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Artikel 6 | APuZ 10/1957 | bpb.de

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APuZ 10/1957 Vom Wesen menschlicher Freiheit. Erziehung zu Freiheit und Mitverantwortung am Humanistischen Gymnasium Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5 Artikel 6

Artikel 6

Bedrohung unserer Freiheit von Osten und Westen Ehe wir über mögliche Wege der Therapie nachdenken, ist es wichtig, daß wir uns den ganzen Ernst der Lage vor Augen halten, in der sich Europa und Deutschland heute befinden. Die für die bisherige abendländische Kultur und Geschichte tragende Idee der itteiisdilidieit Freiheit wird von zwei Seiten her lebensgefährlich bedroht, am gefährlichsten vom kommunistischen Osten, wo Totalitarismus, Kollektivismus und Mechanisierung des Menschen ihre denkbar schärfste Ausprägung gefunden haben, andererseits aber auch von dem Massenmenschen der USA, der den nivellierenden und entpersönlichenden Tendenzen der amerikanischen Technik und Wirtschaft zu erliegen droht. Es sieht fast so aus, als wolle es diesem jungen und aufstrebenden Volke nicht gelingen, den demokratischen Geist der Freiheit und Menschenwürde, der die Gründergeneration beseelte und in den politischen Dokumenten der USA, einschließlich den historisch bedeutsamen Deklarationen der Präsidenten einen so eindrucksvollen Niederschlag gefunden hat, auch auf diesem das heutige Leben beherrschenden Sektor zu verwirklichen bzw. zu erhalten -Dem für die amerikanische Demokratie bezeichnenden Typ des common man, dem freien, vor dem Gesetz gleichen und selbstverantwortlichen Bürger, droht im gegenwärtigen Zeitalter der Massenzivilisation die Ablösung durch den nivellierten und seiner Persönlichkeitswerte weitgehend beraubten Massenmenschen. Gegenüber der unheimlichen Geschlossenheit und Missionskraft des östlichen Kollektivismus und der immer bedrohlicher werdenden Expansion des seiner europäischen Tradition untreu gewordenen amerikanischen Massenmenschentums haben wir Europäer nur die Wahl, die auch bei uns entartete Idee der Freiheit in lebendiger Wiederanknüpfung an die antike Tradition zu erneuern und ihr durch sinnvolle Umgestaltung und Weiterführung die Schlagkraft zu geben, deren sie bedarf, um uns gegen die aus Ost und West drohenden Gefahren immun zu machen.

Versuch einer Erneuerung der antiken Freiheitsidee unter Berücksichtigung der Kontinuität der abendländischen Tradition Können wir aber nun einfach zu Herodot, Thukydides und Aristoteles zurückkehren? Das ist schon deshalb nicht möglich, weil der antike Stadtstaat ganz andere Voraussetzungen und Möglichkeiten hatte als der weiträumige und mit den Mitteln der Technik durch-organisierte moderne Staat. Mit einer einfachen wiederholenden Erneuerung kommen wir nicht zum Ziel. Wir können auch nicht die Entwicklung des modernen Subjektivismus von Descartes bis Sartre mit einem kühnen Federstrich als Irrweg streichen. Thukydides und Aristoteles kennen noch nicht den Begriff der Menschenrechte. Aus dem Kosmopolitismus der kaiserzeitlichen Stoiker in bewußter Antithese zum positiven Recht der Einzelstaaten hervorgegangen, ist er in der Neuzeit sowohl von Vertretern des Naturrechts als auch von den Verfechtern der Lehre des Gesellschaftsvertrags im individualistischen Sinne erneuert worden. Politisch betrachtet, setzt er die Erfahrungen und Konflikte voraus, die der aufstrebende neuzeitliche Individualismus mit den Methoden und Praktiken des Obrigkeitsstaates im Zeitalter des Absolutismus gehabt hat. Gerade in unserer vom Totalitarismus heimgesuchten und erneut bedrohten Gegenwart können wir auf die Sicherstellung eines Mindestmaßes an Menschen-und Freiheitsredrten nicht verzichten. Das sind einmal die persönlichen Rechte, die sich aus dem Gedanken der Freiheit der Person ergeben. Danach dürfen wir unsere Persönlichkeit frei entfalten, soweit dadurch nicht die Freiheit anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen wird. Sowohl die Voraussetzungen, unter denen der Staat in unsere persönliche Freiheit eingreifen kann, als auch die Formen des staatlichen Eingreifens müssen in allen Einzelheiten gesetzlich festgelegt werden. Dazu kommen die Freiheitsrechte gesellschaftlicher Art: Freiheit der Religion, Freiheit der Meinungsäußerung in Rede und Presse, Versammlungsfreiheit, Vereins-und Koalitionsfreiheit usw. sowie die politischen Rechte des Staatsbürgers: das allgemeine, geheime und gleiche Wahlrecht, der gleiche Zugang zu Berufen und öffentlichen Ämtern u. a. m. Wir bejahen auch die auf Montesquieu und z. T. auf Polybios zurückgehende abendländische Tradition, daß eine gemischte Verfassung oder Gewaltenteilung „by cheks and balances" die politische Freiheit am wirksamsten gegen Diktatur und Tyrannis schützt Dieses System bedeutet keine Schwächung der Regierung, sondern verwirklicht am reinsten den demokratisdien Gedanken der Cooperation getrennter Gewalten. Wenn wir hier dem Individualismus und den politischen Gegebenheiten der Neuzeit folgend gewisse Rechte zum Schutze unserer persönlichen Freiheit in Anspruch nehmen, dürfen wir aber das Verhältnis des Einzelnen zum Staat nicht so sehen, als stünden wir in Vertedigungsstellung gegenüber dem Leviathan. Das wäre ja dann die Freiheit von der staatlichen Gewalt und nicht Freiheit im freien Staate. Wir dürfen den Einzelmenschen nicht als Selbstzweck betrachten, sondern als gemeinschaftsbezogenes Lebewesen, das zugleich auch den Anspruch hat, sich im Rahmen von gewissen Grundrechten, die allen in gleicher Weise zukommen, frei zu entfalten. Individuum und Gemeinschaft stehen zueinander im Verhältnis gegenseitiger Rechte und Pflichten. Zugleich müssen wir gerade in unserer modernen Massendemokratie dafür sorgen, daß die politische Willensbildung nicht durch rein formale oder zufällige Stimmenmehrheit gewaltsam beeinflußt wird, indem die arithmetische Mehrheit die berechtigten Wünsche der Minderheit einfach niederstimmt. Damit das demokratische Prinzip der Mehrheitsentscheidung nicht gegen die Idee der sozialen Gerechtigkeit verstößt, bedarf es ebenfalls der Sicherung des Einzelnen und der Minderheit durdi verfassungsmäßig verankerte Grundredtte. Das Recht der Minderheit auf Kritik und Opposition ist der wirksamste Garant der politischen Freiheit in der modernen Demokratie.

Der Beitrag Jean Jacques Rousseaus In diesem Zusammenhänge wird für uns Rousseaus Entwurf eines Staatsrechts im „Contrat Social" (1762) wichtig; denn Rousseau hat dieses geradezu auf dem Prinzip der droits de rhumanite aufgebaut. An seiner kühnen Konstruktion leuchtet der Gedanke ein, daß die staatliche Gesetzgebung die Voraussetzungen für eine gerechte und ausgewogene Koexistenz der Freiheit des Einzelnen mit der der anderen zu schaffen hat. Interessant ist die Unterscheidung zwischen natürlidier und bürgerlidter Freiheit. Der natürlichen Freiheit, die im Naturzustand durch keinerlei Rücksicht auf andere, sondern nur durdi das Maß der persönlichen Stärke begrenzt ist, entäußert sich der Einzelne zugunsten der Gesamtheit, indem er freiwillig mit anderen Menschen einen Gesellschaftsvertrag schließt. Er befindet sich danach im Zustand der bürgerlichen Freiheit, die ihrerseits in der volonte generale eine Grenze hat.

Die bürgerlidte Freiheit ist aber nach Rousseau zugleich die Grundlage der sittlichen Freiheit (I, 8). Da aber Rousseau die Freiheit nicht aus der besonderen Natur des Menschen ableitet, sondern auf dem Faktum eines Gesellschaftsvertrages gründen läßt, ist eine unmittelbare Verbindung seiner Gedanken mit Thukydides, Aristoteles und der Stoa nicht möglich.

Rousseaus Definition der sittlichen Freiheit als Gehorsam gegen das selbstgegebene Gesetz unterscheidet sich von der Konzeption Herodots darin, daß nach ihr jeder Einzelne auf Grund des Gesellschaftsvertrages an der Gesetzgebung beteiligt ist. Das Gesetz bei Herodot geht aber weder auf einen Gesellschaftsvertrag zurück, noch darf man es wie M. Pohlenz a. O. S. 19 mit dem Autonomiegedanken des deutschen Idealismus in Verbindung bringen. Andererseits besteht zwischen dem Staatsentwurf des Contrat Social und der neuzeitlichen liberalen Demo-kratie der Unterschied, daß bei Rousseau der Souverän bestimmt, wie-viel der Einzelne von seiner Macht, seinem Vermögen und seiner Freiheit an das Gemeinwesen abtreten muß (II, 4), während heute jedem Bürger von vornherein bestimmte Grundrechte verbleiben, in die der Staat entweder gar nicht oder nur in gesetzlich geregelter Beschränkung eingreifen darf. Der Gedanke der volonte generale ist im ganzen doch so überspitzt, daß er leicht der absoluten Willkür der Masse oder einem geschickten Demagogen den Weg zur Macht ebnen könnte, obwohl Rousseau selbst überzeugt ist, daß durch den „allgemeinen Willen“ die Freiheit der Bürger geradezu garantiert wird. Einer vollen Verwirklichung der bürgerlichen Freiheit im Sinne der modernen Demokratie steht auch die Tatsache entgegen, daß das Privateigentum der einzelnen Bürger vom Souverän nach seinem durch das Staatswohl bestimmten Ermessen ohne Entschädigung beschränkt oder gar enteignet werden kann. Das Recht des Einzelnen auf seinen Grundbesitz bleibt dem des Gemeinwesens auf den gesamten Grund und Boden untergeordnet (I, 9).

Der Rousseausche Staat kommt oft in bedenkliche Nähe zur totalitären Herrschaftsform. Das zeigt z. B. die Rolle der Zensur, welche die Aufgabe hat, die öffentliche Meinung in moralischen Fragen zum Ausdruck zu bringen und die bestehenden guten Sitten zu erhalten oder wiederherzustellen (IV, 7). Auch das geistige Leben und die Religion werden in bestimmter Hinsicht dem Prinzip des allgemeinen Willens unterstellt, und zwar in ihren Auswirkungen auf die Geistesverfassung und moralische Haltung der Bürger der Kontrolle des Staates unterworfen (IV, 8).

Die Freiheit im Rousseauschen Staat steht so stark im Schatten der volonte generale, daß die Staatsbürger nur einen mit ihr übereinstimmenden Willen haben dürfen. Wo jemand nicht gehorcht, kann er durch die Gesamtheit dazu gezwungen werden. Sie zwingt ihn, frei zu sein.

Die Freiheit besteht also darin, daß der Einzelne den „allgemeinen Willen“ zum Maßstab seines persönlichen Wollens, Denkens und Handelns macht, daß er ganz in der Gemeinschaft aufgeht und alles vermeidet, was dem Prinzip der volonte generale widerstreitet (I, 7).

Die bürgerliche Freiheit bei Rousseau ist damit als Scheiufreiheit oder Unfreiheit entlarvt. Gewiß kann die Allgemeinheit von uns eine Einschränkung unserer Freiheit verlangen daraufhin, daß sie nicht von unserem freien Belieben abhängt, sondern mit der gesetzlich festgelegten Freiheit aller übereinstimmt. Wir werden gegebenenfalls auch ihren Zwang willig ertragen, wenn wir einsehen, daß die Zwangsmaßnahmen von einem Rechtsstaate zur Behebung von Katastrophen oder Notständen verhängt und daß alle in gerechter Weise dazu herangezogen werden. Mitunter kann es sich sogar als notwendig erweisen, bei Projekten, die dem Allgemeinwohl dienen, uneinsichtige, egoistische Bürger zur Einsicht und zum Opfer für die Allgemeinheit zu zwingen.

Zum Wesen echter, politischer Freiheit kann also durchaus auch das Erlebnis des Zwangs gehören. Ja, in gewissem Sinne gilt sogar der HegelscheGedanke, daß sich die Freiheit unter dem Druck der Unfreiheit zu sich selbst ermannt. Wir werden immer und überall im Gemeinschaftsleben Einengungsversuche unserer Freiheit erfahren, da die Menschen trotz Rousseau von Natur nicht nur gut sind. Aber das ist das normale Bild menschlichen Zusammenlebens, auf das auch die Macht des Bösen Einfluß hat. In dieser Sphäre der bedrohten Freiheit kann sich unser Freiheitsdrang erst entfalten und bewähren. Andernfalls würde er erschlaffen oder gar einschlafen. Wir würden in Quietismus und in politische Lethargie verfallen. Gleichwohl muß die Erfahrung möglicher Unfreiheit begrenzt sein durch den Schutz des Staates, der uns einen bestimmten Kanon von Freiheitsrechten zusichert und darüber hinaus uns gegen alle ungerechten Eingriffe in unseren persönlichen Freiheitsraum von Seiten der Mitbürger oder Behörden schirmt. Dazu bedarf es aber einer auf sich selbst gestellten, unabhängigen Rechtsprechung. Im Rousseauschen Staatsentwurf ist dieser unantastbare Spielraum der Freiheit zu klein, als daß sich echte politische Freiheit entfalten und mehren könnte.

Besinnung auf John Locke Angesichts der kaum überbrückbaren Widersprüche in Rousseaus Begriff der volonte generale empfiehlt es sich eher, die Probleme der politischen Freiheit im Anschluß an John Lockes „Twotreatises on government" (1690, deutsch von H. Wilmanns, 1906) zu besprechen. Locke versteht unter Freiheit das Recht, über seine eigene Person und seinen Besitz frei zu verfügen, soweit es sich mit dem Naturgesetz vereinbaren läßt. Der Staat beruht auf einem Vertrag freier Vernunftwesen, die sich gegenseitig verpflichten, ihren freien Willen dem Mehrheitsbeschluß der Bürger unterzuordnen. Sie verzichten freiwillig auf einen Teil ihrer Rechte, die sie im Naturzustand besaßen, damit der Staat ihnen ihr Eigentum und die übrigen lebenswichtigen, für alle gleichen Rechte sichert. Das Naturgesetz steht über dem Staatsgesetz, und die positiven staatlichen Gesetze haben sich nach ihm als Maßstab zu richten. Daneben ist aber das Volk bzw. der Mehrheitswille des Volkes die letzte und oberste Instanz. Die Lehre von der Volkssouveränit z schließt u. a. auch ein Widerstandsrecht ein, das aber erst dann v. irksam wird, wenn alle Rechtsmittel erschöpft sind und dauernde Rechtsübergriffe von Seiten der Regierungsgewalt dem Volke deutlich machen, daß es seine Freiheit verloren hat. Der Bürger hat nicht nur ein unverbrüchliches Recht auf politische Freiheit, sondern auch auf die Früchte seiner Arbeit. Die produktive Arbeit seiner Hände begründet Eigentumsrecht. Wie der Staatsgedanke Lockes auf dem Freiheitsgedanken aufbaut, so besteht auch das höchste Ziel seiner Pädagogik darin, den von Natur zur Freiheit berufenen jungen Menschen zur lebendigen Mitarbeit am Werke der politischen Freiheit heranzubilden

Vorläufige Zusammenfassung des Ergebnisses der bisherigen Überlegungen Wir halten also fest an dem Grundgedanken des Aristoteles, daß der Mensch von Natur auf politische Gemeinschaft angelegt ist, und sehen die Aufgabe der modernen Demokratie darin, nicht nur möglichst alle Bürger an der politischen Willensbildung teilnehmen zu lassen, sondern zugleich auch dafür zu sorgen, daß jeder seine persönliche, ihn von anderen unterscheidende Eigenart wahren und seine Fähigkeiten zum Wohle des Ganzen entfalten kann. Diese Staatsauffassung würde der liberalen Demokratie des Perikies am nächsten kommen; sie wäre liberal, ohne liberalistisch zu sein. Wir können auch den stoischen Versuch, die Freiheit des Menschen auf seine besondere Natur als Vernunftwesen zurückzuführen, übernehmen, sofern wir nur mit Aristoteles Sinn und Ziel der Sprach-und Vernunftbegabung im Politischen bzw, im Sozialen sehen.

