Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Gemeinsame Vergangenheit – gemeinsame Zukunft? | bpb.de

Gemeinsame Vergangenheit – gemeinsame Zukunft? Chinas Engagement in Afrika 70 Jahre nach der Bandung-Konferenz

Christine Hackenesch

/ 14 Minuten zu lesen

„Süd-Süd-Solidarität“ und andere Kernbegriffe, die die Asiatisch-Afrikanische Konferenz in Bandung prägten, spielen heute rhetorisch eine untergeordnete Rolle in den chinesisch-afrikanischen Beziehungen. Stattdessen stehen wirtschaftliche und politische Interessen im Vordergrund.

Anfang September 2024 versammelten sich Dutzende afrikanische Staats- und Regierungschefs zum alle drei Jahre stattfindenden Forum of China Africa Cooperation (FOCAC) in Beijing. In seiner Eingangsrede stellte Chinas Präsident Xi Jinping fest, dass die chinesisch-afrikanischen Beziehungen dank intensiver Bemühungen beider Seiten in den vergangenen 70 Jahren heute besser seien als je zuvor. In seiner Rede wurde deutlich, dass „Süd-Süd-Solidarität“ und andere Kernbegriffe, die 1955 die erste Asiatisch-Afrikanische Konferenz in Bandung prägten, heute rhetorisch eine untergeordnete Rolle in den chinesisch-afrikanischen Beziehungen spielen. Stattdessen stehen für China wirtschaftliche und politische Interessen im Vordergrund, und Xi wirbt dafür, sein Konzept einer „Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit“ als handlungsleitend zu etablieren.

Der lange Schatten von Bandung

Die Bandung-Konferenz 1955 in Indonesien war für China eine große außenpolitische Chance. Nach der Machtübernahme der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und der Ausrufung der Volksrepublik China durch Mao Zedong 1949 war China außenpolitisch isoliert. In den Vereinten Nationen beispielsweise erhielt die Republik China (Taiwan) den ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Die Bandung-Konferenz bot dementsprechend die Gelegenheit, Beziehungen zu Ländern des Globalen Südens aufzunehmen und die internationale Isolation zu brechen.

In Bandung trafen sich 29 afrikanische und asiatische Länder mit dem Ziel, ihre wirtschaftliche und kulturelle Kooperation zu intensivieren und sich gemeinsam gegen Kolonialismus und Unterdrückung einzusetzen. Viele der teilnehmenden Staaten hatten erst kürzlich ihre Unabhängigkeit erlangt. Während der Konferenz wurden die „Zehn Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ verabschiedet. Der chinesische Premier- und Außenminister Zhou Enlai brachte sich maßgeblich in die Verhandlungen ein, und die chinesische Regierung betonte anschließend, dass die „Zehn Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ entscheidend von Chinas außenpolitischen „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ beeinflusst waren.

Die Bandung-Prinzipien betonten den gegenseitigen Respekt für territoriale Integrität, Souveränität und die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, den Verzicht auf gegenseitige Aggression, den Grundsatz der friedlichen Koexistenz sowie die Gleichheit und den wechselseitigen Nutzen der bilateralen Beziehungen. Inmitten des Kampfes gegen den Kolonialismus und des Beginns der Blockkonfrontation während des Kalten Krieges spiegelten sie ein klassisches Verständnis staatlicher Souveränität, das die Gleichheit von Staaten unterstreicht. Die Prinzipien sollten außerdem möglichen Sorgen und Ängsten im Hinblick auf Chinas außenpolitische Ziele begegnen.

