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Stromausfälle: Ursachen, Folgen und Lösungen

Sonal Patel

/ 13 Minuten zu lesen

Elektrizitätssysteme sind lebensnotwendig, aber auch komplex. Ausfälle können viele Gründe haben, ihre Schäden können im Extremfall immens sein. Ein Blick auf vergangene Stromausfälle illustriert die Fragilität der Netze und zeigt die Notwendigkeit geeigneter Lösungen.

Elektrizität ist das Lebenselixier unserer modernen Gesellschaften. Als unverzichtbare Energiequelle für Haushalte und Industrie bildet sie die Grundlage für Lebensqualität und wirtschaftliche Produktivität. Doch in der Allgegenwart der Elektrizität liegt auch ihre Komplexität. Die Aufgabe der Stromwirtschaft liegt darin, eine zuverlässige Versorgung zu gewährleisten. Diese Zuverlässigkeit – eine kontinuierliche und störungsfreie Stromversorgung – wird im Allgemeinen über zwei grundlegende Funktionen definiert: erstens die sogenannte stationäre Funktionsfähigkeit, das heißt die Fähigkeit des Stromnetzes, den gesamten Bedarf der Kunden jederzeit zu decken, und zweitens die Betriebszuverlässigkeit, also die Fähigkeit, plötzlich auftretenden Störungen standzuhalten.

Um diese Zuverlässigkeit zu gewährleisten, muss das empfindliche Gleichgewicht zwischen den einzelnen Bereichen des Stromsektors – Erzeugung, Übertragung und Verteilung – unter Berücksichtigung der technischen Gegebenheiten gewahrt werden. In den vergangenen zehn Jahren ist diese Aufgabe weitaus komplexer geworden, da neue technische Möglichkeiten und Ansätze hinzugekommen sind, die nicht nur die Dekarbonisierung, sondern auch die Erschwinglichkeit unterstützen. Gleichzeitig müssen die Stromversorgungssysteme den rasant steigenden Strombedarf decken und dynamischer und flexibler werden, um auf akute Schwankungen ebenso reagieren zu können wie auf jahreszeitlich bedingte und langfristige Veränderungen. Nicht zuletzt müssen sich moderne Stromversorgungssysteme an die sich wandelnden Klima- und Wetterbedingungen und das veränderte Verbraucherverhalten anpassen.

Die modernen Stromnetze sind trotz ihrer komplizierten Technik und Steuerung außerordentlich zuverlässig. Das ist nicht zuletzt auch der Erfahrung aus früheren Zwischenfällen zu verdanken, bei denen komplexe Netze ins Wanken geraten sind. Bei einigen dieser Vorfälle kam es zu Stromausfällen, also kurz- oder langfristigen Unterbrechungen der Stromversorgung in einem bestimmten Gebiet. Stromausfälle können eine ganze Gesellschaft lähmen, da sie im Ernstfall industrielle Abläufe zum Stillstand bringen, die Kommunikation unterbrechen, die Verkehrssysteme stören und Haushalte in Dunkelheit hüllen. Ein Stromausfall führt uns vor Augen, wie sehr wir auf eine konstante Stromversorgung angewiesen sind.

Im Folgenden befasse ich mich mit verschiedenen Ausprägungen von Stromausfällen und ihren Ursachen. Die Vorfälle sind ernüchternde Beispiele für die Anfälligkeit unserer modernen Stromnetze. In dem Überblick werde ich entscheidende Schwachstellen aufzeigen und mögliche Lösungsansätze diskutieren, die einen Schutz vor massiven Stromausfällen bieten könnten.

Formen von Stromausfällen

Stromausfälle weisen auf Schwachstellen im komplexen Geflecht eines Stromnetzes hin. Dabei ist zwischen verschiedenen Arten von Ausfällen mit jeweils besonderen Merkmalen und Auswirkungen zu unterscheiden. 2020 erstellte die Internationale Energieagentur (IEA) erstmals einen Überblick über die verschiedenen Arten von Stromausfällen, der auch die Zuverlässigkeit der Versorgung im Zusammenhang mit den vielfältigen und intensiven Veränderungen in den weltweiten Stromsystemen berücksichtigt.

