rickq wiesen, dann allerdings bleibt nur der Krieqbz aufs Messer, mit allen Mitteln, denn das Recht der Sache bedingt das Recht der Waffe“. Die Stellung des Redners und die Wahl des Forums machen diese Erklärung zu einer historischen Urkunde, deren historische Bedeutung viel zu wenig erfaßt wird, und ohne deren Studium der Palästina-Konflikt nicht verstanden werden kann. (Den Charakter des zukünftigen palästinensischen Staates hat auf Arafats Erklärung hin „Schu'un Filastiniyya", das Organ des Studienzentrums der PLO in Beirut, in seiner Ausgabe vom Januar/Februar 1975 präzise definiert: „Der Palästinenser wird Araber sein, durch Abstammung oder Assimilierung, sei er Muslim, Christ oder Jude“.
Die Weltjudenheit steht hinter Israel, und hat hinter dem Jischuw gestanden, bevor es Israel gab. Das ist ein Aspekt — heute der dominierende Aspekt — der Bindung zwischen Volk und Land Israel, die oben erwähnt wurde. Trotz aller individuellen Ausnahmen und unendlich differenzierter Nuancen politischer Ideologie und Praxis ist das Verhältnis unkompliziert. Israel gibt den Ton an und trägt die Opfer. Die Diaspora leistet Hilfestellung. Die Schablone von Front und Etappe ist banal, aber zutreffend.
Das Verhältnis zwischen der arabischen Welt und den Palästinensern ist komplizierter. Das palästinensische Volk erklärt sich als Glied der arabischen Nation und wird als solches akzeptiert. Die Sache der Palästinenser ist die der arabischen Staaten. (Zusätzliche Gegensätze zwischen den arabischen Staaten und Israel, politischer, militärischer, territorialer, wirtschaftlicher sowie kultureller Natur'sind vorhanden und unter den Umständen besonders gefährlich. Im Mittelpunkt des Palästinakonfliktes stehen sie aber m. E. nicht.) Soweit ist die Symmetrie zur Gegenseite vollkommen. Die Asymmetrie liegt darin, daß die arabischen Staaten, seitdem sich der Konflikt herauskristallisiert hat, den Palästinensern moralisch und ideologisch Folge leisten, daß aber zufolge der realen Kräfteverhältnisse sie militärisch die Verantwortung für die Konfrontation tragen.
Es besteht in der arabischen Welt eine innere. . Asymmetrie", die zu ihrem Verständnis sehr wichtig ist, obwohl sie auf den Palästinakonflikt nur indirekt einwirkt. Das ist der Gegensatz und das Zusammenleben — beides trifft zu — von pan-arabischem und partikularisti-schem Nationalismus: Wieweit der Syrer, der Libanese, der Iraki, der Ägypter ihrem engeren Vaterland Treue schulde und wieweit der größeren Nation, ist eines der Hauptthemen arabischer Geschichte und Politik im 20. Jahrhundert. Es ist von Fall zu Fall, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, verschieden beantwortet worden; es unterliegt dem Einfluß örtlicher und kommunaler Interessen, ideologischer Strömungen und Moden, sowie charismatischer Führer. Auf lange Sicht handelt es sich hier um beträchtlichen Konfliktstoff, jedoch um keine gegenseitigen Ausschließlichkeiten.
Mit monotoner Regelmäßigkeit wiederholt sich der Austausch zwischen Israel und den arabischen Staaten, als den kriegführenden Seiten, in Formeln folgender Art: „Unter welchen Bedingungen wären die arabischen Staaten zu einer friedlichen Regelung bereit?" — „Wir, die arabischen Staaten, haben definierte Forderungen an Israel (meist territorialen Charakters). Außerdem müssen die berechtigten Ansprüche der Palästinenser erfüllt werden." — „Was sind die berechtigten Ansprüche der Palästinenser?" — „Das können nur die Palästinenser selbst bestimmen." (Eine der typischen Äußerungen eines arabischen Staatsoberhauptes in diesem Sinne erscheint in einem Interview König Husseins, das in der Beiruter Zeitung „Hawadeth" vom 4. Juli 1975 veröffentlicht ist. Es handelt sich hier nicht um Ausflüchte „extremer" Führer, sondern um eine Grundhaltung, die bis heute gültig ist.) Die Definition der palästinensischen Ansprüche ist von der als allein befugt anerkannten Seite bereits gegeben.
