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Der Blackout und die politische Rechte | Blackout | bpb.de

Blackout Editorial Sind Blackouts in Deutschland wahrscheinlich? Einfluss einer möglichen Energieknappheit und der Energiewende auf die Versorgungssicherheit Von "Energielücke" bis "Zappelstrom". Diskursgeschichte der Blackout-Narrative in Deutschland Der Blackout und die politische Rechte Stromausfälle: Ursachen, Folgen und Lösungen Blackout und Bevölkerungsschutz. Notfallvorsorge und Krisenmanagement Schutz kritischer Infrastrukturen während eines Blackouts

Der Blackout und die politische Rechte

Julian Genner Florian Spissinger

/ 13 Minuten zu lesen

Die politische Rechte verbindet mit der Warnung vor dem Blackout die Forderung nach einem radikalen Kurswechsel in der Migrations-, Klima- und Russlandpolitik. Als scheinbar rein technisches Problem eignet sich das Thema, um rechte Ansichten salonfähig zu machen.

„Morgen ist es zu spät“, mahnt der Untertitel des 2012 erschienenen Bestseller-Romans „Blackout“ von Marc Elsberg. Darin versinkt ganz Europa im Chaos, nachdem es infolge eines Hackerangriffs auf das Stromnetz zu einem flächendeckenden Stromausfall gekommen war. Die gesellschaftliche Ordnung bricht zusammen. Was mit Warteschlangen an Tankstellen, Schlägereien um Treibstoff und dem Ausfall des Mobilfunknetzes beginnt, eskaliert immer weiter: Das Gesundheitswesen bricht zusammen, die Versorgung mit Nahrungsmitteln kommt zum Erliegen, und plündernde Gruppen machen die Straßen unsicher. Die Nacht, die die moderne Gesellschaft zum Tag gemacht hatte, kehrt mit dem Blackout zurück. Dem Romanhelden gelingt es schließlich, das Licht zurückzubringen und das alles verschlingende Dunkel zu bannen. Der Triumph des Lichts über das Dunkel, der Ordnung über das Chaos und der modernen Technik über die primitiven Triebe ist ein etabliertes Motiv in der Populärkultur des Globalen Nordens. Doch der Blackout ist nicht bloß ein attraktives Katastrophenszenario für Filme und Bücher, sondern auch für die Politik.

„Morgen ist es zu spät“ könnte ebenso ein politischer Slogan sein. Im gegenwärtigen politischen Diskurs erscheint die Zukunft kaum noch als positiv konnotierter Gestaltungs- und Möglichkeitsraum. Vielmehr ist parteiübergreifend das Versprechen zur Maxime geworden, das Schlimmste zu verhindern und kommende Katastrophen abzuwenden. Im Zentrum der politischen Auseinandersetzungen um Stimmanteile und Deutungshoheit steht die Frage, welches die drängendste und wahrscheinlichste aller bedrohlichen Zukünfte ist: Klimakatastrophe, Wohlstandverlust oder Weltkrieg? Die Warnung vor einem Blackout bringt wiederum vor allem die „Alternative für Deutschland“ (AfD) ins Spiel.

Ein Blackout lässt sich als längerer und großflächiger Zusammenbruch des Stromnetzes definieren. Dies unterscheidet ihn von kleineren Stromausfällen und gezielten Netzabschaltungen zur Stabilisierung des Stromnetzes. Charakteristisch für den Zugriff auf das Thema Blackout durch die politische Rechte in Deutschland sind zwei Zuspitzungen: Erstens führe die Energiewende unweigerlich zu einem Blackout. Im rechten Diskurs steht der Blackout zweitens für bürgerkriegsähnliche Zustände und damit auch für ein umfassendes Versagen der etablierten Politik, die Bürger:innen zu schützen. Auf diese Weise verbinden Akteur:innen aus dem rechten Spektrum das Thema Energie mit ihren Positionen in der Klima-, Außen- und Migrationspolitik. So legitimiert etwa die AfD mit Verweis auf einen Blackout den sofortigen Stopp der Energiewende, die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland und radikale Maßnahmen zur Migrationsabwehr. Da die meisten Alltagsroutinen mit dem Verbrauch von Strom einhergehen, eignet sich das Blackout-Szenario besonders gut, um rechte Positionen alltagsnah und alltagsrelevant zu vermitteln.

Wir befassen uns im Folgenden mit der Bedeutung des Blackouts für rechte Politik. Dabei stützen wir uns auf ethnografische Feldforschung sowie Recherchen im Umfeld der politischen Rechten und im Kontext des Preppens.

