liehen Grenzgebieten eine im allgemeinen zuverlässige Stütze der Reichsregierung.
Die polnische Delegation bei der Pariser Friedenskonferenz verlangte im Westen Polens im wesentlichen die Wiederherstellung der Grenze von 1772 sowie aus ethnischen Gründen die Eingliederung von ganz Oberschlesien und des südlichen Teils von Ostpreußen, die vor der Ersten Teilung nicht zum polnischen Staatsverband gehört hatten.
Aufgrund des deutschen Einspruchs, der Unterstützung der britischen und der Bedenken der amerikanischen Regierung beschloß die Pariser Friedenskonferenz, im südlichen Ostpreußen, in Teilen Westpreußens und in Oberschlesien durch Volksabstimmungen über die künftige staatliche Zugehörigkeit dieser Gebiete entscheiden zu lassen. Gleichzeitig wurde festgelegt, in Erfüllung des 13. Punktes der Wilsonschen Proklamation, für Polen den ungehinderten Zugang zur Ostsee sicherzustellen. Danzig wurde mit dem Gebiet der Weichselmündung zur Freien Stadt erklärt. Durch diese Grenzregelungen ging die Landverbindung zwischen Ostpreußen und dem übrigen deutschen Staatsgebiet verloren; ein 1920 gemäß dem Versailler Vertrag abgeschlossenes Transitabkommen regelte die Verkehrsverbindungen.
Der Versailler Vertrag bildete die völkerrechtliche Grundlage für den Bestand des polnischen Staates. Er stellte Polen in den Grenzen von 1772 im Westen weitgehend wieder her. In der deutschen Öffentlichkeit wurden die Abtretungen als untragbarer Verlust deutschen „Volksbodens" betrachtet und eine Gefährdung der deutschen Ernährungsbasis befürchtet. Die Auseinandersetzung um die Zukunft Oberschlesiens wurde noch dadurch verschärft, daß neben den nationalen Spannungen auch wirtschaftliche Interessen (Erhaltung der oberschlesischen Montanindustrie für Deutschland) eine gewichtige Rolle spielten. Insgesamt zeigten in den Revolutionsmonaten in Deutschland nur kleine, politisch einflußlose Gruppen und einzelne Persönlichkeiten Verständnis für Haltung und Forderungen der Polen.
Dem wiedererstandenen polnischen Staat gelang es, aus ehemaligen Teilungsgebieten in kurzer Zeit ein einheitliches Wirtschafts-und Verwaltungssystem aufzubauen. Das Problem der nationalen Minderheiten sowie weitgehende soziale Differenzierungen und Spannungen erschwerten diesen Prozeß wesentlich. Im Laufe von 20 Jahren wurden wirtschaftliche Fortschritte erzielt, eine einheitliche und eine funktionierende gut Verwaltung geschaffen und ein reges kulturelles Leben gefördert. 17. Grenzfragen Oberschlesien war vor der Industrialisierung ein im wesentlichen von Polen besiedeltes Agrargebiet. Die Industrialisierung bewirkte eine tiefgreifende Umgestaltung der sozialen, demographischen und ethnischen Verhältnisse, wodurch eine Zuspitzung der nationalen Gegensätze begünstigt wurde. Vor 1914 war die Mehrheit der bäuerlichen Land-bevölkerung polnischsprachig und — wie die Arbeiter — bei allen schlesischen Regionalbewußtsein im wachsenden Maße polnisch gesinnt; dagegen waren die Großgrundbesitzer Deutsche. Teile der polnischen Bevölkerung hatten eine preußische Staatsgesinnung, die von der ethnischen Zugehörigkeit unabhängig war. Die deutsche Bevölkerung konzentrierte sich vor allem in den kleineren und mittleren Städten.
Die Industrialisierung förderte die Landflucht in Oberschlesien, Kongreßpolen sowie in anderen Landesteilen. In den rasch aufblühenden Städten des Reviers lebten Polen aus Oberschlesien und Galizien sowie Deutsche aus Schlesien und anderen Gebieten des Reiches. Der nationale Gegensatz zwischen Polen und Deutschen wurde im Revier durch soziale Spannungen noch verschärft. Die polnischsprachige Bevölkerung stellte die Masse der Arbeiterschaft, wogegen die leitenden Posten in Industrie und Verwaltung meistens mit Deutschen besetzt waren. Trotz dieses nationalen und sozialen Gegensatzes gab es zwischen Polen und Deutschen zahlreiche Gemeinsamkeiten. So fanden sich z. B. polnische und deutsche Arbeiter in den freien Gewerkschaften, in der sozialdemokratischen Partei und in den Kulturorganisationen der Arbeiterbewegung zusammen; dasselbe gilt in noch stärkerem Maß von der Zentrumspartei und katholischen Vereinen.
Obwohl die nationale Frage in der deutschen Sozialdemokratie, im Gegensatz zur österreichischen Arbeiterbewegung, nur eine untergeordnete Rolle spielte, förderte die SPD polnischsprachige Arbeiterzeitungen, um die polnische Arbeiterschaft für ihre Ziele zu gewinnen. Die Germanisierungspolitik förderte auch in Oberschlesien das Erwachen und die Festigung der polnischen Nationalbewegung. Oberschlesien entsandte auch polnische Abgeordnete in den Deutschen Reichstag, unter ihnen Wojciech Korfanty, der zur Symbolgestalt der polnischen Bewegung in Oberschlesien wurde.
