Wer betreut die Kinder, wer pflegt die Alten?
Corona-Krise und häusliche Arbeitsteilung in Ungarn
Éva Fodor Anikó Gregor Júlia Koltai Eszter Kováts
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Als Ministerpräsident Viktor Orbán am 13. März 2020 die Schließung der Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen verkündete, standen über eine Million ungarische Paare mit Kindern und mehrere Hunderttausend Alleinerziehende vor einer großen Herausforderung: Sie mussten nicht nur die technische Ausrüstung für den Heimunterricht beschaffen, sondern auch die Kinderbetreuung organisieren. Denn nicht nur die Schulen und Kindergärten wurden geschlossen, auch die Unterstützung durch Großeltern oder private Tagesmütter war nicht mehr möglich. Die Familien mussten sich allein um den Haushalt und die Kinderbetreuung kümmern, einschließlich der Aufgaben, die bislang von anderen, etwa von bezahlten Kräften, übernommen worden waren. Für viele bedeutete das einen mehr als ausgefüllten Tag, bei dem die Kinder unterrichtet, unterhalten und umsorgt werden mussten, während man gleichzeitig versuchte, online oder offline das übliche berufliche Arbeitspensum zu bewältigen.
Die Pandemie machte deutlich, was Sozialwissenschaftler seit über einem Jahrzehnt als "Care-Krise" beschreiben: den wachsenden inneren Widerspruch zwischen der derzeitigen am Finanzmarkt orientierten kapitalistischen Produktionsweise und der Logik der Reproduktionsarbeit wie beispielsweise Kinderbetreuung, Altenpflege, Hausarbeit, bei dem die Wirtschaft die Ressourcen der Reproduktionsarbeit nutzt, während sie gleichzeitig deren Funktionieren untergräbt. Frauen erleben diesen Widerspruch meist besonders intensiv, weil sie neben ihrer bezahlten Arbeit tagtäglich den Löwenanteil der Kinderbetreuung, Kranken- und Altenpflege bewältigen. Hat sich dies in der Phase des "Lockdowns" geändert? Vor dem Hintergrund der Ausgangssituation in der häuslichen Arbeitsteilung in Ungarn und den Herausforderungen durch die Pandemie stellen wir in diesem Beitrag Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage vor, in der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Mai 2020 zu den Veränderungen bei der Arbeitsteilung in Bezug auf Kinderbetreuung und Altenpflege in ihren Haushalten befragt wurden.
Verteilung der Care-Arbeit und Herausforderungen durch die Pandemie
Verglichen mit der Bevölkerung in anderen osteuropäischen Ländern hat die ungarische eine relativ konservative Einstellung zu den Geschlechterrollen, vor allem im Hinblick auf die Kinderbetreuung und die Arbeitsteilung im Haushalt: 8 von 10 Befragten stimmen der Aussage zu, "die wichtigste Rolle einer Frau ist es, sich um ihr Heim und ihre Familie zu kümmern". Diese Einstellung spiegelt sich auch in der aktuellen Arbeitsteilung, wie Zeitbudgeterhebungen zeigen. Mütter kleiner Kinder verbringen im Vergleich zu Vätern mehr als doppelt so viel Zeit mit hauswirtschaftlicher Arbeit (330 Minuten im Vergleich zu 142 Minuten pro Tag) und 2,2 Mal so viel Zeit mit der Kinderbetreuung (96 im Vergleich zu 44 Minuten pro Tag). Obwohl zwischen 1986 und 2009 die Minutenzahl gestiegen ist, die Väter auf die Kinderbetreuung verwenden, blieb der Gender Gap stabil. Die relativ wenigen internationalen Daten zum Zeitbudget deuten ebenfalls darauf hin, dass ungarische Frauen mehr Zeit für Tätigkeiten im Haushalt und für die Familie aufwenden als Frauen in anderen EU-Ländern. Die Betreuung in Kindertagesstätten steht Kindern in Ungarn ab dem dritten Lebensjahr allgemein zur Verfügung, bei Kindern unter drei Jahren ist der Bedarf dagegen nur zu etwa 17 Prozent gedeckt, das Angebot beschränkt sich meist auf die großen Städte, und die Wartelisten sind unglaublich lang, zudem müssen die Eltern einen Teil der Kosten übernehmen.
