Am 24. Oktober 2024 ging im russischen Kasan der 16. Gipfel der BRICS zu Ende. Dieser war aus verschiedenen Gründen einzigartig:
BRICS ist als informelle Institution kein klassischer sicherheitspolitischer Akteur, wie es etwa das Verteidigungsbündnis NATO ist; durch die Mitgliedschaften Chinas, Russlands, Indiens, aber auch Irans haben die Aktivitäten der BRICS aber sowohl auf der globalen Bühne als auch in den jeweiligen regionalen Nachbarschaften ihrer Mitglieder sicherheitspolitische Implikationen. Gleichzeitig gibt es auf unterschiedlichen Ebenen Bemühungen um konkrete Kooperationen im Bereich Sicherheit, zum Beispiel Arbeitsgruppenformate und Absichtserklärungen in den Bereichen Cybersicherheit und Terrorismusbekämpfung.
Ohne Zweifel haben zumindest einige der Mitgliedstaaten maßgebliche sicherheitspolitische „Agency“, also den Willen und die Möglichkeiten, als sicherheitspolitische Akteure in Erscheinung zu treten. Ob das auch für die BRICS als Kollektiv zutrifft, ist Thema der folgenden Ausführungen. Insgesamt sind die Erwartungen an die BRICS dabei eher gering, doch das könnte sich in Zukunft ändern, gerade mit Blick auf den Globalen Süden. Mit ihrem Fokus auf Nichteinmischung und territoriale Integrität, der Ablehnung von Sanktionen und der Abwesenheit einer Kolonisierungsgeschichte verkörpern die BRICS ein effektives Gegennarrativ zur sicherheitspolitischen Positionierung des „Westens“ – zumal es derzeit nicht zu gelingen scheint, die traditionellen, oft vom Westen dominierten internationalen Institutionen zu reformieren. Argumente, dass nicht nur Russland, sondern auch der Westen durch militärische Interventionen ein Risiko für die internationale Stabilität darstelle, sind ein Standardnarrativ der BRICS.
Sollten wir den BRICS-Verbund also heute – oder zumindest perspektivisch – als sicherheitspolitischen Akteur begreifen? Und welche Konsequenzen und Implikationen hätten solche sicherheitspolitischen Ambitionen für den Rest der Welt, insbesondere für Deutschland und die EU?
Internationale Sicherheitspolitik
Im Folgenden werden die BRICS als Institution und kollektiver Akteur betrachtet. Während die sicherheitspolitische „Agency“ von China, Indien oder Russland offenkundig ist, ist die Betrachtung der Institution BRICS als Akteur mit eigenständiger Handlungskapazität nicht selbstverständlich, denn für gewöhnlich verstehen wir einen „sicherheitspolitischen Akteur“ als eine Einheit, einen Staat oder eine Institution mit der Kapazität zur eigenständigen Bereitstellung von Sicherheit. Dies ist bei BRICS – und insbesondere bei den erweiterten BRICS plus – fraglich.
Auf der institutionellen Ebene haben Sicherheitsfragen seit dem BRICS-Gipfel 2012 in Delhi, der unter dem Motto „Globale Stabilität, Sicherheit und Wohlstand“ stand, eine zunehmend zentrale Rolle eingenommen. Die Gipfelerklärungen haben sich im Umfang und inhaltlichen Tiefgang erweitert und umfassen mittlerweile oft eigene Kapitel zum Thema Sicherheit, mit Referenzen zu aktuellen globalen Krisen und unabhängig vom jeweils jährlich wechselnden Gipfelmotto. Diese Erklärungen haben aber zumeist wenig politikpraktische Konsequenzen.
Einer der wenigen institutionellen Mechanismen der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit der BRICS ist das seit 2009 regelmäßig stattfindende Treffen der „National Security Advisors“ (NSA), auf dem Informationen zu Themen wie Cybersicherheit ausgetauscht werden.