2022: Blackout als Politikum

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich eine breite Öffentlichkeit – jedoch mit kontroversen Einschätzungen und Befürchtungen – mit dem Phänomen „Blackout“ und seinen etwaigen Folgen beschäftigt. „Droht Deutschland im Winter der Strom-Blackout?“, war etwa in der „Berliner Morgenpost“ im Sommer 2022 zu lesen. Russland hatte zuvor die Gaslieferungen nach Deutschland gedrosselt, und die Sorge um eine Stromkrise infolge einer Gasmangellage stand im Raum. Die Nachfrage nach Notstromaggregaten stieg stark an. Behörden riefen die Bevölkerung zum Energiesparen auf und sollten selbst mit gutem Beispiel vorangehen: Die Beleuchtung von und in öffentlichen Gebäuden wurde teilweise reduziert, ebenso die Raumtemperatur. Robert Habeck, der zuständige Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, gab Stresstests zur Energieversorgung in Auftrag, betonte vor diesem Hintergrund die Unwahrscheinlichkeit eines Blackouts und sprach sich gleichwohl für einen AKW-Reservebetrieb aus, um „auf Nummer sicher“ zu gehen. Nach kontroversen Diskussionen fiel schließlich im Herbst 2022 die Entscheidung der Bundesregierung, den geplanten Atomausstieg auf April 2023 zu verschieben.

Wie schon die Corona-Pandemie verschaffte auch der Blackout-Diskurs dem Thema private Krisenvorsorge große Aufmerksamkeit. Im März 2022 erschien erstmalig die Zeitschrift „Blackout. Das Magazin zur Krisenvorsorge“, die praktische Tipps und Testberichte zu Produkten wie Powerbanks, Gaskochern oder Kurbelradios präsentierte. Auch das im Jahr zuvor vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) herausgegebene Buch „Kochen ohne Strom“ erfreute sich großer Nachfrage. „Blackout-Checklisten“ mit Tipps für die persönliche Krisenvorsorge schafften es sogar ins Frühstücksfernsehen. Der Deutsche Städtetag forderte im Oktober 2022 Aufklärungskampagnen zur „Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit“.

Trotz des mittlerweile vollzogenen Atomausstiegs hat die politische und mediale Beschäftigung mit einem Blackout-Szenario 2023 stark abgenommen. Es ist vor allem die politische Rechte, die den Blackout erneut als politisches Thema zu lancieren versucht. „Schon im vergangenen Winter war die Energieversorgung in Deutschland auf Kante genäht. Wie schlimm wird es erst im kommenden – nun, da die letzten drei Kernkraftwerke von der Ampel abgeschaltet worden sind? Wir müssen uns warm anziehen, wenn Robert Habeck so weitermacht“, kündigte die AfD ihren Podcast „Frequenz: Freiheit“ Ende September 2023 an.

Blackout vs. Klimakrise

Die möglichen Ursachen für einen Blackout sind vielfältig: Naturkatastrophen, Cyberangriffe, Schäden an der Energieinfrastruktur, ein Mangel, aber auch ein Überschuss an Strom im Netz. Ein wissenschaftlicher Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag von 2010 hielt kürzere und kleinräumigere Stromausfälle für möglich, stufte die Wahrscheinlichkeit für längere und großflächige Stromausfälle jedoch als äußerst gering ein. Auch die Bundesnetzagentur betonte 2022, dass ein großflächiger Blackout „äußerst unwahrscheinlich“ sei.

Hingegen behauptet die AfD in ihrer Kampagnenarbeit einen kausalen Zusammenhang zwischen Energiewende und Blackout. Mit deren „fortschreitender Umsetzung“ werde die Wahrscheinlichkeit für einen Blackout immer größer, heißt es in einer 2022 erschienenen Broschüre der Thüringer AfD. „Die Frage ist nicht ob, sondern wann es passiert“, steht dort fettgedruckt auf der Vorderseite. Dabei argumentiert die AfD auf einer scheinbar rein technischen Ebene: Der durch den Atom- und Kohleausstieg wegfallende Strom lasse sich vielleicht im Umfang, jedoch nicht in der erforderlichen Konstanz durch erneuerbare Energien kompensieren, da diese nicht grundlastfähig seien, also nicht den Basisbedarf an Strom konstant abdecken können. „Ohne Grundlast von den großen Kraftwerken bricht das Netz zusammen“, warnte die AfD-Bundestagsfraktion bereits 2019. Während das Deutsche Klima-Konsortium, ein Verband von wissenschaftlichen Einrichtungen zur Klimaforschung, feststellt, dass durch das Zusammenspiel verschiedener Standorte der regenerativen Energieerzeugung das Kriterium der Grundlastfähigkeit an Bedeutung verliere, präsentiert die AfD das Argument der mangelnden Grundlastfähigkeit als ein naturwissenschaftliches Ausschlusskriterium für regenerative Energien. So sagte der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen im Herbst 2022 bei einer Großdemonstration in Berlin, dass die Energiewende „gegen die physikalischen Gesetze“ verstoße. Eine solche Argumentation lässt das rechte Projekt sachlich-nüchtern und deren Akteur:innen als besonders fachkundig erscheinen. Demgegenüber präsentiert die AfD Klimaschutz als irrationale „Klimahysterie“ und ideologisch geprägte „Klimareligion“.

