Er glaube, Geschichte gründlich zu kennen, schrieb der Schriftsteller Stefan Zweig in seiner im Exil verfassten Autobiografie "Die Welt von gestern", doch seines Wissens habe sie "nie eine ähnliche Tollhauszeit von solchen riesigen Proportionen produziert".
Ruhrbesetzung
Das Jahr hatte bereits mit einem Paukenschlag begonnen. Am 11. Januar waren französische und belgische Truppen ins Ruhrgebiet einmarschiert. Zur Begründung wurde angeführt, dass die deutsche Regierung ihren im Friedensvertrag von Versailles übernommenen Verpflichtungen zur Lieferung von Schnittholz, Telegrafenstangen und Kohle nicht nachgekommen sei. Doch das war ein Vorwand. In Wirklichkeit ging es Frankreich darum, Deutschland in seiner Wirtschaftskraft nachhaltig zu schwächen, indem es das wichtigste deutsche Industrierevier unter seine Kontrolle brachte. Auf diesem Wege hofften die maßgeblichen französischen Politiker und Militärs, allen voran Ministerpräsident Raymond Poincaré, doch noch erreichen zu können, was ihnen in Versailles wegen des Widerstands der Amerikaner und Briten verwehrt geblieben war: die Abtrennung der linksrheinischen Gebiete vom Deutschen Reich und damit Sicherheit vor dem potenziell gefährlichen Nachbarn im Osten auf erdenkliche Zeit.
Die Ruhrbesetzung löste in Deutschland einen Aufschrei der Empörung und eine Welle nationaler Solidarität aus. "Im Augenblick ist jeder Klassenhass der Arbeitnehmer gegen die Arbeitgeber durch die patriotische Welle hinweggeschwemmt worden. Das ganze Land scheint in einer Einheit verschmolzen", beobachtete der britische Botschafter in Berlin, Edgar Vincent D’Abernon.
Dadurch sahen sich jene Kräfte in Deutschland ermutigt, die nur darauf warteten, vom passiven in den aktiven Widerstand überzugehen. Im März und April verübten Sabotagekommandos zahlreiche Sprengstoffanschläge auf Eisenbahnanlagen im besetzten Gebiet. Einer der Terroristen, der ehemalige Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter, wurde im Mai von einem französischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erschossen. Die gesamte politische Rechte, von den Deutschnationalen bis zu den Nationalsozialisten, feierte Schlageter als nationalen Märtyrer. Der Dramatiker Hanns Johst, der spätere Präsident der NS-Reichsschrifttumskammer, widmete ihm ein Schauspiel, das ihn als "Ersten Soldaten des Dritten Reiches" verklärte. Die Uraufführung sollte am 20. April 1933, Hitlers erstem Geburtstag als Reichskanzler, im Staatlichen Schauspielhaus Berlin stattfinden.
Im Laufe des Frühjahrs und Frühsommers 1923 wurde deutlich, dass der passive Widerstand auf Dauer nicht durchzuhalten war. Denn er verursachte ungeheure Kosten. Die ausgewiesenen Beamten mussten unterstützt, die Löhne der Arbeiter in den stillgelegten Betrieben fortgezahlt werden. Gleichzeitig brachen die Steuereinnahmen aus dem besetzten Gebiet weg. Den steigenden Finanzbedarf deckte die Regierung durch eine hemmungslose Betätigung der Notenpresse. Die Verschuldung des Reiches stieg sprunghaft an, und mit ihr beschleunigte sich der Verfall der deutschen Währung.
Inflation
Die Inflation hatte bereits im Weltkrieg eingesetzt. Das Deutsche Reich hatte den Krieg nicht durch eine Erhöhung der Steuern, sondern überwiegend durch inländische Anleihen finanziert – in der irrigen Annahme, dass man dem besiegten Gegner die Rückzahlung aufbürden könne. Und die demokratischen Nachkriegsregierungen hatten keine Anstrengungen unternommen, um den Haushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Inflationspolitik bot einen doppelten Vorteil: Einerseits konnten dadurch soziale Leistungen finanziert und radikale Tendenzen in der Arbeiterschaft aufgefangen werden; andererseits war sie ein probates Mittel, um den Alliierten die Unerfüllbarkeit ihrer Reparationsforderungen vor Augen zu führen.