Seit der Entstehung des Palästinakonfliktes, das heißt, seit der Entstehung des neuen Jischuw, war einer seiner Grundfaktoren die relative Abhängigkeit der eigentlichen Kontrahenten von bestimmten Großmächten. (Eine Ausnahme ist das Jahr, das dem Teilungsbeschluß der Vereinten Nationen von 1947 folgte: Ein Vakuum, entstanden durch die machtpolitische und moralische Schwächung Englands und den noch nicht profilierten Positionen der USA und Sowjetunion, auf den Konflikt direkt einzuwirken.) Gewöhnlich war und ist es das Interesse dieser Mächte, Konflikte, die unberechenbare Rückwirkungen haben können, zu verhindern oder in ihrer Wirkung einzuschränken. Das galt sowohl für das Ottomanische Reich und England, die in Palästina bis 1917/18, beziehungsweise bis 1947/48 herrschten. Das gilt für die beiden Supermächte seit den fünfziger Jahren — immer mit Schwankungen, herbeigeführt durch Kurzschluß-Reaktionen und Fehldiagnosen, und das permanente Ziel, sich gegenseitig bei strikter Risikenbeschränkung das Wasser abzugraben.
Parallel läuft die fundamentale Sympathie der USA für die jüdisch-israelische, und die der Sowjetunion für die arabisch-palästinensische Sache. Die amerikanische Haltung wird einerseits durch das leidenschaftliche Engagement des jüdischen Bevölkerungsteils beeinflußt. Andererseits spielt die Tatsache eine Rolle, daß Israel die einzige funktionierende Demokratie des Mittleren Ostens ist; die amerikanische Politik wird traditionsmäßig von ideellen Momenten mitbestimmt. Die Sowjetunion hat ihrerseits längst erkannt, daß Israel unabänderlich zum Westen gehört, nicht nur als Staat mit seiner Realpolitik, sondern als Gemeinwesen mit seinen intellektuellen und psychologischen Attributen. Dazu kommt di Überlegung, daß sowohl für strategische Positionen im Mittelmeer wie Zugang zum In dischen Ozean — seit dreihundert Jahren ei Hauptziel russischer Staatskunst — arabi. sches Wohlwollen wichtig ist, und für dieses Wohlwollen ist eine israel-feindliche Politik von offenbarem Nutzen.
Abschließend zu diesem Thema läßt sich wohl sagen, daß in der Palästinakonflikt. Politik der Supermächte die globalen Interessen dominieren, und daß diese Interessen gegen Kriegskatastrophen arbeiten. Eine zuverlässige Wahrheit ist das allerdings nicht, denn Interessenschwerpunkte verschieben sich. Die Leidenschaften, die dem Palästina-Konflikt zugrunde liegen, sind nicht unter allen Umständen kontrollierbar, besonders, da eine der Supermächte — die Sowjetunion — ein Interesse am Schwelen des Konfliktes hat.
III.
Das Ineinanderspielen der genannten Grund-faktoren wird anschaulicher, wenn sie wenigstens skizzenhaft in eine historische Relation gebracht werden. Drei Hauptepochen treten dabei deutlich hervor: 1) vom Entstehen des „Palästina-Problems" bis zur Konsolidierung des Staates Israel, um 1870 bis 1949;
2) von der Konsolidierung Israels bis zum Sechstagekrieg 1967;
3) seit dem Sechstagekrieg.