Die AfD ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die den menschengemachten Klimawandel grundsätzlich infrage stellt. Sie fordert den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und mobilisiert gegen klimapolitische Maßnahmen. Schon 2019 erklärte der frühere Parteivorsitzende Alexander Gauland die „Kritik an der sogenannten Klimaschutzpolitik“ zum dritten großen Thema der Partei. In diese Anti-Klimapolitik fügt sich der Diskurs um den Blackout ein. „‚Blackout‘ vermeiden – Energiewende stoppen“, heißt es in der Broschüre der Thüringer Fraktion. Die AfD verbindet ihre Kritik an Maßnahmen zum Klimaschutz mit einem rechtspopulistischen Deutungsmuster: Sie denunziert Klimapolitik als ein elitäres Projekt, das sich gegen das „Wohl der Deutschen“ richte. In dieser Argumentation steht Klimaschutz für eine drohende „Deindustrialisierung“ und die Errichtung einer „Öko-Diktatur“. Insbesondere Politiker:innen der Grünen wirft die AfD vor, eine „deutschlandfeindliche“ Ideologie und Agenda zu verfolgen.

Mit ihrem Blackout-Diskurs positioniert sich die AfD als Verfechterin einer vermeintlich sachorientierten und unideologischen Politik zum „Wohl der Deutschen“. Gleichzeitig dient ihr der Blackout dazu, die politische Gegenseite der Verantwortungslosigkeit zu bezichtigen und sich selbst als einzig verantwortungsvolle Alternative ins Spiel zu bringen. Während die Politik der Energiewende Deutschland geradewegs in die Katastrophe führe, gebe es Energiesicherheit und gesellschaftliche Ordnung nur mit der AfD. Es ist ein Versuch, die gesellschaftliche Problemwahrnehmung zu verschieben: Die wahre Bedrohung gehe nicht von der Klimakrise, sondern von der Klimaschutzpolitik aus. Die Warnung vor der Blackout-Katastrophe funktioniert somit als Gegennarrativ zur Klimakatastrophe.

Bezeichnend ist, dass die AfD eine große Gefahr für die Energieversorgung und die öffentliche Sicherheit verschweigt: rechtsterroristische Gruppierungen. 2022 wurden die Aktivitäten der Gruppe „Patriotische Union“ öffentlich, die mittels Anschlägen auf das Stromnetz einen Blackout samt bürgerkriegsähnlicher Zustände und in der Folge einen politischen Umsturz herbeiführen wollte. Die Gruppe plante zudem die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Unter den über sechzig Beschuldigten befindet sich unter anderem die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Die Parteispitze gab sich in der Angelegenheit wortkarg, andere Vertreter:innen bezeichneten die Ermittlungen als „Inszenierung“ und „Vertuschungsversuch“ oder zogen die Anschlagspläne ins Lächerliche.

Blackout als Sicherheitsproblem

Der Blackout knüpft auch an ein Kernmotiv rechter Politik an: die Sicherheit Deutschlands und „der Deutschen“. Dies hat sowohl eine außenpolitische als auch eine innenpolitische Dimension.

„Kein Strom, kein Gas, kein Frieden“, lautete der Titel einer Sonderausgabe des „Compact Magazins“ 2022. Er steht stellvertretend für eine tendenziell prorussische Orientierung rechter Akteur:innen in Deutschland, die sich nach einer neuen geopolitischen Ordnung mit Russland als Schutzmacht Europas sehnen. Dabei fungiert das Blackout-Motiv als Scharnier zwischen energie- und außenpolitischen Anliegen. Die prorussische Grundierung neuerer rechter Protestbewegungen ist bereits bei den „Mahnwachen für den Frieden“ 2014 sichtbar geworden, als Teilnehmende die Annexion der Krim durch Russland verteidigten. Mit dem drohenden Blackout vor Augen wird Energie zum Sinnbild für die Notwendigkeit einer Freundschaft mit Russland und für die Sicherheit Deutschlands.