Die Entwertung der Währung verlief zunächst schleichend und dann in immer schnellerem Tempo. "Wie die Fieberkurve eines Schwerkranken zeigt der Dollarstand täglich den Fortschritt unseres Verfalls", bemerkte der Diplomat und Kunstmäzen Harry Graf Kessler Anfang November 1922, als für einen Dollar bereits 9.000 Mark gezahlt werden mussten.
Parallel dazu stiegen die Preise nicht nur täglich, sondern stündlich. Anfang August hielt der an der Technischen Hochschule in Dresden lehrende Romanist Victor Klemperer eine bezeichnende Episode fest: Auf der Rückfahrt von ihrem Urlaub an der Ostsee bestellte seine Frau Eva in einem Wartesaal eine Tasse Kaffee: "Die Preistafel zeigte 6.000 M. Das verschwand, während sie trank. Beim Kassieren verlangte der Kellner 12.000. Sie sagte, es hätte doch vorhin dort 6.000 gestanden. Ach, Sie waren schon während des alten Preises hier? Dann zahlen Sie 6.000!"
Die Hyperinflation traf die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen unterschiedlich hart. Zu den Verlierern gehörten vor allem Sparer und jene Bürger, die Kriegsanleihen gezeichnet hatten und nun mitansehen mussten, wie sich ihre Vermögen buchstäblich in Nichts auflösten. Schwer zu leiden hatten auch die Rentner und Empfänger öffentlicher Unterstützungen, weil die Zahlungen immer erst verzögert und unzureichend der galoppierenden Geldentwertung angepasst wurden. Das galt auch für Beamte, Angestellte und Arbeiter, die feste Monatsgehälter bezogen. Eindeutig privilegiert waren hingegen die Sachwertbesitzer, deren Vermögen an Grund- und Hausbesitz unangetastet blieb, sowie alle, die Schulden gemacht hatten und diese nun mit wertlosem Geld abtragen konnten. Zu den Inflationsgewinnern zählten vor allem die industriellen Großunternehmen. Ihr Anlagevermögen blieb stabil, und sie erhielten billige Kredite, die es ihnen erlaubten, für einen Spottpreis Fabrikanlagen, Immobilien und ganze Firmen zu erwerben. Besonders skrupellos ging der Ruhrindustrielle Hugo Stinnes vor. Er kaufte zusammen, was nur zu kaufen war: Betriebe, Landgüter, Schiffe, Hotels, Zeitungen. So entstand ein riesiges Wirtschaftsimperium, wie man es in Deutschland noch nicht gekannt hatte. Es gebe im ganzen Land keinen zweiten, schrieb die Zeitschrift "Die Weltbühne" im März 1922, der "soviel Macht in seiner Hand zusammengeballt hat wie Hugo Stinnes".
Nicht nur das Geld verlor weitgehend seinen Wert. Auch bisher gültige Normen und Werte erfuhren eine fundamentale Entwertung. Tugenden wie Sparsamkeit, Rechtschaffenheit und Gemeinsinn verloren ihre Verbindlichkeit; Egoismus, Skrupellosigkeit und Zynismus waren Trumpf. Der Verlust des Vertrauens in die Währung zog den Verlust des Vertrauens in die bestehende politische und gesellschaftliche Ordnung nach sich. Worauf war denn noch Verlass, wenn das möglich war? Diese Frage stellte sich wie viele Angehörige seiner Generation auch der damals 17-jährige Klaus Mann, der älteste Sohn Thomas Manns. "Unser bewusstes Leben begann in einer Zeit beklemmender Ungewissheit", schrieb er in seiner Autobiografie "Der Wendepunkt". "Da um uns herum alles barst und schwankte, woran hätten wir uns halten, nach welchen Gesetzen orientieren sollen?"
Da die Zukunft ungewiss war, lebten viele Menschen für den Genuss des Augenblicks. "Nach uns die Sintflut" lautete die Devise. Die Vergnügungsindustrie boomte wie nie zuvor. Clubs, Bars, Nachtlokale schossen wie Pilze aus dem Boden. Eine wahre "Tanzwut" griff um sich. Nacktheit wurde mit einer nie zuvor gekannten Freizügigkeit zur Schau gestellt. In Berlin machte die Nackttänzerin Anita Berber Furore. Grell geschminkt, dem Kokain zugeneigt, verkörperte die knabenhaft schlanke, dunkle Schönheit wie keine zweite die fiebrige Atmosphäre der Inflationszeit.