Abgrenzung gegen die Staatsauffassung von Thomas Hobbes Doch ist es zunächst notwendig, diese unsere Meinung gegen abweichende und widersprechende Theorien zu verteidigen. Gegen die Auffassung des Menschen als eines gemeinschaftsbildenden Wesens hat sich z. B. Thomas Hobbes in „De cive“ gewandt Nach Hobbes sucht der Mensch die Gesellschaft nicht, weil er von Natur ein geselliges Wesen ist, sondern um des Vorteils und der Ehre willen, die er durch die Gesellschaft erlangen kann. Egoismus und Selbsterhaltungstrieb bestimmen die Handlungen des Menschen. Von dieser anthropologischen Grundauffassung aus verstehen wir auch ohne weiteres, daß zu seinem Staats-entwurf der „rechten Vernunft * ein Naturzustand des bellum omnium in omnes gehört, außerdem ein Vertrag in dem die Bürger um ihrer Sicherheit willen der Staatsgewalt volles Verfügungsrecht über ihre Kräfte zugestehen, mit anderen Worten eine Willensübertragung, die einer totalen Unterwerfung unter einen Willen gleichkommt. Die Staatsgewalt ist verpflichtet, das Leben der Bürger zu schützen und ihre Sicherheit zu garantieren. Dazu muß sie möglichst unbeschränkte Machtbefugnisse haben. Nur durch eine starke und umfassende Gewalt kann der Staat die egoistischen Triebe der Einzelnen so weit einschränken, daß sie keine Gefahr für Frieden und Sicherheit bilden. Hobbes lehnt sowohl in „De cive“ (1642) als auch im „Leviathan“ (1651) die Gewaltenteilung ab, weil sie eine Schwächung der Staatsgewalt bedeuten und der Gefahr des Vorhandenseins anderer Herrscher Vorschub leisten würde. Zu den Mitteln, mit denen der Leviathan die Ordnung aufrecht-erhält, gehört nicht zuletzt die Furcht vor Strafen. Hobbes Staatslehre hat in gewisser Hinsicht den modernen Totalitarismus vorbereitet. Er teilt mit ihm den Glauben an die Allmacht des Staatsapparates und der Organisation, die Überbewertung der Sicherheit auf Kosten der persönlichen Freiheit, die Übersteigerung des Gesichtspunkts der Staatsautorität zur absoluten Gewalt des Staatsherrschers, die Ablehnung des Parteiwesens, die pessimistische Beurteilung des Menschen hinsichtlich seiner Fähigkeiten zur Gemeinschaftsbildung, die Benutzung der Furcht vor Strafen zur Erhaltung der Gemeinschaft, das Fehlen aller Ansatzpunkte für ein mögliches Widerstandsrecht und die vorsorgliche Beseitigung aller Möglichkeiten zu aktivem Widerstand. Die von Hobbes zugestandenen Beschränkungen der Herrschergewalt durch leges naturales und leges sacrae sind praktisch unbedeutend. Der Staatsvertrag verhindert zwar den Krieg aller gegen alle, wie er im Naturzustand herrschte, und befreit die Menschen von gegenseitiger Furcht, aber er versetzt sie seinerseits in einen Zustand dauernder Unsicherheit und Unfreiheit gegenüber dem Träger der Staatsgewalt.

Zur Widerlegung kann man nun aber keineswegs die Gegenthese verwenden, daß der Mensch von Natur aus gut sei. Die Lehre von der honte naturelle ist ebenso einseitig wie die von der absoluten Bösartigkeit des Menschen. Die Wahrheit liegt offenbar in der Mitte. Der Metrsdi egoistisch und geuieinsdiaftsbildend zugleich. und ist Eigenliebe Geselligkeitstrieb gehören polar zusammen. Sie sind die polaren Grund-triebe der menschlichen Seele, und es kommt für den Einzelnen nur darauf an, den Egoismus und das persönliche Geltungsstreben durch das Ethos des Gemeinschaftsgeistes zu zügeln, den Selbsterhaltungstrieb und die damit zusammenhängenden ichhaften Bestrebungen mit den Ansprüchen der Gemeinschaft in Übereinstimmung zu bringen. Vom Problem der Freiheit aus gesehen, ergibt sich die Notwendigkeit, dafür zu sorgen, daß unsere persönliche Freiheit mit der unserer Mitbürger zusammen bestehen kann, ohne diese zu bedrohen und zu schmälern.

Der Freiheitsgedanke in der modernen Anthropologie Der griechischen Stoa und dem Akademiker Karneades kommt das Verdienst zu, das Problem der Freiheit zum erstenmal aus der besonderen Eigenart der Menschennatur entwickelt und zugleich den Menschen als ovhyovxov oder ov Aoyxv vom Tierreich abgegrenzt haben. Diese Unterscheidung wird mit nur geringfügiger Modifizierung noch heute in der modernen Anthropologie aufrechterhalten.

Danach sind die Tiere durch ihre Organ-und Instinktspezialisierung einem bestimmten Ausschnitt ihrer Umwelt angepaßt und auf eine bestimmte Lebensweise festgelegt. Sie sind ein für allemal fertig und perfekt.

Der Mensch ist ihnen hinsichtlich seines Körperbaus in manchem unterlegen. Ihm fehlt z. B. das Haarkleid als natürlicher Witterungsschutz.

Sinne und Instinkte sind wesentlich reduziert. Verglichen mit den höheren Säugetieren ist er ein ausgesprochenes Mangelwesen. Dafür ist er aber nicht spezialisiert, sondern ein unfertiges Wesen mit reichen Zukunftsmöglichkeiten der Entfaltung, weltoffen, gegenüber dem instinkthaften Reagieren der Tiere zur bewußten Freiheit des Denkens und Handelns befähigt. Die Welt ist für ihn ein vielseitiges Überraschungsfeld, das er mit Hilfe seiner Vernunft und anderer damit zusammenhängender Fähigkeiten zu einer Zivilisations-und Kulturwelt umgestalten kann. Die Vernunft ist das entscheidende Merkmal, das ihn von der Tier-und Pflanzenwelt trennt. Ihr verdankt er die Willensfreiheit, die die Grundlage aller Ethik und Menschlichkeit bildet, ihr die Fähigkeit zu schöpferischen Taten Die Vernunft als spezifisch menschliches Vermögen bestimmt den Menschen zugleich aber auch zu einem Gemeinschaftswesen, oder, wenn wir es mit griechischen Begriffen ausdrücken wollen: das ov Royxv ist zugleich ein Qovso? txv. Wir sprechen zwar auch von Tierstaaten und rühmen an ihnen die Ordnung und Harmonie. In Wirklichkeit aber ist die als vorbildlich erscheinende Ordnung der Tierstaaten nichts anderes als ein blinder, gesteuerter Instinktablauf. Das Tier ist ganz dem Zwang seiner eingeborenen Instinkte ausgeliefert; es ist durch und durch unfrei. Der Tierstaat kann also in keiner Weise für den Menschen vorbildlich sein, es sei denn für den Leviathan eines totalitären Systems mit seinem zentral gelenkten

Litt,

Zwangsmechanismus. Der Mensch dagegen hat vor dem Tier den Vorzug, daß er sich von instinkthaften Zwangshandlungen freihalten kann, sofern er einsichtig handelt.

Die persönliche Freiheit des Einzelmenschen hat ihre natürliche Grenze in der Freiheit der Gemeinschaft, die Freiheit der örtlich begrenzten Gemeinschaft in der Freiheit des Volkes. Ja, dieses anthropologisch-biologische Denken ermächtigt uns noch zu weitgehenderen Folgerungen. Das Freiheitsgefühl und Freiheitsverlangen eines Volkes hat zwar Anspruch darauf, daß ihm im übergreifenden Lebenszusammenhang der Völker der Platz zukommt, der seinem Selbsterhaltungstrieb und seiner kulturellen Leistung entspricht, keinesfalls aber seinem nationalistischen Geltungstrieb und egoistischen Streben nach Oberherrschaft. Die Freiheit eines Volkes ist begrenzt durch die Freiheit der Menschheit, d. h. sie muß Rücksicht nehmen auf die Freiheit, die den Nachbarn nach demselben Maß im Gemeinschaftsleben der Völker zukommt.

In diesen Gedankengängen wird wiederum das eigentümlidt polare Wesen wensMicher Freiheit deutlich. Die Pole dieser gegensätzlichen Einheit heißen: Selbstmäditigkeit und Selbstbegrenzung, Initiative und Bindung. Die strukturelle Eigenart menschlichen Wesens warnt uns, dieses ausgewogene Spannungsverhältnis zu übersehen. Wo der Staat seine Freiheit auf Kosten der Freiheit des Einzelnen ins Extreme steigert, sinkt dieser auf die Stufe tierhaften Lebens herab. Wo der Einzelne sein Freiheitsverlangen übertreibt, wird jedes vernünftige Zusammenleben im Rahmen einer Gemeinschaft, ja der Staat selbst, in Frage gestellt. Ein entsprechender Ausgleich muß auch in dem polaren Kräfte-feld der beiden Grundtriebe der menschlichen Seele bestehen zwischen Ichhaftigkeit und Gemeinsinn, zwischen Selbstliebe und sozialem Verantwortungsbewußtsein.

Bemerkungen zum Problem der Willensfreiheit Auch das Problem der sogenannten Willensfreiheit dürfen wir nur unter dem Aspekt der besonderen Natur des Menschen als eines gemeinschaftsgebundenes Lebewesen betrachten. Die Freiheit unseres Willens besteht eigentlich nur darin, daß wir im Augenblick der Entscheidung ohne fremden Zwang und nach eignem Entschluß das tun können, was wir uns zu tun vorgenommen haben. Warum ich mir aber gerade dieses oder jenes zu tun vornehme, ist indes an bestimmte Vorentscheidungen gebunden, die ihrerseits in den vorgegebenen Bindungen meiner Person als Gemeinschaftswesen mitbegründet sein können. Schon bei den Stoikern war die Freiheit des Logos in der Zustimmung eingeengt durch die Beschaffenheit der Außendinge, die ihn affizieren. Die Richtigkeit seiner Entscheidung hängt auch davon ab, ob der Logos gesund und stark genug ist, sich gegen die Reize von außen zu behaupten, modern gesprochen: von dem psychophysischen Zustand des menschlichen Organismus. Wir können also nicht die in der Welt gegebenen Möglichkeiten, zwischen denen der Mensch zu wählen hat, einfach ausklammern. Sie gehören zu den Bedingungen der Entscheidung ebenso wie die Konstitution und der jeweilige Zustand unseres Organismus, sei es, daß wir einem bestimmten Konstitutionstyp mit typischen Verhaltungsweisen nahestehen, sei es, daß wir uns in kühler Überlegung oder im Zorn entscheiden, im gesunden oder im kranken Zustand. Als weitere beeinflussende Komponenten sind noch folgende denkbar: unsere Familienzugehörigkeit, unsere Erziehung, unsere Erlebnisse und Schicksale, die ihrerseits durch soziale und kulturelle Tatbestände mitbestimmt sein können und den Grundbedingungen alles Geschichtlichen unterliegen, unser Erbzusammenhang, unser religiöser Glaube, Gewissen, Klima und Landschaft (Naturmilieu), nicht zuletzt unsere Volkszugehörigkeit und Muttersprache. Mit der Muttersprache haben wir nämlich eine vorgängige Ordnung und Gliederung der Welt übernommen, vorgeprägte Sprach-und Denkkategorien, von denen unser Denken, Fühlen und Wollen abhängt AH dies und noch weitere beeinflussende Faktoren müssen als mögliche Komponenten beachtet werden, wollen wir das Phänomen der vorgegebenen Bindung im Akt der freien Willensentscheidung zureichend und vollständig um-schreiben. Jede Entscheidung hat solche mitbestimmenden Motive, auch wenn sie uns im Augenblick, in dem wir uns entscheiden, nicht bewußt sind und selbst in nachträglicher Reflexion nicht vollständig bewußt gemacht

werden können. Wir müssen uns einfach mit der Tatsadre abfinden, daß es für den Mensdien als genteinsd'iaftsgebnndenes, endlid^es Wesen Freiheit im Sinne uneingesduänkter Selbständigkeit nidu gibt.

Andererseits ist er aber auch nicht in allen Entscheidungen, in denen er sich handelnd verwirklicht, festgelegt. Bei aller Determination bleibt doch ein Spielraum von unberechenbaren und unvorhersehbaren Möglichkeiten, und gerade darin verwirklicht sich eine spezifisch menschliche Freiheit. Deshalb hat auch der unbefangene Durchschnittsmensch durchaus ein Gefühl dafür, daß er kann, nicht nur, weil er soll, sondern auch, weil er will. Er hat ein Bewußtsein der Freiheit in den Möglichkeiten, aus denen er wählen und zwischen denen er sich entscheiden kann.

In den modernen Diskussionen über das Problem der Willensfreiheit sind die tragenden Begriffe meist unklar und schillernd. Man muß deshalb zunächst die Hauptbegriffe: Wille, Freiheit, Zufall, Notwendigkeit,'Zwang, Gesetz, Ursache, Wirkung, Beweggrund (Motiv), Entschluß usw. sauber klären und terminologisch festlegen. Das kann auf dem Gymnasium nur im Rahmen von freiwilligen philosophischen Arbeitsgemeinschaften, z. T. auch schon bei der Interpretation philosophischer Texte geleistet werden.

Das Problem der Willensfreiheit in der modernen Physik

Auch andere Fächer können sich an dieser Klärung beteiligen. Problematisch allerdings ist der Anspruch der Naturwissenschaften, hier ein entscheidendes Wort mitreden zu dürfen. Vor allem glaubt die Atomphysik, neue Lösungsmöglichkeiten bieten zu können. Philosophisch interessierte Physiker wie Pascual Jordan, Aloys Wenzl, Bernhard Bavink u. a. m. suchen die menschliche Willensfreiheit aus Beobachtungen von Unbestimmtheitserscheinungen im atomaren Raum wahrscheinlich zu machen. Während sie für das makrophysikalische Geschehen in Übereinstimmung mit der klassischen Physik durchgehende kausale Determiniertheit annehmen, halten sie das Geschehen im Atom für jeder kausalen Erklärung unzugänglich. Die statistischen Wahrscheinlichkeitsgesetze, die dort gelten, lassen einen gewissen Spielraum der Freiheit zu. Diesem Spielraum individueller Indeterminiertheit auf der anorganisch-materiellen Seinsstufe entspreche auf der höchsten Seinsstufe des menschlichen Geistes eine bewußte Wahlfreiheit und Freiheit sittlicher Entscheidung (Jordan). Solchen Deutungen, die im einzelnen verschieden begründet werden, am kompliziertesten im Panpsychismus von Aloys W enzl kann man indes nach kritischer Prüfung höchstens den Wert eines Analogieschlusses zugestehen.

Ja, man muß diesen Forschern mit Theodor Litt entgegenhalten, daß die moderne

Physik mit ihrer Einmischung in die Diskussion des Problems eine Grenzüberschreitung begeht 30). Litt

der seinerseits glaubt die Freiheit unseres Willens beweisen zu können, indem er aus dem Denkhorizont der Physik heraustritt und den inneren Vorgang untersucht, durch den die rechnende Naturwissenschaft zustande kommt.

„Die Welt der sei es streng bindenden sei es aufgelockerten Kausalität kann nur gesichtet werden von einem Wesen, das nicht selbst wieder dieser Kausalität unterworfen ist. Die Welt der kausalen Gebundenheit hat zum Gegenglied das Subjekt, das ihr in der Freiheit der denkenden Selbstheit die Stirne bietet" (78).

Litt hat indes die eigentliche Polarität im Wesen der menschlichen Willensfreiheit nicht erkannt. Er begnügt sich mit dem Hinweis auf die polare Spannung zwischen dem kausal-freien denkenden Subjekt und der kausalbestimmten Welt als Objekt seines diskursiven Denkens.