Der Kriegsausgang und die Erneuerung eines polnischen Staates verschärften die nationalen Spannungen in Oberschlesien. Ein großer Teil der polnischen Bevölkerung erstrebte nun den Anschluß an die polnische Republik, wogegen die deutsche Bevölkerung ihre Verbundenheit mit dem Reich betonte. Viele Anhänger der Arbeiterbewegung setzten sich für einen Verbleib Oberschlesiens bei Deutschland ein. Mit der Annahme des Versailler Vertrages, der Errichtung eines interalliierten Besatzungsregimes in Oberschlesien und der Vorbereitung für die Volksabstimmung verschärften sich die nationalen Spannungen auf das äußerste. Während der drei Aufstände in Oberschlesien (1919/20/21), die vom polnischen Staat unterstützt wurden und vollendete Tatsachen schaffen sollten, kam es zu einer Art Kriegszustand, der die Beziehungen beider Völker nachhaltig beeinflußte.
Die nationalen Auseinandersetzungen in Oberschlesien haben nicht zuletzt zu der Entstehung und zu dem geschichtlichen Mythos eines überspitzten deutschen Nationalismus beigetragen.
Die Abstimmung im März 1921 entsprach ungefähr den genannten Gegebenheiten: die Landbevölkerung stimmte mehrheitlich für Polen, während die Städte des Industriereviers Mehrheiten für Deutschland aufwiesen. Dabei muß freilich berücksichtigt werden, daß die im Vertrag vorgesehene und vom Reich geförderte Beteiligung von Oberschlesiern aus dem Reich (ca. 200 000 der insgesamt 1 185 000 abgegebenen Stimmen) das Abstimmungsergebnis beeinflußte; es belief sich auf ca. 60 Prozent für Deutschland und 40 Prozent für Polen. Die folgende Teilung des Gebietes, auf die auch noch der dritte Aufstand in Oberschlesien einwirkte, wurde jedoch auch von anderen Gesichtspunkten bestimmt: dem Interesse an zusammenhängenden Territorien mit verkehrstechnisch vertretbaren Grenzen und dem Verlangen der Alliierten nach Aufteilung des Industriegebietes auf beide Staaten. Im Ergebnis blieben also Deutsche in Polen und Polen in Deutschland. Die Teilung des Industriegebietes brachte für die Bevölkerung Erschwernisse, die durch die 15 Jahre (1922 bis 1937) für das ehemalige Abstimmungsgebiet geltende Genfer Konvention von 1922 abgemildert wurden.
Die Errichtung der Freien Stadt D an -z i g war das Ergebnis internationaler Auseinandersetzungen. Während Frankreich Danzig und die Weichselmündung Polen angliedern wollte, forderte Großbritannien die Kompromißlösung einer Freien Stadt unter Völkerbundkontrolle. Diese Regelung konnte weder die Polen noch die Deutschen befriedigen. Für die Polen war — vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen — der Besitz eines Hafens an der Ostsee und die Kontrolle der Weichsel-mündung von entscheidender Bedeutung. Die Deutschen sahen in der Abtrennung einer überwiegend von Deutschen bewohnten Stadt einen Bruch des Selbstbestimungsrechtes der Völker. Das Problem Danzig und das des so-genannten Polnischen Korridors haben nachhaltig zur Vergiftung der Atmosphäre zwischen Deutschland und Polen beigetragen.
Bei den Abstimmungen in Ost-und Westpreußen fiel entscheidend ins Gewicht, daß sich die große Mehrheit der Bevölkerung aufgrund der staatlichen Tradition und teilweise auch der Konfession (Masuren) trotz ethnischer und sprachlicher Unterschiede dem preußischen Staat zugehörig fühlte.
Während die alliierten Kontrollmächte in Oberschlesien eine die Polen begünstigende Haltung einnahmen, verhielten sie sich in den Abstimmungsgebieten Ost-und Westpreußens eher deutschfreundlich.
