Jede Diskussion über Care-Arbeit ist auch eine über das Geschlechterverhältnis, doch Männer* waren in dieser Debatte lange Zeit merkwürdig abwesend. Dabei ist ein Blick auf Männer* – und die kulturellen Männlichkeitsmuster, die sie prägen – besonders in Deutschland immens wichtig: Nicht nur leben wir seit Jahrzehnten mit einer ausgeprägten Lohnlücke (und damit verbunden auch einer noch deutlicheren Rentenlücke) zwischen den Geschlechtern, sondern auch mit einer Care-Lücke. Der Gender Care Gap lag laut zweitem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2017 bei durchschnittlich 52,4 Prozent, das heißt, Männer* leisten täglich durchschnittlich um 87 Minuten weniger Care-Arbeit als Frauen*. Mit betreuungspflichtigen Kindern liegt der Gender Care Gap bei 83,3 Prozent. Dies bedeutet gleichzeitig: Männer* sind frei(er) von Care-Arbeit und damit für Erwerbsarbeit und Karriere als Frauen*. Doch es tut sich was: Zunehmend rufen Initiativen und Plattformen wie beispielsweise Men-Engage oder Male Feminists Europe Männer* dazu auf, sich stärker in der Care-Arbeit zu engagieren und damit zu Akteuren des Wandels in den Geschlechterverhältnissen zu werden. Der Unternehmensberater Robert Franken drückt es so aus: "Es ist wirklich ein Teufelskreis von Gender Gaps, und es ist höchste Zeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen."
Seit einigen Jahren wird auch in der kritischen Männlichkeitsforschung über "Caring Masculinities" diskutiert. Dahinter verbirgt sich eine Variante von Männlichkeit, die aus der feministischen Fürsorgeethik abgeleitete Werte umfasst (wie Aufmerksamkeit, Interdependenz, Mitverantwortung, Unterstützung, Empathie). Damit bezieht sich der Ansatz "Caring Masculinities" zunächst auf ganz praktische Sorgetätigkeiten – etwa in der Familie, bei der Hausarbeit, aber auch auf bezahlte Sorgeberufe in Erziehung und Pflege. Er geht aber auch darüber hinaus: Die Soziologin Karla Elliott beschreibt fürsorgliche Männlichkeiten in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter und hebt die Ablehnung von Gewalt und männlicher Dominanz als Merkmale hervor.
Auch die Integration von Werten und Praktiken der Sorgearbeit und damit verbundene Werte der Beziehungsorientierung werden betont. Diese Vorstellung fürsorglicher Männlichkeit erhielt wesentliche Impulse seitens der Philosophin Nancy Fraser, die gegen die geschlechterhierarchische Aufteilung von Arbeit das Modell des "Universal Caregiver" vorschlug: Davon ausgehend, dass Care-Arbeit eine für alle Menschen relevante Aufgabe ist, sollen traditionell männliche (Familienernährer) und weibliche (Familienbetreuerinnen) Arbeits- und Lebensmuster einander angeglichen – am besten im Sinne einer Orientierung an care-bezogenen Modellen –, beschränkende Vereinseitigungen aufgehoben und Care-Arbeit in ihrer sozialen Bedeutung anerkannt werden.
Die Orientierung an Care-Arbeit birgt Vorteile auch für Männer*. Denn traditionelle Männlichkeitskonzepte sind mit Kosten verbunden, die sich durch stärkere Care-Bezüge reduzieren ließen. Auf der Grundlage von Forschungsarbeiten in Norwegen lassen sich die Vorteile einer involvierten Vaterschaft nachvollziehen, darunter eine bessere Beziehungsqualität und ein gesünderes Leben sowie geringere Risiken von Konflikten und häuslicher Gewalt. Der Sozialwissenschaftler Niall Hanlon beschreibt, dass Männer* in der Pflegearbeit starre Geschlechternormen ablegen können, die sich im Leitbild der hegemonialen Männlichkeit manifestieren, während sie im Gegenzug "eine flexiblere Definition der Männlichkeit, der Männerrollen und der Fürsorgefähigkeiten von Männern" erhalten. Was aber sind die Ausgangspunkte und sozialen Rahmenbedingungen für die Verbindung von Männern* und Care-Arbeit?