Vielleicht darf man gerade diesen Hinweisen auf gewisse Grenzen des Kausalgesetzes in der Natur entnehmen, daß, so wenig dem seelisch-geistigenGeschehen im Menschen absolute Freiheit zukommt, auch das Kausalgesetz in der belebten und unbelebten Natur unbeschränkte Gültigkeit für sich beanspruchen kann. Wenn man, abgesehen von den Elementarteilchen im atomaren Raum, etwa an das Problem der Mutation bei Pflanzen und Tieren denkt oder an das der Individualität, das weder aus der Vererbung noch aus der Art, Gattung usw. oder Umgebung oder aus anderen Komponenten vollständig abgeleitet werden kann, so gewinnt man fast den Eindruck, als gelte auch für die außer-menschliche Natur die gleiche Polarität zwischen Freiheit und Gesetz, Kausalnexus und Kontingenz. Jeder Bezirk der Welt, sei er groß oder klein, wird offenbar von diesem polaren Spannungsverhältnis durchdrungen und beherrscht

Der Freiheitsbegriff Jesu Christi

Audi der Religionsunterricht kann in seiner Weise zur Klärung unseres Problems beitragen, wenn wir den christlichen Freiheitsbegriff so verstehen, wie ihn Jesus Christus verstanden hat. Seine Aufforderung, unsere Gesinnung zu ändern (Marc. 1, 15) setzt zwar voraus, daß wir uns frei für ein Leben in Gott oder im Bösen entscheiden können, aber diese freie persönliche Entscheidung ist zugleich eine Tat des Gehorsams gegenüber dem Rufe Gottes, der an uns ergeht. Auch Jesus gibt uns also zu bedenken, daß wir nicht im absoluten Sinne Herr über uns selbst sind. Wenn wir damit das von den Synoptikern überlieferte Doppelgebot der Gottes-und Nächstenliebe zusammennehmen, so ergibt sich aus dem zweiten Gebot die Forderung unbegrenzter praktischer Liebe zum Mitmenschen. Lind das ist wohl letzten Endes auch der Sinn der viel verkannten goldnen Regel (Matth. 7, 12Luc. 6, 31), die man weder als nicht zu Ende gedachte „Einfühlungsregel“ noch als naiv-egoistische „Gegenseitigkeitsregel oder Klugheitsregel des sozialen Verhaltens“ deuten darf Im Anschluß an seinen älteren Zeitgenossen Hillel, der die Summe der Thora in der negativen Formel „Was dir mißfällt, tue auch deinem Nächsten nicht!“ (vgl. Schabbath 31 a) ausgedrückt hatte, trifft Jesus eine ähnliche Entscheidung über das Gesetz und die Lehre der Propheten, wobei er die Formulierung Hillels ins Positive wendet. Jesus will damit im Rahmen seiner eschatologischen Ethik zweifellos eine Grundregel für das sittliche Verhalten der Menschen untereinander geben. Wie die in seinem Liebesgebot ausgedrückte doppelte Verpflichtung des Menschen gegenüber Gott und dem Nächsten ins Bedingungslose gesteigert war, so schreibt auch die goldne Regel unbegrenzte Nächstenliebe und Güte vor. In der eschatologischen

Liebesethik Jesu ist also die mensddidte Freiheit in doppelter Hinsidtt gebunden. In der grenzenlosen Liebe zu Gott und dem Nädisten findet sie ihren letzten Grund und Halt.

Abschließende Zusammenfassung des Ergebnisses

Als Ergebnis unserer bisherigen theoretischen Betrachtung dürfen wir nunmehr festhalten: Die Freiheit ist ein wesentliches Merkmal des Menschen ebenso wie die menschliche Vernunft, auf der sie gründet, wie die Sprache, der aufrechte Gang und die zum Werken und Handeln ausgestattete Hand. Fast alle diese Kennzeichen charakterisieren den Menschen zugleich als ein zur Gemeinschaft begabtes, freies Lebewesen. Seine Freiheit ist indes keine absolute Freiheit, sondern als die eines endlichen Gemeinschaftswesens begrenzt. Sie ist an Vorbedingungen und Bindungen geknüpft, die mit unserem Menschsein und Mitsein mit anderen in einer politischen Gemeinschaft untrennbar verbunden sind. Der Mensch ist eine Ganzheit und doch zugleich integrierender Teil eines umfassenden Ganzen. Niemand kann ohne Mitwirkung der die Gesellschaft bildenden Mitbürger echte und freie Menschlichkeit gewinnen. Es gibt deshalb auch keine wahre Freiheit ohne Bewußtsein und Betätigung sozialer Mitverantwortung. Anderseits darf aber auch das Individuum nicht ganz im Sozialen aufgehen. Die polare Spannung zwischen unverkürzter Individualität und politischer Gemeinschaft muß

Reiner

Speiser erhalten bleiben. Auf ihrer gegenseitigen Ergänzung und Durchdringung beruht die ganze Vielgestaltigkeit und Fruchtbarkeit echten Gemeinschaftslebens, beruht auch das polare Wesen menschlicher Freiheit.

Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen politischer Freiheit und innerer Freiheit hat ergeben, daß innere Freiheit nur auf dem Grunde politischer Freiheit möglich ist. Man kann beide eigentlich nicht voneinander trennen, weil das Politische und Soziale das Wesen des Innermenschlichen mitkonstituieren. Die vom modernen Subjektivismus verkündete innere Freiheit als Freiheit v o m Staat erwies sich bei näherer Prüfung als Illusion, als Verkennung der unaufhebbaren Eingebundenheit des Einzelnen in die Gemeinschaft, als verantwortungslose Flucht vor der echten Freiheit, die ohne die Bindung an eine tragende Gemeinschaft weder zu denken noch zu vollziehen ist. Zwar haben die meisten Existentialisten den ursprünglichen Bezug des Ich zur Mitwelt erkannt, aber sie degradieren diese Mitwelt zur Welt der Masse und suchen in bewußter Distanz von ihr Selbstsein und Freiheit zu verwirklichen. Sie verkennen im Grunde die tragende Funktion echter Gemeinschaft, die ein Gefühl der Geborgenheit erzeugt und wahre Freiheit als gemeinschaftliche Freiheit erst ermöglicht. Der radikale Individualismus wirkt gemeinschaft-und selbstzerstörend; die Verabsolutierung des Sozialen schließt nicht nur die Möglichkeit menschlicher Freiheit, sondern auch die echter Gemeinschaft aus. Wie die schrankenlose Souveränität des Individuums, so berauben auch allmächtige Gesellschaft und absolute Staatsgewalt den Menschen seiner politischen und inneren Freiheit.

Möglichkeiten und Wege der humanistischen Erziehung zur politischen Freiheit und Mitverantwortung

„Hier ist zu betonen, daß die mechanistische Epodre, ihrem Höhepunkt noch fern, in sich die Gegenkräfte zu nähren beginnt, die zwar nicht bestimmt sind, die Mechanisierung in ihrer Praxis zu zertrümmern — denn als Hebel gegen die Schwerkraft toter Massen bleibt sie unentbehr^ lieh wohl aber ihr die Herrschaft über den Geistzu nehmen und sie zur Dienerin des Menschentums zu machen.“

Walter Rathenau, „Von kommenden Dingen", 1917, 164.

Allgemeine Vorbemerkungen über den Weg der Therapie wir Nachdem die Preisgabe des Gedankens der Bindung und Selbst-begrenzung als Hauptursaclre des Verfalls des abendländischen Freiheitsgedankens erkannt haben, ist uns der Weg der Therapie klar vorgezeichnet. Wir müssen uns zunächst einmal um eine Erneuerung dieses verlorengegangenen Komplementärgedankens bemühen, wenn wir Wert darauf legen, die verlorene Freiheit zurückzugewinnen. Wahre Freiheit beginnt erst da, wo wir uns ihrer Grenzen bewußt werden und uns verantwortlich fühlen für die Freiheit der Gemeinschaft, in der wir leben. Wahre Freiheit ermächtigt uns nicht, unseren persönlichen Glückshunger, den Egoismus unserer Sonderinteressen und unser individuelles Belieben zügellos zu befriedigen; denn eine solche Freiheit der Willkür führt ins Vielerlei. Am Ende ihres Weges steht die Auflösung aller echten Werte und jedes friedlichen Zusammenlebens. Das polare Wesen der menschlichen Freiheit gestattet uns nicht die Alternative Ich oder Gemeinschaft, sondern nur eine wohlausgewogene Synthese von Ichhaftigkeit und sozialer Gesinnung.

Das Humanistische Gymnasium ist dazu aufgerufen, die ihm anvertraute Jugend zu freiheitsliebenden und gemeinschaftsbewußten Menschen zu erziehen, die, wenn sie später einmal führende Stellungen einnehmen, ihre Amtsgewalt auch verantworten können. Solche von echtem Freiheitsbewußtsein beseelten Menschen werden sich persönlich nicht nur jedes Machtmißbrauchs enthalten, sondern auch dafür sorgen, daß ihre untergebenen Dienststellen ebenfalls auf die Würde und Freiheit der Staatsbürger Rücksicht nehmen. Sie werden auch nicht davor zurückscheuen, gegen absolutistische Führungsmethoden mutig Stellung zu nehmen und die Öffentlichkeit auf alle undemokratischen Herrschaftsformen im Staatsleben aufmerksam zu machen. Ihre freiheitliche Gesinnung und ihr starkes Bewußtsein der Verantwortung für die gemeinsame Aufgabe wird sie zu entschlossenen Vorkämpfern demokratischer Menschenführung machen. In ihrem Mitarbeiterkreis wird eine Atmosphärefreier Selbstbestimmung und Mitverantwortung herrschen, die weit entfernt ist von der Denk-und Lebensart des alten Obrigkeitsstaates, frei von dem für uns Deutsche so charakteristischen Untertanen-geist, der in unserer Geschichte so oft versagt hat, wenn es galt, Machtmißbrauch durch Zivilcourage in die Schranken zu weisen. Die Zukunft unserer jungen von restaurativen Tendenzen bedrohten Demokratie wird davon abhängen, ob es gelingt, die Beamtenhierarchie und die Behörden mit dem Berufsethos „gebundener Freiheit“ zu erfüllen, das sie sowohl gegen alle Formen des Despotismus und Totalitarismus wie auch gegen den Geist der Instrumentalität und des subalternen Funktionärdaseins immun macht.

Humanistische Gegenkräfte gegen die Bedrohung unserer Freiheit durch die moderne Technik und Wirtschaft Der humanistische Freiheitsbegriff, der sich aus der Vernünftigkeit und gemeinschaftsstiftenden Veranlagung des Menschen herleitet, richtet im Zeitalter des technisierten Massendaseins einen ganz besonderen Appell an uns. Er enthält den Imperativ, daß wir uns als Angehörige einer zur politischen Selbstbestimmung geborenen Art die naturgegebenenMöglichkeiten zur freien Persönlichkeitsentfaltung und Selbstfortbildung erhalten, wenn nicht gar vermehren. Er warnt uns vor der Annäherung an eine Lebensform der Anpassung und Gleichförmigkeit aller Artgenossen, wie sie den einseitig festgelegten und spezialisierten Tieren zukommt.

Nachdem wir uns der Bedrohung unserer Freiheit durch die Apparatur der modernen Produktionstechnik, der zugehörigen Wirtschaftsform und nicht zuletzt des übersteigerten Versorgungsstaates bewußt geworden sind, ist es unsere Aufgabe, gemäß dem Hölderlinwort: „Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ die Möglichkeiten der Heilung und Rettung zu erwägen und die für ihre Durchführung zuständigen Instanzen darauf hinzuweisen. Dabei ist der Humanismus in einer schwierigen Lage.

Fehlentscheidungen und Vorurteile des Neuhumanismus Theodor Litt hat in seinem Buche „Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt" (19 55) dem Neuhumanismus unmißverständlich vorgehalten, daß er von Anfang an nicht das rechte Verhältnis zur modernen Industrie und Wirtschaft gefunden habe. Schon Goethe bereitete das „überhandnehmende Maschinenwesen“ Qual und Angst, und er gab in seinem Feldzuge gegen Newtons physikalische Optik die folgenschwere Losung vom Fehltritt oder Sündenfall der rechnenden Naturwissenschaft aus. Wilhelm vom Humboldt betonte den Vorrang des Inneren über das Äußere und vertiefte mit seinem in Litts Augen illusionären Ideal allseitiger, harmonischer Bildung den Graben zwischen der Humanitätsbewegung und der wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklung, die seitdem mit unerbittlicher Folgerichtigkeit ihren durch die Welt der Sache vorgezeichneten Weg ging. Die Welt der Arbeit liegt für Humboldt unterhalb des Bereichs der Menschlichkeit; erst die humaniora (Wissenschaft, Kunst, Philosophie usw.) machen den Menschen zum eigentlichen Menschen. Der für die spätere neuhumanistische Pädagogik wichtige Zeitgenosse Humboldts, der bayrische Schulmann F. J. Niethammer hat dann, wie Litt meint, mit seiner Kampfschrift „Der Streit des Philanthropinismus und Humanismus in der Theorie des Erziehungsunterrichts unserer Zeit (1808) die endgültige Absage an die technische Arbeitswelt erteilt. Die Pädagogik könne sich der Industrie und dem Gewerbe nicht verpflichten, ohne auf das Niveau einer „Erziehung zur Animalität" herabzusinken. Selbst Kerschensteiner mit seiner Theorie der Arbeitsschule ist es nach Litt nicht gelungen, die Kluft zwischen der humanistischen Pädagogik und der technisch-industriellen Entwicklung zu überbrücken. Die Welt der Bildung und die Welt der Arbeit sind seit Humboldt durch einen tiefen Graben getrennt. Litts Versuch, die pädagogische Theorie der Gegenwart mit den Ansprüchen der modernen Arbeitswelt in Einklang zu bringen, geschieht nicht im Namen eines zu reformierenden Humanismus; ja, Litt rückt — im Unterschied zu seinem Freunde Eduard Spranger — deutlich von jeder Pädagogik ab, die mit den Leitbegriffen: Bildungsgut, Bildungswert und Bildungsziel arbeitet, weil er meint, eine solche Pädagogik könne sich nicht ernsthaft von der Illusion allseitiger, harmonischer Persönlichkeitsbildung lösen. Er überläßt damit diese Aufgabe dem heutigen Humanismus selbst. Wir können sie hier allerdings nur so weit in Angriff nehmen, als sie das Problem der humanistischen Freiheit betrifft.

Notwendigkeit einer Korrektur der falschen Bewertung der technischen Welt Das schiefe Verhältnis des Neuhumanismus zur technisch-wirtschaftlichen Arbeitswelt beruht auf einer falschen bzw. heute überholten Tradition, die wir schon in der Antike nachweisen können. In der alten griechischen Adelswelt begegnet sie zuerst als Geringsdiätzung der Lohnarbeit und der sogenannten banausischen Berufe. Platon will die Handel und Gewerbe treibenden Schichten ganz von der Leitung des Staates ausschließen, weil die Handarbeit den Geist herabziehe und zu Führungsaufgaben untauglich mache. Aristoteles weigert sich sogar, ihnen die vollen bürgerlichen Rechte zuzugestehen. Ihr Leben sei ohne Adel und stehe der bürgerlichen Tüchtigkeit im Wege (Politik 1328 b 39 ff. und 29 a 19 f.). Dieses Vorurteil pflanzt sich über die mittlere Stoa (P a n a i t i o s und Poseidonios) bis zu Cicero (vgl. De officiis I, 150 f.) fort. P 1 u t a r c h berichtet im Leben des Marcellus c. 14, Platon habe sich über seine Zeitgenossen Eudoxos und Archytas, die als erste mechanische Instrumente gebaut hätten, um mathematische Probleme damit zu klären, sehr geärgert. Sie hätten die Würde der Geometrie ganz vernichtet, weil sie vom unkörperlichen, noetischen Bereich auf den sinnlichen und körperlichen herabgestiegen seien, der so viele und lästige handwerkliche Arbeit erfordere. So sei die Mechanik von der Geometrie ausgeschlossen und lange Zeit von der Philosophie verachtet worden. Das sind die Vorbilder für das Bildungsideal der deutschen Klassik und des an die Philosophie des Idealismus gebundenen Neuhumanismus. Dieselbe Abneigung gegen alles Technische und Kommerzielle begegnet auch bei Jacob Burckhardt; und selbst der paideutische Humanismus Werner Jaegers steht der Technik und dem Wirtschaftsleben unbeteiligt, wenn nicht ablehnend gegenüber.

Der Humanismus der Gegenwart, der die moderne Arbeitswelt als die seinige und als die Welt des heutigen Menschen zugleich mit der durchgehenden Technisierung aller Lebensbereiche anerkennt, steht vor der lebenswichtigen Aufgabe, sich umzuorientieren. Er tut dies am Leitbild bedeutender Hellenen wie Hesiod, Solon, Perikies, Sokrates, Euripides und Dion von Prusa oder des Römers V ergil Hesiod hat als erster das aristokratische Vorurteil gegen die Lohn-und Handarbeit bekämpft und durch sein neues Ideal „ehrlicher Arbeit, die der gerechte Zeus segnet“ den unteren Schichten den Weg zur Arete gebahnt. Vom Geiste sozialer Gerechtigkeit, die auch den Werktätigen ihr Recht zuerkennt, sind die Reformen Solons getragen, und Perikies bekennt sich in seiner Gefallenen-Rede zu den banausischen Schichten mit dem an Hesiod erinnernden Satz: „Armut braudit man bei uns nicht zu verheimlichen; sie bringt keine Schande. Wohl aber gilt es als schändlich, ihr nicht durch Arbeit zu entgehen (Thuk. II., 40, 10 f.).