Chinas „Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz“ spielten bis vor einigen Jahren eine prominente Rolle im chinesischen außenpolitischen Diskurs, besonders in den Beziehungen zu afrikanischen Ländern. Die Kernideen und insbesondere das Primat der staatlichen Souveränität sind weiterhin zentral für Chinas Außenpolitik und Chinas Engagement in Afrika. Außerdem betont China weiterhin, dass die Beziehungen von gegenseitigem Nutzen sein sollen. Darüber hinaus ist in der außenpolitischen Rhetorik Chinas wenig von den Prinzipien übriggeblieben. Stattdessen bemüht sich Xi, sein Konzept einer „Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit“ in den Beziehungen zu Afrika zu verankern und damit ein eigenes Narrativ in den internationalen Beziehungen zu etablieren. Inhaltlich bleibt das Konzept sehr vage, zum Teil widersprüchlich, und wird für unterschiedliche Adressaten adaptiert. Einerseits suggeriert es, dass China eine regelbasierte internationale Ordnung unterstützt. Andererseits betont es das traditionelle chinesische Konzept tianxia (alle unter einem Himmel), das China im Zentrum der Zivilisation sieht. Der Wandel in der Rhetorik spiegelt den fundamentalen Wandel, den die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen China und afrikanischen Ländern in den vergangenen 70 Jahren und insbesondere seit Anfang der 2000er Jahre durchlaufen haben.

In den 1960er und 1970er Jahren waren Chinas Beziehungen zu afrikanischen Ländern zunächst maßgeblich von der Blockkonfrontation und Chinas Rivalität mit der Sowjetunion geprägt. China unterstützte revolutionäre Bewegungen in Afrika, die sich weder mit dem Westen noch mit der Sowjetunion solidarisierten. Entwicklungshilfeprojekte wie die Tazara-Eisenbahn von Tansania nach Sambia sollten Chinas Solidarität und wirtschaftliche Unterstützung für die Unabhängigkeitsbewegungen in afrikanischen Ländern symbolisieren.

Nach dem Ende der chinesischen Kulturrevolution 1976 und zu Beginn der wirtschaftspolitischen Öffnung Chinas 1978 verloren die Beziehungen zu afrikanischen Staaten für Beijing zunächst an Bedeutung. Unter Führung von Deng Xiaoping konzentrierte China sich auf nationale wirtschaftliche Reformen und eine Annäherung an westliche Länder. China unterstützte afrikanische Staaten zwar weiterhin durch Entwicklungshilfe, jedoch in deutlich geringerem (finanziellen) Umfang. China beließ es im Wesentlichen dabei, Ärzteteams zu entsenden, und pflegte die diplomatischen Beziehungen. Große Infrastrukturprojekte wurden nicht mehr initiiert.

Nach der Niederschlagung der Protestbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 war China international erneut isoliert und wurde durch westliche Staaten mit Sanktionen belegt. Beziehungen zu afrikanischen Ländern boten wieder die Möglichkeit, die internationale Isolation zu durchbrechen. Nachdem Deng Xiaoping den wirtschaftlichen Öffnungsprozess und Chinas Integration in die Weltwirtschaft unumkehrbar angestoßen hatte, gewannen wirtschaftliche Interessen langsam an Bedeutung.

Seit 2000: Primat der Wirtschaft

Seit der Jahrtausendwende haben sich insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen stark entwickelt. Zentrale Treiber hierfür waren ökonomische Veränderungen in China. Das enorme Wirtschaftswachstum in China ab den 1990er Jahren führte zu einem hohen Bedarf an Rohstoffimporten, insbesondere Öl, der nicht mehr durch Nachbarländer gedeckt werden konnte. Die 1999 initiierte Going-out-Strategie sollte den Zugang zu Rohstoffen sichern und gleichzeitig chinesische Staatsunternehmen international wettbewerbsfähig machen. Afrikanische Staaten, insbesondere Angola und Sudan, wurden dadurch zu zentralen Öllieferanten für China. Im Bereich Telekommunikation entwickelten sich afrikanische Länder zu einem wichtigen Sprungbrett für chinesische Unternehmen für den späteren Zugang zu Märkten in Europa oder Nordamerika. Einige chinesische Bauunternehmen konnten durch Projekte in Afrika – finanziert von westlichen Gebern oder chinesischen Banken – dem massiven Konkurrenzdruck in China entgehen.