In der Altenpflege haben etwa 3 Prozent der bedürftigen Seniorinnen und Senioren Zugang zu einem Platz in einer entsprechenden Einrichtung, die kommunalen Angebote sind unterfinanziert und personell unterbesetzt: Nur etwa 7 Prozent der Pflegebedürftigen erhalten von dieser Seite Unterstützung. 400.000 bis 500.000 Ungarn – 4,4 Prozent der Männer und 6,7 Prozent der Frauen, im internationalen Vergleich mit die niedrigsten Werte – pflegen ein älteres Familienmitglied, etwa ein Drittel der Pflegenden sind Männer, zwei Drittel Frauen. Ungarn hat rund 10 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, 1,8 Millionen davon sind 65 Jahre und älter, ein Drittel von ihnen benötigt im Alltag Unterstützung, doch nur einige Zehntausend leben in Seniorenheimen. Die Wartezeit für einen der wenigen verfügbaren Plätze liegt bei zwei bis drei Jahren.
Die Gleichstellungspolitik der ungarischen Regierung ist im Grunde eine Familienpolitik; Themen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Familie stehen und ein Überdenken der Beziehung zwischen Staat und Marktwirtschaft erfordern, werden deshalb nicht berücksichtigt. Die Familienpolitik wiederum beschränkt sich auf die Bevölkerungspolitik und schließt damit die Bereiche aus, die nicht mit der Demografie zusammenhängen – zum Beispiel die Rolle der Väter in der Familie (Ungarn bietet neuen Vätern gerade einmal fünf Tage voll bezahlten Vaterschaftsurlaub an), das Bildungssystem, Kinderarmut, die rechtliche Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren oder die Altenpflege. Letzteres ist auch eine demografische Herausforderung, da die Überalterung der ungarischen Bevölkerung weitreichende Folgen hat und die Berichte über ihren besorgniserregenden Gesundheitszustand und den daraus resultierenden wachsenden Druck auf das Pflegesystem im Land alarmierend sind. Dennoch wird die Altenpflege konsequent ignoriert, weil Bevölkerungspolitik ausschließlich als Förderung des Bevölkerungswachstums verstanden wird, mit dem Ziel, die Kinderzahl der weißen Frauen aus der Mittelschicht zu steigern. Obwohl diese Maßnahmen und die damit verbundene Regierungspropaganda die Vorzüge der Mutterschaft betonen, schließen sie gleichzeitig die Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt nicht aus, sondern bauen sogar darauf.
Auf die Belastung durch die Pandemie war die bestehende Infrastruktur zur Pflege der Alten und chronisch Kranken nicht vorbereitet. Darüber hinaus mussten sich Paare nun auch noch um die ansonsten gesunden Großeltern kümmern (auf deren Unterstützung sie sich sonst verlassen hatten, die aber jetzt selbst Hilfe benötigten, beispielsweise beim Einkaufen). Auch die Pflege der Alten, die bereits zuvor auf Unterstützung angewiesen waren, wurde schwieriger. Die unterfinanzierten und unterbesetzten Strukturen auf kommunaler Ebene gerieten durch die Pandemie ebenfalls unter enormen Druck, und die wenigen Familien, die sich eine private Pflegekraft zu Hause leisten konnten, mussten aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr darauf verzichten. Die Familien konnten sich daher bei der Pflege älterer Menschen kaum noch auf Hilfe von außen stützen.
Die Belastung wurde durch eine staatliche Maßnahme noch zusätzlich erhöht: Vor Ostern, als es etwa 800 bekannte Infektionsfälle in Ungarn gab, ordnete das Ministerium für Humanressourcen (Bildung, Gesundheit, Kultur, Hochschulen) an, dass innerhalb von acht Tagen 36.000 Krankenhausbetten (60 Prozent der Kapazität) geräumt werden müssten, um sie im Falle einer Verschärfung der Pandemie verfügbar zu halten. Mehrere Tage lang gab es in den Medien zahlreiche herzzerreißende Berichte über betroffene Familien – Krebspatientinnen und -patienten im Endstadium oder andere Schwerkranke, die eine professionelle Pflege rund um die Uhr benötigten, wurden nach Hause geschickt, wodurch die Familien eine enorme Bürde tragen mussten. Die Maßnahme der Regierung wirkte irrational, und sie erschien nicht wie eine notwendige Vorbereitung, sondern eher wie eine Machtdemonstration. Nachfragen der Opposition im Parlament ergaben, dass am Ende etwa 16.000 bis 24.000 Betten geräumt wurden – immer noch eine übertriebene Zahl mit gravierenden Auswirkungen.