Hätte sich der Humanismus rechtzeitig zu dieser Linie bekannt, die wir bis zu Dion von Prusa (orat. VII) herab verfolgen können, wäre es nie zu der verhängnisvollen Isolierung gekommen, in der er sich heute befindet. Ein Gespräch mit der modernen Arbeitswelt über die Notwendigkeit der Erhaltung der individuellen Freiheit setzt zunächst einmal gründliche Revisionen altererbter Vorurteile voraus. Der Arbeitsbegriff der deutschen Klassik und des Neuhumanismus, der bestenfalls individuell-schöpferische Handarbeit als persönlichkeitsbildend und human anerkannt hat, ist durch einen umfassenderen Begriff zu ersetzen, der auch der technischen Arbeit einräumt, daß sie zum Bereich dessen gehört, was den Menschen zum Menschen macht, und daß sie nicht nur die Persönlichkeit bedrohen, sondern bei richtiger seelischer Einstellung ihres Trägers auch positiv formen kann. So erzieht sie z. B. zu Exaktheit, Pünktlichkeit und Sauberkeit, zur Fähigkeit, komplizierte Sachzusammenhänge zu durchschauen, zur sachlichen und friedlichen Kooperation mit den Arbeitskollegen usw. Tedinik und Kultur sind nidit Gegensätze, sondern liegen auf einer Ebene. Die Technik ist weder gut noch böse. Da, wo sie Schaden stiftet, trägt der Mensch als ihr Schöpfer die alleinige Verantwortung. Damit wäre die durch den Neuhumanismus vollzogene Diskriminierung der technischen Intelligenz aufgehoben. Die technische Leistung des Industrie-und Büroarbeiters befände sich dann nicht mehr außerhalb des Reiches echter menschlicher Bildung. Anderseits wäre damit zugleich aber auch die Verantwortlichkeit der Arbeiter und Angestellten angesprochen, dafür zu sorgen, daß ihre Persönlidikeit stark genug ist, sich gegen die von Seiten der Apparatur her drohenden nivellierenden und reduzierenden Einflüsse im Arbeitsprozeß erfolgreich zu behaupten. Dazu müßten sie aber den Sinn ihrer oft monotonen mechanischen Arbeit durchschauen und sich für deren Humanisierung und sinnvolle Weiterentwicklung nicht minder verantwortlich fühlen als die Arbeitgeber. Es gilt also, Mitverantwortung zu wecken und die Einsicht zu vermitteln in das, was der Arbeiter aufbringen muß, um seine Menschlichkeit und Freiheit im Arbeitsvorgang, sei es als Mitarbeiter eines Teams oder auf sich gestellt, zu behaupten. Die Gefährdung durch die moderne Technik könnte wesentlich verringert werden, wenn es gelänge, die vorwiegend mechanische Tätigkeit der Industrie-und Büroarbeiter zu einer mit Denken verbundenen Arbeit umzugestalten.

Rettung unserer Freiheit durch eine neue Erziehung Die Lösung des ganzen Problems liegt also in einer neuen sinnvollen Erziehung. Man wird, wie Carlo Schmid in einer Rede zum Problem der Automatisierung vorgeschlagen hat, den technischen Nachwuchs nicht nur ausbilden, sondern bilden müssen, und das schon ganz von unten an C. Schmid verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Wichtigkeit politischer Bildung, in deren Mittelpunkt die Idee des Menschen, die Begriffe der Freiheit, des Wahren, Guten und Schönen zu stehen hätten. Damit wird aber dem Humanismus — anders als bei Litt — eine entscheidende Mitwirkung an der neuen Erziehungsaufgabe eingeräumt. Litt empfiehlt seinerseits historische und politische Erziehung, Verbesserung der Atmosphäre der Zusammenarbeit durch Pflege der Solidarität, durch gegenseitige Rücksicht und Hilfsbereitschaft. Man müsse der bedrohten Menschlichkeit der Werkenden „durch die Kräfte der menschlichen Vergemeinschaftung“ zu Hilfe kommen. Es sei die Aufgabe der Schule, die Jugend zu sozialethischer Gesinnung und verantwortungsbewußter Haltung gegenüber den gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart zu erziehen. Nicht weniger wichtig sei es aber auch, die kommende Generation in das rechte innere Verhältnis zur geschichtlichen Vergangenheit zu bringen. Mit der letzten Forderung nähert sich Litt aber wieder dem Humanismus, der sich ja gerade die Pflege des historischen Bewußtseins und die Aktualisierung der abendländischen Tradition zur Aufgabe gemacht hat. Der Neuhumanismus im Urteil der humanistischen Bewegung der Gegenwart An eine Restauration des klassischen Bildungsideals oder des Humboldtsdien Humanitätsideals der allseitig gebildeten, harmonischen Persönlichkeit denkt der Humanismus der Gegenwart schon seit Jahrzehnten nicht mehr. War schon zu Humboldts Zeiten nur ganz wenigen Menschen beschieden, ihre Fähigkeiten zur Totalität eines Kunstwerkes auszubilden und zu einer harmonischen, geschlossenen Ganzheit zu verbinden, so ist dies unter dem Druck der heutigen Gesellschafts-und Arbeitsordnung völlig illusorisch geworden. Das Bild der harmonischen Innerlichkeit des selbstvollendeten Menschen widerspricht auch dem disharmonischen Persönlichkeitsbild der modernen Psychologie. Ebensowenig wird eine Erziehung zum uomo universale der Renaissance heute ernsthaft erwogen, da uns die ungeheuere Ausweitung der Einzelwissenschaften seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine solche universale Bildung nicht mehr gestattet. Die Humboldtsche Verabsolutierung und Idealisierung des Griechentums ist schon durch die Arbeit der historisch-kritischen Philologie der Wilamowitzgeneration überholt, und das verhängnisvolle Bündnis des Humanismus mit der idealistischen Bewegung darf seit langem als gelöst gelten. Wir erörtern heute die Möglichkeiten eines vom Idealismus abgewandten realistischen und sozialen Humanismus.

Wir stehen aber dem Bildungsidea! der Klassik als einer historischen Manifestation des Humanismus mit einem Gefühl tiefer Verehrung gegenüber und erkennen als historische Tatsache an, daß das griechische Altertum ohne die idealisierende Überhöhung durch Winckelmann, Goethe, Schiller, Humboldt u. a. nie Jene formende und schöpferische Kraft für die deutsche Kultur des 19. Jahrhunderts gewonnen hätte, die wir an vielen Werken der Literatur und Kunst nachweisen können. Humboldts Zielbild der harmonischen Ganzheit hat geschichtliche Vorgänger in dem aristokratischen Ideal der geschlossenen harmonischen Persönlichkeit des Panaitios (vgl. Cicero, De officiis I, 30, 107) und in dem allen Ansprüchen gewachsenen, autarken Menschen der autarken Polis des perikleischen Zeitalters (Thuk. II 41). Die Herkunft dieses Ideals aus der frühgriechischen Adelswelt schimmert selbst noch in der demokratischen Fassung des Perikies bei Thukydides durch. Man könnte Litts Einwänden folgendes entgegenhalten: Auch ein übersteigertes Ideal vermag die Menschen zu begeistern und anzuregen, ihm nach Kräften nahezukommen. Statt allseitiger Bildung wird dann vielleicht vielseitige Tüchtigkeit erreicht, statt einer vollen Harmonie unter Umständen eine trotz innerer Spannungen im ganzen geschlossene, feste Persönlichkeit.

Das neue Bildungsziel des Humanistischen Gymnasiums Wir wollen heute nicht den Weg zur Menschlichkeit durch die Festlegung der ganzen Jugend auf die humanistische Tradition und die alten Sprachen künstlich verengen; es liegt uns auch fern, für den altsprachlichen Unterricht ein Privileg hinsichtlich der Erziehung zur humanitas zu beanspruchen, aber wir lassen uns von unseren Gegnern nicht einreden, daß die griechisch-römische Kultur für uns nur eine der vielen Kulturen der Menschheit wie die indische, chinesische usw. ist; vielmehr wissen wir, daß mit ihr eben unser abendländisches Mensch-sein beginnt. Sie ist der Anfang unserer Geschichte, der Ursprung der abendländischen und damit auch unserer deutschen Kultur. An ihr und an ihren Rezeptionen wird sich — wie auch am Christentum — die humanistische Erziehung und Bildung immer wieder neu orientieren. Diese Orientierung und Aktualisierung bedeutet aber keineswegs Nachahmung einer in der abendländischen Geschichte vorgelebten kulturellen Haltung, nicht Hinnahme eines Vorbildes, sondern kritische Begegnung und aktive Auseinandersetzung auf dem Boden unserer modernen Gesellschaftsordnung. In diesem Sinne bemühen wir uns auch um eine Erneuerung der griechischen Freiheitsidee; denn der demokratische Freiheitsgedanke der Gegenwart wurzelt letzten Endes in der griechischen Gesellschaft und im griechischen Geiste. Deshalb sehen wir auch in der humanistischen Bildung ein wirksames Gegenmittel gegen die Wucherung des mathematisch-technischen Verstandes sowie gegen die Tendenzen der Versachlichung und Nivellierung in unserer modernen Massengesellschaft Wenn wir heute als Bildungsziel des Humanistischen Gymnasiums die Erziehung zur urteilsfähigen, freien und gemeinschaftsgebundenen Persönlid'ikeit aufstellen, die sielt im technisch-wirtschaftlichen Arbeitsprozeß von der Sache her zwar formen, aber nicht versachlichen und nivellieren läßt, so bleibt auch diese Neuformulierung auf dem Boden und im Rahmen der humanistischen Tradition. Sie nimmt nur Rücksicht auf die veränderte soziale und ökonomische Situation, in der wir heute stehen.

Die Notwendigkeit einer bewußten Erziehung zu politischer Freiheit und Mitverantwortung Für die Erziehung zur verantwortungsbewußten Freiheit auf dem Humanistischen Gymnasium gibt es keine fertigen Rezepte. Trotzdem müssen wir uns Gedanken über geeignete Maßnahmen machen und bestimmte Richtpunkte aufstellen. Nichts wäre verhängnisvoller als der Glaube, es genüge die Sicherung der politischen Freiheit in der demokratischen Verfassung des Staates oder durch bestimmte staatliche Institutionen oder soziale Ordnungen. Die vordringlichste Aufgabe ist, mit Aristoteles zu reden, eine der demokratischen Verfassung angemessene Erziehung und Bildung. Die besten Gesetze fruchten nichts, solange der Staat nicht dafür sorgt, daß sich die Jugend an sie gewöhnt und in ihrem Geiste erzogen wird (Pol. 1310a 12 ff.).

Materielle Voraussetzungen einer Erziehung zur politischen Freiheit Der höheren Schule fehlen heute noch weitgehend die äußeren und inneren Voraussetzungen, um eine bewußte Erziehung zur politischen Freiheit wirksam gestalten zu können. Es gilt zunächst einmal, die Lehrer materiell sicherzustellen und dem bedrohlichen Lehrermangel abzuhelfen, der jede kontinuierliche Bildungsarbeit an der Jugend unmöglich macht. Durch Herabsetzung der Pflichtstundenzahl könnte ihnen die Möglichkeit zu einer vom Pädagogischen her dringend erwünschten persönlichen Weiterbildung gegeben werden. Nicht minder notwendig von Seiten des Staates wäre eine Beschränkung der Reglementierung der pädagogischen Arbeit durch Verwaltungsmaßnahmen von oben, ein Abbau der bürokratischen Gängelung, die den Lehrer zum beamteten Funktionär zu machen und jede pädagogische Initiative zu ersticken droht. Die Schule braucht heute vor allem gesunde und wohnliche Klassenräume, in denen das rechte Klima sozialpolitischer Erziehung herrschen kann. Die Klassenfrequenzen dürfen eine bestimmte überschaubare Größenordnung nicht überschreiten, sonst läuft die Erziehung zur Selbstbestimmung und Mitverantwortung Gefahr, schon am Fehlen der äußeren Vorbedingungen zu scheitern. Diese materiellen Voraussetzungen sollte man nicht unterschätzen. Sie sind ebenso wichtig, vielleicht sogar wichtiger als die Reform-Stundentafeln und Bildungspläne, denen die Kultusministerien der Länder heute den Vorzug geben, weil sie weniger materiellen Aufwand verlangen und schneller durchgeführt werden können als die langfristigen Bauprogramme.

Charakteristische Wesenszüge der humanistischen Bildung als besonders günstige Voraussetzungen für eine Erziehung zur gebundenen demokratischen Freiheit Der humanistische Erziehungsgedanke hat im Verlauf einer jahrhundertelangen Geschichte zwar viele äußere Wandlungen durchgemacht, sich aber in der Vielfalt seiner Erscheinungsformen doch charakteristische und konstante Wesenszüge bewahrt Dazu gehört zunächst einmal der unerschütterliche Glaube an die Möglichkeiten der Menschennatur, sielt durch Bildung und Erziehung zu steigern und zu läutern, wobei der helfende Anteil des Göttlichen in den verschiedenen Epochen und von den einzelnen Humanisten verschieden bestimmt worden ist. Der Freiheitsspielraum im jugendlichen Menschen ist allen determinierenden Faktoren zum Trotz groß genug, daß Zögling und Erzieher die volle Verantwortung für eine individuelle Entfaltung der wesentlichen, für die Gemeinschaft wichtigen Anlagen auferlegt werden kann.

Die Gemeinschaft stiftende Rolle der menschlichen Vernunft Der Mensch als freier Bürger einer freien Polis ist auch innerlich frei, wenn in seiner Seele die Vernunft über die Bereiche des Willens, der Begierden und Affekte herrscht. Die Humanisten aller Zeiten haben in der Vernunft (Ayog) das charakteristische Merkmal menschlichen Wesens gesehen. Sie ist das Gemeinsame, das alle Menschen verbindet zur Gemeinsamkeit eines vernünftigen Gespräches, in dem gleichberechtigte Partner nicht nur wissenschaftliche oder andere Probleme lösen, sondern auch Streitfälle zu schlichten versuchen, ohne sich von persönlichen Gefühlen und Affekten leiten zu lassen. Vernünftige Überlegung und Einsicht, in vernünftiger Weise vorgetragen, gelten als universal verbindlich. Man unterwirft sich der Stimme der Vernunft, die den Menschen auf den Weg vernünftigen Übereinkommens, des Ausgleichs und des gesunden Kompromisses hinweist. Alle diese Verhaltungsweisen bilden aber zugleich die Grundlage demokratischen Gemeinschaftslebens. Die Vernunft unterscheidet sich vom bloßen Intellekt darin, daß sie sich ihrer Grenzen bewußt bleibt und nicht der Gefahr verstiegener Einseitigkeit oder vermessener Grenzüberschreitung unterliegt. Sie ist stets mit Besonnenheit (o 0cp 000vn) gepaart. Auch nachdem die Romantik den Glauben an eine die Menschheit umfassende, universale Weltvernunft aufgehoben hat, glauben die Humanisten, daß hinter allen Sonderheiten der Weltansichten der verschiedenen Weltsprachen doch ein gemeinsamer Grundbestand von Denk-und Sprachkategorien liegt, der eine gemeinsame vernünftige Verständigung über die wichtigsten Lebensfragen ermöglicht. Vernunft und Objektivität als die Form des Denkens und Sprechens, in der der Mensch die Sachzusammenhänge zur Gemeinsamkeit eines vernünftigen Gesprächs, in dem gleichberechtigte trennbar zusammen.

Ablehnung jeder Art von Dogmatismus und Ideologie Die Humanisten in allen Völkern wenden sich gegen den Ungeist des Dogmatismus und der Ideologien. Sie lehnen es ab, zu bestimmten Weltbildern oder Weltanschauungen zu erziehen; denn diese beanspruchen, die absolute Wahrheit zu besitzen und versuchen um ihres eignen Fortbestandes willen die Jugend nach einem bestimmten Bilde zu formen und zu typisieren. Sie verlangen blindes Vertrauen und Gehorsam; ja, sie bleuen mit den wohlfeilen Mitteln der Propaganda und Massensuggestion ihren Anhängern feste Glaubenssätze ein, die sie ungeprüft annehmen müssen. Zur freien Wissenschaft, der größten Leistung des griechischen Geistes, gehört ein offener Horizont. Das Ziel der Erkenntnis darf nickt vorgegeben sein. In vorsichtiger, kritischer Beobachtung und mit exakten Methoden legt sie die Wahrheit frei, die aber nur vorläufigen Charakter hat und jederzeit durch neue Erkenntnisse korrigiert oder vertieft werden kann. Die wissenschaftliche Wahrheit ist weder Offenbarungswahrheit, die verstanden und akzeptiert werden will, noch etwas Feststehendes, für alle Zeiten Festgelegtes, das man in endgültigen Formeln darstellen kann. Ihr partikulärer, dynamischer Charakter ermöglicht uns, stets weiter zu forschen und uns doch dabei auf dem Wege zur endgültigen Wahrheit zu wissen.

Sokrates gibt in dieser Hinsicht das große Vorbild ab. Er mahnt die Jugend, sich nicht an das Scheinwissen der Durchschnittsmeinungen zu verlieren, sondern durch selbständiges, mutiges Fragen und vorsichtiges Prüfen im gemeinsamen philosophischen Gespräch die Grundlage für ein echtes und verbindliches Wissen zu legen. Die sokratische Methode ist für das Abendland das Modell jeder wissenschaftlichen Forscher-tätigkeit geworden. Die Maieutik des Sokrates ist noch heute das un-überholte Vorbild humanistischer Erziehung zur urteilsfähigen, freien und sozial verantwortungsbewußten Persönlichkeit.