Während der ersten Epoche war Palästina unter der direkten Herrschaft von Mächten, deren Zentrum weit von Palästina entfernt lag — dem Ottomanischen Reich und England. Es muß zum Verständnis des Konfliktes noch einmal hervorgehoben werden, daß das jüdisch-nationale Gemeinwesen in Palästina schon unter der ottomanischen Herrschaft seine wesentlichen Züge entwickelt hatte. Das britische Mandat brachte Vertiefung, Erfahrung und einen Ausbau, die zum Teil günstigeren politischen und konstitutionellen Bedingungen entsprangen, zum Teil der Judenkatastrophe der Hitlerzeit zuzuschreiben sind, und nicht zuletzt ein natürliches Wachstum darstellen. Die Souveränität als letztes Ziel des „Volkwerdens" blieb bis zum Schluß der Epoche unerreicht; es ist der tiefe Grund — nur selten damals als solcher verstanden—, warum bis 1948 der Jischuw die treibende Kraft in dem Konflikt war, und die Palästinenser die reagierende. Das Interesse der herrschenden Macht war in erster Linie auf Erhaltung der öffentlichen Ordnung gerichtet; die Unterstellung einer machiavellistischen Politik des divide et impera ist in der Hauptsache Legende. In dieser Hinsicht war der Jischuw — physisch schwach, aber gesellschaftlich dynamisch — Nutznießer des fremden Domini-ums. Im übrigen war, so wie der Jischuw, auch das Modell des Konfliktes bereits im wesentlichen ausgebildet. Zwei Völker, oder Proto-Völker, mit Anspruch auf denselben Raum; das eine introvertiert, im überwältigenden Wunder seiner Wiedergeburt befangen; das andere erstarrt in Ablehnung jeden anderseitigen nationalen Daseinsrechtes. Beiden gemeinsam das Unvermögen, einander gefühlsmäßig zu erfassen.
Die zweite Epoche, 1949 bis 1967, erscheint im Rückblick als relativ entspannt, so wenig das zeitgenössischen Beobachtern auch bewußt gewesen sein mag. Mit der Genugtuung des Staates und seiner Anerkennung durch die Weltöffentlichkeit hatte das neue jüdische Gemeinwesen konzeptuell seine Vollendung erreicht. Was noch zu tun blieb, war, fertigen Rahmen auszufüllen, den Staat Lubauen -„die-Zerstreuten sammeln";
ächlich eine ungeheure Aufgabe, historisch der Übergang von der Dynamik zum Statischen. Israel, im Besitz von nur einem Teil der historischen Heimat, war in seinem Selbstbild von einem ungesättigten zu einem gesättigten Faktor geworden. Die Palästinenser— wiederum in eigener Sicht, auf die es zu ihrem Verstehen ankommt — sahen sich zu Enteigneten und Entrechteten degradiert. Die „nakbah-, die unfaßbare Katastrophe, die sie als Volk ereilt hatte, hatte sie auch ihres Selbstvertrauens und des Vertrauens zu ihrer Führung beraubt und sie fürs erste hilflos der Fürsorge und Vormundschaft der arabischen Staaten ausgeliefert. Aber die arabischen Staaten hatten ihre ureignen und näheren Probleme, die gemeinhin ihr Handeln bestimmten.
Zu gleicher Zeit entstand politisch ein gewisses Gleichgewicht, das nicht untragbar war. Es gab während dieser Jahre wenige im Jischuw, die nicht glaubten, daß die Waffenstillstandsgrenzen von 1949 eine entwicklungsfähige Zukunft ermöglichen könnten, durchaus auch im zionistischen Sinne. Auf der anderen Seite entwickelte sich spätestens anfangs der sechziger Jahre der Eindruck, daß die überwiegende Mehrheit der Palästinenser im Königreich Jordanien, dessen Bürger sie geworden waren, sich in einem Maße assimilierten, das eine nicht unwürdige Lösung ihrer Identitätsfrage versprach.
Es war die Strategie des Fateh, auf bereits bestehenden ideologischen Grundlagen 1965 aktiv geworden, eben diese Assimilation durch Terroraktionen in Israel und mit den zu berechenbaren Reflexen gewordenen Vergeltungsschlägen Israels zu sabotieren.
In der Vorgeschichte des Sechstagekrieges hat diese Strategie ihren Platz, neben der syrischen Strategie, seine eigene Front mit Israel nicht zur Ruhe kommen zu lassen, und neben Abdel Nassers übernommener Verpflichtung, einen arabischen Bruderstaat zu decken, auf dessen Gebaren er den entscheidenden Einfluß verloren hatte. In der Grundhaltung Israels gegenüber, wie sie von der palästinensischen Sicht diktiert war, trat während dieser Epoche keine Änderung ein. (Bourgibas Rat, sich mit einem — verkleinerten — Israel abzufinden, blieb eine Randerscheinung; auch Bourgiba sprach vom Zwang der Umstände, nicht von einem Daseinsrecht Israels.)