Luxus und Vergnügungsgier der Neureichen kontrastierten scharf mit dem Elend der breiten Masse der Bevölkerung. Das Geld, über das man verfügte, möglichst rasch auszugeben, bevor es weiter an Wert verlor, wurde zu einer Überlebensfrage. In Phasen besonders schneller Teuerung kam es zu regelrechten "Kaufpaniken". Vielerorts griffen die notleidenden Menschen zur Selbsthilfe und plünderten Gemüseläden und Bäckereien. Wie die überkommenen Moralvorstellungen lösten sich auch die traditionellen bürgerlichen Eigentumsbegriffe auf. Kriminalitätsdelikte nahmen im selben Tempo zu, wie der Wert der Mark verfiel. Eine "Art Alltagsanarchismus", ein Kampf aller gegen aller, war die Folge.
Politische Zerreißproben
Bis Sommer 1923 hatte die fortschreitende Verelendung eine explosive Stimmung aus Erbitterung und Verzweiflung erzeugt. Sie entlud sich in einer Serie von Streiks. Am 13. August trat Reichskanzler Cuno, der mit seiner Politik auf ganzer Linie gescheitert war, zurück. Reichspräsident Friedrich Ebert beauftragte den Vorsitzenden der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei (DVP), Gustav Stresemann, mit der Nachfolge. Der rhetorisch brillante Parlamentarier, der sich nach 1918 von einem Herzensmonarchisten zum Vernunftrepublikaner gewandelt hatte, bildete eine Große Koalition aus DVP, linksliberaler Deutscher Demokratischer Partei (DDP), katholischem Zentrum und SPD. "Noch niemals zuvor hat eine Regierung ihr Amt in einem schwierigeren Augenblick übernommen als dem gegenwärtigen", berichtete der österreichische Gesandte Richard Riedl aus Berlin.
Ohne eine Sanierung der Währung war an eine wirtschaftliche Erholung nicht zu denken. Das aber setzte voraus, dass mit der finanziell untragbaren Subventionierung des Ruhrkampfes Schluss gemacht wurde. Am 26. September verkündete Stresemann den Abbruch des passiven Widerstands. Die nationalistische Rechte entfesselte daraufhin eine wüste Kampagne gegen ihn. Noch am gleichen Tag verhängte die bayerische Staatsregierung den Ausnahmezustand und ernannte den Regierungspräsidenten von Oberbayern, Gustav Ritter von Kahr, zum "Generalstaatskommissar" mit weitreichenden Vollmachten. Das kam einem Akt der Auflehnung gegen die Regierung in Berlin gleich. Diese verhängte am 27. September den Ausnahmezustand über das Reich und betraute Reichswehrminister Otto Geßler mit der vollziehenden Gewalt. Doch vor einer offenen Kraftprobe mit dem abtrünnigen Bayern scheute Stresemann nicht zuletzt deshalb zurück, weil er sich für diesen Fall der Loyalität der Reichswehr nicht sicher sein
konnte.
Nicht nur der schwelende Konflikt mit Bayern belastete die Arbeit der Großen Koalition. Im Herbst 1923 hielt man in Moskau die Situation reif für einen bewaffneten Aufstand, einen "deutschen Oktober", der die proletarische Revolution nach Mittel- und Westeuropa tragen und die Sowjetunion aus ihrer Isolierung befreien sollte. Als Sprungbrett sollte der Eintritt der Kommunisten in die sozialdemokratisch geführten Landesregierungen von Sachsen und Thüringen dienen. Doch auf einer Konferenz der Betriebsräte in Chemnitz am 21. Oktober zeigte sich, dass das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale und die KPD-Führung die Kampfbereitschaft der Arbeiterschaft überschätzt hatten. Mit großer Mehrheit wurde der Antrag abgelehnt, in einen Generalstreik einzutreten, der das Signal zum Aufstand geben sollte. Der "deutsche Oktober" fand nicht statt. Ein isoliert bleibender Aufstand in Hamburg wurde rasch niedergeschlagen.
Übte die Reichsregierung gegenüber den Provokationen aus München ein erstaunliches Maß an Nachsicht, so ging sie mit umso größerer Härte gegen die Einheitsfrontregierungen in Sachsen und Thüringen vor. Am 22. Oktober rollten Eisenbahnzüge, vollbesetzt mit Reichswehrtruppen aus allen Teilen Deutschlands, über die sächsische Grenze. "Sachsen ist mit Reichswehr überschwemmt; in zahllosen Trupps von 6–8 Mann patrouilliert scharfbewaffnetes, von Württemberg und Mecklenburg eingerücktes Militär durch die Straßen", beobachtete die Autorin Thea Sternheim in Dresden.