Männlichkeitskonstruktionen im Wandel
Unter "Caring Masculinities" verstehen wir Arten des Mannseins, die sich auf vielerlei Weise von tradierten Männerbildern und -rollen – etwa einer vergleichsweise starken Orientierung auf Erwerbsarbeit, Macht und Dominanz – unterscheiden. Die Hinführung zu Produktivität und Rationalität nicht zuletzt durch eine Trennung von emotionaler Bindung und Sorgearbeit galt lange als besonders wichtig für die Männlichkeitskonstruktion und prägte gleichzeitig vorherrschende soziale und ökonomische Strukturen. Die Soziolog*innen Sylka Scholz und Andreas Heilmann fassen dies so zusammen: "Die Geschlechterforschung hat gezeigt, wie im Kapitalismus die Idee eines vermeintlich autonomen, implizit männlichen Subjektes entsteht, das durch eine Wachstums- und Leistungsorientierung charakterisiert ist. Alle grundlegenden Abhängigkeiten von sorgenden Tätigkeiten, aber auch von einer natürlichen Umwelt werden darin negiert und unsichtbar gemacht." Auf Basis stereotyper Zuschreibung sogenannter Männer- und Frauenarbeit werden die damit bezeichneten Tätigkeiten und Felder hierarchisiert sowie in Status und Bezahlung auf- beziehungsweise abgewertet. (Selbst-)Sorge wird bereits Jungen* mehr oder weniger subtil abtrainiert ("Jungen weinen nicht!"), Ähnliches gilt für die entsprechenden Tätigkeiten. In der Folge entsteht für männliche Heranwachsende ein "Gleichheitstabu": Ein möglichst großer Abstand zu Mädchen* und "Frauenarbeit" bestimmt die Berufsorientierung und die Entscheidung für bestimmte Spezialisierungen und Ausbildungswege, aber ebenso für die grundlegende Erwerbsorientierung und gegen eine aktivere Rolle in der Haus- und Familienarbeit.
Doch wird seit einiger Zeit ein Einstellungs- und Rollenwandel konstatiert, der sich am Verhältnis von Männern* zu Erwerbsarbeit und Vaterschaft zeigen lässt. 1978 stellte die Soziologin Helge Pross noch eine fast ausschließliche Erwerbsorientierung westdeutscher Männer* fest. Die tradierte geschlechtliche Arbeitsteilung hielten diese mehrheitlich für richtig, die eigene Rolle in der Familie sahen sie als "Ernährer". Eine knappe Generation später wünschen sich bereits mehr als 70 Prozent der im Rahmen einer Studie befragten Männer* nicht nur eine Ernährer-, sondern auch eine Betreuer- und Erzieherrolle. Und in einer Befragung von 2013 äußerten etwa 90 Prozent von 1.000 befragten Vätern*, dass sie sich auch wochentags Zeit für die Familie wünschen.
Auch betrieblich ist ein Wandel zu verzeichnen: Zwischen 2001 und 2004 haben wir für die EU-Studie "Work Changes Gender" in Unternehmen und Betrieben in Deutschland, Österreich, Israel, Norwegen, Spanien und Bulgarien gefragt, ob Erfahrungen mit Männern* in Teil- und Elternzeit vorhanden sind. Die Reaktion von Personalverantwortlichen in Deutschland, aber auch in den meisten anderen Ländern, war oft ungläubiges Erstaunen: "So etwas haben wir hier nicht!" Es handelte sich also um eine weithin unbekannte Spezies; einige ihrer Vertreter konnten dennoch befragt werden, manche nannten sich selbst in den Interviews freimütig "Exoten". Sie klagten darüber, im Betrieb eine Randposition einzunehmen, nicht ernst genommen zu werden. Personalführung wurde ihnen meist nicht zugetraut, eine Karriere war damit unwahrscheinlich, und auf den Spielplätzen ihrer Wohnorte waren sie, wie sie sagten, "allein unter Müttern". In Deutschland nahmen 2006 lediglich 3,5 Prozent der Väter* ein Erziehungsgeld in Anspruch. Dieser Exotenstatus änderte sich erst, als 2007 mit dem Bundeselterngeldgesetz eine "Normalisierung" männlicher Elternzeiten einsetzte. Heute nehmen knapp 40 Prozent der Väter* Elternzeit, 2019 waren es 456.000. Auch wenn diese fast immer deutlich kürzer ausfällt als bei den Müttern*, muss auf der Ebene der Betriebskulturen dennoch von einem bedeutsamen Paradigmenwechsel gesprochen werden, da care-bedingte Auszeiten nun fast standardmäßig auch von Männern* in Anspruch genommen werden.
