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Editorial | Doppelte Staatsgründung | bpb.de

Doppelte Staatsgründung Editorial Warum es zur doppelten Staatsgründung kam Blasse Erinnerung. Der Neubeginn nach 1945 im deutschen Gedächtnis Blick zurück nach vorn. Nationalsozialistische Vergangenheit und Neubeginn 1949 Von der Gründungsgeschichte bis zur Wiedervereinigung. Die deutsche Zweistaatlichkeit im Geschichtsschulbuch Parteigründungen in der SBZ und in den Westzonen Französische Blicke auf die doppelte deutsche Staatsgründung Gründungsgeschichten. Eine Ausstellungsbegehung

Editorial

Sascha Kneip

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Während die meisten Staaten die Jahrestage ihrer Gründung feierlich begehen, spielt die doppelte Staatsgründung des Jahres 1949 im kollektiven Gedächtnis der Deutschen bis heute eine nur untergeordnete Rolle. Der Neubeginn nach 1945 scheint „eigentümlich ortlos und zeitverloren“ (Martin Sabrow). Zwar hat die DDR den Tag ihrer Staatsgründung am 7. Oktober von Beginn an zur Selbstlegitimation zu nutzen versucht, die Authentizität dieses Neuanfangs erstarb im Laufe der Zeit jedoch in ritualisiertem Pathos. In der Bundesrepublik wiederum war schon der Verkündung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949 wenig Aufmerksamkeit beschieden; der „Tag des Grundgesetzes“ ist bis heute kein offizieller Gedenktag. Hüben wie drüben war die kollektive Erinnerung eher durch soziale und politische Einschnitte wie die Währungsreform oder den Mauerbau als durch die Gründungsakte selbst geprägt.

Zum 75. Jahrestag der doppelten deutschen Staatsgründung scheint die Aufmerksamkeit für das Ereignis deutlich gewachsen zu sein. Unsere Sicht auf die Anfänge der beiden deutschen Staaten und auf die Menschen, die über vier Jahrzehnte lang in ihnen lebten, hat sich nach fast 35 Jahren deutscher Einheit verändert. Insbesondere der westdeutsche Blick auf die DDR war lange von Unwissen und Desinteresse geprägt. Erst allmählich, auch unter dem Eindruck der öffentlich geführten Debatten über „den Osten“, die ungleichen Anfänge 1949 und das Leben in der DDR, ist hier ein Wandel festzustellen – nicht nur in Alltagsdiskussionen, Schulbüchern und Publizistik, sondern auch in der zeitgeschichtlichen Forschung über die „gemeinsame deutsche Nachkriegsgeschichte“.

Über dieser partiellen Neubewertung schwebt immer die Frage, ob es 1949 auch anders hätte kommen können. War der Weg in die Zweistaatlichkeit mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vorgezeichnet und die Teilung zwingend? Bei nüchterner Betrachtung muss man wohl feststellen, dass die demokratie- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Westmächte und der Sowjetunion zu unterschiedlich waren, als dass eine Teilung Deutschlands hätte vermieden werden können. Dass die Folgen dieser Teilung bis heute mit Herausforderungen für das gesellschaftliche Zusammenwachsen verbunden sind, steht auf einem anderen Blatt.