Die doppelte deutsche Staatsgründung sah 1949 kein Zeitzeuge als etwas Endgültiges an. Deutschland-West – die Bundesrepublik Deutschland – und Deutschland-Ost – die Deutsche Demokratische Republik – galten als kurzlebige Provisorien. Im Westen gab es keine Staatsgründungsfeier. Konrad Adenauer verkündete am 23. Mai 1949 das Grundgesetz, die nach Artikel 146 vorläufige Verfassung, und damit trat die Bundesrepublik in die deutsche Geschichte ein, wie er selbst sagte. Die DDR ist am 7. Oktober 1949 formell ähnlich – mit einer Verfassung – ins Leben gerufen worden, allerdings mit einem pompösen Festakt. Nur einen Monat später druckte das "Neue Deutschland" die Staatshymne der DDR mit dem Text von Johannes R. Becher und der Musik von Hanns Eisler ab. In der Bundesrepublik dauerte es bis zum Frühjahr 1952, bis sich die dritte Strophe des "Lieds der Deutschen" als Hymne der Bundesrepublik durchgesetzt hatte. Bis dahin spielten bei feierlichen Anlässen die Kapellen mitunter Kölner Karnevalslieder – offenbar, um dem Rheinländer Adenauer zu gefallen.
Anfänge
Die Alliierten diskutierten zwischen 1943 und dem Sommer 1945 mehrere Varianten, wie mit dem Deutschen Reich und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern nach der totalen Niederlage umgegangen werden solle. Die Bandbreite der Vorschläge reichte von radikaler Abrechnung über Aufteilung und Zerstückelung des Landes bis hin zur weitreichenden Deindustrialisierung. Obwohl selbst Mitte 1945 das ganze Ausmaß der nationalsozialistischen Massenverbrechen noch nicht bekannt und erst recht nicht allgemein bewusst war – das dauerte noch viele Jahre, sowohl in Europa als auch in Nordamerika –, zweifelte kaum jemand außerhalb Deutschlands daran, dass Bedingungen dafür geschaffen werden müssten, dass nach 1914 und 1933/39/41 niemals wieder Gefahr von deutschem Boden ausgehe. In diesem Sicherheitsbedürfnis waren sich die Siegerstaaten einig. Die Entmilitarisierung Deutschlands einschließlich der Zerstörung der Kriegsindustrie war eine schnell gefundene Übereinkunft Londons, Washingtons und Moskaus. Auch die Besetzung Deutschlands und die politische Kontrolle des Reichs standen außer Frage. Eine Aufnahme in die UNO, die 1945 gegründet worden war, stand nicht zur Debatte. Deutschland sollte vorerst außerhalb der Völkergemeinschaft bleiben. In Jalta verständigten sich die USA, Großbritannien und die Sowjetunion im Februar 1945 auf die Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen – wobei sie Frankreich in den Kreis der großen Siegerstaaten aufnahmen, nicht jedoch Polen. Stalin, auf dessen Befehl hin die Rote Armee im September 1939 Polen überfallen und okkupiert und mit der deutschen Wehrmacht an der nunmehrigen deutsch-sowjetischen Grenze Siegerparaden abgehalten hatte, wusste dies zu verhindern. Der derzeitige Diktator Russlands, Wladimir Putin, hat im Interview mit dem amerikanischen Journalisten Tucker Carlson im Februar 2024 diesen Krieg gegen Polen nicht nur verteidigt, sondern Polen sogar die Schuld zugeschoben: Stalin habe so handeln müssen, wie er gehandelt habe, so Putin – und Hitler auch.