Soweit diese kurze Retrospektive eine historische Beurteilung zuläßt, liegt die Bedeutung der letzten Epoche — derjenigen seit 1967 — in dem Primat, das der Palästina-Konflikt im Nahen Osten erlangt hat. Die umfassende Niederlage von 1967 beraubte die arabischen Staaten ihrer Glaubwürdigkeit als Hüter der palästinensischen Sache. Die PLO übernahm die Interessenvertretung des palästinensischen Volkes. Welche Zweifel auch gehegt wurden und werden, in der Öffentlichkeit hat sich dieser Anspruch durchgesetzt. Der Prozeß reifte Jahre hindurch; der Oktoberkrieg von 1973 trieb ihn voran; die Rabat-Beschlüsse vom Oktober 1974, die die PLO als alleinige legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes anerkannten, schlossen ihn logisch ab. Wieweit eine rückläufige Bewegung zu erwarten ist, fällt außerhalb dieser Betrachtung. Innerhalb ihres Rahmens dagegen liegt die Wahrnahme, daß die effektiven Kampfmittel weiterhin bei den arabischen Staaten konzentriert sind und nicht bei der PLO: das Geld, das Ol, die Waffen, die Heeresorganisationen, die Diplomatie und die Massenkommunikationsmittel.
IV.
Es ist müßig, die Zukunft lesen zu wollen oder papierne Ausgleiche vorzuschlagen. Aber nach dem bisher Gesagten ist eine Auf-gliederung der möglichen „Lösungen" am Platz. -Der Palästina-Konflikt kann gelöst wer-den indem das jüdisch-nationale GemeinweSen in Palästina verschwindet. Es kann ver-schwinden, indem der Staat Israel zerschlaSM wird. Die Geschichte kennt Beispiele der Vernichtung von Nationalstaaten. In dieser Abhandlung genügt es festzustellen, daß Israel sich einem Versuch seiner Vernichtung mit absolut allen Mitteln widersetzen wird; diese Extrapolierung seiner Vergangenheit ist mit Sicherheit zulässig. Zweitens kann das jüdisch-nationale Gemeinwesen verschwinden, indem es von innen zerfällt. Diese Möglichkeit wird heute viel im arabischen Lager besprochen und ist auch in Israel nicht ohne Widerhall. Aber es handelt sich wohl mehr um Wunschträume — oder Alpträume —, je nach der Perspektive. Korruptionsaffären und Moralkrisen haben mit der Auflösung eines Volkes nichts gemeinsam, auch, oder gerade, nicht unter Druck von außen. — Der Palästina-Konflikt kann gelöst werden, indem die arabischen Staaten, oder wenigstens die „Konfrontationsstaaten" unter ihnen, den verhängnisvollen Zusammenhang brechen, demzufolge sie moralisch jede Forderung decken, die „die Palästinenser" stellen, auch die extremste, und ihrerseits eine Konzeption der Koexistenz erzwingen. Solch radikaler Bruch mit einer zum Ritual gewordenen Vergangenheit setzt allerdings ein seltenes Maß von politischem Mut, Engagement und intellektueller Unabhängigkeit voraus. — Das Palästina-Problem kann gelöst werden, wenn sich innerhalb der palästinensischen Öffentlichkeit das politische Schwergewicht verlagert. Eine Führerschicht der seit 1967 von Israel besetzten West-Bank könnte zum politischen Träger des palästinensischen Volkstums werden. Es sind Anzeichen vorhanden, daß sich hier, dem Kernland des palästinensischen Volkes, in den acht Jahren menschlicher Verquickung die Erkenntnis verbreitet hat, daß der israelische Nationalstaat nicht nur eine politische Tatsache ist, sondern sein Daseinsrecht hat. Die Schwierigkeit liegt darin, daß die Führerschicht der West-Bank lokal und nicht national gruppiert ist: die erweiterte Familie, das Dorf, die Stadt, der Stamm. (Auch der kürzlich verstorbene Exmufti von Jerusalem, Hajj Amin alHusseini, blieb zeit seines Wirkens in Palästina nur der Chef eines Clans; seine quasi-nationale Position verdankt er britischer Initiative, und sein Image als Führer des palästinensischenVolkes war außerpalästinensisch). Diese Tradition ist tief in der Vergangenheit verwurzelt und es sind keine eindeutigen Zeichen vorhanden, daß sie durch neue Strukturen abgelöst wird. Der oft verlautende Vorwurf, daß die israelische Verwaltung das Entstehen einer neuen Führung verhindert, oder zumindest nicht fördert, übersieht, daß solch eine Entwicklung nicht durch direktes Einwirken von außen veranlaßt werden kann; außerdem wäre unter den bestehenden Umständen jede derartige beinflußte Führung als Quislingsystem gebrandmarkt. — König Hussein könnte sein nie aufgegebenes Ziel erreichen und wieder als legitimer Vertreter der Palästinenser anerkannt werden, oder zumindest als einer ihrer, legitimen Vertreter. Sein Ansehen auf der West-Bant steigt uhd fällt mit jedem Wechsel des pois sehen Windes. Aber bis heute hat sich die gesellschaftspolitische Ordnung, die er zwangs läufig vertritt, nicht annehmbar machen können. Außerdem darf nicht als sicher vorausge.setzt werden, daß Hussein fähig ist, eine friedliche „Lösung" durchzusetzen. Er und sein Haus haben eine über fünfzig Jahre alte Tradition von Fühlungnahmen mit dem Jischuw. Israel hinter sich. Es ist nie zu einem faßbaren Abschluß gekommen. Ein letztes Zögern der Haschemiten, die Schwelle zu überschreiten ist wahrscheinlich für diese Sterilität nicht weniger verantwortlich als Uneinigkeit über definierte Paragraphen.