Der Ruf nach einem "starken Mann", der mit eiserner Hand Ordnung ins Chaos bringen und Deutschland von den Fesseln des Versailler Vertrages befreien sollte, erscholl nun in den Kreisen der radikalen Rechten immer lauter. Die Hoffnungen richteten sich dabei vor allem auf den Chef der Heeresleitung, Hans von Seeckt. Seit Mitte September wurde der General von maßgebenden Vertretern des Reichslandbundes, der mächtigen Lobbyorganisation der ostelbischen Großagrarier, der rechtskonservativen Deutschnationalen Volkspartei und des rechtsextremen Alldeutschen Verbandes bestürmt, sich als ein "Militärkanzler" für eine autoritäre Lösung der Krise zur Verfügung zu stellen. Seeckt zeigte sich nicht abgeneigt. Ihm schwebte, für den Fall, dass Stresemanns Regierung ihren parlamentarischen Rückhalt verlieren sollte, die Einsetzung eines Drei-Männer-Direktoriums vor, in dem er selbst eine führende Rolle einnehmen wollte.
Hitler-Putsch
Am weitesten gediehen waren die Pläne zur Errichtung einer "nationalen Diktatur" in Bayern. Hier war es vor allem der Vorsitzende der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler, auf den sich die Erlösungssehnsüchte und Erweckungsphantasien der deklassierten oder von der Deklassierung bedrohten Schichten der Bevölkerung richteten. Mit seinen Hasstiraden gegen die "Novemberverbrecher", den "Schandfrieden" von Versailles und die "jüdisch-kapitalistischen Schieber und Wucherer" füllte er Woche für Woche die größten Versammlungssäle Münchens. Seit Januar 1923 verzeichnete die NSDAP einen starken Zulauf; die Zahl ihrer Mitglieder erhöhte sich bis November auf über 55.000.
Gerüchte über einen bevorstehenden Putsch machten die Runde. Anfang September kam es auf einem "Deutschen Tag" in Nürnberg zum Schulterschluss zwischen Hitler und General Erich Ludendorff, dem heimlichen Diktator Deutschlands in den letzten beiden Weltkriegsjahren. Mit ihm im Bunde konnte der "Führer" der NSDAP hoffen, die Reichswehr für einen geplanten Coup zu gewinnen. Mit- und Gegenspieler Hitlers in Bayern war das sogenannte "Triumvirat": Generalstaatskommissar von Kahr, Generalleutnant Otto Lossow, der Chef der Reichswehr in Bayern, der im Oktober wegen Befehlsverweigerung von Geßler entlassen worden war, den Kahr aber unmittelbar danach mit der Weiterführung seines Kommandos betraut hatte, und schließlich Oberst Hans von Seißer, der Chef der bayerischen Landespolizei. Auch diese drei Männer strebten eine "nationale Diktatur" an, die Initiative dazu sollte aber von der Reichswehrführung in Berlin ausgehen. Sie wussten von den Direktoriumsplänen Seeckts und wollten sich dessen Bestrebungen anschließen. Hitler aber wollte die Diktatur in München ausrufen und von hier aus nach dem Vorbild von Benito Mussolinis "Marsch auf Rom" im Oktober 1922 den "Marsch auf Berlin" antreten.
Am Abend des 8. November nutzte er eine Versammlung im Bürgerbräukeller, um die "nationale Revolution" zu proklamieren. Buchstäblich mit vorgehaltener Pistole presste er Kahr, Lossow und Seißer die Zusage ab, sich seinem Putsch anzuschließen. Doch kaum war es dem Triumvirat gelungen, sich aus dem Bürgerbräukeller zu entfernen, holte es auch schon zum Gegenschlag aus. Reichswehr und bayerische Landespolizei standen somit gegen die Putschisten, und damit war das Unternehmen zum Scheitern verurteilt. Der Versuch Hitlers und Ludendorffs, durch einen Demonstrationszug durch die Innenstadt am Mittag des 9. November das Blatt noch einmal zu wenden, endete im Kugelhagel vor der Feldherrnhalle.