Innerhalb weniger Jahre wurde China so zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner afrikanischer Staaten. Bereits 2009 überholte China die USA als größten bilateralen Handelspartner. China exportiert insbesondere verarbeitete Waren und Güter nach Afrika und importiert vor allem Rohstoffe. Bislang liegt die EU als Wirtschaftsblock insgesamt noch vor China, aber Beijing plant, die EU als wichtigsten Handelspartner abzulösen. Auch Chinas Direktinvestitionen in Afrika sind seit Anfang der 2000er Jahre deutlich gestiegen. 2022 gehörten Südafrika, Ägypten und die Demokratische Republik Kongo zu den wichtigsten Empfängerländern. Die chinesischen Direktinvestitionen in afrikanischen Ländern sind jedoch im Vergleich zu Direktinvestitionen europäischer Länder nach wie vor niedrig.

Seit 2013 und parallel zur Einführung der neuen Seidenstraßeninitiative (Belt and Road Initiative) hat China maßgeblich in Infrastrukturprojekte in Afrika investiert, diese finanziert und auch baulich umgesetzt. China fördert eine Vielzahl großer Infrastrukturprojekte wie beispielsweise Eisenbahnlinien in Kenia, Äthiopien oder im Sudan, Häfen in Tansania, Djibouti oder Kenia und Projekte zur Energiegewinnung und -verbreitung wie beispielsweise Staudämme, Kohlekraftwerke oder Windparks. Unter Präsident Xi wurde die Belt and Road Initiative somit Chinas internationales Aushängeschild. Über die Jahre hat China die neue Seidenstraßeninitiative zu einer Marke entwickelt und so seinen verschiedensten Infrastrukturprojekten ein gemeinsames Narrativ und eine übergeordnete Strategie gegeben.

Zwischen den Jahren 2000 und 2022 haben chinesische Banken afrikanischen Ländern und Regionalorganisationen Kredite für Infrastrukturprojekte in Höhe von 170 Milliarden US-Dollar vergeben. Bis 2017 hatte China die Weltbank als größten Kreditgeber zeitweise überholt. Zum Teil bedingt durch das geringere Wirtschaftswachstum in China selbst, hat die chinesische Regierung seit 2018 jedoch weniger neue Kredite vergeben, und die Weltbank bleibt so insgesamt der größte Kreditgeber in Afrika. Der bei Weitem größte Kreditnehmer ist Angola, gefolgt von Äthiopien, Kenia, Sambia und Ägypten. Energie und Transport, gefolgt von Telekommunikation, sind die Wirtschaftssektoren, die mit Abstand am stärksten gefördert werden.

Neben wirtschaftlichen Motiven spielen auch politische Interessen weiterhin eine wichtige Rolle, insbesondere die Unterstützung chinesischer Positionen in den Vereinten Nationen und die Ein-China-Politik, also die Nichtanerkennung Taiwans als souveräner Staat. In den Vereinten Nationen bemüht sich China um die Unterstützung afrikanischer Länder, beispielsweise um Kritik an der Menschenrechtslage in der autonomen Provinz Xinjiang abzuwehren oder um Xis Konzept einer „Gemeinschaft mit einer gemeinsamen Zukunft für die Menschheit“ im Diskurs der Vereinten Nationen zu etablieren. Chinas Bemühungen in der Ein-China-Politik waren insofern erfolgreich, als in Afrika inzwischen nur noch Eswatini, ehemals Swasiland, Beziehungen zu Taiwan unterhält. Während die formale Frage der Anerkennung somit keine große Rolle mehr spielt, wirbt China bei afrikanischen Ländern um Unterstützung für seinen Kurs gegenüber Taiwan.

Für die chinesische Regierung ist außerdem die strategische Kommunikation über ihr Engagement seit Anfang der 2000er Jahre ein Hauptanliegen. Dementsprechend führte China bereits unter Präsident Hu Jintao von 2003 bis 2013 ein umfassendes Public-Diplomacy-Programm ein. Dadurch will die chinesische Regierung ein positives Narrativ über die chinesisch-afrikanischen Beziehungen konstruieren und auf Kritik aus afrikanischen Ländern reagieren, beispielsweise bezüglich der Arbeitsbedingungen in chinesischen Projekten. Die Etablierung von Konfuzius-Instituten, Medienkooperationen und diverse Elitennetzwerke sollen dazu beitragen, das Bild von China und den chinesisch-afrikanischen Beziehungen in Afrika positiv zu beeinflussen.