Der Humanismus warnt vor schwärmerischem Enthusiasmus wie vor Skepsis und Resignation. Er empfiehlt eine geistige Haltung, die am reinsten in einem Vers des philosophisch gebildeten sizilischen Komödiendichters E p i c h a r m zum Ausdruck kommt: „Sei nüchtern und prüfe kritisch; das sind die Gelenke des Geistes!“ (23 B 13, Diels). Der englische Philosoph Bertrand Russell, der sowohl dem Pragmatismus wie dem Humanismus verpflichtet ist, hat diese Haltung in seiner Studie „Power“ folgendermaßen beschrieben: „Das für den Erfolg der Demokratie erforderliche Temperament im praktisdten Eeben gleidtt durchaus dem wissensdtaftlidten Temperament im Geistesleben; es ist genau in der Mitte zwischen Skepsis und Dogma angesiedelt. Es hält die Wahrheit weder für völlig er-reidtbar nodt für völlig unerreichbar; sie ist bis zu einem bestimmten Grade erreidtbar, und das nur mit Sdiwierigkeit“

Entsprechend dieser kritischen Grundeinstellung lehnen die Humanisten nicht nur alle verantwortungslosen oberflächlichen Alltagsmeinungen ab, die in den Bereich des „Man sagt“ gehören, sondern auch jederart Meinungsbildung, die durch Verbalsuggestionen geschieht und von einem autoritären System gesteuert wird. Bei aller sonstigen Toleranz sind sie unduldsam gegen die Äußerungen des Fanatismus und des Massenwahns. Durch planmäßige Erziehung zur kritischen Auswertung von politischen Nachrichten, Reden und anderen Quellen suchen sie die Jugend gegen Massenbegeisterung und kollektiven Wahn zu feien, weil diese gewöhnlich zu Katastrophen, Kriegen oder Diktaturen führen. Auch im politischen Bereich sind nur die Maßnahmen richtig, die vorher vernünftig beraten und sachlich entschieden worden sind. Hier halten die Humanisten es mit dem Grundsatz, den Perikies in seiner berühmten Totenfeierrede für die Athener aufgestellt hat. Er weist die Überzeugung zurück, daß Überlegung nur unentschlossen mache und der tätigen Ausführung nachteilig sei. Im Gegenteil, es bringe Schaden, wenn man ohne kluge Überlegung und vernünftige Beratung sofort zur notwendigen Tat schreite (Thuk. II, 40, 11 ff.).

Verbindung politischer Aktivität mit kosmopolitischen Neigungen Derselbe Perikies weist den Humanismus unserer Zeit auf das Modell der attischen Demokratie hin, in der die Bürger neben der Sorge für den Haushalt und das Gewerbe nicht ihre politischen Aufgaben vernachlässigen. In Athen wird derjenige, der sich zu einem privaten Gelehrten-oder Künstlerleben zurückzieht, ohne politischen Anteil zu nehmen, als ein unnützes Glied des Gemeinwesens betrachtet (II, 40, 6 ff.). Leider hat der Humanismus diese Wegweisung nicht zu allen Zeiten beherzigt, wie z. B. die Einstellung des Erasmus von Rotterdam und einiger maßgebender Neuhumanisten bezeugt. Daß hier eine Umstellung und Neubesinnung auf das klassische Griechentum gerade für den Humanismus der Gegenwart notwendig ist, braucht nach den bisherigen Ausführungen nicht mehr besonders hervorgehoben zu werden.

Aber über dieser starken Betonung der politischen Aktivität dürfen wir nicht übersehen, daß auch ein gewisser weltbürgerlicher Geist zum Wesen des Humanismus gehört. Der Begriff „Kosmopolitismus“ hat von dem Kyniker Diogenes seinen Namen und von dem Stoiker Zenon und seiner Schule den Inhalt bekommen. In unserer heutigen gesellschaftlichen, politischen und geistigen Situation könnte er in dem Sinne erneuert werden, daß die bewußt politische Aufgabe des Humanismus sich nicht in den Grenzen des eigenen Volkes und der Heimat erschöpft, sondern sich auf größere Räume, z. B. auf Europa, erstreckt.

Das Interesse aller Humanisten sollte heute nicht zuletzt der politischen und kulturellen Erneuerung Europas gelten. Europa müßte als politische Kraft und als Verwalterin des abendländischen Kulturerbes wieder so erstarken, daß es in politischer und kultureller Hinsicht magnetische Anziehungskraft auf die mächtigen jungen Völker im Westen und Osten ausüben kann wie einst das besiegte Griechenland auf die Welt-macht Rom. In diesem Sinne sind die Humanisten Europas an einem Zusammenwachsen der europäischen Völker interessiert, und sie sympathisieren mit ihren Gesinnungsfreunden in der ganzen Welt. Allerdings darf diese Entwicklung nicht dahin führen, daß die kosmopolitischen Neigungen einem Rückzug aus der politischen Verantwortung für den eigenen Staat Vorschub leisten. Abendländische Humanität heute Die Humanisten in allen Nationen und Lagern verbindet der Glaube, daß den Menschen die humanitas als eine wesentliche Aufgabe gestellt ist. Auf der Suche nach einer neuen Humanität, die unserer Zeit frommt, können wir nun nicht das antike Humanitätsideal, das wir den Griechen und Römern verdanken, restaurieren, wohl aber als Modell benutzen, um es entsprechend den Erfordernissen unserer heutigen Gesellschaft weiterzuentwickeln. Zur wahren Menschlichkeit gehörte schon früher und gehört auch in der Gegenwart politische sowie innere Freiheit. Humanes Menschentum setzt in jedem Falle personhaftes Sein voraus. Vom Tiere unterscheidet den Menschen die Fähigkeit, zu denken und vernünftig zu handeln. Er kann reden und seine Mitmenschen durch Vernunftgründe überzeugen. Einer seiner griechischen Wurzeln verdankt der Begriff der humanitas den Nebensinn der Menschenfreundlichkeit, Hilfsbereitschaft, mitfühlenden Haltung, der Höflichkeit, des Taktes und der guten Form. Die Humanität steht im Gegensatz zu allem Strengen, Harten, Rohen, Grausamen und Barbarischen. Sie gefällt sich in heiterer Geselligkeit, in der Pflege persönlichen Umgangs, in festlichen Begegnungen, in Scherz und Spiel. Der homo humanus ist sich nicht nur seiner Menschenwürde, seines Wertes als Persönlichkeit, sondern auch der Verpflichtung bewußt, sich um das Schicksal der anderen zu kümmern. Der Humanitätsgedanke hat sich schon früh von allen Standesvorurteilen freigehalten und den Primat der Bildung und des Könnens vor der Geburt betont. Edle Menschlichkeit betätigt sich besonders gegenüber den Schwachen und sozial Hilfsbedürftigen. Der humane Mensch fühlt sich in einem gewissen Gegensatz zum betont Amtlichen, Offiziellen und rein Beruflichen; er liebt das Persönliche und glaubt, daß es stärker als in der beruflichen Alltagsarbeit in den studia humaniora, der freien Beschäftigung mit Literatur und Kunst, in wertvollen und schönen Liebhabereien sich entfalten kann. Er geht niemals ganz in seinem Beruf auf. Humanes Ethos hütet sich vor Selbstüberhebung und Hybris. Der wahrhaft humane Mensch bemüht sich um echte Selbsterkenntnis; er sucht das rechte Maß zu wahren, bleibt sich seiner Endlichkeit bewußt und zeigt Verständnis für menschliche Schwächen und Irrtümer, soweit sie nicht die Freiheit und Menschenwürde anderer bedrohen. Durch steten Appell an die Vernunft hilft er mit, die in einem Volk bestehenden Gegensätze zwischen Ständen, Parteien und Konfessionen zu überbrücken. Christentum und Humanismus stimmen darin überein, daß sie den Menschen als individuelle Person ansprechen. Humanes Ethos ist mit christlichem Ethos durchaus vereinbar. Trotzdem sollte man Antike und Christentum nicht zu einer unnatürlichen Pseudoeinheit verbinden, sondern beide in einer fruchtbaren Spannung, einer Art gegenstrebigen Harmonie nebeneinander bestehen und auf die Jugend wirken lassen. Die Anhänger des Humanismus glauben im Gegensatz zum Materialismus, Relativismus und Historismus an einen Kosmos höherer Gesinnungen und Werte.

Sie halten feste innerweltliche Werttafeln und Nonnen (Wahrheit, Recht, Schönheit, Frömmigkeit usw.), die dem Menschen als Maßstab und Orientierungspol dienen sollen, für unbedingt notwendig. Sie wenden sich scharf gegen den Zeitgeist, der den Götzen „Utilitarismus“

anbetet. Auf Nützlichkeitswerte und rationalzweckhaftes Denken dressierte Jugend ist des Glaubens an höhere Werte nicht fähig. Sie stellt das Streben nach technischem Komfort, Lebensstandard, Reichtum, nach materiellen Gütern und allgemeiner Wohlfahrt allen geistig-seelischen und kulturellen Werten voran.

Zuwendung zu einem realistischen und sozialen Humanismus Schon die bisherige kurze Charakterisierung abendländischer Humanität macht uns die Aufgabe deutlich, vor die wir im Zeitalter der Massenzivilisation, der Wirtschaft und Technik unausweichlich gestellt sind. Es geht um die Humanisierung der vom Persönlichkeitsverlust und Kollektivismus bedrohten Menschen. Es gilt, die Gefahren eines antisozialen und apolitischen Humanismus der Vergangenheit zu vermeiden, den Humanitätsgedanken aus seiner Verklammerung mit einem überlebten Idealismus zu befreien und für die Bedürfnisse unserer industriellen Arbeitswelt wirksam zu machen. Wir wünschen uns heute einen realistischen und sozialen Humanismus, der den Nöten und Sorgen der Gegenwart offen zugewandt ist, der die arbeitenden Schichten vor Selbstentfremdung und Entpersönlichung bewahrt, der verhindert, daß die Lebensform der modernen Industrie und Wirtschaft eine Form der Unmenschlichkeit wird. Dazu ist aber eine Wendung ins Reale und Soziale unerläßlich. Humanismus und Christentum müssen sich verantwortlich fühlen für das Schicksal der arbeitenden Massen, müssen die Forderungen dieser Menschen nach einer gerechten sozialen und wirtschaftlichen Ordnung, nach menschenwürdigen Lebens-und Arbeitsverhältnissen sich zueigen machen. Denn nur auf dem Boden einer solchen humanen Ordnung der Gesellschaft und Wirtschaft wird dem Angehörigen der arbeitenden Schichten überhaupt erst die Möglichkeit gegeben, sich als Person zu fühlen und auf sein Menschentum zu besinnen. In unserer modernen Arbeitswelt haben alle Stände und Berufe einen Anspruch auf das humanum, das zugleich Rechtlichkeit, Sittlichlichkeit und soziale Verantwortlichkeit einschließt. Humanität und Sozialbewußtsein sind künftig nicht mehr zu trennen.

Das bedeutet aber die Notwendigkeit einer echten Begegnung zwischen Humanismus und Sozialismus Kommt sie nicht zustande, dann wird der heute nur noch geduldete und gelegentlich sogar bedrängte Humanismus eines Tages ganz abtreten müssen. Dann würde sich zweifellos die in Europa seit langem zu beobachtende Tendenz zum Abbruch der abendländischen Tradition, zum Autoritären und Kollektiven, zu Materialismus, geistiger Llnfreiheit und Barbarei weiter verstärken. Von dieser Begegnung hängt es letzten Endes ab, ob unser Kontinent noch einmal die Kraft zu einer neuen schöpferisdten Phase aufbringen wird. Theodor Scharmann hat in einer sehr gelungenen Abhandlung über „Erziehung und Gesellschaft“ darauf aufmerksam gemacht, daß drei Personengruppen sich im Kampf gegen die nationalsozialistische Ideologie als besonders widerstandsfähig erwiesen haben: erstens tiefinnerliche religiöse Christen, zweitens von lebendigem Traditionsbewußtsein getragene, kämpferische Humanisten und drittens Repräsentanten des geschichtsbewußten, freiheitlichen Sozialismus: „Das Gemeinsame der Haltung dieser Gruppen, mochten sie sich im übrigen weltansdtaulich in wesentlid'ien Fragen untersdteiden, war die Überzeugung, daß die Freiheit und Würde des Mensdien allein auf dem Boden der Humanitas gedeihen könne. Die Wieder-inkraftsetzung dieses Ideals in Verbindung mit dem (trotz aller gegenteiliger Erfahrungen) lebendigen Glauben an die Erziehbarkeit des Mensdien ersdiien ihnen als die unerläßlidie Voraussetzung für die kulturelle und politisdi-soziale Erneuerung des Abendlandes“.

Die Freiheit und Selbstgestaltung im Sinne des neuen Humanismus könne nur auf dem Boden sozialer Gerechtigkeit, d. h. einer gerechten Verteilung der materiellen und geistigen Güter, gedeihen. Alle Schichten und Stände hätten Anspruch auf wert-und sinnerfüllte Menschlichkeit entsprechend ihren Fähigkeiten und ihrem Können bei gleichen Chancen und gleichem Start. Angesichts dieses berechtigten Anspruchs der Massen stelle sich das Problem der Herrschaft, und dies sei in erster Linie durch die Schaffung einer neuen Elite zu lösen: „Einer Elite freilich, die bestimmt wird vom Geist der sozialen Verpfliditung und der Rechtlichkeit, die bereit ist, die Ideale der Freiheit und der Menschlidikeit zu adrten und zu verteidigen, einer Elite, für die der Humanismus wieder zu einem echten , Politikum“ und nidit wie im letzten Absdinitt der bürgerlidten Epodte lediglidt zu einem Etikett für jene mehr als seidit anmutenden . humanitären Bestrebungen wird ... Sollten diese Voraussetzungen aber einmal eintreten, so wäre es denkbar, daß diese Haltung im Laufe der Zeit zur Wiederbelebung eines neuen, umfassenderen, kämpferischen und sozialeren Humanismus führen könnte, eines Humanismus, der seinen Niedersdtlag in einer Demokratie sozialer Prägung finden würde.“ Die Bedrohung des Humanismus und der abendländischen Kultur durch den modernen Soziologismus Die in erster Linie auf den Logos gestellte Bildungsform des Humanistischen Gymnasiums setzt die Möglichkeit voraus, menschliches Verhalten durch Gedanken und Lehre zu beeinflussen. Insofern hält sie auch eine bewußte Erziehung zu Humanität und Freiheit am Leitbilde der humanistischen Tradition für möglich. Der alte Ehrenname „humanistisch“ will kein Privileg beanspruchen — auch die Volks-und Berufsschulen und die übrigen weiterführenden Schulen dienen der Menschen-bildung —, aber er bezeichnet das Wesen dieser Schulart treffender als die heute eingeführte Benennung „altsprachliches Gymnasium“, die vom modernen Fachdenken und vom Geiste der Spezialisierung geprägt worden ist.

Man hat am deutschen Humanismus die traditionelle Vorliebe für das Griechentum als Hellenozentrismus getadelt und überhaupt die Festlegung der Erziehung zum Menschen auf eine durch Ort und Zeit begrenzte Tradition für bedenklich erklärt. Der junge Mensch solle vielmehr die Werte, die er zum Aufbau seiner Weltanschauung benötigt, der Gesellschaftsordnung entnehmen, in der er gerade lebt. Die Gesellschafts-und Wirtschaftsstruktur wird gewissermaßen zum Maßstab erhoben, und sie weist der Schule die von ihr jeweils geforderten Funktionen zu. Hier ist ein verhängnisvoller Soziologismus am Werke, der auf einem Kurzschluß im Denken beruht. Der an sich richtige Gedanke, daß die Schule gegenwartsnah sein und an den Aufgaben der modernen Gesellschaft und des Staates im Rahmen der ihr gegebenen Möglichkeiten teilnehmen, daß sie die Jugend bis zu einem gewissen Grade auch für die späteren Berufsaufgaben in der Gesellschaft und Arbeitswelt vorbereiten soll, wird hier in unerträglicher Weise verabsolutiert. Die Soziologie glaubt, die Aufgabe der Pädagogik übernehmen zu können und will ihrerseits das Menschenbild vorschreiben, zu dem die Schule zu erziehen habe. Maßgebend seien die Erfordernisse der jeweiligen Gesellschaft, und die Schule habe sich dem raschen Wandel der Gesellschafts-und Wirtschaftsstruktur jeweils anzupassen. Das würde z. B. in der Gegenwart bedeuten, daß die heutige Übergangsphase der Mechanisierung in Industrie und Wirtschaft eine entsprechende Anpassung im Erziehungswesen, also Erziehung zur Versachlichung persönlichen Lebens, letztlich zum Funktionär verlangt, da dieser Menschen-typ in der mechanisierten Großapparatur der modernen Industriegesellschaft zur Zeit wohl am besten zu gebrauchen ist. Wir kämen dann im Endergebnis zum Konformismus. Diese Radikalisten der Soziologie fiMevt sielt erhabett über Traditionsbewußtsein und geschichtliches Denken, ohne die man doch weder die Gegenwart richtig beurteilen noch in der Schule sinnvoll erziehen kann. Sie glauben, auf die alten Erziehungsmächte, das Christentum und den Humanismus, verzichten zu können und behaupten offen oder versteckt, daß die von ihnen vertretenen Weltbilder für die Jugend keine Realität und Werbekraft mehr besitzen.