So dilettantisch der Putsch ins Werk gesetzt worden war und so burleske Züge die Inszenierung im Bürgerbräukeller trug, so ernst zu nehmen war doch das, was sich in der Nacht zum 9. November in München zutrug. Für einige Stunden glaubten sich Hitlers Sturmtruppen im Besitz der Macht, und sofort begannen sie, Angehörige der politischen Linken und jüdische Bürger zu terrorisieren und zu verhaften. Der rasche Zusammenbruch des Putsches verhinderte Schlimmeres. Doch warfen die Vorgänge bereits ein Schlaglicht auf das, was sich zehn Jahre später, nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, in ganz Deutschland ereignen sollte.
Ein schlimmes Vorzeichen für Kommendes war auch ein Ereignis, das sich am 5. November, drei Tage vor Hitlers Putsch, im Berliner "Scheunenviertel", einem beliebten Wohnquartier für viele aus dem Osten eingewanderter Juden, zugetragen hatte. Eine durch antisemitische Agitatoren aufgehetzte Menge plünderte jüdische Geschäfte und Wohnungen und misshandelte Juden auf offener Straße. "Berlin hat sein Judenpogrom gehabt. Berlin ist geschändet worden. Eine Schmach für ein Volk, das sich zu den zivilisierten zählt", schrieb der sozialdemokratische "Vorwärts".
Mit dem gescheiterten Putsch im Bürgerbräukeller waren die Diktaturpläne der Rechten fürs Erste diskreditiert. "Das Schlagwort der nationalen Diktatur ist in seiner Hohlheit entlarvt", kommentierte der Journalist Ernst Feder im liberalen "Berliner Tageblatt".
Auf die Nachricht vom Putsch hatte Reichspräsident Ebert noch in der Nacht zum 9. November die vollziehende Gewalt auf General Seeckt übertragen, die seit dem 26. September Reichswehrminister Geßler innegehabt hatte. Angesichts der zwielichtigen Rolle, die der Chef der Heeresleitung in den Wochen zuvor gespielt hatte, schien das für manche Beobachter ein riskanter Schritt zu sein. Tatsächlich aber hatte Ebert einen klugen Schachzug getan, der die auf den General gesetzten Hoffnungen der Republikgegner durchkreuzte. Denn indem er Seeckt direkt seiner Weisungsbefugnis unterstellte, band er ihn zugleich an sich und verpflichtete ihn auf die Verteidigung der bestehenden Verfassungsordnung. Die Direktoriumspläne waren damit vom Tisch.
Trügerische Erholung
Mitte November erreichte die Hyperinflation ihren bizarren Höhepunkt. Am 14. November überstieg der Dollarkurs erstmals die Billionengrenze, am 15. stand er bei 2,52 Billionen.
Mitten in die Phase der Erholung wurde Stresemann gestürzt. Er hatte, einem Misstrauensantrag der SPD zuvorkommend, am 23. November im Reichstag die Vertrauensfrage gestellt. "Was Euch veranlasst, den Kanzler zu stürzen, ist in sechs Wochen vergessen, aber die Folgen Eurer Dummheit werdet Ihr noch zehn Jahre lang spüren", schrieb Ebert seinen Parteifreunden ins Stammbuch.
"Nichts hat das deutsche Volk – dies muss immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden – so erbittert, so hasswütig, so hitlerreif gemacht wie die Inflation", schrieb Stefan Zweig in "Die Welt von gestern".
Nur sechs Jahre nach der Inflationsperiode erlebte die Weimarer Republik "ihre Höllenfahrt in den Abgrund einer beispiellosen Depression".
lenken.
Hinter dem ehemaligen kaiserlichen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, seit 1925 im Amt, sammelten sich die Kräfte, die nachholen wollten, was ihnen 1923 noch nicht gelungen war: die verhasste Republik zu Fall zu bringen und eine autoritäre Ordnung aufzurichten. Ende Januar 1933 wähnten sie sich am Ziel. Im "Kabinett der nationalen Konzentration" besaßen Hitlers konservative Bündnispartner ein deutliches Übergewicht. Doch die Vorstellung, man könne den Demagogen für die eigenen sozialreaktionären Interessen einspannen und die Dynamik seiner Bewegung unter Kontrolle halten, sollte sich als grandiose Illusion erweisen. Hitler brauchte nur wenige Monate, um alle Gegenkräfte auszuschalten und eine nationale Diktatur zu etablieren, die in ihrer Radikalität und Menschenverachtung allerdings weit über das hinausging, was sich die Republikgegner in Wirtschaft, Reichswehr und Politik 1923 erträumt hatten.