Im Medienbereich beispielsweise hat sich China seit dem FOCAC-Gipfel 2006 in Beijing besonders stark engagiert. China Radio International hat einen Sender in Kenias Hauptstadt Nairobi aufgebaut. Seit 2012 sendet das chinesische Staatsfernsehen China Central Television (CCTV) ein spezielles Afrikaprogramm, und die staatliche Tageszeitung „China Daily“ hat eine Afrika-Ausgabe eingeführt. Darüber hinaus haben chinesische Medienunternehmen Joint Ventures mit afrikanischen Partnern gegründet, teilen ihre Inhalte in afrikanischen Medien oder engagieren sich im Rahmen von Entwicklungsprojekten für den Aufbau von Medieninfrastruktur. Ein breit angelegtes Ausbildungsprogramm fördert den Austausch zwischen chinesischen und afrikanischen Journalistinnen und Journalisten. Auf diese Weise wurden bis 2022 mehr als 3000 im Mediensektor arbeitende Personen geschult.

Durch diese Maßnahmen sind chinesische Medieninhalte zu einer Alternative zu westlichen und lokalen Medienangeboten geworden. Die Wirkungen von Chinas Medienpräsenz sind jedoch umstritten. Studien aus den 2010er Jahren ergaben, dass es einen kleinen, aber positiven Zusammenhang gibt zwischen Chinas Medienpräsenz und seiner positiven öffentlichen Wahrnehmung. Neuere, vergleichende Studien zeigen, dass chinesisches Fernsehen in afrikanischen Staaten weniger populär ist als CNN, BBC oder Al-Jazeera.

Für die politischen Beziehungen spielt Chinas internationale Parteienkooperation eine maßgebliche Rolle. Die KPCh unterhält seit vielen Jahren enge Beziehungen zu den wichtigsten Regierungsparteien im südlichen Afrika und in einigen Ländern Ostafrikas. In den Ländern Nordafrikas arbeitet sie mit einem breiteren Parteienspektrum zusammen. Seit Xis Amtsantritt 2013 hat China seine Parteibeziehungen zu afrikanischen Partnern intensiviert. Ein wesentliches Merkmal von Chinas Diplomatie sind hochrangige bilaterale Begegnungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der KPCh und afrikanischen Parteifunktionären. Darüber hinaus unterstützt die KPCh afrikanische Parteischulen und organisiert diverse Konferenzen, Trainings und Schulungen für afrikanische Funktionäre. Beijings Parteidiplomatie in Afrika soll Chinas außenpolitische Interessen fördern, eine alternative Darstellung von Chinas weltweitem Aufstieg verbreiten und das chinesische autoritäre politische System normalisieren. Der Erfolg und die Wirkungen der Parteienkooperation sind schwierig zu messen. Klar ist jedoch, dass afrikanische Parteifunktionäre das hochrangige Engagement begrüßen.

Seit 2019 zeichnen sich neben diesen Entwicklungen vier zentrale Trends ab: Erstens wurde die Belt and Road Initiative als Reaktion auf Kritik und Herausforderungen sowie angesichts des schwächelnden Wirtschaftswachstums in China reformiert. Zweitens haben parallel dazu „kleine, aber feine“ (small yet beautiful) Projekte an Bedeutung gewonnen. Drittens bemüht sich China nun darum, sein Entwicklungsmodell als Alternative zum Westen zu positionieren. Viertens steht Chinas Engagement in Afrika zunehmend im Zeichen des geopolitischen Wettbewerbs mit Europa und den USA.

