Als die Soldaten der Roten Armee am 27. Januar 1945 das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreiten, waren in diesem größten aller SS-Lager mehr als eine Million Menschen ermordet worden: vor allem Jüdinnen und Juden aus ganz Europa, aber auch Sinti und Roma, polnische Staatsangehörige, sowjetische Kriegsgefangene oder "nicht arbeitsfähige" Deportierte – alte und kranke Menschen, schwangere Frauen, Kinder. Viele von ihnen wurden gleich nach ihrer Ankunft in den Gaskammern von Birkenau umgebracht, ohne jemals offiziell als Häftlinge registriert worden zu sein. Und auch unmittelbar nach Befreiung des Lagers starben noch viele der ehemaligen Gefangenen an den Folgen von Hunger, Zwangsarbeit, Krankheit und medizinischen Experimenten.
Dass Auschwitz zur Chiffre für die Verbrechen und die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Deutschlands, zum Symbol für den Holocaust, für Völkermord und Terror geworden ist, hat nicht zuletzt mit den monströsen Ausmaßen dieses Vernichtungslagers und seiner industriellen Tötungsmaschinerie zu tun. Bis 1944 entstanden neben dem Stammlager Auschwitz, Birkenau und Monowitz fast 50 Neben- und Außenlager, in denen Zwangsarbeit, unter anderem für die IG Farben, geleistet werden musste. Wer heute die Gedenkstätte und das Museum im polnischen Oświęcim besucht, steht fassungslos vor den Dimensionen nationalsozialistischer Menschenfeindlichkeit.
80 Jahre nach der Befreiung des Lagers stellt sich die Frage, was das Diktum "Nie wieder Auschwitz!" heute für uns bedeutet und welche Verpflichtungen daraus erwachsen. Während die letzten Zeitzeugen sterben, sind Nationalismus, Antisemitismus, Rassismus, Autoritarismus und Inhumanität weltweit wieder auf dem Vormarsch. Auf welche Weise und in welcher Form historisches Wissen, authentisches Erinnern und die Übernahme von historischer und gegenwärtiger Verantwortung miteinander verknüpft sind, wird jede Gesellschaft und jede Generation für sich selbst herausfinden müssen. Wichtig wäre dabei aber, sich jenes "Primärgefühl der Fassungslosigkeit" (Saul Friedländer) zu bewahren, das "Auschwitz" in den meisten von uns noch immer auszulösen vermag.