Daten und Methoden der Umfrage
Unsere Studie hat die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf verschiedene Aspekte der sozialen Ungleichheit in Ungarn untersucht, unter anderem auch auf die Geschlechterungleichheit vor allem im Hinblick auf Veränderungen bei der Verteilung der Reproduktionsarbeit (Kinderbetreuung, Altenpflege und Hausarbeit). Die Erhebung fand zwischen dem 26. und 29. Mai 2020 statt und wurde mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI) bei Ungarinnen und Ungarn im Alter von 18 bis 65 Jahren vorgenommen. Unsere Umfrage erfolgte in der elften Woche der "Lockdown"-Maßnahmen, daher kann man davon ausgehen, dass die Befragten bereits eine tägliche Routine entwickelt hatten und sie verlässlich widergaben. Mit 1.900 Befragten ist die Stichprobe repräsentativ für die relevante Kohorte von Ungarn in Hinblick auf Geschlecht, Alter, formaler Bildungsgrad, Wohnort und Verwaltungsregion. Man sollte jedoch hervorheben, dass die Alterszusammensetzung der Stichprobe der Altenpflege eine niedrigere Priorität einräumt, da ein großer Teil der älteren Menschen von ihren Partnerinnen und Partnern oder Geschwistern gepflegt wird, die ebenfalls über 65 sind.
Hier fokussieren wir die wichtigsten Erkenntnisse zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Kinderbetreuung und Altenpflege unter den durch den "Lockdown" veränderten Bedingungen. Die Befragten mit mindestens einem Kind im Alter von 18 Jahren oder jünger sollten die Anzahl der Stunden nennen, die sie vor und während der "Lockdown"-Maßnahmen mit den Kindern verbrachten, etwa mit Spielen, Vorlesen, Lernen, Reden, Anziehen, Füttern; Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem älteren pflegebedürftigen Verwandten sollten die Stundenzahl angeben, die sie für die Pflege aufwendeten, neben der Körperpflege wie Waschen und Windelnwechseln auch Einkaufen und Ähnliches. Die Angaben der Befragten wurden als subjektive Einschätzungen der für pflegebezogene Aufgaben aufgewendeten Zeit behandelt.
Während der Pandemie arbeitete ein Viertel der Beschäftigten im Homeoffice, ein weiteres Viertel wurde entlassen, die restliche Hälfte der Beschäftigten arbeitete weiterhin außer Haus. Der Anteil der Frauen im Homeoffice war höher als der der Männer (32 Prozent zu 24 Prozent). Der größte Unterschied zeigte sich beim formalen Bildungsgrad. Angestellte mit einem Hochschulabschluss waren doppelt so oft im Homeoffice wie der Durchschnitt der Beschäftigten (Abbildung 1).
Entwicklungen bei der Kinderbetreuung
Die Gruppe, die mit Kindern unter 18 Jahren in einem Haushalt lebte, wurde nach der Anzahl der Stunden gefragt, die sie vor und nach der Einführung der "Lockdown"-Maßnahmen auf die Kinderbetreuung verwendeten (627 Personen in unserer Stichprobe von 1.900 Personen). Im Durchschnitt gaben die Eltern an, dass sie neun Stunden pro Woche mehr auf die Kinderbetreuung aufwendeten als vor der Pandemie: Frauen nannten eine Zunahme um 11,4 Stunden, Männer um 6,8 Stunden – eine Gesamtstundenzahl von 43,8 Stunden pro Woche bei den Frauen und 26,1 Stunden bei den Männern. Die Steigerungsrate war bei Frauen und Männern ungefähr gleich und lag bei etwa einem Drittel.
Doch da die Frauen vor der Pandemie deutlich mehr Stunden für die Kinderbetreuung aufgewendet hatten, stieg ihre Arbeitsbelastung auch stärker als die der Männer; der Gender Gap vertiefte sich (Abbildung 2). Dieser weist jedoch bedeutende Unterschiede bei den sozialen Gruppen auf. Die Differenz der aufgewendeten Stunden in der Betreuung ist bei den Eltern mit Hochschulabschluss besonders ausgeprägt (Abbildung 3). Ähnlich tritt die Kluft auch in den Städten deutlicher zutage, was vermutlich daran liegt, dass in der Hauptstadt Budapest strengere Maßnahmen galten als im übrigen Land, und es dort mehr Kleinfamilien gibt als in kleineren Siedlungen (Abbildung 4).