Belt and Road Initiative in neuen Kleidern

Ein Hauptkritikpunkt an der Belt and Road Initiative bezieht sich auf die Schuldentragfähigkeit. Bis 2017 hatten Chinas Export-Import-Bank und die China Development Bank afrikanischen Ländern rund 90 Milliarden US-Dollar geliehen. Dies entsprach einem Anteil von knapp 21 Prozent aller afrikanischen Schulden sowie knapp 23 Prozent der internationalen Kredite Chinas. Neben einem Anstieg der Staatsanleihen haben chinesische Kredite damit entscheidend zum Anstieg des Schuldenniveaus in afrikanischen Ländern in den 2010er Jahren beigetragen. Bei westlichen Partnern besteht die Sorge, China könnte die Schulden nutzen, um sein geopolitisches Gewicht zu stärken und die wirtschaftliche Abhängigkeit afrikanischer Länder von China zu vergrößern.

Auf Nachfrage und Drängen afrikanischer Länder hat China zwischen 2000 und 2019 Schulden in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar erlassen. In der Regel stundet China allerdings vor allem zinsfreie Kredite. Bei Krediten mit günstigen oder kommerziellen Zinsraten hat China in einigen Fällen die Rückzahlungszeiträume verlängert, um Staaten zu helfen, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Zwischen 2000 und 2019 hat China so Kredite in Höhe von etwa 19 Milliarden US-Dollar umstrukturiert. Uneinigkeit besteht bei Analysten darüber, inwiefern China im Falle von Zahlungsschwierigkeiten seiner Schuldner direkt auf Vermögenswerte der Partner zurückgreift oder nicht.

Jenseits der Schuldentragfähigkeit bemängeln Kritiker, dass die Geschwindigkeit, mit der die Projekte umgesetzt werden, zulasten von Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards geht. China hat darauf reagiert und seit 2018 bei fast zwei Dritteln der Projekte zumindest auf dem Papier entsprechende Standards und Klauseln eingefügt.

In den afrikanischen Staaten wird Chinas Infrastrukturfinanzierung grundsätzlich positiv gesehen. Erste Studien zeigen, dass die chinesischen Projekte zu Wirtschaftswachstum in den Zielländern beitragen. Trotz kritischer Debatten über die Schuldentragfähigkeit und geringe Umwelt- und Sozialstandards in den Bauprojekten begrüßt die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Eliten Chinas Infrastrukturfinanzierung sehr. Auch repräsentative Umfragen des panafrikanischen Forschungsinstituts Afrobarometer zeigen, dass 2018/19 rund 62 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger Chinas Einfluss positiv oder sehr positiv werteten. Afrikanische politische und wirtschaftliche Eliten betonen die wirtschaftlichen Chancen, die sich durch günstige finanzielle Konditionen und die zügige Projektumsetzung ergeben. Gleichzeitig werden aber auch die Herausforderungen gesehen, die mit den Projekten einhergehen, wie beispielsweise Intransparenz, Korruption und Umweltverschmutzung.

Neuer Fokus auf „kleine, aber feine“ Projekte

Parallel zur Reform der Belt and Road Initiative setzt China zunehmend auf „kleine, aber feine“ Entwicklungsprojekte, die wirtschaftlich tragfähig sind und einen positiven Beitrag zu sozialer Entwicklung und Umweltschutz leisten. Im FOCAC-Aktionsplan 2024 findet sich die Ankündigung, dass China zwischen 2025 und 2027 mindestens 1000 solcher kleineren Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen umsetzen will. Sie sollen Innovationen in der Landwirtschaft, in der Lebensmittelproduktion oder in der Medizin fördern, beim Ausbau der Digitalisierung helfen oder berufliche Bildung und Fachkräfteausbildung unterstützen.

Kleinere Entwicklungsprojekte sollen damit die Belt and Road Initiative ergänzen. Ihre Entwicklungswirkung und mögliche Herausforderungen in der Umsetzung sind bislang unklar. Beispielsweise erfordern kleinere Projekte verhältnismäßig mehr bürokratischen Aufwand als größere Projekte. Afrikanische Länder, die sich auf den Schuldenabbau konzentrieren und eine Abkehr von großen Infrastrukturprojekten vollzogen haben, könnten diesen neuen Ansatz begrüßen. Staaten, die noch immer auf umfangreiche Kredite angewiesen sind, um die Infrastrukturlücke zu schließen, könnten die Veränderung möglicherweise kritischer sehen, da kleinere Projekte den Zugang zu groß angelegten Infrastrukturen einschränken könnten.