Zugleich entwirft der rechte Diskurs den Blackout als innenpolitischen Ordnungsverlust und als unmittelbare Gefährdungslage. In einer Bundestags-Drucksache warnte die AfD-Bundestagsfraktion vor „dramatischen Folgen für Leib und Leben“ und sieht den „Bestand von Staat und Gesellschaft“ gefährdet. „Rasch bricht die öffentliche Ordnung zusammen. (…) Diese Situation wird vermutlich zu Plünderungen ermuntern“, prophezeit die AfD-Landtagsfraktion Thüringen. Der Blackout steht hier für bürgerkriegsähnliche Zustände und ein umfassendes Politik- und Staatsversagen. Was die AfD in ihren offiziellen Dokumenten andeutet, wird etwa im rechtsextremen „Compact Magazin“ weiter ausbuchstabiert: „Dann schlägt die Stunde der Plünderer: Bewaffnete Banden ziehen in die reicheren Vororte und hinaus aufs Land.“ Mit drastischen Worten skizziert ein Beitrag den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und prophezeit, dass „Clans“ versuchen werden, in die Waffendepots von Polizei und Militär einzudringen. Der Autor schlussfolgert: „Summa summarum: Das Volk wäre beim Blackout auf sich gestellt, vom sogenannten Staat verraten und verkauft.“

Das Blackout-Szenario fügt sich erstens in ein rassistisches Deutungsmuster ein, welches Kriminalität ethnisiert und ausschließlich auf Migration zurückführt. Die Gleichsetzung von Blackout und Bürgerkrieg knüpft zweitens an die in rechtsextremen Kreisen verbreitete Vorstellung eines bevorstehenden oder bereits latenten Bürgerkriegs zwischen „Deutschen“ und „Ausländern“ an. Drittens verbinden rechte Akteur:innen den Blackout mit dem populistischen Gegensatz von „Volk“ und „Elite“. So suggeriert die AfD, dass die Regierung den Bürger:innen mit einer Mischung aus Fahrlässigkeit und Böswilligkeit ungeheuerliche Katastrophen zumute und sie zugleich bei deren Bewältigung im Stich lasse. „Wer so agiert, gefährdet fahrlässig Menschenleben und die Stabilität des gesamten Landes. Wer so agiert, gibt offensichtlich wenig auf das ‚Wohl des deutschen Volkes‘ und gehört zügig abgewählt“, war 2021 in einer brandenburgischen AfD-Zeitung zu lesen.

Die AfD nutzt das Thema Blackout, um verschiedene Bedrohungsszenarien ineinanderzuschieben. Gleichzeitig bündelt sie damit ihre langjährigen Kernanliegen in der Klima-, Außen- und Migrationspolitik und ruft zum „nationalen Widerstand“ gegen „die da oben“ auf.

Politisierung des Alltags

Der Verbrauch von Strom ist fester Bestandteil zahlreicher Alltagsgewohnheiten: Man drückt den Lichtschalter, greift in den Kühlschrank, wirft einen Blick auf den Bildschirm oder wartet bei Rot an der Ampel. Strom ist aus unseren Alltagsroutinen nicht wegzudenken. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Stromausfall, je nach Dauer, mit einem Verlust von Normalität und Alltäglichkeit einhergeht. Aus dieser Störung des alltäglichen Lebens ergibt sich sowohl die Dramatik des Blackout-Szenarios als auch dessen Potenzial als lebensnahes politisches Thema.

Die Vorbereitung auf einen möglichen Blackout mittels Notvorräten macht aus einer bloßen Geschichte über ein in der Zukunft liegendes Bedrohungsszenario eine praktische Angelegenheit der alltäglichen Lebensführung. Private Krisenvorsorge hat den Effekt, dass die antizipierte Bedrohung in Form von Konservendosen, Wasserkanistern und Fluchtrucksäcken im eigenen Alltag sicht- und greifbar wird. Krisenvorsorge bietet somit das Potenzial für rechte Akteur:innen, die Vorstellung eines baldigen Politik- und Staatsversagens im Alltag zu verankern. Dies mag das rechte Interesse daran erklären. So verbreitet etwa das „Compact Magazin“ praktische Tipps und Literaturempfehlungen zu diesem Thema. Dabei kann eigenverantwortliche Krisenvorsorge in rechten Kreisen vieles bedeuten: vom Bevorraten von Lebensmitteln und Treibstoff über das Einüben von Survival-Fertigkeiten und kriegerischer Disziplin bis hin zum Bau oder der Beschaffung von Waffen.