Die Wirksamkeit von Institutionen in unterschiedlichen Politikfeldern ist nicht zwangsläufig vom Grad ihrer Formalisierung oder Institutionalisierung abhängig. Die BRICS-Staaten bemühen sich, durch gemeinsame Abstimmungen und Erklärungen zu internationalen und regionalen Konflikten zumindest einen gemeinsamen Nenner ihrer jeweiligen Positionen zu finden, wie zuletzt im Falle des Gazakriegs. Ihre gemeinsame Haltung zu globalen Krisen steht im Zeichen grundlegender Werte der Zusammenarbeit, insbesondere des starken Souveränitätsgedankens und des Schwerpunkts auf territorialer Integrität und Nichteinmischung. Ein anschauliches Beispiel für die sicherheitspolitische Einflussnahme der BRICS-Staaten zeigte sich in Syrien: 2013 und 2014 forderten die BRICS einen Konfliktlösungsprozess unter syrischer Führung und betonten dabei die Bedeutung der Achtung der syrischen Souveränität und territorialen Integrität. Dabei verhinderten die BRICS-Mitglieder Russland und China den vom Westen geforderten Rücktritt des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad – unter anderem durch Vetos im UN-Sicherheitsrat und durch Russlands aktives militärisches Eingreifen. Diese Haltung wurde von den übrigen BRICS-Staaten nicht kritisiert; vielmehr sprach man sich deutlich gegen ein weiteres „Libyen-Szenario“ aus, also einen erzwungenen Regimewechsel durch Intervention und die Unterstützung von Aufständischen. Die Forderung nach einem innersyrischen Friedensprozess stärkte Assads Position und widersprach westlichen Vorstellungen; letztlich konnte sich Assad mit russischer Militärhilfe an der Macht halten.
Ein ähnliches Muster zeigt sich bei der Positionierung der BRICS-Staaten – sowohl kollektiv als auch einzeln – zur russischen Invasion in die Ukraine 2014 und 2022. Die als Ausdruck der „Neutralität“ postulierte Haltung zum russischen Einmarsch lässt sich insofern rationalisieren, als Konflikte einzelner Mitglieder so als interne Angelegenheiten und hier vorrangig als Ausdruck russischer Sicherheitsinteressen betrachtet werden können. Aber auch Untätigkeit stellt eine sicherheitspolitische Handlung dar, die im Fall der Ukraine erhebliche Wirkung entfaltet.
Die BRICS lassen sich also als eine informelle, konsensbasierte Gruppe ohne formelle Organisationsstruktur verstehen, die den Fokus klar auf nationale Souveränität und den Schutz vor externer Einmischung legt. Regionale Konflikte wie der Bürgerkrieg in Syrien, die Krim-Annexion 2014 oder Russlands Einmarsch in die Ukraine 2022 werden daher als interne Angelegenheiten betrachtet. Der BRICS-Verbund lehnt interventionistische Ansätze ab und macht diese Haltung sogar zu einem Kriterium für neue Mitglieder: Staaten, die sich ihm anschließen wollen, müssen sich zu den Grundsätzen von Unabhängigkeit, Souveränität und Nichteinmischung bekennen – und damit einem westlich geprägten, interventionistischen Ansatz zur Lösung globaler Konflikte kritisch gegenüberstehen.
Koordinierung in regionalen und globalen Institutionen
Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit der BRICS in regionalen und internationalen Institutionen umfasst mehrere Dimensionen. Zum einen engagieren sich die BRICS-Staaten für Reformen globaler Sicherheitsinstitutionen, insbesondere des UN-Sicherheitsrats. Zum anderen zielt ihre Kooperation auf die Abstimmungskoordination und die Entwicklung gemeinsamer Positionen. Der direkte Einfluss im UN-Sicherheitsrat ist derzeit auf zwei BRICS-Mitglieder – Russland und China – beschränkt; durch ihr Vetorecht besitzen beide eine exklusive und einflussreiche Position in der globalen Sicherheitsarchitektur. Diese Stellung verteidigen sie nachdrücklich, selbst wenn dies zulasten potenzieller neuer Kandidaten aus dem Kreis der BRICS geht, die in einem reformierten Sicherheitsrat vertreten sein könnten.
Bei Abstimmungen in multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen treten die BRICS häufig nicht als geschlossene Gruppe auf.