Politisches Modell

China versucht verstärkt, internationale Entwicklungsnormen zu prägen, die Erfahrungen seines eigenen Modernisierungsprozesses zu teilen und sein politisches Modell als Alternative zur westlichen Demokratie zu etablieren. Bereits auf dem 19. Parteitag im Oktober 2017 kündigte Xi an, dass China nun bereit sei, seine Erfahrungen mit dem Einparteien-Regime mit anderen Ländern zu teilen.

Dies zeigt sich beispielsweise in den Parteibeziehungen. Die KPCh lädt regelmäßig afrikanische Parteidelegationen zu Studienreisen nach China ein, um die Funktionsweise der KPCh sowie des chinesischen politischen Systems vorzustellen und die wirtschaftliche Entwicklung Chinas zu präsentieren. Während die KPCh im Diskurs mit afrikanischen Parteifunktionären in den frühen 2000er Jahren von gegenseitigem Lernen sprach oder manchmal auch Interesse daran bekundete, von ihren afrikanischen Partnerparteien zu lernen, heißt es seit 2014 meist, dass die Partner von der KPCh lernen wollen. Dieser veränderte Diskurs geht einher mit neuen Kooperationsformaten wie Fortbildungen für afrikanische Parteikader oder der Unterstützung afrikanischer Parteischulen, die darauf zielen, afrikanische Partner mit den Erfahrungen der KPCh vertraut zu machen.

Der Wunsch, China als Modell zu etablieren, wurde auch beim FOCAC-Gipfel im September 2024 deutlich. Ein Hauptaugenmerk lag darauf, Chinas eigene Modernisierungserfahrungen als potenzielles Vorbild für afrikanische Länder zu präsentieren. In Xis Rede sowie dem Diskurs rund um den FOCAC-Gipfel wurde Chinas einzigartiger Modernisierungsansatz betont und sein Potenzial als Vorbild für afrikanische Länder unterstrichen. Zudem sind im FOCAC-Aktionsplan verschiedene Bereiche skizziert, in denen China seine Modernisierungserfahrungen mit Afrika teilen will. Dazu gehören Korruptionsbekämpfung, Landwirtschaft, Technologietransfer oder ländliche Entwicklung.

Geopolitischer Wettbewerb

Spätestens mit der Covid-19-Pandemie und Russlands Angriff auf die gesamte Ukraine hat der geopolitische Wettbewerb Chinas mit der EU und den USA in Afrika zugenommen. Während der Pandemie hat die chinesische Regierung sich sehr darum bemüht, ein alternatives Narrativ über die Ursprünge des Corona-Virus zu verbreiten. Sie hat außerdem versucht, Chinas autoritäres System als besonders erfolgreich im Kampf gegen die Pandemie darzustellen und seine Unterstützung für afrikanische Länder als hilfreicher als die Aktivitäten der EU oder USA.

Bereits während der 2000er Jahre wurde China von westlichen Akteuren als entwicklungspolitischer Wettbewerber gesehen. In den 2010er Jahren und mit dem Ausbau der Entwicklungsfinanzierung und der Handelsbeziehungen entwickelte sich China zunehmend auch zu einem wirtschaftspolitischen Konkurrenten. Neu ist seit etwa 2019, dass China sich proaktiv als alternativer politischer Akteur in Afrika positioniert und seitens der EU entsprechend als systemischer Rivale wahrgenommen wird.

Der geopolitische Wettbewerb findet auch Einzug in den FOCAC-Diskurs. Xi unterstrich dort nicht nur die „gemeinsame Zukunft“ Chinas und Afrikas. Er betonte auch die Bedeutung der „gemeinsamen Vergangenheit“ und kritisierte explizit, dass die westliche Herangehensweise an Afrika den Entwicklungsländern immenses Leid zugefügt habe. Im Vergleich zu früheren Reden positionierte Xi Chinas Kooperation mit Afrika explizit als Alternative.

ist habilitierte Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsabteilung Inter- und transnationale Zusammenarbeit des German Institute of Development and Sustainability (IDOS) in Bonn.