Zwar leisteten Männer* 2016 durchschnittlich 39,4 Wochenstunden Erwerbsarbeit, das sind 8,7 Stunden mehr als Frauen*. Diese Lücke sinkt jedoch leicht. Zwischen 2007 und 2017 hat die durchschnittliche Wochenarbeitszeit unter Männern* abgenommen. Die Soziolog*innen Dietmar Hobler und Svenja Pfahl zeigen zwar auf, dass eine längerfristige Umstellung auf eine Teilzeitstelle bei Vätern* eine Ausnahme bleibt. Dennoch reduzieren besonders Väter* in ihrer Untersuchungsgruppe mit Arbeitszeiten von mehr als 40 Wochenstunden ihre Überstunden beziehungsweise die Arbeitszeit um etwa 20 Prozent. Die Autor*innen resümieren: "Wie stark die Väter auf ein egalitäres Paararrangement hin ausgerichtet sind, d.h. wie gezielt sie eine egalitäre Doppelverdiener-Erwerbskonstellation mit ähnlichen Arbeitszeiten beider Partner/innen anstreben, ist entscheidend für die von ihnen nach der Geburt geleistete Arbeitszeitdauer."
Männer* in Care-Berufen
Das Interesse an Männern* in Berufen der Pflege und Erziehung steigt, dies zeigen internationale Studien und mediale Diskurse, Projekte und Maßnahmen (etwa "Mehr Männer in Kitas", "Klischeefrei" oder "Boys’ Days" in Österreich und Deutschland). Care-Berufe bilden ein zahlenmäßig und kulturell feminisiertes Feld, was es für Untersuchungen zur Arbeitsmarktsegregation, aber auch für die Gender-, Organisations- und Bildungsforschung interessant macht. Einerseits tragen mehr Männer* in Care-Berufen zu einer Integration von Care-Tätigkeiten in Männerrollen bei; sie normalisieren und verbreiten somit Caring Maculinities, nicht zuletzt als Rollenvorbilder für Jungen*, andererseits zeigen Analysen der damit einhergehenden strukturellen und kulturellen Bedingungen, dass eine Öffnung des Feldes für Männer* nicht automatisch oder umgehend zu egalitären Geschlechterkonstruktionen führt.
Strukturell sind Care-Berufe meist finanziell schlechter ausgestattet als "Männerberufe" – mit der Konsequenz schlechterer Bedingungen und Bezahlung. Feminisierung und Abwertung bedingen einander: "Die Annahme, dass professionelle Pflege eine Erweiterung familiären Sorgearbeit darstellt, hat den Beruf im Vergleich mit von Männern* dominierten Berufen weiter abgewertet und konstruiert Pflege als ungelernte Arbeit, die jede Frau* verrichten kann." In einem feminisierten, schlechter bezahlten und statusniedrigeren gesellschaftlichen Feld zu agieren ("Frauenberufe"), kann bei Männern* zu einer Verunsicherung der Geschlechterposition beitragen – erlebt wird nicht selten ein Absprechen von Männlichkeit, eine Unterordnung, sowohl binnengeschlechtlich als auch gegenüber Frauen*.
Eine jüngere slowenische Interviewstudie zeigte: Gute Arbeitsbedingungen gemeinsam mit Akzentuierungen traditioneller (hegemonialer) Männlichkeit scheinen die Arbeit der Betreuung von Menschen mit Behinderungen für Männer* attraktiv zu machen. Demgegenüber war der Männeranteil in der Altenpflege aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen und feminisierter Konnotationen der Pflege (Intimpflege und Hausarbeit) extrem niedrig. Auch in der Kleinkindbetreuung scheint das "natürliche Betreuungsmodell" (Mutterschaft) Männer* trotz vergleichsweise guter Arbeitsbedingungen abzuschrecken.