Kaskadierende Stromausfälle

Die manchmal auch als „Black System Event“ bezeichneten Ausfälle treten auf, wenn das gesamte System nach einem anfänglichen Ausfall aufgrund der sich verkettenden Leitungsüberlastungen zusammenbricht. Sie sind meist auf Anlagenausfälle oder nicht vorhersehbare Störungen zurückzuführen und haben nur selten mit einem Kapazitätsmangel zu tun. „Wenn Unterbrechungen der Stromversorgung unabhängig von der Ursache auf ein begrenztes Gebiet beschränkt sind, werden sie als ungeplante Unterbrechungen oder Störungen betrachtet“, erklärt die North American Electric Reliability Corporation (NERC), die für die Koordinierung der Stromnetze in Nordamerika zuständig ist. Wenn sich die Ausfälle über einen großen Bereich des Netzes ausbreiten, werden sie als kaskadierende Stromausfälle (cascading blackouts) bezeichnet – ein unkontrollierter, aufeinanderfolgender Ausfall von Netzelementen, der durch ein Ereignis an einem beliebigen Ort ausgelöst wird. Kaskadierende Stromausfälle verursachen „eine weitreichende Unterbrechung der Stromversorgung, die nicht auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt werden kann“.

Die Auswirkungen können verheerend sein: „Diese Ereignisse betreffen alle Verbraucher im Netz, mit Ausnahme derer, die über eine Notstromversorgung verfügen. Bevor die Stromversorgung wieder vollständig hergestellt ist, können mehrere Stunden bis Tage vergehen (…). Der gesellschaftliche Schaden ist beträchtlich, da ein Stromausfall viele wichtige Funktionen wie Zahlungssysteme, Telekommunikation und Verkehrsampeln beeinträchtigt.“ Ein Beispiel für einen kaskadierenden Blackout ist der Stromausfall in Nordamerika im November 1965, bei dem bis zu 30 Millionen Menschen in den USA und Kanada bis zu 13 Stunden ohne Strom waren. Ein Distanzschutzrelais schaltete eine der fünf Hauptversorgungsleitungen ab, der Strom wurde auf die vier verbleibenden offenen Leitungen umgeleitet, wodurch es zu Stromschwankungen kam. Die Relais der Leitungen lösten ebenfalls aus, um vor einer Überlastung zu schützen. Es kam zu einer kaskadierenden Abschaltung, die einen Großteil des Versorgungsnetzes lahmlegte. Im August 2003 ereignete sich erneut ein kaskadierender Blackout im Nordosten Amerikas. Beim sogenannten Northeastern Blackout wurden die Netzbetreiber aufgrund eines Softwarefehlers im Alarmsystem einer Leitstelle in Ohio nicht vor einer überlasteten Leitung gewarnt. Eine Verteilung der Last blieb aus, es kam zu einer Kaskade von Ausfällen im gesamten Netz, von denen bis zu 50 Millionen Menschen in den USA und Kanada je nach Region bis zu vier Tage betroffen waren.