Auch der Zeitpunkt der Abstimmung im Juli 1920 während der sowjetischen Gegenoffensive, die den polnischen Staat gefährdete und schwächte, beeinflußte das Ergebnis (in beiden Gebieten über 90 Prozent der Stimmen für einen Verbleib bei Preußen). 18. Das polnisch-deutsche Verhältnis in der Weimarer Republik Das deutsch-polnische Verhältnis in der Weimarer Zeit stellt einen Tiefpunkt der beiderseitigen Beziehungen dar. Dies gilt nicht nur für den politischen, sondern auch für den wirtschaftlichen („Zollkrieg") und insbesondere für den kulturellen Bereich. Zu keinem anderen Nachbarn waren die Beziehungen in jeder Hinsicht durchgehend ähnlich schlecht wie zu Polen. Deutscherseits sind die Gründe dafür darin zu sehen, daß Polen als Exponent und Nutznießer des Versailler Vertrages er-13 schien, dessen Revision gerade hinsichtlich der territorialen Bestimmungen gegenüber Polen von allen Parteien angestrebt wurde. Auch die deutsche Linke, die traditioneller-weise Sympathien für Polen hatte, teilte diese Einstellung. Polnischerseits betrachtete man den deutschen Revisionismus als Bedrohung der Lebensfähigkeit des polnischen Staates. Darin waren sich alle politischen Kräfte Polens einig. Polnische Versuche in den Jahren 1927/28, diesen Gegensatz zu mildern, blieben angesichts dieser grundsätzlichen Diskrepanz ohne Erfolg. Dabei spielte auch die internationale Konstellation eine entscheidende Rolle. Die polnische Außenpolitik mußte sich auf das Bündnis mit Frankreich stützen, da ein funktionsfähiges Sicherheitssystem in Ostmitteleuropa nicht zustande kam. Auf die Deutschen, die von einer Einkreisungsfurcht beherrscht waren, das polnisch-französische Bündnis als eine potentielle Bedrohung, auf die Polen in ähnlicher Weise der Vertrag von Rapallo (1922). Unter diesen Voraussetzungen mußten die Verträge von Locarno von den Polen um so mehr als eine Gefahr betrachtet werden, weil Polen darin eine Ermunterung revisionistischer Tendenzen in Deutschland sah. In der Atmosphäre gegenseitigen Mißtrauens gelang auch eine befriedigende Regelung der beiderseitigen Minderheitenprobleme nicht. Nach dem Staatsstreich Pilsudskis im Mai 1926 kam es zwar zu einer zeitweiligen Entspannung des deutsch-polnischen Verhältnisses, jedoch betrachteten die demokratischen Kräfte Deutschlands das autoritäre Regime in Polen mit Vorbehalten. 19. Zu den deutsch-polnischen Beziehungen 1933— 1939
Während die deutsche Politik der Jahre 1930/32 in Polen als Verschärfung des revisionistischen Kurses betrachtet wurde, verkannte die polnische Regierung den Charakter des im Gefolge der Weltwirtschaftskrise aufsteigenden Nationalsozialismus und die außenpolitischen Konsequenzen der Machtergreifung Hitlers.
Bei der polnisch-deutschen Nichtangriffserklärung von 1934 handelte es sich nicht um einen „Freundschaftspakt". Die Unterzeichnung des Abkommens hat es jedoch der nationalsozialistischen Regierung erleichtert, sich als europäischen „Ordnungsfaktor" und „Friedensstifter" hinzustellen. Polen hoffte, durch diese Erklärung das Deutsche Reich an sich zu binden, um eine Annäherung Deutschlands an die Westmächte, die auf Kosten Polens gegangen wäre, zu erschweren. Ein zweites Motiv der polnischen Seite war der Versuch, durch die Nichtangriffserklärung eine stärkere Hinwendung der Sowjetunion nach Europa zu unterbinden.
Da es Hitler nicht gelang, Polen in einen Satellitenstaat zu verwandeln, war er 1939 zu einer kriegerischen Lösung entschlossen. Die Danziger Frage war für ihn nur ein Vorwand. Polen hatte unter diesen Umständen nur die Wahl, auf seine Eigenständigkeit zu verzichten oder sich zur Wehr zu setzen. 20. Die nationalsozialistische Besatzungspolitik und der Widerstand im Zweiten Weltkrieg
Bei der Behandlung des Zweiten Weltkriegs sollten die nationalsozialistische Besatzungspolitik und ihre Konsequenzen für das polnische Volk hinreichend dargestellt werden. Es sollte deutlich werden, daß die Politik des Hitler-Regimes nicht nur die Auslöschung des polnischen Staates zum Ziel hatte, sondern daß sie auch die Ausrottung der polnischen Intelligenz und Kultur, die Unterdrückung des polnischen Volkes und die Umwandlung Polens in einen Kolonialraum anstrebte. Es sollten sowohl diese Tatsache als auch der Kampf der polnischen Streitkräfte, die den Fortbestand des polnischen Staates symbolisierten, und die Aktivität der polnischen Widerstandsbewegung, insbesondere die Erhebung des Warschauer Gettos und der War-schauer Aufstand, gewürdigt werden. Es ist zu begrüßen, daß in polnischen Schulbüchern zwischen Deutschen und „Hitlerfaschisten“ unterschieden wird, und es wäre zu wünschen, daß die deutsche Widerstandsbewegung, wie die polnische, als ein Glied der großen europäischen Widerstandsbewegung ausführlicher berücksichtigt wird.
Zur Ergänzung der Empfehlungen 19 und 20 werden die zahlreichen schwierigen Probleme der deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren 1933— 1945 in gemeinsamen Konferenzen und Symposien von 1977 an erörtert werden. 21. Territoriale Veränderungen Die deutsch-polnische Grenzregelung nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Zusammenhang der allgemeinen Territorial-und Grenzveränderungen als Ergebnis des Krieges zu betrachten. In den alliierten Kriegskonferenzen von Moskau, Teheran und Jalta spielte die Frage der polnischen Westgrenze eine bedeutende Rolle. Die unterschiedlichen Auffassungen bezüglich des Ausmaßes der neuen polnischen Westgebiete waren unter den Alliierten vor der Potsdamer Konferenz nicht beizulegen. Vor Konferenzbeginn war jedoch die staatliche Hoheitsgewalt de facto bereits den polnischen Behörden übertragen worden. Die Anerkennung der polnischen Administration durch die Westalliierten bedeutete nach deren Auffassung mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Konferenz noch keine völkerrechtlich definitive Anerkennung der Grenzlinie. Mit der gleichzeitigen Einigung über den Art. XIII (Orderly Transfers of German Population) und der Aufstellung eines Aufnahmeplans des Alliierten Kontrollrates in Deutschland im November 1945 wurde aber von den Alliierten selbst präjudiziert, daß es sich bei der polnischen Administration der ehemals deutschen Gebiete nicht um ein revidierbares Provisorium handeln könne.