Übliche Strategien im Umgang mit realen oder vermeintlichen Abwertungen von Männern* in feminisierten Berufsfeldern scheinen darin zu bestehen, Männlichkeit deutlich zu markieren und die Differenz zu weiblichen Kolleg*innen hervorzuheben. Eine Studie über männliche Krankenpfleger in Großbritannien gibt Einblick in diese Phänomene: Männliche Krankenpfleger betonten bei der Pflege von Männern* dominante Männlichkeit (wie in Sprachgebrauch und Haltung), um nicht als homosexuell zu gelten. Bei der Pflege von Frauen* wurden von denselben Pflegern "weibliche" Qualitäten und damit eine soft masculinity hervorgehoben. Diese Männer* waren bemüht, sich im feminisierten Umfeld der eigenen Position im heteronormativen binären Geschlechtersystem als maskulin und heterosexuell zu versichern und dies auch der Umwelt deutlich zu signalisieren – etwa im Sinne von: Ich bin ein Mann und kann trotzdem Care-Arbeit leisten.
In anderen Studien mit männlichen Pflegern in Schweden und Kanada konnte gezeigt werden, dass versucht wurde, traditionell männlich kodierte Fähigkeiten mit Care-Aufgaben zu verknüpfen (beispielsweise körperliche Stärke und die Fähigkeit, mit aggressiven Bewohner*innen umzugehen). Während Männer* in manchen Feldern der Care-Arbeit (etwa Pflege mit Körperkontakt) mit Statusverlust umgehen müssen – was zu einem niedrigen Anteil männlicher Pflegekräfte beiträgt – können andere Tätigkeiten Türöffner für Männer* sein. Jobs in den Bereichen "Low-touch" und "High-tech" (etwa Notfallversorgung), in denen unter anderem Lösungsmodelle für kritische Situationen in der Pflege erarbeitet werden, weisen einen deutlich höheren Männeranteil auf. Zugleich sind diese Tätigkeitsfelder mit prestigeträchtigen Spezialisierungen verbunden. Insgesamt gehe es darum, untergeordnete Positionen zu vermeiden und eine Kohärenz zwischen Arbeit und Männlichkeit herzustellen. Durch technische Fertigkeiten, Kraft und körperliche sowie emotionale Distanz ist eine geschlechterkonforme Ausübung der Pflegearbeit möglich, bei der die Assoziation der "Unmännlichkeit" minimiert werden kann.
Männer* in Care-Berufen zeigen mithin ein vielschichtiges Bild: Sie erschließen sich Tätigkeiten und Felder, die Männerrollen erweitern und stereotypen und hegemonialen Männlichkeitsvorschriften entgegengesetzt sein können. Sie können zu einer Aufwertung dieser Bereiche mit positiven Effekten auch für die Mehrheit der weiblichen Kolleg*innen beitragen. Sie können aber auch – nicht zuletzt im Kraftfeld tradierter Geschlechterbilder und unter dem Druck eines Statusverlustes in feminisierten Berufen – an einem doing gender mitwirken, das mit ihrer Abgrenzung von Weiblichkeit (und/oder Homosexualität) Ungleichheiten reproduziert oder gar verstärkt.
Warum sollten Männer* Sorgearbeit übernehmen?
Männer* müssen sich also sowohl in bezahlten als auch in unbezahlten Pflege- und Betreuungskontexten mit inneren und äußeren Barrieren auseinandersetzen: Mit einer Kultur und Sozialisation, die auf eine hierarchisierte Arbeitsteilung gründen, mit normativen Konzepten eines feminisierten gesellschaftlichen Feldes, mit der Gefahr des Statusverlustes. Dies ist eine Seite der Medaille.
Auf der anderen Seite bieten diese Felder auch eine Befreiung von traditionellen Männlichkeitsanforderungen. Traditionelle, hegemonial strukturierte Anforderungen an Männlichkeit werden auch als "toxisch" beschrieben, weil sie auf Machtstreben und Konkurrenz, ungesunden und manchmal unglücklichen Lebensweisen und auch auf Gewalt basieren. Die "ernsten Spiele des Wettbewerbs" unter Männern* verlangen zuweilen hochriskante Einsätze und sind für viele letztlich mit Verlust und Misserfolg verbunden, denn die Positionen in den oberen Rängen sind begrenzt. Somit können egalitärere Konzepte von Männlichkeit – die ihre Beteiligung an Care erleichtern – auch für Männer* attraktiv sein. Hinzu kommt, dass das Modell des männlichen Familienernährers nicht mehr zeitgemäß ist: Es zementiert die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, und viele Familien können es sich schlichtweg nicht mehr leisten, mit einem Gehalt auszukommen. Moderne Ansprüche an geteilte Elternschaft, gleichberechtigte Partnerschaft und geteilte Sorgearbeit gegenüber zu betreuenden Menschen im sozialen Nahraum stützen dieses Bild.