Gleichwohl war die Aufteilung Deutschlands durch die Alliierten keineswegs als Dauerlösung gedacht. Nicht zuletzt Stalin war dagegen, weil ihm so die Zugänge zu den Rohstoffvorräten im Rhein-Ruhr-Gebiet versperrt blieben. Auch in der Frage der Bestrafung der Kriegsverbrecher und der Wiedergutmachung herrschte zwischen den Alliierten zunächst große Übereinstimmung. Allerdings gab es hier von Anfang an sehr unterschiedliche Vorstellungen über das Ausmaß. Letztlich waren sich der Kreml, Downing Street 10 und das Weiße Haus seit der Geheimkonferenz von Casablanca im Januar 1943 einig, dass Deutschland zur „bedingungslosen Kapitulation“ gebracht werden müsse. Dieser Formel von US-Präsident Franklin D. Roosevelt haftete zwar der „Wille zur totalen Verfügungsgewalt“ gegenüber Deutschland an (so der Historiker Hermann Graml), doch zugleich waren gerade die westlichen Demokratien unsicher, inwiefern sie diese Gewalt – in ihrer Praxis freilich oft genug ausgeübt – systematisch in Deutschland anwenden könnten. Nicht einmal das Verhältnis von Besatzungsmacht und deutscher Verwaltung in all diesen Prozessen war geklärt.
Die Konferenz von Potsdam vom 17. Juli bis 2. August 1945 trug da nicht viel zur Klärung bei. Deutschland verlor im Osten bedeutende Gebiete, zugleich blieb ungeklärt, wie es mit dem Saarland oder dem Ruhrgebiet künftig weitergehen sollte. Die Oder-Neiße-Grenze wurde zur vorläufigen erklärt, aber kaum jemand zweifelte daran, dass diese Vorläufigkeit lange bestehen bleiben würde. Viel entscheidender war jedoch, dass die drei Siegermächte sich auf keine gemeinsame Wirtschafts- und Reparationspolitik einigen konnten, weshalb es auch kein geschlossenes Wirtschaftsgebiet mehr gab. Noch bevor also die nächsten Schritte hin zur deutschen Teilung erfolgten, war sie durch die Alliierten mehr oder weniger unfreiwillig vollzogen worden.
Unterschiedliche Gesellschaftskonzepte
Die deutsche Teilung war aber nicht allein das Produkt uneiniger Besatzungsmächte. Viel stärker schlug zu Buche, dass diese mit unterschiedlichen Staats- und Demokratievorstellungen nach Deutschland gekommen waren. Das war 1945 nicht unbedingt ersichtlich. Denn durch den Sieg über Hitlerdeutschland stand der sowjetische Diktator Stalin auf dem Höhepunkt seines internationalen Ansehens. Waren seine mörderischen Exzesse in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre bereits von vielen als nötig erachtet beziehungsweise skandalös bagatellisiert worden, weil die Sowjetunion als angeblich stärkste Gegenmacht zum nationalsozialistischen Deutschland galt – eine Einschätzung, die durch den Hitler-Stalin-Pakt am 23. August 1939 auch bei den wohlmeinendsten Beobachtern einen erheblichen Dämpfer erhalten hatte –, so trug der Sieg über das Deutsche Reich nicht nur zum rapiden Ansehensgewinn kommunistischer Ideen weltweit bei, nein, auch Stalin persönlich wurde zum vielumjubelten Herrscher selbst in solchen Kreisen, die dem Kommunismus eigentlich fern standen.
Zwar repräsentierten die USA und die Sowjetunion gegensätzliche politische Systeme, doch wiesen sie auch Gemeinsamkeiten auf: Beide waren durch Revolutionen etabliert worden, in beiden herrschte extreme Ungleichheit, beide wiesen Unterdrückungspotenziale auf. Das Sowjetreich war eine imperiale Großmacht geworden, die mit allen Mitteln die annektierten Kolonien sowjetisierte und mit mörderischen Mitteln gegen jede Abweichung vorging. Und auch die USA waren alles andere als eine Musterdemokratie: Die legale Sklaverei, die Ausrottung der „Native Americans“ oder die Jim-Crow-Gesetze zur „Rassentrennung“ hatten die USA zu einer rassistisch segregierten Gesellschaft gemacht, was nach 1945 sogar noch einen neuen kräftigen Schub erhielt.
Auch die Kommunisten wollten einen Sozialstaat errichten, der allen arbeitenden Menschen zugutekommen sollte. Sozialpolitik hieß immer auch, die Gesellschaft beruhigen und einhegen zu wollen, ganz unabhängig vom politischen System.