Der Soziologismus berücksichtigt den Menschen zu wenig als geschichtliches Wesen und als Person; er mißt seinen Wert in erster Linie nach dem Grad, in dem er die von der Gesellschaft zugewiesenen Funktionen erfüllt, nach seiner sozialen Nützlichkeit und Leistungsfähigkeit. Er übersieht, daß das Recht der Gesellschaft auf den Einzelnen begrenzt ist und daß dieser unantastbare personale Grundrechte hat. Es ist erschütternd zu sehen, wie dieser Soziologismus mit seiner Verabsolutierung der Gesellschaft heute von Amerika kommend Europa überflutet und sogar im Unterrichtswesen gewisser Länder der Bundesrepublik seinen Einzug zu halten beginnt. Er bedroht die abendländische Humanität und Freiheit nicht minder als der Kollektivismus. Die Entwicklung hat in der Gegenwart so bedenkliche Formen angenommen, daß selbst der gegenüber der modernen Arbeitswelt aufgeschlossene Philosoph und Pädagoge Theodor Litt in seinem Buch „Die Wieder-erweckung des geschichtlichen Bewußtseins“ (1956) warnend seine Stimme erhebt: „Die Abwendung von der Gesdüdtte, deren Fortsdireiten keinem nadtdenklidien Betraditer derZeit entgehen kann, ist eine Verirrung, die, wie ich überzeugt bin, unser Volk am wenigsten vertragen kann. Sie ist das Gegenteil von dem, was unsere Epodte, diese von Ge- sdiidite geladene Phase der Mensdiheitsentwicklung, den ihr Überantworteten abfordert." (Vorwort, S. 18.)

Erziehung ohne Geschichts-und Traditionsbewußtsein verliert jeden Grund und Boden. Wie kann die reifende Jugend die Werte für eine eigene Weltanschauung ausschließlid'i der Gegenwart entnehmen, die ihr ein ausgesprochenes Wertechaos, einen Pluralismus von Standpunkten und Ideologien bietet? Sie bedarf vielmehr fester Orientierungspunkte in der Tradition, damit sie die richtige Perspektive für ^ie Beurteilung der Gegenwartsverhältnisse gewinnt. Uns Humanisten lehrt die Geschichte des Abendlandes, daß „jeder große Aufschwung des Menschseins durch eine neue Berührung und Auseinandersetzung mit der Antike geschehen“ ist Hat sich nicht in unserer eigenen geschichtlichen Überlieferung die antike Menschlichkeit in vielerlei Gestalten lebendig erneuert, so daß wir genug Ansatzpunkte und Wegweiser für die heute notwendig gewordene Aktualisierung der humanitas haben! Da die Antike die Wiege der abendländischen und damit auch unserer deutschen Kultur ist, können wir uns die neue Menschlichkeit um so echter und wirksamer aneignen, je tiefer wir uns auf ihren geschichtlichen LIrsprung zurückbesinnen. Die Erziehung zum humanum wird immer wieder die Hauptaufgabe des an Zeit und Ort gebundenen Humanismus sein. Es liegt uns heute fern, bei der Lösung dieser Aufgabe ausschließlich die Griechen zu befragen, obwohl die Einmaligkeit ihres Beitrages zum abendländischen Bildungsgedanken über jeden Zweifel erhaben ist; auch der römische und der christliche Aspekt, ja alle wesentlichen Beiträge der abendländischen Tradition geben uns instruktive Modelle, so daß wir das Moderne mit dem geschichtlich Gewesenen vergleichen und durch diese Vergleichung die in der Gegenwart uns obliegende Aufgabe klarer erfassen können, als es bei einer immanenten Betrachtung ohne Vergleichsmöglichkeiten geschehen könnte. Und so lautet der Bildungsauftrag an das heutige Gymnasium, die ihm anvertrauten Kinder zu geistig mündigen, dtaraktervollen, freien und gemeinsdiaftsgebundenen Persönlidikeiten zu erziehen, die stark genug sind, auch später im Beruf und Arbeitsprozeß die versachlichenden und nivellierenden Einwirkungen des technisch-bürokratischen Apparates ohne Schaden für ihre Menschlichkeit und Personhaftigkeit durchzustehen und innerlich zu bewältigen.

Der Zweifel gewisser Soziologen an der Übertragbarkeit persönlichkeitsbildender ethischer Werte auf dem Wege der studia humaniora wird nicht nur durch die geschichtlich bestätigten Erfolge humanistischer Pädagogik widerlegt, sondern erweist sich auch als unzulässige Trennung der Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“, zugleich als einseitige Bevorzugung der sogenannten funktionalen Erziehung. Die humanistische Paideia widerspricht auch nicht den Vorstellungen der pädagogischen Psychologie über die Entfaltung der Persönlichkeit, nachdem das Humboldtsche Ideal allseitiger harmonischer Persönlichkeitsbildung seines illusionären Charakters entkleidet und auf einen realen, gegenwartsbezogenen Kern reduziert worden ist. Sie hütet sich, der Jugend geistige und ethische Grundwerte vorzuwählen oder gar dozierend auf-zureden. Die Schüler lernen die abendländische Wertetafel durch die Lektüre und gemeinsame Interpretation der repräsentativen Werke der Literatur und bildenden Kunst kennen und können frei wählen entsprechend ihrer Veranlagung und ihren Interessen. Sie haben volle Freiheit im Entwurf einer persönlichen Weltanschauung, die je nach der geistig-sittlichen Kraft des Einzelnen in einer selbständigen schöpferischen Weiterbildung der abendländischen Werte oder in einer auswählenden Übernahme vorgelebter Möglichkeiten besteht. In jedem Falle aber können die aus der gegenwärtigen Gesellschaft kommenden Impulse voll zur Geltung gelangen, soweit sie nicht die Kontinuität der abendländischen Tradition ernsthaft gefährden.

Wesenszüge humanistischer Erziehung zu Freiheit und Mitverantwortung Das humanistische Gymnasium erzieht die Jugend bewußt zu selbständigem begründeten Urteilen und zu gesundem Selbstvertrauen auf die im Gespräch oder Studium gewonnene persönliche Überzeugung. Die alten Sprachen und Texte gewährleisten im Verein mit der Mathematik, dem Deutschen und den anderen Fächern eine gründliche Denkschulung, bei der die Schüler das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden, äußere und innere Zusammenhänge verstehen und sprachlich darstellen lernen. Sie verfügen so über die notwendige geistige Schulung, die sie befähigt, später im Leben auch schwere, plötzlich hereinbrechende Situationen rational und willensmäßig zu meistern und zugleich die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die humanistische Pädagogik legt Wert auf Klarheit, Evidenz, Exaktheit und geistige Selbstzucht. Zur humanistischen Schultradition gehört die Beschränkung auf wenige große und würdige Bildungsstoffe, auf das sogenannte exemplarische Lernen, die Ablehnung von universaler Vielwisserei wie von schmalspurigem Spezialistentum, die Betonung der Menschenbildung gegenüber allen Nützlichkeitswerten. Neben dem wissenschaftlichen Unterricht dürfen auch die Leibesübungen die bildende Kunst und Musik nicht zu kurz kommen; denn sie sind hervorragend geeignet, die Jugend zu sich selbst zu bringen.

Bewußte Erziehung zu Kompromißbereitschaft und Toleranz Das Vorbild des sokratischen Gesprächs und das Gegenbild sophistischer Überredungskunst im Lichte der platonischen Dialoge warnt den Gymnasiasten vor Unfehlbarkeitsbewußtsein, Selbstgerechtigkeit und Arroganz. Er weiß, daß er seine persönliche Überzeugung jederzeit überprüfen und zur Diskussion stellen muß. Er soll dauernd bereit sein, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen und seine eigene Auffassung mit der seiner Gesprächspartner in Übereinstimmung zu bringen. Diese ständige Kompromißbereitschaft mit Rücksicht auf die gemeinsam zu findende Wahrheit und die Verständigung mit den übrigen Partnern ist in der Tat etwas für die demokratische Gemeinschaftsform Konstitutives. Sie entspricht dem Ethos „gebundener Freiheit“.

Mit der Erziehung zur Kompromißbereitschaft bildet die Pflege der Toleranz einen einheitlichen Zusammenhang. Echte Toleranz setzt eine hohe geistige und sittliche Reife, zugleich ein vernünftiges und gewissenhaftes Verhältnis zu Wahrheit, Kunst, Freiheit und Recht voraus. Der tolerante Mensch ist sich der Vorläufigkeit aller menschlichen Wahrheiten und der Tatsache bewußt, daß auch die Meinung seiner Gegner Wahrheitsmomente enthalten kann. Er nimmt sie deshalb in jedem Falle ernst und lehnt jede Art gewaltsamer Meinungsunterdrükkung ab. Nur in der steten objektiven Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Lehrmeinungen, im Versuch, die Gegner durch Vernunft-gründe zu überzeugen, sind Fortschritte auf dem gemeinsamen Wege zur Wahrheit möglich. Die Tugend der Toleranz beruht also nicht auf passivem Hinnehmen fremder Ansichten, ist weder Gleichgültigkeit noch resignierende Skepsis, sondern aktives Bemühen um die Verwirklichung von Wahrheit, Kunst, Freiheit und Recht. Diese ihr eigentümliche Aufgabe schreibt aber zugleich auch bestimmte Grenzen vor. Toleranz ist da fehl am Platze, wo die Grundlagen freier, personhafter Existenz unmittelbar oder mittelbar bedroht werden. Keine Toleranz den politischen Totengräbern und intoleranten Zerstörern unserer freiheitlichen, demokratischen Gemeinschaftsform! Gegen die Agitatoren und Propagandisten freiheitsfeindlicher, totalitärer Ideologien muß nicht nur der Staat vorbeugend einschreiten, ja, es ist in erster Linie die Aufgabe der öffentlichen Meinung, z. B.der Presse, Schule usw., die hier drohenden Gefahren abzuwehren. Andererseits darf das Recht der freien Meinungsäußerung nicht so weit eingeschränkt werden, daß dadurch auch konstruktive Kritik an der Staatsform oder Regierung behindert werden kann. Wesen und Bestand der Demokratie beruhen nicht zuletzt auf der Möglichkeit legaler Opposition, sei es im Parlament oder mit den Mitteln der öffentlichen Meinungsbildung.

Möglichkeiten der funktionalen Erziehung zu Freiheit und politischer Aktivität Bisher haben wir ausschließlich über die Möglichkeiten einer humanistischen Erziehung zur Selbst-und Mitverantwortung in Freiheit gesprochen, die durch Übermittlung von Gedanken und Lehre geschieht.

Darüber dürfen wir aber nicht die Bedeutung der sogenannten funktionalen Erziehung, d. h.der Formung durch beispielgebende Vorbildlichkeit und Gewöhnung, durch praktische Einübung bestimmter Verhaltensweisen außer Acht lassen. Beim Aufbau dieser Art Erziehung haben uns nach 1945 vor allem die Amerikaner und Engländer als Vorbilder gedient. Die Amerikaner boten uns den Gedanken der verantwortlichen Selbständigkeit in der für ihr Schulleben charakteristischen Form des student-self-government, die Engländer im Zusammenhang der alten Tradition ihrer Public Schools. Wir werden hier darauf hingewiesen, daß es möglich ist, den Geist der Freiheit, Menschenwürde und Selbstverantwortung schon in der Schule gewissermaßen als einer miniature Community praktisch zu üben und zu erproben. Diese praktische Gewöhnung ist zweifellos ebenso bedeutsam wie die theoretischen Bemühungen im Unterricht. Aber das Wichtigste ist und bleibt, daß wir Lehrer durch unser eigenes Beispiel und Vorbild in den Schülern Initiative und Verantwortungsfreude zu wecken suchen. Die Schule darf niemals autoritär geleitet werden; ihr Gemeinschaftsleben muß auf dem Gedanken der freien, vertrauensvollen und verantwortlichen Mitarbeit beruhen. Das gilt nicht nur für die Tätigkeit des Direktors und Lehrerkollegiums, sondern in gleichem Sinne für die ihnen anvertraute Jugend.

Es gibt viele Ansatzpunkte und Wege, die Schülerschaft durch verantwortliche Mitarbeit und durch Pflege des innerschulischen Gemeinschaftslebens auf die späteren Aufgaben als Staatsbürger vorzubereiten. Ich erinnere an die vielseitigen Möglichkeiten der Schülermitverwaltung: Betreuung von jüngeren Schülern, Fahrschülern und Schlüssel-kindern, Ordnungsaufgaben in der Klasse, Ausschmückung der Klassenräume, Beteiligung an der Aufsicht, Verwaltung der Klassenbücherei, Mitwirkung beim Ordnen von Sammlungen, Vorbereitung von Eltern-abenden, Klassenfesten, allgemeinen Schulfeiern und -festen, Organisation von Ausflügen, Klassenfahrten, Lageraufenthalten, Sportwettkämpfen usw., Herstellung von Verbindungen mit anderen Schulen, beratende Funktion bei Anschaffungen für die Schülerbücherei, der Verteilung von Erziehungsbeihilfen, bei schwierigen Disziplinarfällen, Mitgestaltung der Schulordnung usw. Dazu kommen mannigfaltige Formen der Zusammenarbeit in geschlossenen Gruppen: Laienspiel, Schach, Turnen, Sport und Spiel, Musik, bildende Kunst, Werken, Schüler-zeitung, Arbeitsgemeinschaften, und Diskussionsübungen in den wissenschaftlichen Fächern. Jede Schule muß hier ihre eigene Form suchen und finden.

Kritische Prüfling der vom Ausland angebotenen Erziehungsformen aus der Perspektive humanistischer Pädagogik Das Humanistische Gymnasium hat die Möglichkeit, die von Amerika und England angebotenen Reformen durch Vergleich mit seinen eigenen, in Jahrhunderten erprobten pädagogischen Methoden und den Vorschlägen der deutschen Pädagogik nach dem ersten Weltkrieg kritisch zu prüfen. Es wird deshalb bei der Übernahme fremder Erziehungsund Gemeinschaftsformen behutsamer verfahren, als dies nach 194 5 in einigen Ländern unserer Bundesrepublik geschehen ist. So haben deutsche Schulexperten auf ihren Reisen nach den LISA und England nicht nur die notwendigen Impulse zur Gestaltung echter Freiheit und Mit-verantwortung erhalten, sondern zugleich auch die heute leider dort bestehenden, vom Gesetz der Vermassung bestimmten Organisationsformen und Nivellierungstendenzen mit nach Hause gebracht.

Ihrem blinden Nachahmungsdrang verdanken wir z. B. die vielen Mannnutsdiulen, in deren Massenbetrieb sich echtes Gemeinschaftsleben nicht entfalten kann. In den USA ist die Gefahr nicht einmal so groß wie bei uns, weil die riesigen multilateralen Systeme dort im allgemeinen entsprechend große Speisesäle, Turnhallen, Schwimmbäder, Sportplätze, eine Aula mit Bühne, Spezialräume für den musischen Unterricht, Krankenräume usw. haben, in denen die gesamte Schule oder organisch gegliederte Gruppen gemeinsame Feiern begehen und sich als geschlossene Schulgemeinde erleben können. In unseren Mammutschulen dagegen herrschen zumeist Schulraumnot und Schichtunterricht. Es fehlen weitgehend die räumlichen und organisatorischen Voraussetzungen, um eine solche Masse durch Gemeinschaftserziehung und Persönlichkeitsbildung vor dem Konformismus bewahren zu können. Kurz, die äußeren und inneren Schwierigkeiten sind so groß, daß diese Anstalten in ihrer Durchschnittsform zu Heimstätten des Massengeistes prädestiniert sind. Sie leisten dem totalitären Menschentyp unserer Zeit mit seiner Anfälligkeit gegenüber den Organisationsformen des Kollektivismus Vorschub. Es müßte die erste Maßnahme einer die ganze Bundesrepublik umfassenden Reform sein, diese Sdtulfabriken oder Warenhäuser der Bildung durch organische Gliederung in kleinere lebensfähige Einheiten aufzulösen und ihre Leiter in die Lage zu versetzen, daß sie nicht ausschließlich Verwaltungsbeamte zu sein brauchen, sondern sich auch um die pädagogische Belange kümmern können.

