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Artikel 1 | APuZ 30/1978 | bpb.de

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APuZ 30/1978 Artikel 1 Artikel 2 Der Mord an sechs Millionen Juden Die Wahrheit ist unteilbar *) Die Zahl der Opfer der „Endlösung" und der Korherr-Bericht

Artikel 1

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Herausgegeben von der Bundeszentrale für politische Bildung, Berliner Freiheit 7, 5300 Bonn/Rhein.

Leitender Redakteur: Dr. Enno Bartels. Redaktionsmitglieder:

Paul Lang, Dr. Gerd Renken, Dr. Klaus W. Wippermann.

Die Vertriebsabteilung der Wochenzeitung DAS PARLAMENT, Fleischstr. 61— 65, 5500 Trier, Tel. 06 51/4 61 71, nimmt entgegen — Nachforderungen der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte";

— Abonnementsbestellungen der Wochenzeitung DAS PARLAMENT einschließlich Beilage zum Preis von DM 12, 60 vierteljährlich (einschließlich DM 0, 72 Mehrwertsteuer) bei Postzustellung;

— Bestellungen von Sammelmappen für die Beilage zum Preis von DM 6, — zuzüglich Verpackungskosten, Portokosten und Mehrwertsteuer.

Die Veröffentlichungen in der Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“ stellen keine Meinungsäußerung des Herausgebers dar; sie dienen lediglich der Unterrichtung und Urteilsbildung. Statt eines Vorwortes Wolfgang Rieckhoff 75 Karlsruhe, den 26. 6. 1978

An die Bundeszentrale für politische Bildung Berliner Freiheit 7 53 Bonn Betr.: Neonationalsozialistische Veröffentlichungen Sehr geehrte Damen und Herren!

Kürzlich fand ich in meinem Briefkasten einen dicken Briefumschlag — ohne Absenderangabe — mit Poststempel „Altötting". Enthalten waren folgende Schriften: 1. „Deutschland muß ausgelöscht werden" (Wiedergabe einer 1941 in den USA verfaßten Schrift von Thedore N. Kaufmann) mit einem Beiblatt, für das ein Deutscher Arbeitskreis Witten zeichnet und aus dem ich den folgenden Satz zitiere:

„Dieses einzigartige Dokument entlarvt die Verbrecher unter den Juden ... als Einpeitscher und Auftraggeber der Hauptkriegsbrandstifter Roosevelt und Churchill..."

2. „Kritik — Die Stimme des Volkes", Hrsg. Thies Christophersen, 2341 Kälber-hagen, Nr. 38/1977: „Das Institut für Zeitgeschichte eine Schwindelfirma", sowie Auszüge aus 3. „Deutscher Anzeiger", Nr. 38 vom 16. 9. 1977 u. a.

Ich vermute, daß mir diese „Schmähschriften" auf Grund meiner Veröffentlichung in den „Badischen Neuesten Nachrichten" vom 25. März 1978 (Leserbrief): „Wehret den Anfängen" (Antwort auf die bekannten Karlsruher Hakenkreuz-schmierereien) zugegangen sind.

Auf Seite 4 der „Kritik — Die Stimme des Volkes" (s. o.) fand ich aber wenigstens einen wertvollen Hinweis (allerdings nur im Gefolge einer üblen Betrachtung über die „Judenfrage"), nämlich den auf die Beilage B 19/76 zur Wochenzeitung „Das Parlament" vom 8. Mai 1976. Wenn ich diese Beilage mit den Aufsätzen von Mitarbeitern des Instituts für Zeitgeschichte „zur angeblichen Judenvernich-tung ..." erhalten könnte, wäre ich dankbar. Zu diesem „angeblich" kann ich nur „pfui" sagen. So hatte fast jeder Berliner in seinem weiteren Verwandtenkreis, zumindest aber unter Bekannten, einen Juden und wußte von ihrem plötzlichen Verschwinden; selbst mir, als erst 1927 Geborenem, war seit den ersten Kriegsjahren bekannt, was mit den Juden geschah. Echte „Frontsoldaten" — ein Unteroffizier der Infanterie und ein Wachtmeister (Offiziersanwärter und „vorgeschobener Beobachter", mein Taufpate) hatten etwa im Jahre 1941 berichtet, daß Juden „aus dem Reich" in die sogenannten „Ostgebiete" verbracht und dort unter schändlichsten Umständen in „Ghettos" zusammengepfercht worden waren. Mein Vater, 1933 auf der „Abschußliste" stehend, weil er Sozialdemokrat war (§ 4 des sog. Reichsbeamtengesetzes — nur die Tatsache, daß er Frontsoldat des 1. Weltkrieges und Inhaber des EK war, rettete ihn vor der „Entlassung ohne weitere Ansprüche"), wurde von 1933 bis 1945 nie mehr befördert; dafür aber brachte man diesen Mann in Gewissensnot, indem man ihm die „Fürsorge für Juden" im Wohlfahrtsamt übertrug. Von ihm weiß ich, wieviele Mitteilungen mit dem Wortlaut „auf dem Transport verstorben" o. ä. dort eingingen. Auch unseres alten jüdischen Hausarztes erinnere ich mich, der sich bald nach 1933 von uns mit den Worten verabschiedete: „Kaiser Wilhelm II. hat mir für meinen Einsatz an der Front den Hohenzollernschen Hausorden mit Schwertern verliehen, nun aber werde ich aus diesem Land, das ich bisher als mein Vaterland betrachtet und dem ich gedient habe, hinausgeworfen bzw. ich gehe, damit ich meiner Familie schweres Leid erspare."

Mancher Mitbürger, der solches oder ähnliches eigentlich auch einmal erfahren haben müßte, hat anscheinend ein kurzes Gedächtnis, denn sonst wäre es unvorstellbar, daß es immer wieder einmal irgendwo neonazistische Aktivitäten gibt.

W. Rieckhoff

Fussnoten

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