Einsamkeit ist nicht nur ein individuelles Empfinden, sondern entwickelt sich im sozialen Gefüge und in der (reduzierten) alltäglichen Interaktion. Sie kann jeden betreffen – in jeder Lebensphase, in jeder Lebenslage, in jedem städtebaulichen Umfeld, egal ob in Geschosswohnungen oder Einfamilienhäusern, in der Stadt oder auf dem Land.
Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl, das aus der Diskrepanz zwischen gewünschten und tatsächlichen sozialen Beziehungen entsteht. Menschen können sich einsam fühlen, auch wenn sie in einer Gruppe sind oder ein großes soziales Netzwerk haben. Während Einsamkeit emotional belastend ist, beschreibt Alleinsein lediglich die physische Abwesenheit anderer, ohne dass damit negative Gefühle verbunden sind. Viele Menschen empfinden Alleinsein sogar als erholsam oder nutzen es für kreative Tätigkeiten.
Potenziell können Menschen in allen Lebensphasen von Einsamkeit betroffen sein: Jugendliche wie Ältere, Menschen im Berufsleben wie solche im Ruhestand.
Im Rahmen des Kooperationsprojekts „Einsamkeit. Neue Anforderungen an lebendige Quartiere“ der Wüstenrot Stiftung mit den Stadtplanungsbüros Urban Expert und Location³ wird die kommunale Ebene als Ausgangspunkt für einen integrierten, praxisorientierten Untersuchungsansatz betrachtet.
Die Bedeutung räumlicher Planung und einer integrierten Herangehensweise wird in der Debatte um Einsamkeit bisher kaum berücksichtigt, obwohl sie vielfältige Auswirkungen auf das Zusammenleben haben. Insbesondere die Gestaltung öffentlicher Räume ist entscheidend, da diese beiläufige Begegnungen ermöglichen sollten – für Jung und Alt, Alteingesessene und Zugezogene, Familien und Alleinlebende sowie im Kontext von Inklusion und Integration. Auch in der Sozialen Arbeit hat die Auseinandersetzung mit dem Thema Einsamkeit in Verbindung mit Raumgestaltung gerade erst begonnen.
Die stadtplanerische Auseinandersetzung mit dem Phänomen Einsamkeit bedeutet, den Zusammenhalt in Quartieren zu stärken und das Einsamkeitsrisiko durch höhere Lebensqualität und präventive Maßnahmen zu senken. Zudem rücken Engagement und Ehrenamt sowie eine „soziale Gelegenheitsinfrastruktur“ in den Fokus.
Einflussfaktoren im Quartier
Einsamkeit entsteht in der Regel nicht durch ein einzelnes Ereignis, sondern aus einem komplexen Zusammenspiel individueller, zwischenmenschlicher und gesellschaftlicher Faktoren, die das Einsamkeitserleben beeinflussen. Die gleichen Ereignisse und Situationen führen dabei nicht zwangsläufig bei allen Menschen zum Einsamkeitsempfinden.
Die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission hat in einem europaweiten Monitoring die wichtigsten Risikofaktoren für Einsamkeit zusammengetragen. Zu den relevanten Faktoren zählen Alter und soziodemografische Merkmale, Lebensstile und Lebenslagen, aber auch die gebaute und soziale Umwelt. Zur Wirksamkeit von Interventionen auf kommunaler oder Nachbarschaftsebene wird weiterer Forschungsbedarf konstatiert, insbesondere zum Zusammenhang zwischen ortsbezogenen Interventionen und der Verringerung von Einsamkeitsrisiken.
Verschiedene Studien zeigen, dass einzelne Risikofaktoren nicht zwangsläufig Einsamkeit auslösen. Häufen sich jedoch mehrere dieser Faktoren, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Betroffene einsam fühlen. Die Risikofaktoren lassen sich unterscheiden in individuelle Faktoren beziehungsweise sozial-gesellschaftliche Trigger-Ereignisse einerseits sowie infrastrukturell-räumliche Einflussgrößen andererseits.