Lastabwurf

Ein Lastabwurf (load shed), auch rollierende Abschaltung genannt, ist die kontrollierte – manchmal auch automatische – Abschaltung der Stromversorgung durch den Netzbetreiber. Er dient als Präventivmaßnahme zur Reduzierung der Netzlast, um im Falle eines Versorgungsengpasses das Netzgleichgewicht zwischen Stromerzeugung und -verbrauch zu erhalten. Der Lastabwurf, der häufiger vorkommt als kaskadierende Stromausfälle, umfasst in der Regel eine kontrollierte und zeitlich begrenzte Unterbrechung der Stromversorgung, oft, um Unterspannungszustände, die sich auf das gesamte System auswirken können, abzumildern und Spannungsinstabilität, Spannungseinbrüche oder kaskadierende Stromausfälle zu verhindern. Meist handelt es sich um kurzfristige Abschaltungen von einigen Minuten bis zu wenigen Stunden, bei denen bestimmte Verbrauchergruppen nacheinander, also „rollierend“, vom Netz genommen werden, „um die Nachfrage künstlich zu senken und so Kapazität und Bedarf wieder ins Gleichgewicht zu bringen“. Häufig sind diese Abschaltungen nicht von anderen Unterbrechungen im Verteilnetz zu unterscheiden. Beispielsweise kam es während des Wintersturms Uri im Februar 2021, der den Süden und die Mitte der USA heftig traf, zu Lastabwürfen, von denen etwa fünf Millionen Menschen für mehrere Tage bis Wochen betroffen waren. Ein weiterer Lastabwurf ereignete sich beispielsweise in Kalifornien im August 2020, als der Strombedarf während einer Hitzewelle dermaßen anstieg, dass das Stromangebot nicht mehr ausreichte.

Langfristige Rationierung

In Regionen, in denen die Stromnachfrage grundsätzlich deutlich höher ist als das Angebot, können die Behörden regelmäßige Lastabwürfe für die Verbraucher einführen, manchmal in einem geplanten Zyklus. Bei einigen langfristigen Rationierungen (long-term rationing) werden 4 bis 10 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs rationiert. Die ständige Notwendigkeit von Lastabwürfen für den Betrieb des Systems ist vor allem in Entwicklungsländern, Ländern mit knappen Ressourcen oder in Kriegsgebieten von Bedeutung. Die makroökonomischen Auswirkungen der anhaltenden Stromrationierung in Südafrika etwa sind ein abschreckendes Beispiel für eine unzuverlässige Stromversorgung.

Ursachen

Die Ursachen für einen Stromausfall sind vielfältig, sie lassen sich jedoch grob in folgende Kategorien einteilen:

Naturkatastrophen

Extreme Wetterereignisse wie Orkane, Tornados, Überschwemmungen und Eisstürme können Stromleitungen und Infrastruktur beschädigen. So war der großflächige Stromausfall in Italien 2003 unter anderem auf Sturmschäden an den Stromleitungen zurückzuführen, die einen Ausfall verursachten und damit eine Kaskade von Störungen nach sich zogen. Auch bei Erdbeben und Waldbränden können Kraftwerke und Übertragungsleitungen beschädigt werden, wodurch die Versorgung abrupt unterbrochen wird. Ein neuerer, aber äußerst besorgniserregender Faktor sind extreme Temperaturen – starker Frost und Hitzewellen. Unter derart extremen Bedingungen sind Stromerzeugung und -übertragung enormen Belastungen ausgesetzt und können nur schwer der gesteigerten Nachfrage nachkommen. Unerwartete Spitzen in der Stromnachfrage können ein Netz überlasten, wenn es nicht ausreichend für einen Lastausgleich gerüstet ist. Das gehäufte Auftreten dieser Ereignisse macht deutlich, dass die Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Sicherheit der Stromnetze erhöht werden müssen.

Technische Fehler und menschliches Versagen

Sie sind vielleicht am ehesten vermeidbar, dennoch sind technische und menschliche Fehler häufig Auslöser von Stromausfällen. Ein Stromausfall ist in der Regel das Ergebnis einer Kombination von Fehlern, zu denen auch unzureichende Wartung, mangelnde Voraussicht, ein unzureichendes Verständnis des Systems seitens der Beteiligten oder Versäumnisse der Betreiber und Mitarbeiter gehören. Dazu kommt, dass die eigentliche Ursache oft noch durch weitere der genannten Faktoren verstärkt wird. Derartige Vorfälle unterstreichen, wie wichtig robuste Wartungssysteme, eine angemessene Schulung der Mitarbeitenden und die Einführung fortschrittlicher Überwachungs- und Kontrollsysteme sind, um zukünftige Ausfälle zu vermeiden.

