Deutschland hat es verstanden, sich nach innen und außen als Land der Energiewende darzustellen: ein Land, das entschlossen die Transformation zu einem von erneuerbaren Energien dominierten Energiesystem verfolgt.
Der Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung hat sich in den vergangenen Jahren nicht linear entwickelt. Erst seit dem Antritt der rot-grün-gelben Bundesregierung im Dezember 2021 und beschleunigt durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie der damit verbundenen Energiekrise wurde dieser vorangetrieben. Zuvor hatte sich ein wachsendes Umsetzungsdefizit gezeigt, das sich beispielsweise in einem starken Rückgang der neu installierten Windleistung seit 2017 festmachen lässt.
Bei einem weitgehend gleichbleibenden Institutionen- und Akteursgefüge ist dies kein leichtes Unterfangen. Dieser Beitrag stellt die Akteure und Institutionen der deutschen Energiepolitik vor und bettet diese in den europäischen Kontext ein. Deutschland wird gemeinhin als Konsensdemokratie kategorisiert.
Energiepolitik im föderalen System
Der deutsche kooperative Föderalismus betont die gemeinsame Entscheidungsfindung zwischen Bund und Ländern und eine funktionale Aufteilung der Kompetenzen, anstatt den Regierungsebenen ausschließliche Zuständigkeiten zuzuweisen. Die Energiepolitik des Bundes hängt wesentlich von der Zusammenarbeit der Länder ab. Die Politikwissenschaftler Stefan Wurster und Christina Köhler betonen jedoch auch, dass die Länder eine eigenständige Erneuerbare-Energien-Politik verfolgen und eigene Klimaschutzprogramme und -gesetze erlassen, die zu territorialen Partikularinteressen führen.
Die Umsetzung der Energiepolitik in Deutschland ist zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Der Bundestag ist für die gesamte Gesetzgebung auf Bundesebene zuständig. Allerdings entscheidet er in vielen Fällen nicht autonom, da etwa 55 Prozent der Gesetzentwürfe in die Kategorie der Zustimmungsgesetze fallen, das heißt der mehrheitlichen Zustimmung der im Bundesrat vertretenen Landesregierungen bedürfen. Durch den Zustimmungszwang sind die Landesregierungen an vielen Gesetzgebungsverfahren beteiligt, sodass es notwendig ist, in verschiedenen Politikbereichen gemeinsam zu einer Entscheidung zu kommen. Die Länder haben entsprechend dem deutschen föderalen System zudem die Kompetenzen der Ausführung und Verwaltung inne.
Die Energieversorgung unterliegt dem Bundes- und Europarecht. Im Rahmen der Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWg), des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) oder des Europäischen Emissionshandelssystems (ETS) entscheiden die Länder und Kommunen autonom über die Standorte von Kraftwerken. Seit 2011 melden die Länder ihre Ausbaupläne für Energieanlagen an die Bundesnetzagentur. Dieses Verfahren wurde notwendig, da die Bundesregierung eine Diskrepanz zwischen den Ausbaupfaden der Länder und den Zielen des Energiekonzepts des Bundes feststellte.
In der EEG-Novelle 2021 reagierte die Bundesregierung schließlich auf die Defizite und richtete den Bund-Länder-Kooperationsausschuss ein, in dem die zuständigen Staatssekretäre des Bundes und der Länder vertreten sind. Sie sollen die Abstimmung insbesondere bei der Flächennutzungsplanung und den Genehmigungsverfahren für Windkraftanlagen verbessern. Der Ausschuss legte im Oktober 2021 seinen ersten Bericht zum Stand der erneuerbaren Energien vor und kam zu dem Schluss, dass sich der Ausbau der Windenergie zwar langsam erhole, die derzeitigen Flächenausweisungen in den Bundesländern aber nicht genügen, um die Ziele bei den erneuerbaren Energien zu erreichen. Im Zuge der Energiekrise 2021/22 nutzte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck seine Kompetenzen und legte das Gesetz zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vor, das sogenannte Wind-an-Land-Gesetz. Im Kern geht es darum, dass die Länder bis 2032 zwei Prozent der Flächen für Windenergie bereitstellen müssen. Damit gibt der Bund künftig jedem Bundesland entsprechend dessen geografischer und räumlicher Möglichkeiten unterschiedliche verbindliche Flächenziele für den Windenergieausbau vor. Die Bundesländer dürfen zwar weiterhin über Mindestabstände entscheiden, müssen aber sicherstellen, dass sie ihre Flächenziele aus dem Windenergieflächen-Bedarfsgesetz erreichen. Erreichen sie ihr Flächenziel nicht, kann der Bund die landesspezifischen Abstandsregeln außer Kraft setzen.
Diese Tendenzen, den Föderalismus zu zentralisieren, waren schon zuvor zu beobachten. So hatte der wachsende Anteil der installierten erneuerbaren Energien seit dem Inkrafttreten des EEG zu einer Zunahme regionaler Disparitäten geführt.
Horizontale Koordination einer Querschnittspolitik
Energiepolitik ist eine Querschnittspolitik, die sich über unterschiedliche Politikfelder erstreckt. Daher ist neben der vertikalen Koordination zwischen Bund und Ländern auch die horizontale Koordination zwischen den unterschiedlichen Ministerien von großer Bedeutung.