Individuelle Faktoren: Die wesentlichen Risikofaktoren für Einsamkeit haben gemeinsam, dass sie ursächlich auf eine fehlende soziale und gesellschaftliche Teilhabe hindeuten. So kann Einkommensarmut soziale Kontakte, unterstützende Netzwerke und die gesellschaftliche Teilhabe einschränken. Auch kritische Lebensphasen – etwa durch den Verlust geliebter Personen, Krankheit, Scheidung oder Arbeitslosigkeit – führen oft zu Rückzug und Vereinsamung. Ebenso beeinflussen Umbruchphasen das Einsamkeitserleben, etwa der Wechsel des Wohnorts oder des Arbeitsplatzes oder der Verlust sozialer Kontakte durch den Renteneintritt. Ein weiterer Faktor ist Zeitmangel: Die Verpflichtungen durch Kindererziehung oder die Pflege von An- und Zugehörigen führen oft dazu, dass nicht genügend Zeit für die Pflege sozialer Kontakte bleibt, insbesondere bei Alleinerziehenden. Auch der persönliche Gesundheitszustand spielt eine Rolle: Chronische Krankheiten oder Pflegebedürftigkeit erschweren die Teilnahme am sozialen Leben. Migrations- und Fluchterfahrungen sind ein weiterer Risikofaktor für Einsamkeit, denn der Verlust des sozialen und kulturellen Umfelds, Sprachbarrieren und Diskriminierung können den Aufbau neuer Beziehungen behindern. Schließlich ist auch die Qualität sozialer Kontakte von Relevanz: Einsamkeit wird weniger durch die Anzahl der Kontakte beeinflusst als durch deren Vermögen, einen emotional zu unterstützen.
Räumliche Faktoren: Die infrastrukturelle Ausstattung und die städtebauliche Situation eines Quartiers beeinflussen das Einsamkeitsempfinden, auch wenn sie es nicht direkt auslösen. Quartiere, die wenige Gelegenheiten zum Austausch und zur sozialen Teilhabe bieten, können das Einsamkeitsempfinden wesentlich verstärken. Folgende infrastrukturell-räumliche Faktoren spielen daher eine wichtige Rolle: Quartiere brauchen idealerweise Erholungs- und Freizeitflächen, die durch Grünflächen oder Gewässer zum Verweilen einladen und zufällige Begegnungen sowie eine zwanglose Kommunikation ermöglichen. Ferner braucht es Begegnungsorte, an denen Menschen niederschwellig zusammenkommen können, auch um sich zu informieren, emotional zu unterstützen oder anderweitig zu engagieren. Es bedarf ferner einer wohnortnahen Grundversorgung mit Supermärkten oder Cafés, die als soziale Knotenpunkte fungieren und Alltagsbegegnungen ermöglichen. Von entscheidender Bedeutung sind ebenso Mobilitätsangebote, die es Menschen auch ohne eigenes Auto ermöglichen, am gesellschaftlichen Leben außerhalb der fußläufigen Erreichbarkeit teilzuhaben. Ebenso wichtig ist die Barrierefreiheit von Gebäuden, des Wohnumfelds, des öffentlichen Raumes und der sozialen sowie kulturellen Einrichtungen. Ein weiterer Faktor sind gemischte Wohnformen, die per se soziale Kontakte, Interaktionen, Unterstützung und Gemeinschaft fördern.
Handlungsfelder im Quartier
Das Quartier – der Wohnort mit seinen städtebaulichen Strukturen, dem öffentlichen Raum, der infrastrukturellen Ausstattung und seinen Teilhabeangeboten – kann maßgeblichen Einfluss auf das Einsamkeitsgefühl nehmen und bei entsprechenden Qualitäten diesem entgegenwirken.
Gebaute Umwelt und Infrastrukturen des Alltagslebens: das heißt die Gestaltung von Räumen, die Begegnungen und soziale Interaktionen ermöglichen.
Gelegenheitsstrukturen für Teilhabe: das heißt die Förderung von Aktivitäten vor Ort, die soziale Teilhabe und das Knüpfen von Kontakten erleichtern.
Monitoring: das heißt die Beobachtung und Analyse von Quartieren, die besonders von Einsamkeit betroffen sein könnten.
Infrastrukturen des Alltagslebens
Die räumliche, städtebauliche Situation eines Quartiers ruft Einsamkeit nicht direkt hervor. Studien zeigen jedoch, dass die infrastrukturelle Ausstattung eines Quartiers Einfluss auf das Einsamkeitserleben haben kann. Beispielsweise wirken sich Grünflächen in Städten positiv aus. Im Gegensatz dazu können Quartiere, die wenig Gelegenheiten zum zwanglosen Austausch und zur Mitwirkung bieten, das Einsamkeitsempfinden verstärken.