Das Staatsgebiet Polens, das sich 1939 auf ca. 389 000 km 2 belaufen hatte, umfaßt in der Konsequenz der Grenzveränderungen ca. 312 000 km 2. Vom Territorium des ehemaligen Deutschen Reiches, 1937 mit einer Fläche von ca. 470 000 km 2, gingen mit den Oder-Neiße-Gebieten ca. _ 102 000 km 2 (zusätzlich ca. 2 000 km 2 der ehemaligen Freien Stadt Danzig) an den polnischen Staat über.
Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik erkannte im Görlitzer Vertrag 1950 die Oder-Neiße-Linie gemäß den Potsdamer Beschlüssen als endgültige Grenze gegenüber der Volksrepublik Polen an. In der Zeit des Kalten Krieges bis zur Mitte der fünfziger Jahre verschärften sich die unterschiedlichen Auslegungen der Potsdamer Beschlüsse. Mit dem Beginn der Entspannungspolitik wuchs auf der Seite der ehemaligen Westalliierten, und auch schließlich in der Bundesrepublik Deutschland, die Bereitschaft zur Respektierung der bei Kriegsende geschaffenen territorialen Veränderungen. 22. Bevölkerungsverschiebungen Die territorialen Veränderungen bei Ende des Zweiten Weltkrieges wurden mit umfangreichen Bevölkerungsverschiebungen verbunden. Sie zielten darauf ab, staatliche und ethnische Grenzen nach Möglichkeit in Überein-stimmung zu bringen. Die historischen Erfahrungen der Nationalitätenkonflikte und die unmittelbar vorhergegangene gewaltsame nationalsozialistische Bevölkerungs-und Besatzungspolitik spielten in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rolle.
In den Polen gemäß den Potsdamer Beschlüssen übertragenen ehemaligen Reichsgebieten östlich von Oder und Neiße lebten 1939 ca. 8, 5 Mill. Menschen. Etwa die Hälfte von ihnen, außerdem die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung Danzigs sowie der in Polen lebenden Deutschen, wurde entweder evakuiert oder flüchtete unter großen Verlusten noch vor Kriegsende in die deutschen Gebiete westlich von Oder und Neiße. Der größte Teil der in den Oder-Neiße-Gebieten verbliebenen deutschen Bevölkerung wurde in den Jahren 1945 bis 1947 ausgewiesen bzw. im Rahmen des interalliierten Transferabkommens zwangsumgesiedelt. In der Folgezeit fanden noch einzelne Übersiedlungen und individuelle Ausreisen im Rahmen der Familienzusammenführung u. a. in den Jahren 1956/57 statt.
In den von der deutschen Bevölkerung geräumten Gebieten wurde systematisch eine inzwischen dort ansässig gewordene polnische Bevölkerung angesiedelt.
In den vier Besatzungszonen Deutschlands wurden die Flüchtlinge und Zwangsumgesiedelten schon nach kurzer Zeit in die Gesellschaft integriert. Sie spielten eine große Rolle bei dem wirtschaftlichen Aufschwung in Westdeutschland. In der Bundesrepublik Deutschland wurden alle diese Gruppen unter dem Begriff „Heimatvertriebene" zusammengefaßt. Ein großer Teil von ihnen schloß sich in landsmannschaftlichen Verbänden zusammen. Der Versuch, durch eine eigene Partei (BHE) eine besondere politische Kraft zu bilden, scheiterte bereits im Jahre 1957. Sofern in diesen Gruppen, von den früheren Bundesregierungen unterstützt, ein Recht auf Heimat proklamiert wurde, werden sie in Polen als Hort des Revisionismus angesehen.
Die Bundes-und Länderregierungen förderten jedoch auf verschiedenen Wegen ihre materielle und soziale Eingliederung. Dadurch wurde vermieden, daß diese Bevölkerungsgruppe sich zu einem Element permanenter sozialer Unzufriedenheit entwickelte und daß damit auch außenpolitisch gefährlicher Sprengstoff entstand. Sie ist seit langem auch politisch in den großen Parteien und gesell-15 schaftlichen Organisationen der Bundesrepublik Deutschland integriert. 23. Aufbauprobleme Als Folge des Zweiten Weltkrieges und des Zusammenbruchs des nationalsozialistischen Regimes kam es zu einer neuen weltpolitischen Konstellation. Sie setzte den Rahmen auch für das deutsch-polnische Verhältnis. Auf polnischer Seite kam es zur Wiederherstellung des eigenen Staates als ethnisch geschlossener Nationalstaat in neuen Grenzen, der aber der außenpolitischen Sicherung bedurfte, auf deutscher Seite zu der faktischen Auflösung des Deutschen Reiches.
Kriegsverluste und Kriegsverwüstungen stellten beide Länder vor komplizierte Aufbauprobleme. In Polen, das in besonderem Maße unter den Kriegseinwirkungen zu leiden gehabt hatte, schufen die Befreiung, das politische Übergewicht der linken Parteien und die territoriale Westverschiebung historische Voraussetzungen für die revolutionären Veränderungen seiner ökonomisch-gesellschaftlichen und politischen Struktur, und dadurch andere Ansatzmöglichkeiten des politischen und wirtschaftlichen Aufbaus als in den vier Besatzungszonen Deutschlands. In den Ländern der amerikanischen, britischen und französischen Besatzungszonen knüpfte man an Traditionen der parlamentarischen Demokratie an.