Ausfälle der Infrastruktur

Zu den Infrastrukturausfällen, die häufiger großflächige Stromausfälle auslösen, gehören der Ausfall von Übertragungsleitungen, unterbrochene Leitungen (beispielsweise durch umgestürzte Bäume), Ausfälle von Umspannwerken und Kraftwerksausfälle. Ein großes Problem bei alternden oder veralteten Netzen sind Ausfälle ihrer Komponenten. Die Netzstabilität ist ebenfalls ein wachsendes Problem, vor allem, wenn neue volatile Energieträger wie Windkraft oder Solarenergie und technische Veränderungen wie Batteriespeicher oder eine Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung hinzukommen, die im Rahmen der Energiewende notwendig sind. Die jüngsten Stromausfälle zeigen, wie wichtig der Zustand der Infrastruktur für die Zuverlässigkeit der Stromnetze ist. Regelmäßige Inspektionen, Wartungen und Nachrüstungen sind unerlässlich, um künftige Ausfälle zu verhindern und die Widerstandsfähigkeit gegenüber gewöhnlichen und außergewöhnlichen Belastungen zu erhöhen.

Die jüngsten Ereignisse haben zudem die Einführung neuer Technologien beschleunigt, etwa von dynamischen Leitungskapazitäten, flexiblen Wechselstromübertragungssystemen oder der Optimierung der Übertragungstopologie, beispielsweise durch Möglichkeiten einer Neukonfiguration, um überlastete Anlagen zu umgehen. Sie alle könnten dazu beitragen, das Netz „stärker, intelligenter, sauberer, dynamischer und sicherer“ zu machen. Mittlerweile setzt die Energiebranche zunehmend auf Batteriespeicher und fortschrittliche Demand-response-Systeme, um die Belastbarkeit und Flexibilität des Netzes weiter zu erhöhen. Auch die Digitalisierung ist ein Thema, so wird etwa das Internet der Dinge für die Echtzeitüberwachung oder künstliche Intelligenz für eine vorausschauende Wartung genutzt, um potenzielle Ausfälle vorherzusagen und zu verhindern. Darüber hinaus werden dezentrale Energiequellen wie Inselnetze (microgrids) und virtuelle Kraftwerke in großem Umfang eingesetzt, um eine widerstandsfähigere und dezentralisierte Netzinfrastruktur zu schaffen, die weniger anfällig für großflächige Ausfälle ist.

Cyberangriffe und Terrorismus

Sie kommen glücklicherweise nicht allzu häufig vor, doch auch Sabotageakte oder Cyberangriffe auf das Stromnetz können Stromausfälle verursachen. So geht man etwa davon aus, dass die ungeplanten Stromausfälle bei drei regionalen ukrainischen Stromversorgungsunternehmen am 23. Dezember 2015 auf synchronisierte und koordinierte Cyberangriffe aus dem Ausland zurückzuführen waren. Nach dem Vorfall wurde weltweit verstärkt in die Cybersicherheit investiert, um kritische Infrastrukturen vor Hackerangriffen und Cyberattacken zu schützen.

Politische und regulatorische Gründe

Auch energiepolitische Maßnahmen oder Marktmechanismen können unbeabsichtigt zu Stromausfällen führen. Unzureichende Koordination zwischen Regionen oder fehlende Investitionen in die Netzmodernisierung verursachen Schwachstellen, die Stromausfälle auslösen können. Die jüngsten Vorfälle haben deutlich gemacht, dass langfristige Planungen und Investitionen notwendig sind, um die Stromnetze zu modernisieren und ihre Widerstandsfähigkeit und Zuverlässigkeit zu erhöhen.