Noch bedenklicher ist die kritiklose Übernahme amerikanischer Nivellierungstendenzen. Das im Vergleich zu unseren europäischen Verhältnissen auffällig niedrige Durchschnittsniveau an den amerikanischen Schulen ergibt sich vor allem aus der Tatsache, daß die Amerikaner aus moralischen und sozialen Gründen in ihren Pflichtschulen das Ausleseprinzip ablehnen und die Aussonderung der geistig schwachen Schüler in Hilfsschulen entweder ganz unterlassen oder auf ein Minimum beschränken. Das Mitschleppen der Schwachbegabten in den elementary schools und high schools führt aber zwangsläufig zu einer erheblichen allgemeinen Niveausenkung. Das deutsche Humanistische Gymnasium und die anderen weiterführenden Schulen indes können und wollen auch nicht auf das im europäischen öffentlichen Schulwesen seit Jahrhunderten bewährte Ausleseprinzip verzichten. Der Humanismus lehnt es ab, einseitig zu intellektuellen Höchstleistungen zu erziehen, wie ihm überhaupt das aus der Anfangszeit der aufkommenden Technik stammende Wort „Leistung“ pädagogisch bedenklich erscheint; aber er legt Wert darauf, daß die unbegabten Schüler durch strenge Auslese rechtzeitig ausgeschieden oder umgeschult werden. Neben der Erziehung eines lebenstüchtigen Durchschnitts liegt ihm ganz besonders die Ausbildung einer charaktervollen und führungsfähigen geistigen Elite am Herzen.

Wir haben ferner aus dem amerikanischen Schulwesen, z. T. unter Nichtbeachtung der eigenen pädagogischen Tradition (vgl. Scharrelmann, Gansberg, Hugo Gaudig, Georg Kerschensteiner u. a.) den an sich berechtigten Grundsatz „Alles vom Kinde her“ in einer Einseitigkeit und Überspitzung übernommen, daß unsere heutige Freiheit in der Erziehung zur Disziplinlosigkeit, Oberflächlichkeit und Ehrfurchtslosigkeit zu entarten droht. Die Schulreformer haben dabei nicht bedacht, daß eine Pädagogik im Geiste Rousseaus nur da Früchte trägt, wo demokratischer Lebensstil und public spirit in der Schule durch die Tradition gegeben und fest verankert sind. Die deutsche Tradition hat sich bisher gerade durch einen empfindlichen Mangel an demokratischem Gemeinschaftssinn und an Pflege sozialer Beziehungen ausgezeichnet. Deshalb trifft auf diesen boden-und grundlosen Übertragungsversuch der herbe Tadel Pindars in Pythien 3, 31 ff. zu, daß kritiklose Nachahmung fremder Vorbilder bei Nichtberücksichtigung des Heimischen ins Leere greift. Ihr Hoffen ist eitel Wahn! Das Humanistische Gymnasium verschließt sich durchaus nicht den methodischen Ratschlägen der modernen Pädagogik und den Lernhilfen der pädagogischen Psychologie; es ist aber nicht bereit, den Schülern die Stoffe in zu einfacher und leichter Form darzubieten und auch die letzte Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen. Nur wer gelernt hat, mit Schwierigkeiten und Widerständen fertig zu werden, wird auch im späteren Lebenskampf seinen Mann stehen. Das Klima einer übertriebenen „Pädagogik vom Kinde her“ ist zu mild, als daß es für eine Erziehung zu Freiheit und zu verantwortlichem Handeln geeignet sein könnte

Echte politische Erziehung muß sich von vornherein auf das Phänomen des politischen Kampfes einstellen, das nun einmal zum Leben in der Demokratie gehört.

Bei den angelsächsischen Formen des cooperative spirit oder team spirit besteht nicht geringe Gefahr, daß das „Zusammen“ zu einseitig auf Kosten der Individualität gepflegt wird. Es ist deshalb notwendig, bei Übernahmeversuchen der Tendenz zum Gruppenkollektivismus von vornherein entgegenzuwirken, indem man dem Individuum einen größeren Spielraum für freie Entfaltung sichert.

Vom humanistischen Standpunkt aus erhebt sich schließlich noch ein Vorbehalt allgemeiner Art gegenüber dem Miniaturstaat Sdtule. Gewiß, der in der Schulgemeinschaft gepflegte Geist der friedlichen und kompromißbereiten Kooperation, die bewußte soziale Gewöhnung und Erziehung zur Verantwortungsbereitschaft sind etwas für die demokratische Staatsform Entscheidendes, aber sie erschöpfen das Wesen des Politischen und Demokratischen noch durchaus nicht. Zur echten politischen Bildung und Erziehung gehört außer der Gesinnung noch klare Einsicht in das Wesen staatlicher Ordnung, in die Möglichkeiten und Grenzen der politischen Macht, die Problematik der politischen Freiheit, nicht zuletzt in die realen Grundlagen unseres politischen Lebens. Erziehung zum Gemeinschaftsgeist in der Schule ohne dieses spezifische Wissen und ohne lebendigen Bezug zum staatlichen Leben kann mitunter sogar eine staatsfeindliche, gruppenegoistische Tendenz oder sektiererischen Charakter annehmen. Der cooperative spirit der angelsächsischen Schulen und seine Gemeinschaftsformen bewegen sich noch weitgehend im Vorhof des eigentlichen politischen Lebens und echter politischer Erziehung. Zwischen dem Miniaturstaat Schule und dem realen Staat, z. B. einer Demokratie mit Parlament, Behörden, Parteien, Gewerkschaften und anderen Gemeinschafts-bzw. Gesellschaftsformen, bestehen sehr erhebliche Unterschiede, die man nicht übersehen darf. Deshalb kommt der Gemeinschaftserziehung in der Schule nur eine propaedeutische Funktion für die eigentliche politische Erziehung zu Diese geschieht in weit höherem Maße durch das politische Leben selbst. Von größter Bedeutung ist dabei das Vorbild, das die vom Volke gewählten Politiker in der Öffentlichkeit abgeben. Zu der vorpolitischen Gemeinschaftserziehung der Schule muß also die eigentlidie politische Erziehung im Staatsleben und der erzieherisdie Einfluß der führenden Politiker hinzukommen, damit sidi edites politisches Leben verwirklichen kann. Auf der Grundlage eines solchen Zusammenwirkens zwischen Schulleben und politischem Leben ist auch die schwere Aufgabe einer Erziehung zu Demokratie und Freiheit zu lösen.

Trotz dieser notwendigen Korrekturen müssen wir aber dankbar anerkennen, daß die Engländer und Amerikaner uns Deutschen auf dem Gebiet freiheitlicher und gemeinschaftsverbundener Erziehung weit voraus sind.

Kritik des Partnerschaftsgedankens von Friedrich Oetinger Die soziologisch orientierte deutsche Pädagogik schwimmt zur Zeit sehr im Kielwasser des amerikanischen Pragmatismus. In Friedrich Oetinger hat die Dewey-Schule einen beredten deutschen Anwalt gefunden. Zur Kritik seines Werkes „Partnerschaft" wäre aus der Perspektive humanistischer Pädagogik folgendes zu sagen , Oetinger bestätigt die Neigung der Deutschen, von einem Extrem ins andere zu fallen. Da die Schule vor der deutschen Katastrophe seiner Meinung nach zu sehr die Bildung von Vernunft, Verstand, Erkenntnis und Wissen betont hat, legt er jetzt mit deutlicher Überspitzung auf die Pflege des Charakters, Willens, Gefühls und der Gewohnheiten Wert. Der Humanismus habe sich der Illusion hingegeben, man könne allgemeine Menschenbildung und politische Bildung zeitlich und inhaltlich aufeinander folgen lassen. Das ist aber eine der schrecklichen Verallgemeinerungen und Vereinfachungen, die für den Verfasser so charakteristisch sind. Oetinger hat ebensowenig wie der amerikanische Pragmatismus ein positives Verhältnis zur abendländischen Tradition und zur Geschidtte. Mit Recht haben Weniger und Litt ihm entgegengehalten, daß politische Erziehung ohne geschichtliches Bewußtsein und ohne Umgang mit großen geschichtlichen Persönlichkeiten keinen festen Grund hat. Litt bemängelt vor allem die Auflösung des Politischen ins Soziale und Allgemein-Menschliche, die Entschärfung des politisdten Kampfes durch einseitige Betonung der friedlidten Kooperation. Echte politische Er-Ziehung müsse der Macht und dem politischen Kampf als normal menschlichen Phänomenen den rechten Platz anweisen. Ähnlich äußert sich auch Weniger. Der pädagogische Pragmatismus Oetingers schieße erheblich übers Ziel hinaus, wenn er die politische Erziehung so ausschließlich auf den Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen (Partnerschaft) und der elementaren Sittlichkeit abstelle. Von politischer Erziehung im vollen Sinne könne nicht die Rede sein, da der eigentliche Staat mit seinen realen Funktionen und politischen Ordnungen zu wenig berücksichtigt werde. Weniger und Litt legen gegenüber Oetinger starken Wert auf echte Einsicht in das Wesen des Staates. Jeder Schüler müsse über einen festen Grundbestand politischer Einsichten verfügen, die ihm erlauben, später als Staatsbürger seine Pflichten zu erfüllen und seine Rechte wahrzunehmen. Dieser Kritik kann sich der Humanismus in allen Punkten anschließen. Bei Weniger kommt sogar eine gewisse humanistische Grundeinstellung zum Vorschein, wenn er an Oetinger kritisiert, er habe übersehen, daß die politischen Ordnungen stets auf eine geistige Welt und Überlieferung bezogen sind, die in die Gegenwart ein-und übergreift. Wir wollen Oetinger das Verdienst nicht absprechen, daß er die Pädagogik auf die Wichtigkeit der Pflege von Gefühl, Gesinnung und Gewohnheiten im Rahmen der politischen Erziehung hingewiesen hat; aber er hätte die Gewichte gleichmäßig verteilen müssen. Wie das Griechentum in der archaischen und fast bis zum Ende der klassischen Zeit an der Gleichberechtigung und unbedingten Zusammengehörigkeit von Theorie und Praxis festgehalten hat, wird auch der Humanismus neben der von Oetinger betonten Reihe die andere: nämlich Vernunft, Einsicht und Wissen für gleichgewichtig erklären und den vollen Sinn der politischen Erziehung im polar-gespannten Zusammenwirken beider Seiten erblicken.

Das neue Büchlein „Sachlichkeit und Menschlichkeit“ zeigt, daß Oetinger aus der Kritik der ersten Auflage seiner „Partnerschaft“ nur wenig gelernt hat. Seine kritischen Spaziergänge durch die Bildungsgeschichte der Vergangenheit'verraten mangelnden historischen Sinn und geringe Fähigkeiten, sich in geistesgeschichtliche Zusammenhänge hineinzudenken, vor allem aber die Neigung, die Tatsachen im Sinne seines Pragmatismus zu vereinfachen und zurechtzurücken. Er neigt der Vergangenheit gegenüber zu vorschnellen negativen Werturteilen und läßt jede Ehrfurcht selbst gegenüber ehrwürdiger Tradition vermissen. Wie könnte er sonst das „humanitäre Persönlichkeitsideal“ für die Unmenschlichkeiten unserer jüngsten Vergangenheit verantwortlich machen! Das ist genau so einseitig und ungerecht geurteilt, wie wenn der Humanismus die seit dem Aufkommen der industriellen Arbeitswelt zunehmende Erziehung zur Sachlichkeit mit einem solchen Vorwurf belasten würde. Die Ablehnung des Humanismus durch Oetinger läßt den Einfluß einer bedenklichen These in Heinrich Weinstocks „Tragödie des Humanismus“ erkennen, die alle Schuld auf den „absoluten Humanismus“ ablädt. An solchen Geschichtsklitterungen ist Oetingers Büchlein nicht arm. Dazu kommen überspitzte Formulierungen und einseitige Feststellungen, etwa in dem Satz „Wirkliche Humanität steht nicht in der Dimension der Bildung, sondern in der Dimension des Lebens“ (40), als wären Bildung und Leben einander ausschließende Gegensätze.

Erziehung zur verantwortungsbewußten Freiheit im Geschichts-und Sozialkundeunterricht Die Erziehung zur sozialgerichteten, politisch freien Persönlichkeit kann auf dem Humanistischen Gymnasium nicht die Aufgabe eines einzigen Faches sein, sondern muß als immanentes Prinzip den Unterricht aller Fächer beseelen. Das schließt aber nicht aus, daß einige Fächer sich dieser Aufgabe in verstärktem Maße widmen. Neben den alten Sprachen kommt dafür in erster Linie der Geschichts-und Sozialkundeunterricht in Frage.

Die Geschichte zeigt zunächst einmal, daß der Begriff der politischen Freiheit im Verlauf der Jahrhunderte starken Wandlungen unterworfen gewesen ist Dem Gesdtiditsmiterridit fällt die Aufgabe zu, die möglichen Formen und den jeweils konkreten Sinn politisdrer Freiheit in den einzelnen Abschnitten der Gesdtidtte festzustellen und durdt edtte Aktualisierung mitzuhelfen, daß die uns heute aufgegebene politische Freiheit gedanklidie Form und zugleich politisdie Realität erhält. Die historische Einsicht soll dabei der praktischen Gestaltung nicht nur vorausgehen, sondern auch einen Antrieb in dieser Richtung auslösen.

Man kann aber das Wesen der politischen Freiheit nicht erfassen, wenn man nicht zugleich die vielfältigen Erscheinungsformen der Unfreiheit, die Phänomene der Macht und Herrschaft mit einbezieht. An Material fehlt es nicht. Den wertvollsten Beitrag für die Erziehung zur politischen Freiheit im Geschichts-und Sozialkundeunterricht hat bisher Alexander Rüstow mit seiner universalgeschichtlichen Kulturkritik „Ortsbestimmung der Gegenwart“ geliefert, wichtig für das Humanistische Gymnasium auch deshalb, weil Rüstow zu den wenigen Soziologen der Gegenwart gehört, die sich über die Notwendigkeit abendländischer Kontinuität im Klaren sind und die Antike als wesentliche Komponente einer Ortsbestimmung der Gegenwart betrachten. Wenn auch der Humanismus mit den zum Teil sehr subjektiven Beurteilungen großer Männer der Antike (z. B. Sokrates) nicht einverstanden sein kann, so’begrüßt er doch dankbar die positive Einstellung zur abendländischen Tradition. Rüstow betrachtet das Christentum zusammen mit der von ihm rezipierten und tradierten Antike als die „tragende Grundlage aller weiteren geistigen und kulturellen Entwicklung des Abendlandes, unserer gesamten Menschlichkeit und Geistigkeit bis zum heutigen Tage (II, 235). Gegen Pragmatismus und Soziologismus richten sich die beschwörenden Worte: „Wie kann eine einzelne Generation sich vermessen, den langsam aufgehäuften Reichtum der besten und glüddichsten Leistungen unzähliger Generationen vor ihr aus Eigenem ersetzen zu wollen? Wohl ihr, wenn ihr gelingt, das überkommene Erbe ohne Einbußen und Versdtlediterungen den Nachfahren zu übergeben! Und jede einzelne Hinzufügung von etwas Haltbarem und Heilsamen, jede nodi so geringe Verbesserung und Vermehrung, die ihr gelingen sollte, ist schon eine Leistung, auf die sie in aller Bescheidenheit stolz sein kann." (236).

Das besondere Verdienst des Werkes liegt in der Freilegung unserer autoritären Überlagerungstradition, die wir überwinden müssen, damit die Demokratie in Deutschland zu einer echten und dauerhaften Lebensform werden kann. Humanistisch orientiert ist auch Hans Freyers „Theorie des gegenwärtigen Zeitalters“ (1955).

Eine nützliche Materialsammlung bietet Oetingers kleine Schrift „Freiheit, die ich meine“ (1955), wenn man von den bekannten Voreingenommenheiten und Einseitigkeiten ihres pädagogischen Pragmatismus absieht. Dieser äußert sich wieder in z. T. überheblicher Kritik an der „überlieferten metaphysischen Freiheitsidee“. Oetinger möchte ihr gegenüber einen „erlebten und erlebbaren Freiheitsbegriff“ anbieten, der ein wirkliches Gegengewicht gegen den totalitären Osten darstellt. Aber dazu kommt es nicht. Die Schrift bringt zwar viele pragmatische Einzelaspekte der politischen Freiheit, ohne jedoch zum integrierenden Kern, zum eigentlichen Wesen vorzudringen. Einen ersten Ansatz dazu — aber nicht mehr — stellt der Hinweis auf den Gedanken der Verantwortung dar (71). Oetinger übersieht, daß man diesen neuen Freiheitsbegriff nur im Rahmen eines neuen Menschenbildes gewinnen kann; und diese Aufgabe läßt sich nun einmal ohne Besinnung auf die abendländische Humanität, ja, wie unsere Untersuchung gezeigt hat, ohne Berücksichtigung der antiken Philosophie nicht lösen. Die abendländische Kontinuität muß auch in dem neuen Menschenbilde gewahrt bleiben.