Um Quartiere einsamkeitsresilienter zu machen, sollten die Orte des Alltagslebens gestärkt werden, die gesellschaftliche Teilhabe, Nachbarschaften sowie niederschwellige soziale Interaktionen fördern. Dazu gehören im Wesentlichen Wohngebäude als Wohn- und Lebensorte, das Wohnumfeld und der öffentliche Raum mit seinen Plätzen, Parks, Grün- und Sportanlagen, Begegnungsorte wie Mehrgenerationenhäuser, Stadtteilzentren, Bibliotheken, Nachbarschafts- und Begegnungstreffs oder Community-Gärten sowie Orte der Daseinsvorsorge und Nahversorgung wie Läden, Bäckereien, Gastwirtschaften oder Apotheken.
Es reicht jedoch nicht aus, diese Infrastrukturen quantitativ vorzuhalten. Erst ihre Ausstattung sowie gestalterischen und konzeptionellen Qualitäten können dazu beitragen, ein niederschwelliges Zusammenkommen und Miteinander, gesellschaftliche Teilhabe und Nachbarschaften zu fördern. Gleichzeitig ist zu beachten, dass es Menschen, die sich aufgrund ihres Einsamkeitserlebens und einer Stigmatisierungsbefürchtung zurückgezogen haben, große Überwindung kostet, kommunikative soziale Orte aufzusuchen. Daher müssen diese Orte so gestaltet sein, dass sie auch einsame Personen ansprechen, ohne das Gefühl der Stigmatisierung oder des Zwangs zur sozialen Interaktion zu vermitteln.
Im Wohnbereich können insbesondere gemeinschaftsfördernde Wohnformen – wie Wohngemeinschaften oder generationenübergreifendes Wohnen – zu sozialen Interaktionen und Unterstützung beitragen und somit Einsamkeit entgegenwirken. Aber auch in herkömmlichen Wohngebäuden können etwa Gemeinschaftsgärten und -räume sowie Laubengänge als kommunikationsfördernde Räume angelegt werden.
Das Wohnumfeld und der öffentliche Raum sollten zur Kommunikation und zu beiläufigen Gesprächen anregen sowie zur gemeinschaftlichen Nutzung und zum Verweilen für unterschiedliche Alters- und Personengruppen einladen. Dies kann durch eine attraktive Gestaltung insbesondere mit Grün- und Wasserflächen, unterschiedlichen Sitzgelegenheiten sowie Aussichts- und Beobachtungspunkten erreicht werden. Auch gemischt nutzbare Areale mit vielfältigen Nutzungs- und Aktivitätsmöglichkeiten sind wichtig, um unterschiedliche Altersgruppen und Bedürfnisse anzusprechen.
Da mobilitätseingeschränkte Menschen und Menschen mit geringem Einkommen stärker einsamkeitsgefährdet sind, sollten Begegnungsorte möglichst barrierefrei gestaltet sein. Der Aufenthalt und die Nutzung sollten einkommensunabhängig durch weitgehend kostenfreie oder günstige Angebote und Aktivitäten erschwinglich sein – es sollten Orte ohne Konsumzwang sein. Diese Orte sollten zudem vielseitige Aktivitätsmöglichkeiten bieten, um Menschen mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen anzusprechen. Die Begegnungsorte sollten ermuntern, spontan vorbeizukommen, und Räume bieten, in denen man sich ungezwungen „allein“ aufhalten und das Geschehen vor Ort beobachten kann, ohne an organisierten Aktivitäten teilnehmen zu müssen. Ein Beispiel wäre etwa eine Leseecke mit einem günstigen Café.
Orte der Daseinsvorsorge sollten verfügbar und erreichbar sein und möglichst von Menschen betrieben werden, also nicht automatisiert. Gerade in den Orten, in denen Post und Bank, Supermärkte, Gemeindezentren und Gasthäuser verschwinden, gewinnen multifunktionale Kioske und Anlaufstellen besondere Bedeutung. Dort sollten neben Zeitungen, Genussmitteln und Süßigkeiten auch Fahrscheine und Lebensmittel verkauft sowie Briefe und Pakete abgegeben wie auch Lebensmittel abgeholt werden können. Mit entsprechenden Sitzgelegenheiten können sie sich zu Treffpunkten entwickeln.