Auf nationaler Ebene liegt die Hauptverantwortung beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, bis 2021 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie). Es ist grundsätzlich zuständig für die Versorgung mit Strom, Gas und Öl. Dazu gehören im Einzelnen die Strom- und Gasnetze, das Strommarktdesign, Energieeffizienz sowie Forschung und Entwicklung im Energiesektor. In entsprechenden Formaten wie beispielsweise dem Forschungsnetzwerk Energie bezieht das Ministerium wirtschaftliche, wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure ein, um die Verzahnung zwischen Forschung, wirtschaftlicher Praxis und Politikgestaltung zu verbessern.
Von 2002 bis 2013 lagen die Zuständigkeiten für die Markteinführung der erneuerbaren Energien und die Aufsicht über Kernkraftwerke beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Durch eine Kabinettsumbildung unter der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD im Jahr 2013 wurde die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien in das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie verlagert, während das Umweltministerium die Kompetenzen für den europäischen und internationalen Klimaschutz sowie die Zuständigkeit für den Atomausstieg und den Bausektor behielt. Letztlich verlor das Umweltministerium aber sowohl 2017 als auch 2021 viele Kompetenzen. 2017 ging die Zuständigkeit für den Gebäudesektor an das Innenministerium über und 2021 wurden alle Zuständigkeiten im Zusammenhang mit dem Klimaschutz an das Wirtschaftsministerium übertragen, das nun das wichtigste Ministerium für die gesamte Energie- und Klimapolitik ist.
2019 wurde eine institutionelle Neuerung eingeführt: das Klimakabinett, das die Verabschiedung des Klimaschutzprogramms 2030 und des Klimaschutzgesetzes vorbereitete. Das Klimakabinett wird als Antwort auf den sektorübergreifenden Charakter der Klimapolitik, den wachsenden Bedarf an koordinierter Steuerung
Die Planung von Klimaschutzmaßnahmen zeichnete sich in der Vergangenheit durch die Standardform interministerieller Koordination aus, in der Vorschläge durch das federführende Ministerium vorgelegt und danach in die interministerielle Abstimmung gegeben wurden. In diesen schriftlichen und mündlichen Umlaufverfahren werden Einwände und Ergänzungen der anderen Ministerien so lange wiederholt, bis kein Ministerium mehr ein Veto einlegt. Aus dem in Deutschland stark ausgeprägten Ressortpartikularismus und den damit einhergehenden starken ministerialen Eigeninteressen resultiert dabei häufig ein Vorschlag, der nur noch den Minimalkonsens zwischen den Ministerien umfasst. Diese Art der Abstimmung wird als "negative Koordination" bezeichnet.
Bundesämter, Behörden und Expertengremien
Eine bedeutende Rolle in der deutschen Energiepolitik spielen Bundesämter, Behörden und Expertengremien. Am wichtigsten ist die Bundesnetzagentur des BMWK, die den Strom- und Gasmarkt, den Netzausbau unter Berücksichtigung der europäischen Vorgaben und die zukünftige Entwicklung der erneuerbaren Energien überwacht. Das Bundeskartellamt, die Monopolkommission, die Wettbewerbsbehörden der Länder, die Deutsche Emissionshandelsstelle sowie die Deutsche Energie-Agentur und die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie spielen ebenfalls wichtige Rollen in der Energiepolitik. Darüber hinaus sind Beiräte wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen wichtige Akteure beim Agenda-Setting, bei der Politikformulierung und bei der Evaluation.
Drei dieser Gremien sind von besonderer Bedeutung: Erstens die Expertenkommission, die zur Überwachung des Prozesses "Energie der Zukunft" eingerichtet wurde und dafür den alle zwei Jahre erscheinenden Fortschrittsbericht des BMWK zur Energiewende evaluiert. Die Kommission bewertet den Fortschrittsbericht, weist auf kritische Punkte der Energiewende hin und schlägt geeignete politische Instrumente vor.
Im Bereich der langfristigen Strategien und Planungen sind außerordentliche Gipfeltreffen oder Konsensrunden unter Beteiligung der wichtigsten Interessengruppen für große Entscheidungen von erheblicher Bedeutung. Vor allem, wenn es um Umverteilungsmaßnahmen oder Fragen geht, die die Kerninteressen der Beteiligten betreffen, werden Probleme durch Konsensgremien gelöst. Schließlich spielen Regierungskommissionen oft eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung politischer Entscheidungen. Jüngste Beispiele sind erstens die Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung, die von der Bundesregierung eingesetzt wurde, um den Atomausstiegsbeschluss von 2011 nachträglich zu legitimieren.
All diesen Expertengremien ist gemein, dass sie nicht auf Dauer angelegt, relativ groß sind und sich nicht auf die Sozialpartner konzentrieren. Auch pflegen die Beteiligten einen eher offenen Stil der Außenkommunikation, womit sie sich von den traditionellen Formen des deutschen Neokorporatismus unterscheiden. Diese postkorporatistischen Institutionen repräsentieren zwar eine größere Vielfalt an Interessen, werden allerdings eher ad hoc aus handverlesenen Mitgliedern gebildet. Kritische Beobachter beschreiben diese Kommissionen daher als "regierungsfreundliche Expertenrunden".