Der eklektische Charakter von Oetingers Materialsammlung bringt es mit sich, daß gelegentlich auch durchaus humanistische Gedanken auftauchen, z. B.der Hinweis, daß wir die Herrschaft über uns selbst wieder gewinnen können, wenn „wir uns zur Freiheit des eigenen Urteils und des eigenen Geschmacks zurückführen“ (49) oder die von Romano Guardini entlehnte Mahnung, daß wir uns zur Distanz erziehen müssen gegenüber den nivellierenden Einwirkungen unserer Massenzivilisation (49 f.). An einer anderen Stelle (68) gibt Oetinger der Hoffnung Ausdruck, daß wir Europäer auf die Dauer nicht kollektivierbar seien, einer Hoffnung, welche die jüngsten Ereignisse in Polen und Ungarn als sehr berechtigt erwiesen haben. Aber bezeichnenderweise geht er nicht auf die Ursachen ein, die uns hinreichende Abwehrkräfte gegen den Kollektivismus verliehen haben. Sie liegen gewiß nicht in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung dieser Länder, sondern in der jahrhundertelangen Erziehung zur Freiheit und zum personalen Sein, die sie ihrer Zugehörigkeit zum christlichen und humanistischen Europa verdanken. Letzten Endes bleibt an Oetingers „Kehre“ in der politischen Erziehung unverständlich, daß er unserem in der abendländischen Tradition stehenden Volke den amerikanischen Pragmatismus ohne die für jede geschichtlich denkende Pädagogik unumgängliche Modifizierung anbietet, noch dazu in einem Augenblidt, in dem das geschichtsbewußt gewordene Amerika selbst an der geschichtlichen Voraussetzungslosigkeit von Deweys pädagogischer Richtung Anstoß zu nehmen beginnt und sich um eine Synthese von Pragmatismus und Humanismus bemüht Was Amerika heute wiederherstellen möchte, den Zusammenhang mit der europäischen Tradition, wird von Oetinger leichtfertig über Bord geworfen. Er glaubt an die Notwendigkeit eines absoluten Neuanfangs und möchte Neuland bestellen. Statt einer vernünftigen Synthese das Wort zu reden, verläßt er den geschichtlichen Boden des Abendlandes und verabsolutiert die Deweyschen Prinzipien der Partnerschaft und Kooperation in einer Weise, daß sie zu Widerspruch herausfordern. Die Überbetonung der Partnerschaft führt andererseits auch dazu, daß das polare Gegenprinzip, die Autorität, in Oetingers Schrift, abgesehen von einer kurzen Andeutung (69) nicht zur Geltung kommt. Die Verabsolutierung des Partnerschaftsprinzipes wird sich in der Erziehungspraxis der Gegenwart und Zukunft ebenso verhängnisvoll auswirken, wie es die Übertreibung des Autoritätsgedankens im Bildungswesen früherer Zeiten getan hat.

Soll unsere Jugend ein unmittelbares Verhältnis zur Demokratie gewinnen, muß sie zunächst einmal Einsicht in die Grundlagen unserer freiheitlichen Lebens-und Staatsordnung erhalten. Die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zeigt, daß unsere demokratische Tradition auf sehr schwachen Füßen steht. Von F r i e d r i c h II. bis hin zu Hitler führt eine kontinuierliche politische Linie, für die autokratische Regierungsweise, Militarismus, Bürokratie oder Diktatur kennzeichnend sind. Auf dieser Folie gilt es, die zarten Fäden demokratischen Lebens von der Reformpolitik des Freiherrn vom Stein beginnend über das Hambacher Fest (1832), die Bewegung von 1848, den bürgerlichen Liberalismus und demokratischen Sozialismus, über die Weimarer Republik bis zur Gegenwart zu verfolgen Historische Bildung und politische Erziehung zur Demokratie müssen zu einer überzeugenden Einheit zusammenwachsen. Der Geschichtsund Sozialkundeunterricht hat außerdem die Wissensgrundlagen zu vermitteln, die unsere Schuljugend befähigen, Wesen und Wert der demokratischen Lebensordnung zu erkennen und sie gegenüber den geschlossenen und weltanschaulich unterbauten totalitären Systemen wirksam mit den Waffen des Geistes zu verteidigen. Auf diesem Gebiete befindet sich das Schulwesen der Bundesrepublik noch sehr im Rückstand.

Was ist seit 1945 erreicht?

Unsere Bemühungen um die Erziehung zur politischen Freiheit haben bisher leider nur geringe Erfolge erzielt. Nicht allzuhäufig finden wir heute Schulleiter und Direktoren wissenschaftlicher Institute, die bereit und fähig sind, den Geist „verantwortlicher Freiheit“, auf den jede geistige und schöpferische Tätigkeit geradezu angewiesen ist, in ihrem Mitarbeiterkreis zu verwirklichen. Aber es liegt nicht an den Führungsstellen allein, sondern ebenso sehr auch an den Mitarbeitern, die das nun einmal notwendige Ethos der freiwilligen Einordnung und Mitverantwortung nicht immer aufzubringen vermögen. Noch weniger ermutigt uns das Bild, das die heute maßgebenden Persönlichkeiten in Politik, Wirtschaft und Verwaltung bieten. Hier bleibt noch viel, wenn nicht alles zu tun! Wir leiden noch immer unter dem autoritären Klima früherer Zeiten, und der alte Herrschaftsstil mit rücksichtsloser Herrschsucht nach unten und unterwürfiger Ergebenheit nach oben ist bei uns leider noch nicht überwunden. Solange wir nicht mit dieser eingefleischten obrigkeitlichen Tradition innerlich fertig werden, ist die politische Freiheit trotz aller institutioneilen Sicherungen ständig bedroht. Diese für unsere junge Demokratie lebenswichtige Aufgabe ist nur durch bewußte Erziehung zur politischen Mündigkeit und zur verantwortlichen Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten zu lösen. Die Frage nach der Möglichkeit der politischen Freiheit in Deutschland ist die Frage einer echten politischen Erziehung zur Mitverantwortung und mitbestimmenden Initiative bis in die kleinsten Zellen unseres demokratischen Staatswesens hinein.

Die politische Aufgabe des Humanistischen Gymnasiums Das Humanistische Gymnasium ist auf Grund seiner Tradition ver-

pflichtet, in der Erziehung zur verantwortlichen Freiheit allen anderen Schularten voranzugehen. Seine entscheidende Gegenwartsaufgabe dürfte die Bildung einer sozial gesinnten, demokratisd'ien Führungsschicht sein, weldte die Kluft zwisdten Arbeit und Bildung, soweit es an ihr liegt, zu überbrücken sudtt. Die Humanisierung des arbeitenden Mensdten ist das Problem der Gegenwart und Zukunft, von dessen Lösung die Erhaltung der abendländisdien Freiheit abhängt. Darum muß sich neben den Unternehmern und Arbeitern auch die Schule ernsthaft bemühen. Der Humanismus ist schon immer an der Elitebildung des Abendlandes maßgebend beteiligt gewesen. Das trifft nicht nur auf die alten aristokratischen Führungsschichten Europas, den Cortegiano in Italien, den honnete homme in Frankreich und den gentleman in England, zu; auch im gegenwärtigen Zeitalter demokratischer Gleichheit erfüllen z. B. die bekannten humanistischen Colleges Englands die Aufgabe, geistig hochstehende, charakterfeste politische Führer zu bilden, die später in Staat, Wirtschaft und in den Parteien die leitenden Stellen einnehmen. Dieser hochpolitischen Aufgabe könnten auch die wenigen Humanistischen Gymnasien, die von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verschont geblieben sind, dienen, indem sie sich anstrengen, zu echten Eliteschulen zu werden. Demokratische Bildungselite beruht ausschließlich auf der Grundlage erwiesener Begabung und Eignung, nicht auf unberechtigten Bildungsprivilegien finanziell besser gestellter Schichten. Sie steht allen Kreisen des Volkes ohne Ansehen der Herkunft, des Standes, des Berufes offen und gibt allen die gleiche Chance des Aufstiegs. Eine solche Herrschaft und Verantwortung tragende Führungsschicht wäre auch berufen und fähig, die vom Konformismus und Kollektivismus bedrohte abendländische Freiheit selbst in der modernen Massendemokratie zu wahren und zu mehren. Ihre Anerkennung durch den mächtig aufstrebenden Arbeiterstand und durch die unbemittelten Volksschichten dürfte davon abhängen, wieweit sie sich ihrer sozialen Verpflichtung bewußt ist.

Aber auch die anderen Schularten sind dazu aufgerufen, wirksame Gegenkräfte gegen die Bedrohung unserer freiheitlichen Lebensform zu entwickeln. Nur dann, wenn Staat, Kirche und Elternhaus, wenn Industrie, Wirtschaft, Parteien und Organisationen einmütig die Bemühungen der Schule um eine freiheitliche, sozialverantwortliche Erziehung unterstützen und wenn sie selbst die Initiative ergreifen, dürfen wir hoffen, daß es auch den kommenden Generationen unseres Volkes vergönnt sein wird, in persönlicher Freiheit zu leben und der Gemeinschaft zu dienen.

Anmerkung Dr. phil. Wilhelm Luther, geb. 11. 1. 1910 in Erdmannrode, Kreis Hünfeld (Hessen), Studium der Klassischen Philologie, Theologie und Philosophie an den Universitäten Göttingen, München und Kiel. Seit 1953 Direktor am Gymnasium Philippinum in Marburg und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Prüfungsamtes der Philipps-Universität. Lehrauftrag für Didaktik der alten Sprachen. Wissenschaftliche Spezialgebiete: Philosophie (insbesondere Sprachphilosophie) und Pädagogik. Bisherige Veröffentlichungen u. a.: Wahrheit und Lüge im ältesten Griechentum, Leipzig 1935; Weltansicht und Geistesleben, Göttingen 1954.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ich beziehe mich auf Alfred Webers, »Kulturgeschichte und Kultur-soziologie", 1950, 432 ff., und Robert Jungks „Die Zukunft hat schon begonnen", 1953.

  2. Vgl. De l'esprit des lois XI, 4 u. 6. Die „Freiheit“ bei Polybios ist jedoch nicht die des einzelnen Bürgers im Staate, sondern die der Polis gegenüber äußeren Feinden (VI, 10 § 11). Die gemischte Verfassung verbürgt größere Stabilität und Dauerhaftigkeit als die einfachen Verfassungsformen; sie ist auch nicht so sehr der Gefahr der Entartung ausgesetzt wie diese. Dagegen ist der Gedanke der „politischen Freiheit" im Rahmen der gemischten Verfassung sicher im dritten Buch von Platons „Gesetzen" (693 D ff.) nachzuweisen, wo wir wohl auch den frühesten Beleg für die Idee der Mischverfassung haben. Den Fortgang dieser Tradition über den Peripatos und über Polybios bis hin zu Ciceros „De re publica" hat V. Pöschl in seiner Dissertation „Römischer Staat und griechisches Staatsdenken bei Cicero", 1936, 17 ff., zu klären versucht. An der Weitergabe des antiken Gedankengutes über die sogenannte gemischte Verfassung sind außer Montesquieu noch Macchiavelli, Thomas von Aquino und Cicero beteiligt gewesen. Vgl. Kurt von Fritz, The theory of the mixed Constitution in antiquity, New York, 1954. über den Einfluß John Lockes und anderer Autoren des 17. Jahrh, auf Montesquieu vgl. Joh. Albrecht von Rantzau in „Antike und Abendland“ V, 1956, 112.

  3. Zur Pädagogik John Lockes vgl. E. Hotimann, Pädagogischer Humanismus, 1955, 306 ff. T

  4. Vgl. Opera philosophica Latine scripta, ed. Molesworth, London I 1839, 157 ff.

  5. Genau genommen sind es zwei Verträge, die bei Hobbes den btaa konstituieren, ein pactum unionis und ein pactum subiectionis

  6. Vgl. Arnold Gehlen, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 1950 4, Hans Scheurich, Bindung und Selbstverantwortunq. 1946, und Theodor a. O. 1953, 21 ff.

  7. Näheres in „Weltansicht und Geistesleben", 1954, 9 ff.

  8. Vgl. Philosophie und Freiheit, Teil I: Metaphysik, Ethik, 1949.

  9. Ähnlich, wenn auch mit änderet Begründung: Andreas Baseler Rektoratsrede: „über die Freiheit", 1950.

  10. 74 ff.

  11. Das Problem der Umorientierung ist in der Gegenwart gestellt von H. Weinstock, Arbeit und Bildung, 1954, 8 ff.

  12. Einzelvorschläge möchte ich mir für das Kapitel „Freiheit und Gleichheit" vorbehalten.

  13. Näheres in meinem Aufsatz „Wert und Bedeutung der humanistischen Bildung für unsere Zeit", Die Pädagogische Provinz, 1953, 573 ff. Vgl. auch Hans Wenke, Humanistische Bildung und Berufsleben, Universitas, 1956, 897 ff.

  14. Zum folgenden vgl. O. Fr. Bollnow, Die Rolle der Vernunft im Menschenleben, Die Sammlung, 1950, 720 ff., Arnold Bork, Griechentum und Abendland, Gymnasium, 1952, 4 ff., W. Luther a. O. 574 ff., Gerhard Krüger, Abendländische Humanität, 1953, Bruno Snell, Die Entdeckung des Geistes, 1955 3, 412 ff., Ernst Hoffmann, a. O. 1955, Franz Schnabel, Das humanistische Bildungsgut im Wandel von Staat und Gesellschaft, 1956, Carlo Schmid, Das humanistische Bildungsideal, 1956, und W. Schadewaldt, Sinn und Wert der humanistischen Bildung im Leben unserer Zeit, 1956.

  15. Vgl. die Übertragung von St. Hermlin, Zürich 1947, 250.

  16. Vgl. Luther a. O. 1953, 583 f. Ähnlich äußern sich: E. Weniger, Die Sammlung, 1950, 610 f., W. Reichert, Die Kulturautonomie der Länder und die Einheit der deutschen Bildung, 1951, 22 ff., H. Weinstock, Die Tragödie des Humanismus, 1954 2, 285 ff., Arnold Bork, Gymnasium, 1954, 26 und Carlo Schmid, a. O. 1956.

  17. Vgl. Aus der Werkstatt des Sozialforschers, hersg. von Max Graf zu Sosms, 1948, 40 ff.

  18. Aus Karl Jaspers, Die geistige Situation der Zeit, 1953 5, 115.

  19. Näheres in meinem Aufsatz „Die griechische Gymnastik als Leitbild für Sport und Spiel im Gymnasium der Gegenwart", der demnächst im Studium Generale erscheint.

  20. Ich verweise auf den ausgezeichneten Beitrag des Schweizer Philosophen und Humanisten Henry-L. Mieville: Tolerance et Vrit suivi do Liberte et Democratie, 1949, jetzt in deutscher Übersetzung, Bern 1955.

  21. Ähnlich H. Weinstock, Realer Humanismus, 1955, 71 f.

  22. Vgl. Erich Weniger, Politische Bildung und staatsbürgerliche Erziehung, 1954, Gutachten des deutschen Ausschusses für das Erziehungs-und Bildungswesen zur politischen Bildung und Erziehung in der Zeitschrift „Geschichte in Wissenschaft und Unterricht", 1955, 79 ff., dazu Wenigers Kommentar in der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" vom 14. 9. 55.

  23. Zum folgenden vgl. Friedrich Oetinger, Partnerschaft. 1951 1, 1953 -, Theodor Wilhelm, Eine Lanze für die Partnerschaft, Die Sammlung, 1954, 225 ff., Fr. Oetinger, Sachlichkeit und Menschlichkeit, 1955, Erich Weniger, Politische und mitbürgerliche Erziehung in Die Sammlung, 1952, 304 ff., und Theodor Litt, Die politische Selbsterziehung des deutschen Volkes, 1954.

  24. Vgl. E. Weniger, Die politische Freiheit in der Geschichte, Westermanns Pädagogische Beiträge, 1952, 230 ff.

  25. Bisher liegen die Bände 1: Ursprung der Herrschaft, 1950, und II: Weg der Freiheit, 1952, vor. Zur Kritik vgl. H. Wernle, Gnomon, 1953, 289 ff.

  26. Näheres bei Otto Debatin, Spezialist oder Humanist, in Der Volkswirt, 1956, 13 ff.

  27. Das Thema „Autorität und Freiheit" möchte ich in einem besonderen Kapitel behandeln.

  28. Vgl. Karl Bucliheim im Studium Generale 1951, 500 ff., und die dort angegebene Literatur.

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