Beispielhaft für das Abstimmungsverhalten der BRICS-Staaten sind die Resolutionen zu den Kriegen in der Ukraine und in Gaza. Während sich die Mehrheit der BRICS-Staaten bei der UN-Abstimmung zur Verurteilung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 enthielt, unterstützte Brasilien die Resolution und handelte so in Einklang mit den meisten übrigen UN-Mitgliedern.
Ansätze eines gemeinsamen Abstimmungsverhaltens der BRICS-Staaten zeigen sich vor allem dort, wo sie die Prinzipien nationaler Souveränität oder territorialer Integrität angegriffen sehen. Dies gilt etwa für Resolutionen, die Sanktionen betreffen oder sich auf Länder wie den Iran und Syrien beziehen. Auch bei der Verurteilung Israels herrscht weitgehend Einigkeit, unabhängig von der jeweiligen Institution oder Resolution. In der Kasan-Erklärung etwa wird die Klage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof hervorgehoben. Und während sich Indien und Äthiopien 2024 bei der UN-Resolution für einen humanitären Waffenstillstand in Gaza enthielten, stimmten die übrigen BRICS-Mitglieder zu – und zeigten damit in dieser Frage größere Einigkeit als die Europäische Union.
Einzelne BRICS-Mitglieder engagieren sich auch in anderen sicherheitspolitisch relevanten Institutionen, darunter die Shanghai Cooperation Organization (SCO, mit China, Russland, Indien, Iran), der Quadrilateral Security Dialogue (QUAD, mit Indien) und die G20 (mit Russland, Südafrika, Indien, China, Brasilien). Viele dieser Organisationen haben jedoch begrenzte Kompetenzen oder wenig Einfluss auf die globale Sicherheitsordnung. Die Agenda der SCO umfasst allerdings auch traditionelle Sicherheitsfragen wie Terrorismusbekämpfung, den Kampf gegen Drogen- und Waffenhandel sowie die Kooperation sicherheitspolitischer Institutionen. Wie bei BRICS selbst dominieren Russland und China auch diese Institution.
Andererseits ist Indien auch in der sicherheitspolitisch relevanten QUAD-Allianz aktiv, und zwar zusammen mit den USA, Japan und Australien. QUAD hat das Ziel, einen freien und offenen Indopazifik zu fördern, und legt dabei den Fokus auf Sicherheit, Stabilität und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Zudem gewinnt die Kooperation der Partner in den Bereichen Klimawandel und Gesundheit an Bedeutung. QUAD wird oft als Reaktion auf Chinas wachsenden Einfluss in der Region gesehen, eine Interpretation, die auch China teilt. Gemeinsame Militärübungen und die Betonung demokratischer Werte, der Rechtsstaatlichkeit und des Völkerrechts unterstreichen diese Ausrichtung. Indiens paralleles Engagement in QUAD und BRICS verdeutlicht seine strategische Autonomie und eigenständige Position im Indopazifik. Die BRICS-Mitglieder sind also vielfältig in sicherheitspolitischen Institutionen tätig, wenn auch mit teilweise unterschiedlichen Zielsetzungen. Diese Vielschichtigkeit stellt eine Stärke des Verbunds dar, weil durch die Zusammenarbeit zwischen den großen Machtzentren der Welt ein Dialog über mögliche globale Gräben hinweg möglich wird.
Ähnlich wird die Möglichkeit zur Überwindung bilateraler Gräben innerhalb der BRICS selbst gesehen. BRICS dient als Plattform zur Stärkung bilateraler Beziehungen, zum Beispiel zwischen Indien und China. Seit Jahren bestehen Spannungen zwischen den beiden asiatischen Großmächten, etwa über Grenzfragen im Himalaya.