Gelegenheitsstrukturen für Teilhabe
Gesellschaftliche Teilhabe und Einsamkeitserfahrungen sind eng mit den Gelegenheitsstrukturen im Alltag und in der Nachbarschaft verbunden. Die Qualität der sozialen Beziehungen und Bindungen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Für chronisch Einsame kann es jedoch nahezu unmöglich sein, diese Barrieren zu überwinden, was zu weiterem Rückzug führen kann. Daher ist es wichtig, lokale Ansatzpunkte zu identifizieren: Welche Akteure begegnen einsamkeitsgefährdeten oder betroffenen Personen in ihrem Lebensumfeld? Welche Angebote und Aktivitäten könnten auf Quartiersebene umgesetzt werden, um soziale Interaktion und Teilhabe zu fördern?
In den Quartieren sind hauptamtliche Hilfs- und Unterstützungsdienste wie auch zivilgesellschaftliche und Engagementstrukturen zumeist vorhanden, wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Für das vielschichtige Thema Einsamkeit ist jedoch eine Sensibilisierung notwendig, um die Teilhabe vor Ort zu stärken. Niederschwellige soziale Interaktionen können Nachbarschaft stärken, Begegnungen ermöglichen und damit dazu beitragen, Einsamkeit vorzubeugen oder zu reduzieren.
Es bedarf spezifischer Ansätze, um die Einsamkeitserfahrungen unterschiedlicher Personengruppen wirksam anzugehen. So sind beispielsweise Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, Seniorinnen und Senioren, Pflegebedürftige, Menschen mit Migrationserfahrung und Alleinerziehende speziellen Herausforderungen ausgesetzt. Um sie mit geeigneten Maßnahmen und an den richtigen Orten zu erreichen, bedarf es gezielter Handlungsansätze und Strategien. Das Eintauchen in die digitale Welt kann einerseits zur Einsamkeit beitragen, bietet andererseits jedoch auch Chancen für Kontakt und Vernetzung, insbesondere unter jungen Menschen. Digitale Kontakträume sind daher in die Strategien einzubeziehen.
Das Quartier bietet von Einsamkeit gefährdeten Personen Raum und Angebote, die über beiläufige und gezielte Alltagsbegegnungen zur Teilhabe führen können. Einsamkeitsrelevant sind vor allem professionelle Hilfs- und Unterstützungsangebote, Vereine, lokale Initiativen, Freiwilligenagenturen, Stadtteilzentren, Jugendhäuser, Mehrgenerationenhäuser und Community-Gärten sowie Kirchengemeinden, Religionsgemeinschaften und migrantische Initiativen, die soziale Teilhabe fördern. Darüber hinaus spielen auch Strukturen wie kommunale Bündnisse, Beauftragte oder Ansprechpersonen eine Rolle.
Als Partner im Quartier erweisen sich alle diejenigen, die im Alltagsleben niederschwellige Gelegenheiten bieten, auch auf Einsame zu treffen. Diese Gelegenheitsstrukturen sind nachbarschaftliche Orte und Anlaufstellen, die regelmäßig aufgesucht werden – sei es zum Einkaufen, für die gesundheitliche Versorgung und Körperpflege, Bank- oder Postangelegenheiten oder anderes mehr. Die einsamkeitsspezifische Aktivierung der unterschiedlichen Akteure ist noch ausbaufähig – es gilt, sie stärker zu sensibilisieren und nach ihren jeweiligen Möglichkeiten zu qualifizieren.
Monitoring
Wenn sich in einem Quartier mehrere Risikofaktoren mit Defiziten in der relevanten Infrastruktur überschneiden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen dort einsam fühlen. Um solche Quartiere mit erhöhtem Einsamkeitsrisiko zu identifizieren und gezielte, lokal angepasste Maßnahmen zu ergreifen, kann ein Einsamkeits-Monitoring hilfreich sein. Dieses Monitoring zeigt die räumliche Verteilung und Häufung von Risikofaktoren und hilft dabei, die lokalen Akteure für das Thema zu sensibilisieren sowie geeignete Handlungsansätze zu entwickeln. Grundlage sind verschiedene Indikatoren, die aufzeigen, in welchen Gebieten besonders gefährdete Personengruppen leben (Tabelle) oder welche Mängel in der Infrastruktur bestehen.
