiziden eine Rolle spielen und inwiefern besteht hier Verbesserungsbedarf? Bevor dieser Frage nachgegangen werden kann, ist es notwendig, den Forschungsstand zu Beziehungsfemiziden zu betrachten, um häufig auftretende Merkmale zu beschreiben, die auch für die Sanktionierung relevant sind.
Forschungsstand
Bei aller Unterschiedlichkeit, die Beziehungsfemizide aufweisen können und auf die die Rechtspraxis in jedem Einzelfall angemessen reagieren muss, zeigen sich in vielen Fällen Gemeinsamkeiten und wiederkehrende Merkmale.
Die Beziehung besteht zum Teil seit mehreren Jahren oder gar Jahrzehnten.
Viele der Beziehungsfemizide ereignen sich nach einer gewissen Trennungsdauer – also entgegen der verbreiteten Vorstellung, dass diese häufig direkt im Anschluss an das Aussprechen der Trennungsabsicht auftreten.
Das Spektrum soziodemografischer Merkmale von Tätern und getöteten Frauen ist breit. Die Taten ereignen sich nicht in bestimmten Altersgruppen oder Milieus. Bei den Tätern lassen sich zwar Persönlichkeitsauffälligkeiten – wie narzisstische, depressive und dependente Persönlichkeiten – feststellen, es ist aber nicht immer klar, inwieweit diese als pathologisch zu bewerten sind.
Sanktionierung von Tötungsdelikten
Um für eine Tat eine Strafe festzusetzen, sind mehrere Entscheidungen notwendig. Ich werde mich im Folgenden auf drei wesentliche Punkte im Prozess der gerichtlichen Sanktionierung konzentrieren: die Bestimmung des Tatbestands, die Bewertung der Schuldfähigkeit und die Berücksichtigung strafmildernder und strafverschärfender Strafzumessungsfaktoren.
Tatbestand
Bei vorsätzlichen
Ein Beziehungsfemizid kann als Mord aus sonstigen niedrigen Beweggründen verurteilt werden, wenn die Tat als Ausdruck eines Macht- und Besitzanspruchs verstanden wird, in dem sich der viel zitierte Satz "Wenn ich sie nicht haben kann, soll sie niemand haben" ausdrückt. Sonstige niedrige Beweggründe können aber auch verneint werden, wenn Verzweiflung und Ausweglosigkeit als bestimmende Motive angenommen werden. Sie können auch verneint werden, wenn das Gericht nicht feststellen kann, welches Motiv ausschlaggebend war und eines davon nicht als niedrig anzusehen ist oder das Motiv überhaupt nicht festgestellt werden kann.
Das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe ist ausfüllungsbedürftig:
Eine heimtückische Tötung setzt voraus, dass das Opfer arg- und wehrlos ist und der Täter dies in feindseliger Absicht ausnutzt. Gängiges Beispiel ist ein überraschender Angriff aus dem Hinterhalt. Bei Beziehungsfemiziden stellt sich die Frage, ob die Arglosigkeit bei vorangegangener Gewalt und/oder Todesdrohung entfällt. Dies ist nicht zwingend der Fall, sondern hängt vom Einzelfall ab. Das Mordmerkmal der Heimtücke kann in seiner Anwendung kritisiert werden. In einer BGH-Entscheidung vertritt dieser die Ansicht, das Opfer sei nicht wehrlos gewesen, da es noch die Möglichkeit gehabt hätte, den Täter anzuflehen, von der Tötung abzusehen.
Wird ein Tötungsdelikt als Mord gewertet, so führt dies zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Totschlag zieht eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren nach sich. Der Strafrahmen kann sich verschieben, wenn beim Totschlag ein minder schwerer oder ein besonders schwerer Fall vorliegt oder besondere gesetzliche Milderungsgründe wie zum Beispiel verminderte Schuldfähigkeit angenommen werden.
Schuldfähigkeit
Die verminderte Schuldfähigkeit ist, beispielsweise neben einem Tatversuch, ein besonderer gesetzlicher Milderungsgrund. Sie liegt vor, wenn die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit während der Tat eingeschränkt war, etwa wenn die Tat im Rausch begangen wurde. Bei Beziehungsfemiziden ist vor allem die tiefgreifende Bewusstseinsstörung in Form von hochgradigen Affekten von Interesse. Dabei handelt es sich um einen heftigen Erregungszustand in einer Ausnahmesituation.
Zur Bestimmung, inwiefern eine solche hochgradige Affekttat vorliegt, werden Positiv- und Negativmerkmale gegeneinander abgewogen. Für das Vorliegen einer Affekttat spricht beispielsweise, wenn die Tat für den Täter persönlichkeitsfremd ist. Dagegen spricht die Ankündigung der Tat.
Strafzumessung
Bei der Strafzumessung werden straferhöhende und strafmildernde Umstände benannt und gegeneinander abgewogen, um die Dauer der Freiheitsstrafe festzulegen. Die Aspekte, die dabei berücksichtigt werden können, sind sehr vielfältig: Die Entstehung des Konflikts, Vorstrafen des Täters, Spontaneität oder Planung der Tat sowie abgeurteilte oder nicht abgeurteilte frühere Gewalttaten sind nur einige Beispiele.