Dieser Ansatz trägt dazu bei, die Einheit der BRICS-Gruppe sowohl nach innen als auch nach außen zu bewahren, die Kernprinzipien der Nichteinmischung zu stärken und die Zusammenarbeit in anderen Bereichen – wie dem Ausbau des Inner-BRICS-Handels oder der angestrebten „De-Dollarisierung“ – zu fördern. Einerseits lässt sich daraus der Schluss ziehen, dass BRICS weder eine sicherheitspolitische Einheit noch eine Allianz anstrebt. Andererseits fehlt es BRICS aber auch schlicht – mit Ausnahme von China und möglicherweise Russland – an militärischer Stärke und politischem Willen, um als sicherheitspolitischer Block gegen westliche Mächte aufzutreten. Die Heterogenität der Mitgliedstaaten hinsichtlich ihrer politischen Systeme, regionalen Ambitionen und Wirtschaftspolitiken erschwert eine tiefere Kooperation auch in sicherheitspolitischen Fragen. China und Indien bleiben Rivalen, und die Aufnahme neuer Mitglieder bringt zusätzliche bilaterale Konflikte mit sich, etwa zwischen Iran und Saudi-Arabien oder Ägypten und Äthiopien. Diese internen Spannungen machen es ganz prinzipiell für BRICS schwierig, sich auf eine einheitliche sicherheitspolitische Agenda zu verständigen.
Implikationen für die deutsche Außenpolitik
BRICS ist keine internationale Organisation und verfügt daher nur über eine begrenzte kollektive „Agency“ – und über keinen eigenen institutionellen politischen Willen. Die Aktivitäten der BRICS spiegeln vielmehr die Summe einzelner, aber geteilter nationaler Interessen wider, bei denen formelle Entscheidungsprozesse nicht erforderlich sind.
Durch die Erweiterung 2024 ist BRICS noch einmal vielfältiger geworden und umfasst nun eine noch heterogenere Gruppe von Ländern, von denen einige langjährige bilaterale Konflikte miteinander haben. Was jedoch häufig von westlichen Beobachtern übersehen wird, ist, dass die gleichzeitige Präsenz von Konflikten und Zusammenarbeit nicht zwangsläufig eine Herausforderung für das Funktionieren der Gruppe als informelle Institution bedeutet. Vielmehr nähern sich alle Mitglieder pragmatisch oder transaktional der Gruppe: Bei potenziell strittigen Themen – wie dem Krieg in der Ukraine oder den Beziehungen zu den USA – ist es unwahrscheinlich, dass BRICS zu gemeinsamen, effektiven Beschlüssen kommt. Das ist aber auch gar nicht das Hauptanliegen der Gruppe und hindert sie deshalb nicht daran, erfolgreich ihre Kernprinzipien Souveränität, territoriale Integrität und Nichteinmischung zu vertreten. Der Fokus liegt auf den gemeinsamen Nennern, nicht auf den Konflikten.
Um das Bild nicht zu rosig zu zeichnen: Es darf dabei nicht übersehen werden, dass interne Spannungen innerhalb der BRICS häufig Fortschritte in zentralen sicherheitspolitischen Fragen, wie etwa bezüglich der Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, behindern. Russland zeigte beim „Summit of the Future“ im September 2024 in New York wenig Enthusiasmus für eine Reform, da es eine Verwässerung seines Einflusses befürchtet. China lehnt insbesondere Indiens Bewerbung um einen ständigen Sitz ab. Auch zwischen den afrikanischen BRICS-Mitgliedern bestehen weiterhin lähmende Meinungsverschiedenheiten, insbesondere, weil sowohl Ägypten als auch Äthiopien Südafrikas Anspruch auf einen permanenten Sitz skeptisch sehen.
Divergierende Interessen verhindern auch ein ernsthaftes Engagement bei Vermittlungsversuchen im Nahen Osten. Zwar haben die BRICS mehrere gemeinsame Erklärungen abgegeben, insbesondere zur Unterstützung der Palästinenser und einer Zweistaatenlösung, doch konkrete Maßnahmen blieben bislang aus. Dies liegt unter anderem an der sunnitisch-schiitischen Spaltung, die auch innerhalb der BRICS zum Tragen kommt: China und Russland halten ihre jeweiligen strategischen Loyalitäten zu verschiedenen Akteuren im Nahen Osten aufrecht, was trotz ehrgeiziger Rhetorik tief verwurzelte Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe verstärkt. Ein gemeinsames strategisches Engagement mit konkreten Ergebnissen bleibt daher unrealistisch.