Kinderbetreuung aufgewendete Stundenzahl deutlich stärker als Männer mit Arbeit, was darauf hindeutet, dass Männer bereit sind, zumindest vorübergehend einzuspringen, wenn sie keine anderen täglichen Verpflichtungen haben. Bei Frauen ist das anders: Sie erhöhten die Betreuungszeit in einem ähnlichen Maß unabhängig davon, ob sie einer bezahlten Arbeit nachgingen oder nicht. Und schließlich schlug sich die Arbeit im Homeoffice im Vergleich zur Arbeit außer Haus in einer höheren Stundenzahl bei der Kinderbetreuung nieder, unabhängig davon, ob Mann oder Frau. Auch das Alter der Kinder spielte eine Rolle, für Kinder unter zwölf Jahren wurde mehr Zeit aufgewendet.
Die zentrale Erkenntnis hinsichtlich der Kinderbetreuung lautet, dass Frauen mit Hochschulabschluss erheblich mehr Stunden auf die Betreuung der Kinder verwenden als Männer mit einem ähnlichen Abschluss, auch im Vergleich zu Frauen und Männern mit geringerer Bildung. Ähnlich widmen Frauen, die von zu Hause aus arbeiten, ihren Kindern mehr Zeit als Männer im Homeoffice oder Frauen und Männer, die außerhalb des Hauses arbeiten.
Entwicklungen in der Altenpflege
Wir analysierten die Antworten der Befragten, die angaben, sie hätten ihre älteren Verwandten sowohl vor als auch während der Pandemie unterstützt: Sie machen etwa die Hälfte der Stichprobe aus, insgesamt 911 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Ergebnisse waren durchaus überraschend: Frauen und Männer reduzierten die Unterstützung für ihre älteren Verwandten, allerdings fiel der Rückgang bei den Männern geringer aus. Darüber hinaus stellten wir auch erhebliche Unterschiede innerhalb der Geschlechtergruppen fest. Während Frauen aller Kategorien weniger Zeit für ihre älteren Verwandten aufbrachten, fiel die Reduzierung umso geringer aus, je höher der formale Bildungsgrad der Frauen war. Bei den Männern ergab sich ein völlig anderes Bild: Männer mit niedrigem Bildungsgrad erhöhten sogar ihren Einsatz, während er bei den Männern der anderen Kategorien zurückging – allerdings in geringerem Ausmaß als bei den Frauen.
Auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt beeinflusste die auf die Altenbetreuung verwendete Zeit: Bei den Erwerbstätigen gab es keine bedeutenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Allerdings ging unter den weiblichen Arbeitslosen oder Nichterwerbstätigen die Anzahl der auf die Unterstützung der Älteren verwendeten Stunden zurück, während sie bei den männlichen stieg. Das könnte sich auch daraus erklären, dass die "Lockdown"-Maßnahmen (zusätzliche) Formen der Unterstützung erforderten: Einkaufen, Auf- und Umräumen, Reparaturen. Diese Tätigkeiten lassen sich leichter mit den gängigen Männlichkeitsvorstellungen vereinbaren, das heißt, dass die Gesellschaft von Männern mehr körperliche und praktische Arbeit erwartet als eine pflegende Tätigkeit. Frauen verwenden also mehr Zeit auf Altenpflege, doch während der Pandemie verkleinerte sich der diesbezügliche Gender Gap. Männer, vor allem jüngere Männer und Männer außerhalb des Arbeitsmarktes, widmeten der Altenpflege mehr Zeit.
