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Der harte Faktor der Weltveränderung: Die demographischen Entwicklungen bis zum Jahre 2050 | APuZ 52-53/1999 | bpb.de

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APuZ 52-53/1999 Den globalen Wandel durch globale Strukturpolitik gestalten Der harte Faktor der Weltveränderung: Die demographischen Entwicklungen bis zum Jahre 2050 Konflikte von morgen. Wahrnehmungen, Kategorien und Folgerungen Humanitäre Hilfe in globalen Konflikten

Der harte Faktor der Weltveränderung: Die demographischen Entwicklungen bis zum Jahre 2050

Josef Schmid

/ 27 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die dramatische Entwicklung der Bevölkerungen der Dritten Welt wird die globale Lage entscheidend verändern; mit den demographischen Gewichten werden sich auch die ökonomischen und politischen verlagern. Die Methoden der Vorausberechnungen haben sich in einer Weise verfeinert, daß künftige Problemlagen wie unkontrollierbare Ballungsgebiete, ethnische Konflikte, Knappheit natürlicher Ressourcen und Binnenwanderung bzw. Migration sich abschätzen lassen. Die Entwicklungsaussichten werden unter dem Gesichtspunkt des jährlichen Bevölkerungszuwachses geprüft, ohne in die Monokausalität des nur Demographischen zu verfallen; daher werden auch kulturelle und allgemeine dynamische Entwicklungsbedingungen mit einbezogen. Die günstigen Aussichten Ostasiens haben in der politischen und industriellen Entwicklung Chinas ihren Unsicherheitsfaktor. Zentralasien wird von der Rivalität zwischen dem islamischen Pakistan und Indien bestimmt, das bis 2050 China an Bevölkerungszahl übertreffen wird. Die ungelösten Macht-und Ressourcenfragen werden Westasien und Lateinamerika dominieren. Die Tendenz zur Verdoppelung ihrer Bevölkerungen bedeutet einen entsprechend hohen Investitionsdruck, nicht zuletzt in „menschliche Ressourcen“, um schneller an eine verwissenschaftlichte Weltzivilisation Anschluß zu finden. Der Westen zeigt eine der Dritten Welt entgegengesetzte demographische Entwicklung; wie er diese mit seinen ebenfalls absehbaren Folgen meistern wird, ist bis heute unklar. Europa gerät in ein „Bevölkerungsdilemma“: anhaltende Geburtendefizite mit der Folge fortgesetzter Schrumpfung der Nachwuchsgenerationen und Anstieg der Lebenserwartung entsprechend den steigenden Kosten der Alterssicherung. Das Einwanderungspotential liegt aber in fremdkulturellen Kontinenten und ist in dem gewünschten Umfang nicht in eine Hochtechnologiegesellschaft zu integrieren. Der Bevölkerungsdruck auf den Westen wird gleichwohl unvermindert anhalten. Die aus dem Entwicklungsprozeß stammenden Konflikte in den neuen Großstaaten wie Nationalismus, ethnische Abspaltungen und Sezessionskriege sowie territoriale Ansprüche werden die industrialisierte Welt mehr erschüttern, als dies heute vielfach vermutet wird.

I. Demographische Daten: Das gesicherte Zukunftswissen

Tabelle 1: Die Weltbevölkerung 1999 -Wachstum und Projektion Quelle: Daten einschließlich 2025 aus: Population Reference Bureau (Hrsg,), World Population Data Sheet, Washington, D. C. 1999; für 2050: United Nations, World Population Prospects, New York 1998; das Population Reference Bureau setzt seine Projektionen etwas höher an; sie trauen den Annahmen der United Nations nicht in allen Punkten.

Noch immer scheinen uns die Prognosen zu den demographischen Giganten dieser Erde weit entfernt -so als könnten sie unserer Sphäre nichts anhaben. Auch das Jahr 2050 scheint noch so in den Sternen zu stehen, daß es unsere Gegenwart kaum berührt. Dabei haben die Veränderungsprozesse längst eingesetzt, und alle, die heute um 25 Jahre alt sind, haben eine große Chance, das Jahr 2050 in körperlicher und geistiger Frische zu erleben. Das ist die gesamte junge Generation, die sich allmählich auf ihre künftige tragende Rolle einzustellen und einzuarbeiten beginnt. In ihrem Leben werden sich dann ebenso gewaltige Änderungen vollzogen haben wie im Leben eines heute 90jährigen, der als Knabe im Matrosenanzug noch dem Kaiser zugewunken hatte. Nur finden die Veränderungen jetzt nicht mehr schwergewichtig in Europa statt, sondern längst außerhalb -auf den Entwicklungskontinenten.