Idealtypisch lassen sich zwei Formen privater Krisenvorsorge unterscheiden: Die Empfehlungen des BBK basieren auf der Idee, dass Bürger:innen eigenverantwortlich einen Beitrag leisten, um die Behörden und Einsatzkräfte im Katastrophenfall zu entlasten. Private Krisenvorsorge wird hier als ein Akt gesellschaftlicher Solidarität verstanden. Jede:r trägt dazu bei, dass „wir“ als Gesellschaft eine Krise gemeinsam bewältigen können. Im rechten Diskurs ist Krisenvorsorge dagegen anders konnotiert. Hier dienen die jeweiligen Empfehlungen dazu, das Gefühl eines Politik- und Staatsversagens zu verbreiten. Zudem birgt das Thema Krisenvorsorge erhebliches kommerzielles Potenzial, das Akteur:innen aus dem rechten Spektrum früh für sich entdeckt haben. Seit über zehn Jahren vertreibt beispielsweise der Kopp-Verlag Produkte aus den Bereichen Survival und Krisenvorsorge. Im Umfeld des Verlags etablierte sich das aus den USA stammende „Preppen“ auch in Deutschland. In den vergangenen Jahren hat Preppen stark an Popularität gewonnen und ist nicht mehr bloß auf rechte Kontexte beschränkt. Insofern das Szenario eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs den Horizont der Vorbereitung im Preppen bildet, bleibt es jedoch anschlussfähig an rechte und rechtsextreme politische Projekte. Zudem trägt der Markt für private Krisenvorsorge dazu bei, politische Anliegen mit einem der alltäglichsten Handlungsmuster überhaupt zu verbinden: dem Konsum.

Schluss

Blackout ist nicht gleich Blackout. Je nach Kontext werden damit verschiedene Ursachen, Folgen und Bedeutungen assoziiert. Der rechte Blackout-Diskurs handelt nicht von einem unwahrscheinlichen technischen Versagen oder Unfall, sondern von einer Klimaschutzpolitik, die zu einer unmittelbaren Gefahr für Deutschland und „die Deutschen“ wird und in den gesellschaftlichen Abgrund führt. Die AfD begreift den Blackout als Ausdruck einer Politik, die sich gegen das „Wohl des Volkes“ richtet und schließt ihn damit an den rechtspopulistischen Gegensatz von „Elite“ und „Volk“ an. Der gängige Vorwurf der „Panikmache“ greift zu kurz. Denn die AfD setzt dieses Bedrohungsszenario ein, um die politische Konkurrenz zu diskreditieren und die eigenen Anliegen – namentlich eine Politik gegen Klimaschutz, gegen Russlandsanktionen und gegen Migration – als verantwortungsvoll und vernünftig darzustellen.

Indem der rechte Diskurs einen Blackout mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen gleichsetzt, zementiert er den rassistischen Gegensatz zwischen „Deutschen“ und „Un-Deutschen“. Dies treibt den Prozess gesellschaftlicher Entsolidarisierung weiter voran. Die Möglichkeit, dass Menschen Krisen gemeinsam meistern oder sich in Notsituationen wechselseitig unterstützen können, wird dadurch als Denk- und Handlungsoption eliminiert.

Als scheinbar rein technisches Thema birgt der Blackout ein erhebliches Potenzial, rechtsextreme, insbesondere rassistische und demokratiefeindliche, Positionen durch die Hintertür zu normalisieren. Gerade der vom Verfassungsschutz beobachteten AfD hilft das Thema Energieversorgung, sich als Vertreterin einer nüchternen und sachkompetenten Politik zu inszenieren. Auch wenn das Blackout-Szenario vorerst an politischer Brisanz verloren hat, dürfte es zur Konsolidierung der AfD in der gegenwärtigen politischen Landschaft beigetragen haben.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Empirische Kulturwissenschaft der Universität Freiburg und forscht zu Preppen in Deutschland.
E-Mail Link: julian.genner@ekw.uni-freiburg.de

hat an der Universität Leipzig in seiner politikwissenschaftlichen Dissertation eine empirische Studie zur AfD als Gefühlsgemeinschaft vorgelegt.
E-Mail Link: florian.spissinger@uni-leipzig.de