Beide zuletzt genannten Möglichkeiten setzen voraus, daß die anderen arabischen Staaten sie zumindest schweigend dulden werden, und daß Israel dem Prinzip der Teilung des ehemaligen Mandatspalästina treu bleibt -alles keine Selbstverständlichkeiten. — Schließlich: die PLO selbst könnte ein „agonizing reappraisal" erleben, eine zutiefst schmerzhafte Umwertung, die einer ideologischen Wiedergeburt gleichkäme. Sie könnte die historisch-ideelle Daseinsberechtigung eines jüdisch-israelischen Staatsvolkes neben der eines arabisch-palästinensischen Staats-volkes anerkennen — nicht als Sprachregelung oder double-thinking, sondern aus Verständnis und Empathie. Aus dem schroffen und haßerfüllten Chor totaler Ablehnung klingt ein einzelner abweichender Ton. Naif Hawatmeh, der Chef der „Demokratischen Volksfront zur Befreiung Palästinas“ innerhalb der PLO hat seiner Meinung in Interviews Ausdruck gegeben, daß eine Lösung des Palästinaproblems auch „die nationalen Rechte der Israelis" berücksichtigen muß. Aber bei allem Interesse, das diese Abweichung verdient, ist es unrealistisch, außer acht zu lassen, daß „Israelis" nicht „Israel ist; daß die PDFLP doktrinär marxistisch-leninistisch ist — daher das Eingehen auf . nationale Rechte" innerhalb eines palästinensischen Staates — und eine Konfliktlösung in ihrem Sinne schon deshalb nicht im Bereich des Realen liegt; daß ferner der PDFLP kaum mehr als marginale Bedeutung in der PLO zukommt; und letzten Endes, daß Hawatmeh selbst sich bis jetzt nicht unumwunden z seiner vor Fremden geäußerten Meinung 6 kannt hat, wenn er im eigenen Lager heraus gefordert wurde. Das klingt alles recht hoffnungslos. Dem Historiker gibt seine Erfahrung einen schwachen Lichtblick. Die Geschichte kennt Haßkomplexe wie den, der dem Palästina-Konflikt zugrunde liegt. Eines Tages waren sie aufgelöst, ohne daß der Historiker im Rückblick befriedigende Aufschlüsse darüber geben kann, warum sie sich auflösten. Es ist mehr als bloßes Wunschdenken, daß auch die emotionelle Basis des Palästina-Konfliktes einen soldien Umbruch erleben kann. Wieweit Grenzregulierungen und Entschädigungsabkommen diesen Umbruch vorbereiten können oder ihm zwangsläufig folgen, ist nicht vorauszusagen. So wie ich die Geschichte des Konfliktes lese, glaube ich nicht, daß vernunftmäßig fundierte und vertretbare Konzessionen eine Mauer durchbrechen können, in die abgründige Emotionen so unentflechtbar eingebaut sind. Dem Politiker obliegt es jedenfalls, in unablässiger Tagesarbeit ein neues Blutvergießen hinauszuschieben; uns anderen, ihm dabei den Rükken zu stärken.