Doch wie gesagt: Das ist auch nicht der primäre Zweck der BRICS. Die Gruppe sollte vielmehr als eine strategische Partnerschaft verstanden werden, deren Stärke nicht auf der Homogenität der Akteure und ihrer Interessen beruht, sondern auf der Fähigkeit, sich auf gemeinsame Ziele zu konzentrieren. Wie sich BRICS gegenüber neuen Sicherheitsbedrohungen positioniert, hängt letztlich von den Abwägungen der einzelnen Mitglieder ab. Zugleich sollte die Bedeutung der BRICS trotz dieser Heterogenität nicht unterschätzt werden: Während interne Spannungen fortbestehen oder sich sogar verstärken könnten, gewinnt die Gruppe – sowohl symbolisch als auch diskursiv – an Einfluss und könnte für viele Länder des Globalen Südens zu einem wichtigen Gravitationszentrum werden, insbesondere angesichts der wachsenden Unzufriedenheit mit den immer noch vom Westen dominierten internationalen Institutionen. Die Herausforderung für Deutschland und seine Verbündeten besteht darin, die sich verändernde geopolitische Landschaft zu erkennen und attraktive Alternativen zu bieten – zumal viele demokratisch geführte BRICS-Mitglieder betonen, dass es sich bei diesem Verbund nicht um eine anti-westliche Gruppierung handele. Die klare Alternative zu westlichen Kooperations- und Ordnungsansätzen macht die BRICS-Gruppe aber sowohl für den Globalen Süden als auch darüber hinaus attraktiv, etwa für NATO-Partner wie die Türkei.
Die deutsche Außenpolitik sollte daher nicht verlangen, dass der Globale Süden sich für eine der Seiten entscheidet, oder gar Staaten wegen einer (zukünftigen) BRICS-Mitgliedschaft oder -Partnerschaft aus bestehenden Dialogformaten ausschließen. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, mit den demokratischen Partnern innerhalb der BRICS und darüber hinaus im Globalen Süden auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, um Kooperationen in Bereichen zu fördern, in denen starke gemeinsame Interessen bestehen. Dazu gehören nicht nur die Einladung zu Treffen der G7 und G20, sondern auch glaubwürdige Bemühungen, die bestehenden internationalen Institutionen zu reformieren und bislang marginalisierte Akteure aktiv zu integrieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Aufnahme der Afrikanischen Union in die G20, die aber vor allem von Indien vorangetrieben wurde. Zum Beispiel im Bereich der Terrorismusbekämpfung haben viele afrikanische Staaten sowohl großen Bedarf als auch Interesse an Verteidigungskooperationen. Hier könnten Angebote unterbreitet werden, die attraktiver sind als eine Zusammenarbeit mit den autoritären Staaten Russland oder China.
Deutschland und andere westliche Akteure sollten grundsätzlich davon absehen, Druck auszuüben oder Schuldzuweisungen auszusprechen, indem sie die BRICS-Mitgliedschaft als inhärent anti-westlich auslegen und den Ländern des Globalen Südens den Weg versperren, gleichzeitig gute Beziehungen zu „beiden Seiten“ zu pflegen. In der heutigen globalen Ordnung ist diese Haltung in vielen Politikfeldern, insbesondere aber in der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, nicht mehr tragfähig. Stattdessen sollten die Bedenken der BRICS-Mitglieder und anderer Staaten in Bezug auf externe Interventionen, ihr Wunsch nach institutionellen Reformen und ihre Sorgen vor den sekundären Auswirkungen von Sanktionen ernst genommen werden. In gewisser Weise könnte der Westen, besonders in Fragen von Frieden und Konflikt, von der Gleichzeitigkeit der Kooperation und des Konflikts lernen, wie sie beispielsweise die chinesisch-indischen Beziehungen innerhalb der BRICS prägt. Dies könnte dazu beitragen, den häufig paternalistisch wirkenden westlichen Ansatz in Fragen der globalen Sicherheit und Stabilität zu überdenken, ohne dabei die eigenen Interessen und Werte zu verleugnen.