Die Grundsätze der Alliierten hinsichtlich der Entnazifizierung, Entmilitarisierung, Demokratisierung und eines nur begrenzten und verzögerten wirtschaftlichen Aufbaus Deutschlands entsprachen den damaligen interalliierten Auffassungen zur europäischen Nachkriegsordnung und auch den polnischen Interessen. Als die drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands in das amerikanische Wiederaufbauprogramm für Europa (Marshallplan) einbezogen wurden, sah man in Polen wie in anderen Staaten hierin eine Abkehr von den bisherigen interalliierten Grundsätzen des politisch-wirtschaftlichen Aufbaus in Europa. Aus politischen und ökonomischen Gründen intensivierte Polen seine vielseitige Kooperation vor allem mit den Ländern Osteuropas. Die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung war begleitet von wachsenden politischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten unter den ehemaligen Kriegsalliierten, was zu einer zunehmend kontroversen Auslegung einiger Potsdamer Beschlüsse führte. Dies konnte nicht ohne Auswirkungen auf das deutsch-polnische Verhältnis bleiben. 24. Bewältigung der Vergangenheit überaus nachhaltig ist das deutsch-polnische Verhältnis durch die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft belastet worden. Polen hat, mehr noch als andere besetzte Länder, durch die Gewaltpolitik des Hitler-Regimes schwere Verluste erlitten (vgl. Empfehlung 20). Auch das deutsche Volk hat den Terror der nationalsozialistischen Herrschaft und die Schrecken des Krieges erlebt. Erst nach Kriegsende jedoch wurde dem deutschen Volk das volle Ausmaß der nationalsozialistischen Verbrechen in Europa deutlich. Nachdem die Hauptverantwortlichen durch die alliierten Militärgerichte abgeurteilt worden waren, wie es in den Potsdamer Beschlüssen vorgesehen war, übertrugen die Alliierten den deutschen Behörden die Entnazifizierung der Mitglieder der NSDAP und ihrer Organisationen. Diese Maßnahmen wurden Anfang der fünfziger Jahre abgeschlossen. Erst danach setzte die grundsätzliche geistige und moralische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus im größeren Umfange ein. Die Art und Weise, wie die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit häufig geführt wurde, insbesondere Inkonsequenzen bei der Durchführung der Entnazifizierung und der gerichtlichen Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen, haben die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu Polen und zu anderen Ländern in vieler Hinsicht belastet. 25. Der internationale Rahmen Im Jahre 1949 konstituierten sich zwei deutsche Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges und der verschiedenen Entwicklungsbedingungen für die drei westlichen und die sowjetische Besatzungszone: die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik. Je mehr sich beide in den folgenden Jahren in die entstehenden politischen Wirtschafts-und Bündnissysteme in West und Ost eingliederten, desto stärker wirkte sich die deutsche Zweistaatlichkeit auf das deutsch-polnische Verhältnis aus.
Während sich die gesellschaftspolitischen Systeme in der Bundesrepublik Deutschland und Polen grundsätzlich unterschieden, war für Polen mit der Deutschen Demokratischen Republik ein deutscher Grenznachbar entstanden, der die Oder-Neiße-Linie als deutsch-polnische Grenze anerkannte (6. Juli 1950) und als sozialistischer Partner die weltpolitische Lage prinzipiell übereinstimmend beurteilte. Das deutsch-polnische Verhältnis wurde so auf der einen Seite durch die aktiven Beziehungen Polens zur Deutschen Demokratischen Republik, auf der anderen Seite weitgehend durch Beziehungslosigkeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen bestimmt. Polen war vital daran interessiert, die endgültige Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu erreichen. Es sah darin einen wesentlichen Beitrag zur Festigung der europäischen Sicherheit. Dagegen sah die Bundesrepublik Deutschland den Schwerpunkt ihrer Außenpolitik in der Westintegration und in der Aufrechterhaltung der Wiedervereinigungsmöglichkeiten auf der Grundlage der Prinzipien der Deutschland-und Ostpolitik. Dies bedeutete die Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Grenze.
Daraus ergab sich, daß die politischen Beziehungen zwischen beiden Staaten faktisch ausgeklammert wurden. Das beiderseitige Verhältnis wurde durch die internationalen Spannungen zu Beginn der fünfziger Jahre und in deren Folge durch den Entschluß zum Aufbau von Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Westeuropäisch-Atlantischen Sicherheitsgemeinschaft (NATO-Beitritt 1955) zusätzlich erschwert. Entsprechend erfolgte die bündnispolitische und militärische Integration Polens und anderer sozialistischer Staaten im Warschauer Pakt. Zunehmende Bedrohungsvorstellungen waren die Folge.
Andererseits gab es seit 1955 auch Anzeichen für die Möglichkeit einer Änderung dieser Konstellationen. Die Erklärung über den Verzicht auf Kriegsreparationen zum 1. Januar 1954 und über die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland durch Polen im Februar 1955 sowie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion im September 1955 waren in dieser Hinsicht besonders wichtig. Polen sah jetzt weitere Perspektiven für die Festigung der europäischen Sicherheit durch die Anerkennung des territorialen und politischen Status quo in Europa, auch im Rahmen internationaler Organisationen und verbesserter zwischenstaatlicher Beziehungen (z. B. Atomwaffenfreie Zone, Angebot der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland 1957). In diesen Jahren haben auch die Westmächte gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland wiederholt Vorschläge vorgelegt, die Sicherheit in Europa mit friedlichen Mitteln zu fördern und so die Konfrontation zu reduzieren.