Folgen und Auswirkungen

Die Fallbeispiele demonstrieren eine ganze Reihe gravierender Folgen und vielschichtiger Auswirkungen.

Wirtschaft

Stromausfälle bringen meist erhebliche finanzielle Verluste mit sich. Je nach Ausmaß und Art werden diese von staatlicher Seite, von Versorgungsunternehmen, Versicherungsgesellschaften, Privathaushalten, Unternehmen oder der Industrie getragen. Indirekt untergraben Stromausfälle das Vertrauen der Verbraucher in die Versorgungssicherheit und wirken sich negativ auf die Wirtschaftstätigkeit aus. Zudem können Präventivmaßnahmen zur Verhinderung weiterer Ausfälle eine erhebliche finanzielle Belastung für die Steuer- und Gebührenzahler sein. Beispielsweise beliefen sich die wirtschaftlichen Gesamtkosten des Northeast Blackout von 2003 auf rund 10 Milliarden US-Dollar, was 2023 rund 16 Milliarden US-Dollar entspricht. Die direkten und indirekten Verluste allein der texanischen Wirtschaft durch die Stromausfälle im Zusammenhang mit dem Wintersturm Uri 2021 werden dagegen auf 80 bis 130 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Öffentliche Sicherheit, Gesundheit und Gesellschaft

Natürlich ist auch der Mensch an sich von Stromausfällen stark betroffen. Stromausfälle können zu Beeinträchtigungen im Gesundheitswesen führen, Notfalleinsätze verzögern, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung unterbrechen, die Lebensmittelsicherheit gefährden und Menschenleben bedrohen, insbesondere bei extremen Wetterereignissen. Während der Stromausfälle im Zusammenhang mit dem Wintersturm Uri 2021 starben insgesamt 200 Menschen. Die Ursachen reichten von Unterkühlung und Kohlenmonoxidvergiftungen über den Ausfall medizinischer Geräte bis hin zu Unfällen. Bei einem großflächigen Zusammenbruch des indischen Stromnetzes 2012 blieben Züge auf freier Strecke stehen, Krankenhäuser und Notdienste konnten nur noch eingeschränkt arbeiten, und die Wasserversorgung war unterbrochen. Dieser bisher größte Stromausfall der Geschichte, bei dem bis zu 600 Millionen Menschen für ein bis zwei Tage ohne Strom blieben, verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit eines besseren Netzmanagements und einer robusteren Infrastruktur.

Umwelt

Bei Stromausfällen greifen Unternehmen und Einrichtungen häufig auf mit Diesel betriebene Notstromaggregate zurück, was zu einem Anstieg der Stickoxid- und Feinstaubemissionen führen kann. Aus Sicherheitsgründen ist überdies bei einem Stromausfall in Ölraffinerien und petrochemischen Anlagen das Abfackeln von Abgasen erforderlich. Kernkraftwerke wiederum sind bei sicherheitsrelevanten Maßnahmen wie etwa der Kühlung auf das Stromnetz angewiesen, verfügen aber alle über Notstromdieselgeneratoren mit einem Vorrat von bis zu 15 Tagen Brennstoff. Dennoch führte ein Stromausfall 2011 in Japan zu einer teilweisen Kernschmelze im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Auch das Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine ist seit dem russischen Angriff mehrfach durch Stromausfälle in bedrohliche Situationen geraten.

Politik und Steuerung

Da Stromausfälle Schwachstellen in der kritischen Infrastruktur eines Landes aufzeigen, werden im Anschluss häufig umfangreiche Untersuchungen durchgeführt, bei denen unter anderem die Ursachen ermittelt werden und der Katastrophenschutz überprüft wird. Aus den Empfehlungen ergeben sich oft neue Regulierungsvorgaben, strengere Zuverlässigkeitsstandards und Richtlinien für eine striktere Kontrolle der Versorgungsunternehmen.