Bei typischen Beziehungsfemiziden können bestimmte Strafzumessungsfaktoren bedeutender sein als andere. So kann zum Beispiel die Rolle vorangegangener kontrollierender Verhaltensweisen straferhöhend in die Strafzumessung einfließen. Inwiefern diese aber tatsächlich berücksichtigt werden, obliegt den jeweiligen Richter*innen. Der Vorgang der Strafzumessung ist recht offen. Auf der einen Seite soll eine dem Einzelfall angemessene und gerechte Entscheidung ermöglicht werden. Auf der anderen Seite kann gleichmäßiges Strafen beeinträchtigt werden.
Bedeutung richterlicher Wertungen
Sei es bei der Feststellung des Tatbestandes, der Entscheidung, ob ein Affekt in Form einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung vorliegt, oder der Abwägung strafmildernder und straferhöhender Faktoren: Die Entscheidungen sind trotz der Berücksichtigung unterschiedlicher Fallgruppen wertungsoffen und müssen mit Interpretationen gefüllt werden. Sozialpsychologische Entscheidungsmodelle wie die Focal Concerns Theory zeigen, wie Stereotype den Prozess der Urteilsfindung beeinflussen können:
Übertragen auf Beziehungsfemizide bedeutet dies, dass aufgrund der bestehenden stereotypen Annahme, es handele sich in der Regel um spontane Taten, Hinweise auf vorbereitete Taten weniger beachtet und verfolgt werden könnten. Dies kann bereits bei den polizeilichen Ermittlungen beginnen und sich bis zum Urteil auswirken. Selbst wenn anerkannt wird, dass vor der Tat Todesdrohungen ausgesprochen wurden, können diese als "dahergesagt" aufgefasst und nicht ernst genommen werden.
Ebenso wichtig ist die Frage, inwieweit vorangegangene Gewalt in die Bewertung der Tat einfließt, das heißt tatsächlich als straferhöhender Faktor bei der Strafzumessung berücksichtigt wird. Da die meisten Formen von kontrollierendem Verhalten und psychischer Gewalt nicht strafrechtlich normiert sind, können sie weniger im Fokus stehen als körperliche und sexualisierte Gewalt. Gerade das Kontrollverhalten macht aber deutlich, dass es sich bei der Tötung nicht um ein klar abgrenzbares singuläres Ereignis handelt, sondern um die Steigerung eines bis dahin wiederholten instrumentellen Verhaltens. Wird der Fall aus einer solchen Perspektive betrachtet, kann daraus begründet eine andere Wertung der Tat entstehen.
Selbst die Anwendung körperlicher Gewalt kann unterschiedlich interpretiert werden: So gibt es in meiner Auswertung mindestens ein Urteil, in dem Gewalt gegen den Hals, die so heftig war, dass die Frau das Bewusstsein verlor und sich unkontrolliert einnässte, nicht als Tötungsversuch gewertet wurde.
Es zeigt sich, dass bestimmte Aspekte der Taten unterschiedlich bewertet werden können. Um diese einordnen zu können, erscheint es notwendig, dass Justizpraktiker*innen über ein erweitertes Wissen verfügen, das sich nicht nur aus der juristischen Lehre speist, sondern auch aus der sozialwissenschaftlichen Forschung und den Erfahrungen von Praktiker*innen, die gewaltbetroffene Frauen unterstützen, wie zum Beispiel Frauenhausmitarbeiter*innen. Mit dem Wissen, beispielsweise um die Rolle von kontrollierendem Verhalten, können Justizpraktiker*innen das Vorliegen eines solchen Verhaltens im Einzelfall prüfen. Dabei bietet sich eine erweiterte Prüfung auch hinsichtlich der Frage an, ob die Tatmotivation eher in der Ausübung von Macht- und Besitzanspruch oder in Ausweglosigkeit und Verzweiflung gesehen werden kann, was die Annahme oder Ablehnung sonstiger niedriger Beweggründe naheliegender erscheinen lässt.
Schluss
Gesetzesänderungen allein können die bestehenden Probleme bei der Sanktionierung von Beziehungsfemiziden – zum Teil uneinheitliche Auslegung von Macht- und Besitzanspruch, zum Teil mangelnde Berücksichtigung vorangegangener Gewalt – nicht lösen. In einigen Gesetzen lateinamerikanischer Länder ist auf Tatbestandsebene vorgesehen, dass eine geschlechtsbezogene Motivation zur Verurteilung der Tat als Femizid führt. Die Erfahrung zeigt bereits, dass an den Gesetzen vorbei gehandelt wird.
Diese Änderung kann jedoch aus meiner Sicht nur dann Wirkung entfalten, wenn der Begriff des "geschlechtsspezifischen Beweggrundes" ausgefüllt wird. Dazu gehört für mich eine begleitende Diskussion darüber, warum die geschlechtsbasierte Motivation stärker berücksichtigt werden soll und wann diese als gegeben angesehen werden kann. Justizpraktiker*innen werden entsprechende Kategorien insbesondere dann verstärkt anwenden, wenn sie ihnen selbst eine große Bedeutung für die Beurteilung des Falles beimessen. Hierfür kann ein verstärkter Austausch auf mehreren Ebenen beitragen: im Studium, in der Fort- und Weiterbildung, über die juristische Kommentarliteratur und über Entscheidungen des Bundesgerichtshofs.