Obwohl die Politik der Annäherung auf staatlich-diplomatischer Ebene ohne Erfolg blieb, wurde mit den kulturellen, wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Kontakten seit 1957 doch ein außerdiplomatisches Beziehungsfeld aktiviert.
Polen erklärte sich bereit, Maßnahmen der Familienzusammenführung einzuleiten. Diese führten in den folgenden Jahren zur Über-siedlung von mehr als 450 000 Personen. Insgesamt sind seit 1957 weit über 500 000 Personen aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland und in die Deutsche Demokratische Republik übergesiedelt. Jedoch war eine Normalisierung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen zunächst nicht zu erreichen. 26. Auf dem Wege zur Normalisierung Anfang der sechziger Jahre wurden die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte erneut aktiviert. Seitdem verstärkte sich in der Bundesrepublik Deutschland das Interesse an polnischer Kultur und an der politischen Realität des neuen Polen. In der Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland mehrten sich Stimmen und Stellungnahmen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, die eine Verständigung mit Polen forderten. Diese beginnende Bewußtseinsveränderung fand eine zunehmend positive Resonanz in Polen.
Dies alles war für den Abbau des geschichtlich bedingten Mißtrauens zwischen Polen und Deutschen deshalb wichtig, weil sich darin eine Normalisierung in der gegenseitigen Wahrnehmung ankündigte. Gleichzeitig wurde seit dem Abschluß des Handelsvertrages und der Errichtung von Handelsmissionen im Jahre 1963 eine Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen ermöglicht. Dadurch ist die Bundesrepublik inzwischen zum größten westlichen Handelspartner Polens geworden. Ungeachtet der damit erzielten Verbesserungen und der auf friedliche Verständigung abzielenden Erklärungen der damaligen Bundesregierungen (Friedensnote vom 25. März 1966, Regierungserklärung der Großen Koalition vom 13. Dezember 1966) wurde in Polen das Festhalten an der deu. schlandpolitischen Rechtsauffassung als Fortsetzung revisionistischer Politik bewertet. Für Polen blieb die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze die Voraussetzung für die Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen.
Im Rahmen einer weltweiten Entspannungspolitik und auch vor dem Hintergrund einer neuen Einschätzung der Beziehungen zu Polen in der öffentlichen Meinung der Bundesrepublik Deutschland leitete die 1969 gebildete Bundesregierung eine neue Phase in der Politik gegenüber den sozialistischen Staaten, und so auch gegenüber Polen, ein. Dabei handelte die Bundesregierung nur im Namen der Bundesrepublik Deutschland. Diese Politik fand zunächst ihren Niederschlag im Moskauer Vertrag vom 12. August 1970.
Aufgrund der polnischen Vorschläge vom Mai 1969 wurden seit Februar 1970 konstruktive Verhandlungen geführt. Diese mündeten in den Warschauer Vertrag zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland vom 7. Dezember 1970. Darin stellten beide Vertragspartner fest, daß die bestehende Grenzlinie, deren Verlauf in den Potsdamer Beschlüssen festgelegt ist, die westliche Staatsgrenze der Volksrepublik Polen bildet. Beide Staaten sichern einander „die Unverletzlichkeit ihrer bestehenden Grenzen jetzt und in Zukunft" und die „uneingeschränkte Achtung ihrer territorialen Integrität" zu. Sie erklärten, daß sie „gegeneinander keinerlei haben und Gebietsansprüche solche auch in Zukunft nicht erheben werden". Der Warschauer Vertrag bietet Grundlagen zur Normalisierung und Verbesserung der Beziehungen zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland in wesentlichen Bereichen. Beide Regierungen haben die Absicht bekräftigt, diese Zusammenarbeit im Geiste der Vereinbarungen von Helsinki vom 1. August 1975 konstruktiv weiterzuentwickeln.
II. Geographie
Vorbemerkung Bei der Schulbuchrevision im Fach Geographie war davon auszugehen, daß der Geographie-unterricht in den Schulen für die Erziehung des heranwachsenden Staatsbürgers eine entscheidende Bedeutung hat: Er zeigt, daß sich das Handeln des Menschen auf der Basis der natürlichen Ressourcen und im Rahmen der technischen, ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen vollzieht. Der Geographieunterricht trägt dazu bei, daß der Schüler befähigt wird, an der rationalen und verantwortlichen Gestaltung der Umwelt mitzuwirken. Der heranwadisende Staatsbürger gewinnt Kenntnisse und Einsichten in die vielseitigen Probleme des eigenen Landes und anderer Länder. Hierdurch ist er in der Lage, die Leistungen anderer Völker zu bewerten. Toleranz und Achtung vor der Leistung fremder Völker werden gefördert.
Die Reduzierung des Geographieunterrichts in den Schulen oder seine Begrenzung auf wenige problemorientierte Themen muß daher zu einer nicht zu verantwortenden Einengung des Weltbildes und zur Verringerung der politischen Urteilsfähigkeit beim Schüler führen.
Das in der Geschichte begründete besondere deutsch-polnische Verhältnis verlangt, daß die gegenseitige Behandlung beider Länder im Schulunterricht objektiv und verständnisvoll erfolgt. Die Curricula für den Erdkundeunterricht beider Länder sind verschieden.