Beide Begriffe sind von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie offenbaren, warum die Teilung Deutschlands folgerichtig, wenn auch nicht alternativlos erscheint, nachdem die Alliierten erst einmal ihre Interessens- und Einfluss- respektive Besatzungszonen gegenseitig akzeptiert hatten. Die kommunistische Abspaltung von der Sozialdemokratie war nicht nur ein praktischer, sondern auch ein theoretischer Prozess. Der Bolschewistenführer Lenin hatte 1902 in seiner berühmten Schrift „Was tun?“ für die künftige radikalsozialistische Parteientwicklung herausgestellt, dass die zu bildende „Partei neuen Typus“ eine aus Berufsrevolutionären bestehende, stramm organisierte und konspirative Regeln wahrende Avantgarde sein müsse, deren soziale Herkunft gleichgültig war – Hauptsache, sie hatte sich dem revolutionären Umsturz und der Führung der Arbeitermassen verschrieben.
Lenin setzte damit zwei neue Akzente: Die Führer der Arbeiterklasse mussten nicht selbst Arbeiter sein, und der Sozialismus konnte auch gegen die Arbeiter durchgesetzt werden. Marx’ Annahme, dass das Sein das Bewusstsein bestimme – worauf sich letztlich die Erwartung der bevorstehenden sozialen Revolution im gesetzmäßigen Ablösungsprozess der Gesellschaftsformationen gründe –, negierte Lenin mit seiner neuen Parteikonzeption. Er ging davon aus, dass „999 von 1.000 der Bevölkerung bis ins innerste Mark demoralisiert sind durch politische Knechtseligkeit und durch einen absoluten Mangel an Verständnis für Parteiehre und Parteibindung“
Diktatur als angestrebte Staatsform
Karl Marx verstand unter der „Diktatur des Proletariats“ eine „politische Übergangsperiode“ für den Staat vom Kapitalismus zum Kommunismus. Gemeinsam mit Engels plädierte er für „despotische“ Eingriffe bei der Machtübernahme.
Der leninistische Diktaturbegriff ähnelte stark Carl Schmitts Auffassung von Diktatur und seinen Überlegungen zu Legalität und Legitimität. Gleichwohl ist auch Lenins Staats- und damit Diktaturvorstellung vor dem Hintergrund zu sehen, dass er von der Weltrevolution ausging, die Abschaffung des Staates also nie anders als im globalen Maßstab dachte. Die Diktatur verstand er als eine staatliche Übergangsform, die sich gegen die alten bürgerlichen Machtverhältnisse richtete. Dass sie sich im bäuerlichen Russland a priori gegen die Mehrheitsgesellschaft wandte, war theoretisch bei Lenin nicht vorgesehen. Er erkannte das Dilemma und folgerte, dass Minderheiten ihre Stärke darin entfalteten, Mehrheiten ihren Willen aufzuzwingen.
Niemals scheuten sich die Kommunisten, ihre angestrebte Staatsform als Diktatur zu preisen. Der Sozialist Karl Kautsky, der den Kommunisten immer besonders verhasst blieb, bestritt hartnäckig, dass Terror wie ein Naturgesetz zur Revolution dazugehöre. Die Leninisten hingegen waren der Auffassung, dass jeder Zwang, der im Namen des Sozialismus ausgeübt würde, per se gerechtfertigt sei, was Kautsky entschieden ablehnte.
Es war der junge Ökonom Jürgen Kuczynski, der 1926 in seinem Buch „Zurück zu Marx!“ auf den Punkt brachte, was die „Diktatur des Proletariats“ unter Führung der „Partei neuen Typus“ wirklich sei: die Herrschaft einer Minderheit, „weil die kommunistische Gesellschaft nicht nur aus neugeborenen Kindern besteht, sondern weil sie auch makelbehaftete Elemente des kapitalistischen Staates in sich aufnehmen muß. Die Diktatur ist das Schutzmittel der kommunistischen Gesellschaft gegen Ansteckung und Vergiftung durch diese ihre Bestandteile.“ Die Diktatur würde nur so lange angewandt, „solange es noch zerstörende Kräfte gibt“. Im Kommunismus werde es allen, so Kuczynski, als „selbstverständlich“ erscheinen, was bis dahin noch als Diktatur wahrgenommen wird.
