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Editorial | Bundeswehr | bpb.de

Bundeswehr Editorial Kriegstüchtig? Zur Zeitenwende in Politik, Gesellschaft und Truppe Wie wir wehrhaft werden. Zu den Grenzen der Freiwilligkeit in Zeiten des Krieges Preis der Freiheit. Zu den ökonomischen Kosten der Zeitenwende Extremismus in der Bundeswehr. Ausmaß, Ursachen, Wirkungen Drehscheibe Deutschland. Die Bundeswehr im Nato-Kontext Zäsur Afghanistan-Einsatz? Lehren für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik Schleichende Militarisierung. Beobachtungen zur Veränderung der Zivilgesellschaft

Editorial

Lorenz Abu Ayyash

/ 2 Minuten zu lesen

Kein Bereich in Deutschland ist von der „Zeitenwende“, die Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 ausgerufen hat, so unmittelbar betroffen wie die Bundeswehr. Dafür steht vor allem das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, mit dem die Streitkräfte wieder in die Lage versetzt werden sollen, ihren Kernauftrag zu erfüllen: die Landes- und Bündnisverteidigung. Verteidigungsexpertinnen und -experten sind sich einig: Der Zustand der Truppe ist für diesen Auftrag noch unzureichend. Personal- und Munitionsmangel, Ausrüstungsdefizite und ein schwerfälliges Beschaffungswesen sind nur die augenfälligsten Probleme.

Zu Zeiten des Kalten Krieges galt die Bundeswehr als schlagkräftige Verteidigungs- und Abschreckungsarmee. Die jährlichen Verteidigungsausgaben betrugen in dieser Zeit oft drei, mitunter sogar fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kürzte das vereinte Deutschland die Ausgaben merklich, was ihm mit Blick auf die Bündnisverpflichtungen der Nato den Vorwurf des Trittbrettfahrens einbrachte. Auf die Phase der Auslandseinsätze und der finanziellen Vernachlässigung in den 1990er und 2000er Jahren – und die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 – folgte mit dem russischen Angriff auf die gesamte Ukraine 2022 ein tiefer strategischer, aber auch mentaler Einschnitt.

Mit der veränderten Bedrohungslage sind Dinge sag- und machbar geworden, die vielen zuvor unmöglich erschienen. Auf der semantischen Ebene etwa die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius an Bundeswehr und Gesellschaft, bis 2029 „kriegstüchtig“ zu werden. Während viele diese Entwicklung begrüßen und für einen unbefangeneren, von Wertschätzung geprägten Umgang mit den Soldatinnen und Soldaten plädieren, warnen andere vor einer Militarisierung der Gesellschaft, die mit der Sprache ihren Ausgang nehme. Sie alle eint der Wunsch, in Frieden zu leben, aber sie ringen um den Weg dorthin und um die Bereitschaft, für den eigenen Schutz viel zu investieren – nicht nur finanziell.