Im Geographieunterricht der Volksrepublik Polen wird die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen einer allgemeinen politischen, ökonomischen Geographie und in der regionalen Geographie/Länderkunde behandelt. Die derzeitige Entwicklung des Curriculums für Geographie geht in der Bundesrepublik Deutschland von einer anderen Konzeption aus. Die Volksrepublik Polen wird dabei einerseits als Beispiel für politische, soziale und ökonomische Entwicklungen in einem sozialistischen Staat, andererseits ideographisch und zugleich problemorientiert behandelt. Eine Besonderheit der Schulbuchrevision im Fach Geographie liegt darin, daß in den Schulbüchern nahezu ausschließlich gegenwartsbezogene Fakten und Probleme behandelt werden. Diese betreffen nur zu einem Teil die politischen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen. Andererseits wirken die unterschiedlichen sozio-ökonomischen Systeme bei-B der Länder zum Teil auf die Auswahl von Fakten und auf Wertungen in den Schulbüchern. Hieraus resultierende kontroverse Positionen wurden offen, vertrauensvoll und in Achtung der gegenseitigen Standpunkte behandelt.
Zusammenfassend stellten sich der Schulbuch-revision im Fach Geographie drei Aufgaben:
a) Wiederholte Begutachtung der Schulbücher und Vorschläge zu ihrer Veränderung.
Hierbei entfiel ein großer Teil der Arbeit auf die Korrektur von sachlichen Fehlern, die nicht die Kernaufgabe der Schulbuch-revision sein kann.
Das Vorliegen eindeutiger Fakten erleichterte die Konzentration auf das Problem ihrer Auswahl und Darstellung. Schulbuch und Schulatlas standen daher von Anfang an im Mittelpunkt der Arbeit.
b) Erstellung der Grundlagen für bessere Schulbücher durch Vermittlung von Material und Informationen, vor allem in Form von Symposia zu spezifischen Problemen beider Länder (in geographischer Hinsicht z. B. Strukturwandel in der Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, Küsten-standorte am Beispiel der Dreistadt Danzig/Gdansk — Zoppot/Sopot — Gdingen/Gdynia) *). Diese Symposia haben sich nach übereinstimmender Auffassung beider Delegationen voll bewährt.
c) Angesichts der Entwicklung des Curriculums in der Bundesrepublik Deutschland — nunmehr auch in der Volksrepublik Polen — waren der Standort und die Probleme, mit denen das jeweils andere Land behandelt werden sollte, zu bestimmen.
Dies führte zu einer intensiven und fruchtbaren Diskussion über Aufgaben, Methoden und Didaktik der Geographie in den Schulsystemen beider Länder. Der Fortführung dieser Arbeit soll das Forschungsvorhaben „Grundlagen und Bildungswert der Regionalen Geographie (Länderkunde bzw. regionale ökonomische Geographie)
am Beispiel der Behandlung der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland im Unterricht" dienen.
Empfehlungen 1. Die Geographie ist vorwiegend eine Gegenwartswissenschaft. Die Darstellung beider Länder muß daher von gegenwärtigen Realitäten ausgehen. Der Geographieunterricht soll objektive Informationen vermitteln. Er soll ein wohlwollendes Interesse im Sinne eines friedlichen Zusammenlebens der Völker wecken sowie Fehlinformationen, Mißverständnisse und Vorurteile abbauen helfen. Es wird empfohlen, den Normalisierungsprozeß zwischen den beiden Staaten dadurch zu fördern, daß die Probleme beider Länder in den Lehrbüchern und im Unterricht angemessen berücksichtigt werden.
Das Fach Geographie muß, um seiner Bedeutung in Bildung und Erziehung gerecht zu werden, im Schulunterricht in hinreichendem Umfang sowie in Methode und Problemen an alle Altersstufen angepaßt bis zur letzten Klasse berücksichtigt werden.
Das Schulfach Geographie/Erdkunde muß auch im neuen Curriculum den Auftrag erfüllen, seinen Teil zur Erziehung der Heranwachsenden zum Staatsbürger zu leisten.
2. Obwohl in den beiden Ländern unterschiedliche Gesellschafts-und Wirtschaftssysteme bestehen, ist es notwendig, die Leistungen beider Völker in gegenseitiger Toleranz und mit Achtung zu behandeln.
3. Politische Fragen sollen im Geiste des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen vom 7. Dezember 1970 behandelt werden. Wenn zum Verständnis gegenwärtiger geographischer Sachverhalte historische Erklärungen notwendig sind, gelten sinnentsprechend die Empfehlungen zur Revision der Lehrbücher für Geschichte. Historische Sachverhalte, die von der Wissenschaft unterschiedlich interpretiert werden, sollen in ihrer Problematik und unter gleichgewichtiger Berücksichtigung beider Standpunkte dargestellt werden.
4. Bei der Auswahl der in Text, Karten, Abbildungen usw. dargestellten Fakten sollen sich die Autoren ihrer Verantwortung im Sinne der genannten Ziele bewußt sein. Die Auswahl der Fakten, die von der didaktischen und methodischen Zielsetzung und dem verfügbaren Raum abhängt, muß in jedem Fall objektiv und aktuell sein. Die Auswahl der Fakten soll daher so erfolgen, daß tendenziöse und diskriminierende Interpretationen verhindert werden. Obwohl seit Beginn der Schulbuchrevision die Tendenz zu verbesserter und versachlichter Darstellung auf beiden Seiten in den Schulbüchern deutlich zu erkennen ist, werden Autoren und Verlage beider Länder erneut aufgefordert, die Schulbücher zur Geographie zu überprüfen und ggfs. zu verbessern. Hierdurch soll verhindert werden, daß auch weiterhin sachliche Fehler und nicht gerechtfertigte Aussagen und Wertungen in immer neuen Auflagen wiederholt werden. Die raum-gestaltenden Leistungen beider Völker sind angemessen und ausgewogen darzustellen.