Das ist ein interessanter Gedanke, weil er zum Ausdruck bringt, dass die „Diktatur des Proletariats“ keine objektive Tatsache ist, sondern von der Wahrnehmung der Menschen abhängt. Nicht die Staats- und Gesellschaftsform würde sich im Übergang zum Kommunismus ändern, sondern die Einstellung und Wahrnehmung der Menschen dazu. Dem liegt die dem Leninismus immanente Erziehungsdiktatur zugrunde. Aus dieser Sicht war es unumgänglich, dass mindestens zeitweise „auch gegen den Willen einer unverständigen, weil unsachverständigen, Masse entschieden werden kann“, Fragen und Probleme also „auf diktatorischem Wege gelöst werden müssen“. Kuczynski beendet diese prägnante Zusammenfassung der marxistisch-leninistischen Staats- und Diktaturauffassung mit dem Satz: „In allen Fällen also, selbst wenn sie gegen die Majorität gehandhabt werden, sind die diktatorischen Maßregeln im Übergangsstaat vom Kapitalismus zum Kommunismus auf das Wohl der Majorität gerichtet.“
Die deutsche Katastrophe spielte ihnen dabei insofern in die Hände, als die Legitimität des kommunistischen Weges auch ohne demokratische Verfahren 1945/46 von kaum jemandem angezweifelt wurde – dafür waren die Verwüstungen und Verbrechen einfach zu evident. Hinzu kam überdies eine globale Bewegung, die das weltweite Gefüge und die Geschichtsnarrative der vergangenen 500 Jahre grundlegend infrage stellte. Der einsetzende Dekolonisierungsprozess schwächte Europa und insbesondere die westlichen Siegerstaaten USA und Großbritannien massiv in ihrer Legitimität.
Keine Verhandlungsspielräume
Der kurze Ausflug in übergeordnete Zusammenhänge sollte andeuten, dass es 1945 gar keine echten Verhandlungsräume zur Auslotung einer gesamtdeutschen Lösung gab, ging es doch um zwei gegensätzliche politische Ideen und Systeme, die beide um ihrer Existenz Willen gar nicht in der Lage waren, der anderen Seite Zugeständnisse zu machen. Kompromisse waren nur zum Preis der Selbstaufgabe möglich. Als Winston Churchill noch im Mai 1945 erstmals gegenüber US-Präsident Harry S. Truman das alte Wort vom „Eisernen Vorhang“ aufgriff und schrieb: „Was dahinter vorgeht, wissen wir nicht“, mahnte er bereits, die Sowjets könnten ihren Vormarsch, „wenn sie wollten, in kürzester Zeit bis zur Nordsee und zum Atlantik“ fortsetzen. Es sei „lebenswichtig“, zu „einer Verständigung mit Russland zu kommen, oder zu sehen, wo wir mit Russland stehen, ehe wir unsere Armeen bis zur Ohnmacht schwächen und uns auf unsere Besatzungszonen zurückziehen“.
Vor diesem Hintergrund sind die Teilung Deutschlands ab 1945 und die „doppelte Staatsgründung“ 1949 historisch einzuordnen, ganz unabhängig von den konkreten Abläufen wie etwa den Wahlen in Kommunen und Ländern 1946, dem Scheitern der Münchner Ministerpräsidentenkonferenz, bei der eine Zusammenarbeit aller deutschen Länder, auch der ostdeutschen, vereinbart werden sollte, der Bildung der Bizone, der Währungsreform, der Berlin-Blockade, der Erarbeitung des Grundgesetzes im Westen oder der Verabschiedung einer Verfassung im Osten. Deutschland war nicht souverän, auch keine einzelne Besatzungszone war es. Allerdings verabschiedeten sich explizit die Kommunisten frühzeitig von jeglichen Möglichkeiten, gesamtdeutsche demokratische Wege gehen zu können. Durch die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur SED und dem damit verbundenen Verbot der SPD in der Sowjetischen Besatzungszone im April 1946 waren sämtliche gesamtdeutschen Wege verbaut. Mit der Bildung der SED war die deutsche Teilung vorweggenommen und auf lange Zeit zementiert worden. Ohne die Zulassung demokratischer Parteien einschließlich der SPD war ein einheitliches Deutschland 1946 nicht denkbar. Diese erste Mauer im Deutschland der Nachkriegszeit wird bei der Betrachtung der „doppelten Staatsgründung“ zu oft übersehen. Die SED war von Anfang an als eine „Partei neuen Typus“ inszeniert worden, die eine „Diktatur des Proletariats“ anstrebte. Das proklamierten die Kommunisten um Walter Ulbricht nicht erst 1947/48, sondern bereits 1945/46, auch auf dem Parteitag, der die Vereinigung mit der Ost-SPD, wie es im Kreml geplant worden war, besiegelte.