Beispielsweise führte der große Stromausfall von 1965 im Nordosten der USA und in Teilen Kanadas zur Gründung der North American Electric Reliability Corporation und regionaler Gremien, die sich um die Zuverlässigkeit der Stromversorgung kümmern sollen. Die Winterstürme Uri 2021 und Elliott 2022 haben gezeigt, dass sich Kraftwerke auf Kälte und heftige Witterungsbedingungen vorbereiten müssen und die Verfügbarkeit von Brennstoffen gewährleistet sein sollte, wenn nötig auch mithilfe gesetzlicher Regelungen. In vielen Fällen kam es nach massiven Stromausfällen auch zu erhöhten Investitionen in die Energieinfrastruktur, neuen politischen Weichenstellungen und, je nachdem, sogar zur Privatisierung oder zur Verstaatlichung des Energiesektors. Wie nach Stromausfällen in Brasilien und Indien zu beobachten war, investierten Regierungen in die Stabilität des nationalen Stromnetzes, um eine zuverlässige Übertragung zwischen verschiedenen Regionen zu gewährleisten. Nach dem großen Stromausfall 2003 in Italien wurde das europäische Verbundnetz überprüft, die grenzüberschreitende Kommunikation wurde verbessert, und man traf Sicherheitsvorkehrungen gegen kaskadierende Ausfälle.

Zukünftige Herausforderungen

Da die Energiewende immer mehr an Fahrt gewinnt, muss sich die Stromwirtschaft mit erheblichen neuen Herausforderungen auseinandersetzen. Laut IEA sollte sie sich auf einen bereits jetzt spürbaren Elektrifizierungsschub einstellen, der durch die Dekarbonisierungsbestrebungen der energieintensiven Industrien weiter vorangetrieben wird. Die in Paris ansässige Organisation prognostiziert in ihrem „World Energy Outlook“, dass die Stromnachfrage auf Grundlage der derzeit ergriffenen Maßnahmen und Initiativen (Stated-policies-Szenario) bis 2050 um mehr als 80 Prozent gegenüber dem heutigen Stand ansteigen wird. Bei einem „Netto-Null“-Szenario geht sie hingegen von einer Zunahme um 150 Prozent aus. Die Deckung dieser Nachfrage erfordert eine konzertierte Aktion, wenn man weiterhin eine zuverlässige Versorgung gewährleisten will. In Zukunft wird die Stromversorgung überwiegend auf erneuerbaren Energien aufbauen, die sich mitunter deutlich von der vergangenen Stromerzeugung unterscheiden und stark von den Wetterbedingungen abhängen. Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels lassen sich Wetterverhältnisse und damit sowohl das Stromangebot wie der -bedarf auch nicht mehr so einfach anhand des historischen Verlaufs vorhersagen.

„Da frühere Formen der Energieerzeugung zunehmend ersetzt werden, ist ein grundlegender Wandel beim Verständnis der Erzeugungskapazität, der Energieversorgung und des Bedarfs erforderlich“, erklärte die NERC kürzlich. Dies wird sich in einem dreistufigen Ansatz niederschlagen: einer langfristigen Planung zur Gewährleistung der Energie- und Versorgungszuverlässigkeit, der operativen Planung zur Deckung des Bedarfs in naher Zukunft und bei unvorhergesehenen Ereignissen sowie einer Planung im Echtzeitbetrieb für unmittelbare Systemanforderungen. „Mehr denn je müssen die Industrie, die Energieregulierungsbehörden auf Bundes-, Landes- und regionaler Ebene und die politischen Entscheidungsträger zusammenarbeiten, um ein zuverlässiges, widerstandsfähiges und sicheres Netz zu gewährleisten.“

Aus dem Englischen von Heike Schlatterer, Pforzheim

ist Redakteurin bei „Power“, einer in den USA ansässigen überregionalen Zeitschrift für die Energiebranche.
E-Mail Link: spatel@powermag.com