5. Für die Verwendung geographischer Namen werden folgende Grundsätze empfohlen: In Karten und Darstellungen für den Schulgebrauch sollen Autoren und Verleger die offiziell im jeweils anderen Land verwendeten Ortsnamen berücksichtigen. Aus didaktischen Gründen kann eine zweisprachige Bezeichnung erforderlich sein. Andere geographische Namen (von Flüssen, Seen und Landschaften usw.) können ebenso zweisprachig oder nur in der Muttersprache der Schüler gebraucht werden. Namen, die auf eine gezielte Germanisierungstendenz zurückgehen, sollen nicht verwendet werden. Das Problem der geographischen Namen bedarf noch weiterer Erörterungen, wobei auch die sich entwickelnden internationalen Grundsätze berücksichtigt wer-den sollen.
6. Als notwendige Voraussetzung für die ständige Verbesserung und Aktualisierung der Schulbücher wird empfohlen:
a) Gegenseitige Begutachtung der Lehrbücher bzw.der Lehrbuchausschnitte, die das jeweilige Land betreffen vor der endgültigen Drucklegung. Dies gilt auch für Neuauflagen. b) Für eine objektive und verantwortungsbewußte Unterrichtung des Schülers durch Schulbücher und andere Medien ist es unbedingt erforderlich, Fakten zu verwenden, die wissenschaftlich abgesichert sind. Daher sollen die Verantwortlichen, vor allem Schulbuchautoren, Lektoren bzw. Redakteure sowie Begutachter der Verlage, Wege suchen, welche die Zusammenarbeit zwischen Autoren und Wissenschaftlern gewährleisten.
c) Besonderer Nachdruck ist auf den Austausch und die Bereitstellung von • Informationsmaterial (z. B. neue statistische Daten, neues kartographisches Material, neue Forschungsergebnisse) zu legen.
Die Bereitstellung von geeigneten Fotos, Diapositiven, Abbildungen, Karten, Plänen und Skizzen ist auf beiden Seiten zu gewährleisten. Die zuständigen wissenschaftlichen Institutionen sowie die geographischen und kartographischen Verlage sollen diese Initiativen beraten und unterstützen. Als Kontaktstellen werden von den UNESCO-Kommissionen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland empfohlen:
Der Verlag für Schule und Pädagogik (Wydawnictwa Szkolne i Pedagogiczne/WSiP) und der Staatliche Verlag für Kartographie (Pänstwowe Przedsiebiorstwo Wy-
awnictw Kartograficznydi/PPWK) in Warschau, das Georg Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig. d) Der Austausch von Schulbuchautoren und Wissenschaftlern ist zu fördern, da jeder objektive und die Annäherung künftiger Generationen fördernde Unterricht in Schulen und Universitäten mehr als in anderen Fächern Landeskenntnis voraussetzt.
Außerdem sollen zur Verbesserung des Informationsstandes von Schulbuchautoren und Curriculumexperten der Geographie Seminare und Symposien durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen publiziert und damit den interessierten Fachleuten beider Länder zugänglich gemacht werden.
7. Zur Behandlung der Geographie der Volksrepublik Polen in den Lehrbüchern der Bundesrepublik Deutschland werden für die altersgemäße Behandlung in den Sekundarstufen I und II folgende Problemfelder und Themen empohlen:
a) Bevölkerungsbewegungen und ihre Ursachen — regionale und soziale Mobilität:
„Demographische Veränderungen in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg — Kriegs-verluste, Migrationen, Veränderungen der ethnischen Struktur, Berufsstruktur".
b) Grenzen in ihrer politischen, ökonomischen und sozialen Wirksamkeit:
„Polen in seinen neuen Grenzen — Veränderung des Potentials als eine der Grundlagen ökonomischen Aufbaus".
c) Sozio-ökonomische Systeme in ihrer spezifischen Raumwirksamkeit:
„Die . sozialistische Industrialisierung'— naturräumliche, historische und ökonomische Aspekte (Instrumente, Etappen, Trends, Standortentscheidungen) am Beispiel Polen“.
d) Raumordnung und Landesplanung:
„Raumplanung in den sozialistischen Ländern — Grundlagen und Instrumente des Abbaus räumlicher Disproportionen in Polen".
e) Die sozialistische Stadt:
„Grundlagen und Instrumente des Städtebaus und der Stadterneuerung in Polen — Funktion des Stadtzentrums, typische Elemente im Grund-und Aufriß, Ausmaß des Städtewachstums, Konzeption und Realisierungsmöglichkeiten der Stadtplanung". f) Probleme der Landwirtschaft:
„Formen und Funktionen des sozialistischen und privaten Sektors der Landwirtschaft in Polen“. g) Rohstoffpotential und Weltwirtschaft:
„Die Verteilung der Ressourcen und ihre Bedeutung für eine arbeitsteilige bzw. Ergänzungswirtschaft am Beispiel Polen — Kohle, Kupfer, Schwefel“.
Ebenso wird empfohlen, Problemfelder und Themen zur Geographie der Bundesrepublik Deutschland für die Darstellung in Lehrbüchern der Volksrepublik Polen zu erarbeiten.