Zusammenfassung
Wir haben die während der Pandemie aufgetretenen Veränderungen bei der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Kinderbetreuung und Altenpflege in Ungarn untersucht. In einer früheren Studie unter Akademikerinnen und Akademikern haben wir festgestellt, dass die befragten Männer das Gefühl hatten, mehr als den üblichen Beitrag zur Kinderbetreuung zu leisten. Die repräsentativ ausgewählten Männer und Frauen, die wir im Mai aufforderten, die tatsächliche Zahl der Stunden anzugeben, in denen sich Männer um die Kinder kümmerten, bestätigten, dass Männer (genau wie Frauen) während der Pandemie 35 Prozent mehr Kinderbetreuungsarbeit leisteten als zuvor. Aber da Frauen in absoluten Zahlen mehr Stunden aufgewendeten, bedeutete der beidseitige Anstieg um 35 Prozent, dass Frauen wesentlich mehr Stunden auf die Kinder verwendeten als vor der Pandemie und viel mehr im Vergleich zu den Männern, daher hat die geschlechtsspezifische Diskrepanz weiter zugenommen.
Der geschlechtsspezifische Unterschied bei der für die Kinderbetreuung aufgewendeten Stundenzahl ist offensichtlich, selbst unter Berücksichtigung der Variablen, die typisch sind für die geschlechtsspezifische Aufteilung bei der Reproduktionsarbeit: Alter, Bildung, städtisches Umfeld, Alter der Kinder, Rollenvorstellungen, Partnerschaften, Beschäftigungsverhältnisse. Doch nicht alle Frauen sind gleichermaßen überlastet: Akademikerinnen und Frauen im Homeoffice berichteten von einer deutlich höheren Arbeitsbelastung, auch oder gerade im Vergleich zu Männern. Wir fanden Hinweise, dass die neu aufkommenden flexiblen Arbeitsmodelle wie das Homeoffice bereits bestehende ungleiche Muster der Arbeitsteilung bei der Kinderbetreuung vertiefen könnten.
Unser Fazit lautet, dass die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in Hinblick auf die für die Kinderbetreuung aufgewendete Zeit während der Pandemie stärker angestiegen ist als zu anderen Zeiten, und zwar vor allem bei Akademikerinnen, Eltern in der Stadt und Eltern, die von zu Hause aus arbeiten. Das deutet darauf hin, dass man von Frauen erwartet, einen größeren Anteil der Care-Arbeit zu übernehmen, selbst wenn Männer im Haushalt körperlich präsent sind und die Last der Reproduktionsarbeit plötzlich und massiv zunimmt. In der Altenpflege hingegen lässt sich keine Vertiefung der bestehenden Ungleichverteilung erkennen, im Gegenteil, hier haben die Männer sogar aufgeholt.
In Vorbereitung auf die zweite Welle der Pandemie gestaltete die ungarische Regierung die Arbeitsverhältnisse (noch) flexibler und erweiterte die Arbeitsmodelle fürs Homeoffice, statt in Betreuungseinrichtungen und die Pflegeinfrastruktur zu investieren oder die Bezahlung im sozialen Sektor zu verbessern. Und eine regierungsnahe Organisation namens Frauen für Ungarn, die aus Politikerinnen und Unternehmerinnen besteht (darunter auch die Staatssekretärin, seit 1. Oktober 2020 Ministerin für Familienpolitik ohne Geschäftsbereich), hat eine in den Medien umjubelte Auszeichnung ins Leben gerufen, um Frauen zu danken, die während der Pandemie besondere Leistungen vollbrachten. Lippenbekenntnisse, Anerkennung für Einzelne und der Verweis auf Vorbilder werden die seit Langem bestehende Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, die durch die Pandemie offensichtlich wurde, kaum beseitigen. Doch eine Auseinandersetzung mit der wahren Natur der Krise in der Care-Arbeit, mit der Rolle von Vätern, Arbeitgebern und gesellschaftlichen Einrichtungen, steht nicht auf der politischen Agenda.
ist promovierte Soziologin und Dozentin am Fachbereich Gender Studies der Central European University. E-Mail Link: fodore@ceu.edu
ist promovierte Soziologin, forscht am Zentrum für Sozialwissenschaften an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und ist Dozentin an der Universität ELTE. Zurzeit ist sie Gastdozentin an der Central European University. E-Mail Link: koltaij@ceu.edu
ist Politikwissenschaftlerin und promoviert zurzeit an der Universität ELTE. Sie ist zudem Gastwissenschaftlerin an der Humboldt Universität Berlin. Von 2012 bis 2019 war sie verantwortlich für das regionale Gender-Programm für Ostmitteleuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung. E-Mail Link: eszter.kovats@hu-berlin.de
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