So verwundert es nicht, dass immer mehr Männer* die Gleichstellung der Geschlechter in Beruf und Partnerschaft als richtig empfinden. Professionelle Pflege- und Betreuungsarbeit wird zu einem wichtigeren Faktor der Erwerbsarbeit, und Männer* wollen im Umbruch der Arbeitsverhältnisse nicht den Anschluss verlieren. Aber auch im Bereich der unbezahlten Sorgearbeit können sich Männer* der Verantwortung nicht mehr ohne Weiteres verschließen – und wollen es zunehmend nicht mehr. Studien zur Aufteilung unbezahlter Sorgearbeit bei Paaren mit Kindern zeigen, dass geschlechtergerechtere Modelle mit höheren Zufriedenheitswerten bei allen Beteiligten und mit geringeren Belastungen und geringeren Risiken (Gewaltwahrscheinlichkeit sinkt) einhergehen. Wenn Männer* unbezahlte Sorgearbeit übernehmen, können auch Unternehmen die Tatsache nicht länger ignorieren, dass sich die Übernahme von Sorgearbeit und Betreuungsverantwortung zu einem geschlechterübergreifenden Merkmal entwickelt. Darin liegt Potenzial für eine bessere Work-Life-Balance für alle Geschlechter – und für mehr Geschlechtergerechtigkeit im Berufsleben.
Männer*, die Sorgearbeit übernehmen – sei es bezahlt oder unbezahlt – sind zudem Vorbilder für nachfolgende Generationen. Erst wenn Geschlechtervielfalt alltäglich erlebbar ist, besteht die Chance, einschränkende Geschlechternormen hinter uns lassen zu können. Fürsorgliche Männlichkeiten schaffen Möglichkeiten für Männer*, Beziehungen – innerhalb und außerhalb der Familie – zu vertiefen und zu einer gesünderen und gerechteren Gesellschaft beizutragen. Diese Dimension scheint sich Männern* beim Thema "aktive Vaterschaft" leichter zu erschließen als bei der Aufteilung häuslicher Versorgungs- und Reinigungsarbeit. Hier gilt nicht nur, dass Paare und Wohngemeinschaften weiterhin Aushandlungsprozesse leisten, sondern auch, dass Männer* Neubewertungen von Arbeit vornehmen müssen: Care-Arbeit wird attraktiver, wenn sie sozial und individuell als wertvoll integriert und nicht abgewertet wird.
Während des "Lockdowns" aufgrund der Corona-Pandemie haben Männer* viele Wochen zu Hause mit Partner*innen, Kindern, Freund*innen und anderen Personen verbracht. Für viele wurde nun offenbar die Sorgearbeit zu Hause viel sichtbarer. Auch wenn sich abzeichnet, dass die Pandemie bestehende Care-Gaps insgesamt eher vergrößert, so hat auch die Betreuungszeit seitens der Väter* zugenommen. Soll die Rolle von Männern* in der Sorgearbeit künftig gestärkt werden, gilt es, entsprechende Unterstützungsangebote zu machen, in der Arbeits-, Sozial- und Bildungspolitik, in Betrieben und Unternehmen. Darüber hinaus sollten Männer* in der Lage sein, selbst zu Agenten des Wandels zu werden. Abseits strenger Geschlechternormen und traditioneller Männlichkeitsanforderungen besteht die Chance, dass die Vielfalt von Männlichkeiten sichtbar wird und gesellschaftliche Anerkennung findet. Nicht zuletzt müssten also die Vorteile und die gesellschaftliche Relevanz von Care und Fürsorge wahrgenommen und (Selbst-)Fürsorge nicht auf reine Tätigkeiten beschränkt, sondern im Sinne Nancy Frasers als menschliche Norm verstanden werden.