Einfluss europäischer Akteure
Die Energiepolitik ist in den weiteren europäischen Kontext im Allgemeinen und die Europäische Union im Besonderen eingebettet. Die EU wirkt durch die europäische Gesetzgebung auf die nationale Ebene ein. So geben gesetzgeberische Maßnahmen, etwa EU-Richtlinien zur Energieeffizienz oder zur Förderung erneuerbarer Energien sowie die Governance-Verordnung, Zielmarken für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz vor, die in Nationalen Energie- und Klimaplänen (NECPs) von den Mitgliedstaaten in nationale Ziele und Maßnahmen umgesetzt werden sollen. Allerdings fehlt es der EU in diesen Bereichen an Kompetenzen zum Eingriff in den mitgliedstaatlichen Energiemix.
Artikel 194 Absatz 1 des Lissabonner Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) über die energiepolitische Kompetenz der EU definiert die gemeinsamen Ziele der europäischen Energiepolitik als das Funktionieren des Energiemarktes, die Sicherheit der Energieversorgung, die Förderung der Energieeffizienz und die Entwicklung erneuerbarer Energien sowie die Förderung des Verbunds der Energienetze. Nach Artikel 194 Absatz 2 AEUV ist die EU befugt, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Ziele zu erreichen. Solche Maßnahmen dürfen jedoch nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühren, ihren nationalen Energiemix und die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung selbst zu bestimmen. Dieser sogenannte Souveränitätsvorbehalt verhindert, dass die EU direkt in die genannten Bereiche der Energiepolitik eingreift, setzt allerdings trotzdem Leitplanken bei der Formulierung von langfristigen Strategien, etwa durch das Klima- und Energiepaket für 2020, den Klima- und Energierahmen für 2030, den Europäischen Green Deal oder das REPowerEU Paket 2022.
Allerdings gibt es auch Bereiche, die unter die klimapolitische Kompetenz der EU fallen, in denen die EU durchaus Kompetenzen hat, eigene Instrumente aufzulegen, die sowohl einen direkten als auch indirekten Einfluss auf die Mitgliedstaaten haben. Das herausragende Beispiel ist das europäische Emissionshandelssystem (ETS), also der Handel mit Verschmutzungsrechten. Er steht in gewisser Weise im Widerspruch zum deutschen Hauptinstrument der Energiewende, den Einspeisevergütungen, die von der EU-Kommission mehrfach beanstandet wurden. Aus Furcht vor den negativen Auswirkungen des Emissionshandelsinstruments auf die Exportindustrie hat Deutschland lange gezögert, diese EU-Politik zu unterstützen.
Zudem agierte die Europäische Kommission als politischer Unternehmer, indem sie ihre generelle Kritik an den deutschen Einspeisevergütungen regelmäßig wiederholte. So forderte sie die Bundesregierung öffentlich auf, der durch die EEG-Umlage geschaffenen Preisdynamik beim Strompreis entgegenzuwirken.
Sowohl bei den erneuerbaren Energien als auch bei der Energieeffizienz haben die europäischen Regelungen und der NECP-Prozess die deutsche Politik maßgeblich beeinflusst. Die Verabschiedung des Klimaschutzprogramms 2030 und des Klimaschutzgesetzes 2019 sowie dessen Überarbeitung wurden ebenfalls durch internationale Verpflichtungen beeinflusst. Die Emissionsminderungen und -instrumente sind Teil der langfristigen Klimaschutzstrategie, die auch vom Pariser Abkommen gefordert wird, genauer den National Determined Contributions (NDC), die den Kern des Abkommens bilden. Die enge Verflechtung der internationalen und der europäischen Ebene zeigt sich darin, dass diese auch europäisch umgesetzt werden.
Fazit
Die Klimaziele des Klimaschutzgesetzes, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent zu reduzieren und bis 2045 klimaneutral zu werden, setzen das deutsche Energiesystem und die Steuerung des Übergangs unter einen beispiellosen Druck. Die gegenwärtige, mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zusammenhängende Energiepreis- und Gaskrise hat diesen Druck noch erhöht und die Schwierigkeiten der Governance der Energiewende zusätzlich verstärkt. In diesem Zusammenhang stechen drei Herausforderungen hervor: erstens ein deutlich wachsender Strombedarf, der zunehmend durch erneuerbare Energien gedeckt werden und gleichsam die steigenden Gaspreise und sinkenden Gasimporte verkraften muss. Zweitens ist eine großflächige Nutzung von Wasserstoff notwendig, die derzeit bei vielen nicht direkt elektrifizierbaren Anwendungen in Industrie und Schwerverkehr die einzige realistische Alternative zu fossilen Brennstoffen zu sein scheint. Und drittens soll der Gesamtenergieverbrauch insbesondere durch eine Transformation des Wärmesektors reduziert werden – ein Vorhaben, das ebenso unter dem Druck der Gaskrise steht.