Um in den identifizierten Quartieren mit passenden Maßnahmen gezielt gegen Einsamkeit vorzugehen, ist es wichtig, die Ausgangslage besser zu verstehen. Hierfür eignen sich vor allem Befragungen der Quartiersbewohnerinnen und -bewohner, um erstens festzustellen, ob und welche Gruppen (verstärkt) von Einsamkeit betroffen sind; um zweitens ein besseres Verständnis dafür zu gewinnen, wie gut die Bewohnerinnen und Bewohner – insbesondere die von Einsamkeit betroffenen – im Quartier sozial eingebunden sind und welche Rolle die vorhandene Infrastruktur dabei spielt; und um drittens aufzudecken, ob Defizite bei der Infrastruktur bestehen, die für das Einsamkeitserleben relevant sind, und wie diese wahrgenommen werden.
Für die Ermittlung von Einsamkeit sind insbesondere indirekte Fragen hilfreich. Dabei kann auf erprobte Skalen zurückgegriffen werden, zum Beispiel die Loneliness Scale der University of California oder die De Jong Gierveld Loneliness Scale.
Fragen zur sozialen Einbindung im Quartier helfen zu klären, wie wohl sich Personen dort fühlen und wie intensiv sie in das soziale Leben eingebunden sind. Außerdem kann untersucht werden, ob die einsamkeitsrelevanten Infrastrukturen wahrgenommen und genutzt werden. Unterschiede in der Wahrnehmung und Nutzung zwischen einsamen und nicht einsamen Menschen lassen Rückschlüsse auf notwendige Maßnahmen zu. Schließlich liefern Fragen zu den (wahrgenommenen) Defiziten in der einsamkeitsrelevanten Infrastruktur wertvolle Hinweise darauf, welche qualitativen Lücken aus Sicht der Bewohnerschaft bestehen – woraus dann Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können.
Einsamkeitsresiliente Quartiere?
Eine integrierte Herangehensweise an das Phänomen Einsamkeit in seiner räumlichen Dimension sowie die Entwicklung neuer Strategien und Lösungsansätze sind in Deutschland weitgehend noch Neuland. Handlungsbedarf ergibt sich aus den sich ändernden gesellschaftlichen Strukturen: Die deutsche Gesellschaft wird immer älter, zugleich ist eine Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen zu beobachten. Diese Veränderungen führen zu einer Zunahme von Einpersonenhaushalten, was das Risiko für Einsamkeit erhöht.
Als Querschnittsthema betrifft Einsamkeit viele gesellschaftliche Bereiche und fordert daher eine sektorenübergreifende und interdisziplinäre Herangehensweise.
Die wichtigsten Erkenntnisse und Erfordernisse für das Handlungsfeld Einsamkeit im Quartier betreffen Orte, Akteure und Strukturen gleichermaßen. Über die geschilderten Ansätze hinaus ist es daher notwendig, die Gestaltung sozialer Infrastrukturen in den städtebaulichen Strategien von Bund, Ländern und Kommunen zu priorisieren, um die Lebensqualität in den Quartieren zu verbessern und sie auf diese Weise einsamkeitsresilienter zu machen. Hierfür gilt es, lokale Akteure durch niederschwellige Maßnahmen einzubeziehen. Darunter fallen auch Mikrointerventionen im Alltag: Alltägliche Begegnungen und lokale Dienstleister sind entscheidend für die Einsamkeitsprävention und den Aufbau sozialer Bindungen. Neben dem evidenzbasierten Monitoring braucht es zudem kleinräumiges Wissen über Einsamkeit: Spezifische Einsamkeitsausprägungen in Quartieren müssen erkannt und entsprechende Orte weiterentwickelt werden. Dafür muss nicht immer neu gebaut werden – es reicht oftmals, bestehende Orte anzupassen und ihre Nutzung zu erweitern.
Einsamkeitsprävention erfordert eine interdisziplinäre Herangehensweise, die soziale und räumliche Aspekte vereint. Durch die gezielte Kombination von Planung, Monitoring und der Aktivierung lokaler Akteure entstehen nachhaltige Lösungen. Das Quartier spielt dabei als Handlungsebene eine entscheidende Rolle: Hier werden soziale Interaktionen gefördert und Nachbarschaften gestärkt. Die Schaffung einsamkeitsresilienter Quartiere ist ein wesentlicher Schritt hin zu lebendigen, inklusiven Gemeinschaften, die den derzeitigen gesellschaftlichen Herausforderungen gewachsen sind.