Teilstaatsgründung
Walter Ulbricht kündigte am 2. Oktober 1949 im „Neuen Deutschland“ die Gründung des ostdeutschen Teilstaates an. Seine Begründung folgte der bisherigen Linie: Der westdeutsche Separatstaat habe den Charakter eines „Kolonialstaats“, das Grundgesetz sei von den Besatzungsmächten diktiert und breche nicht mit den Ursachen, die zum Faschismus geführt hätten. Um die deutsche Einheit weiter zu ermöglichen, werde die verabschiedete Verfassung der „deutschen demokratischen Republik“ – den Begriff benutzten die Kommunisten seit 1937, damit an die 1848er-Tradition anknüpfend – nun in Kraft gesetzt, um die demokratische Ordnung, den demokratischen Staat zu stärken.
Am 7. Oktober 1949 erfolgte die Staatsgründung. Vier Tage später inthronisierten die Sowjets Wilhelm Pieck als Präsidenten und einen Tag später die Regierung Otto Grotewohls. Der wichtigste deutsche Kommunist, Walter Ulbricht, war jetzt stellvertretender Ministerpräsident mit weitreichenden Befugnissen in Partei und Staat – niemand zweifelte daran, dass er der starke Mann in der Regierung und der SED war. Die Hauptaufgabe bestand darin, die Prinzipien der „Partei neuen Typus“ nun auf Staat und Gesellschaft zu übertragen.
Bereits am 4. Oktober hatte sich der Parteivorstand der SED um 11 Uhr im „Zentralhaus der Einheit“ versammelt. Dabei kam es zu Äußerungen, die eindrucksvoll das Selbstverständnis der SED-Funktionäre spiegelten und auch zeigten, wie stark die Teilung eine zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Freiheit und Unfreiheit war. Gerhart Eisler, erst im Juni 1949 aus der Emigration in den USA zurückgekehrt und nun für Massenagitation zuständig, forderte, im Rahmen der Staatsgründung Massendemonstrationen und andere Mobilisierungsmaßnahmen zu initiieren, „damit (…) die Bildung der provisorischen Regierung nicht nur ein Akt von Leuten innerhalb eines Gebäudes wird“. Eisler wollte, dass die Passiven und Abseitsstehenden durch Rundfunkübertragungen von den Manifestationen überall im Land mitgerissen würden. „So wird sich die provisorische Regierung weithin sichtbar in der ganzen Zone von vornherein auf eine ständig anschwellende Bewegung von Massen stützen. Das sollten wir diskutieren und dann durchführen; denn als Marxisten müssen wir wissen: wenn wir eine Regierung gründen, geben wir sie niemals wieder auf, weder durch Wahlen noch andere Methoden.“ Walter Ulbricht bekräftigte diese Aussage mit dem Zwischenruf: „Das haben einige noch nicht verstanden!“
Die „doppelte Staatsgründung“ 1949 war kein Akt, der an einem bestimmten Tag begann. Noch viel weniger war er mit Inkraftsetzung von Grundgesetz und DDR-Verfassung beendet. Erst in den 1980er Jahren verabschiedete sich die Bundesrepublik „von ihrem Selbstverständnis als Provisorium“.
Die „doppelte Staatsgründung“ war eine Episode der Geschichte, die zum ewigen Kampf zwischen Freiheit und Unfreiheit gehört. 1989 siegte die Freiheit. In Deutschland ist das nicht selbstverständlich.