Vor Wochen beging die Weltgemeinschaft den recht fiktiven Tag, an dem der sechsmilliardste Mensch angekommen sein soll. Da seitdem die Menschenzähluhr unaufhaltsam weiterläuft, zeigt ein Blick auf das Jahr 2025 acht Milliarden und bis 2050 dann eine Menschheit zwischen acht und elf Milliarden. Korrekturen und günstige Annahmen unterstellen eine „mittlere Variante“ von 8, 9 Milliarden

Bis zur ersten Milliarde um 1820 war der gesamte Zeitraum der Evolution des Menschengeschlechts nötig; von der fünften Milliarde 1987 bis zur soeben erreichten sechsten verstrichen nur knapp 13 Jahre. Die Weltbevölkerung hat ihre Wachs­ tumsspitze überschritten. Sie wächst zwar weiter, doch mit geringeren Zuwachsraten. Zur Zeit kommen jährlich an die 80 Millionen hinzu; vor zehn Jahren waren es noch 90 Millionen gewesen. Ein weltweit beobachteter sanfter Geburtenrückgang wird die Zuwächse weiter verringern und die Zeitspanne für die jeweils nächste Milliarde wieder dehnen. In den vergangenen 40 Jahren hat sich die Weltbevölkerung verdoppelt, in den kommenden 40 Jahren dagegen wird sie nur noch um knapp die Hälfte zulegen -allerdings ausgehend von einer größeren Basis.

So beruhigend dieses Faktum vielleicht auch sein mag, so unaufhaltsam wirkt das Weiterwachsen, auch mit verminderter Intensität, in weltverändernder Weise. Die größte Überraschung dürfte sein, daß China mit seinen derzeit 1, 239 Milliarden von Indien mit derzeit 982 Millionen Einwohnern wegen einer deutlich höheren Wachstumsrate bis 2050 überrundet werden wird. Indien wird auf jeden Fall die 1, 5 Milliarden passieren, was China mit seiner strengen Ein-Kind-Politik zu verhindern trachtet.

Zur Zeit haben Afrika und Europa noch ein ähnlich großes Bevölkerungsvolumen. Um 2050 werden die völlig verschiedenen Modi der demographischen Ergänzung, die auf beiden Kontinenten herrschen, sich entfaltet haben: Wenn Afrika 1, 766 Milliarden Menschen zählen wird, wird Europa dagegen 100 Millionen verloren haben und auf 628 Millionen abgenommen haben. Dieser Vergleich macht auf das Wachstumspotential aufmerksam, das in jungen und noch von hoher Sterblichkeit gekennzeichneten Bevölkerungen schlummert, aber auch auf den Schrumpfungskurs, dem alternde, weil geburtenschwache Bevölkerungen Europas unterliegen.

Nordamerika, bestehend aus den Einwanderungsländern USA und Kanada, kann seine Bevölkerungsveränderungen scheinbar noch am besten steuern. Seine Einwanderungspolitik zielt auf Abschöpfung von Intelligenzen und Spezialberufen aus anderen Kontinenten, die zusammen mit den illegalen Grenzübertritten aus Mexiko eine Tendenz zur „Ethnisierung“ der USA erkennen lassen. Ab 2050 wird die traditionell weiße Bevölkerung der USA in die Minderheit geraten. Die derzeitigen 303 Millionen werden bis 2050 auf 392 Millionen anwachsen. Im Kontrast dazu unterliegt Lateinamerika einer inneren Dynamik. Seine 512 Millionen heute werden bis dahin auf 809 Millionen zugenommen und Europa überrundet haben.

Wenn allein die mittlere Variante der VN-Projektionen betrachtet wird, bekommt man nur einen schlichten Einblick in die Wachstumsprozesse der Weltbevölkerung. Die Schwankungsbreiten zwischen hoher und niedriger Variante sowie die Korrekturen, die laufend angebracht werden, zeigen die Schwierigkeiten, die die Einschätzung des Entwicklungsweges und damit auch der Ansätze für eine Politik gegenüber dem Bevölkerungsdruck bereitet.

Je nachdem, wie seriös die Annahmen über die zu erwartenden Geburten-und Sterblichkeitstrends sind und welche Regionen von ihrem Gewicht her die Weltstatistik beeinflussen, muß korrigiert werden. Als 1987 fünf Milliarden erreicht waren, wurde ebenfalls schon auf das Jahr 2050 vorausgeschätzt; man mußte feststellen, daß die prognostizierte Weltbevölkerung damals in die Schwankungsbreite zwischen acht und dreizehn Milliarden paßte. Die ab 1990 erstellten Projektionen korrigierten jeweils nach unten. Die jüngsten Projektionen bis 2050 liegen zwischen 7, 7 und 11, 2 Milliarden. Es ist der weltweit zu beobachtende Geburtenrückgang, der die erneuten Schätzungen nötig macht. Die drastische Reduzierung der Geburten in China -einem Fünftel der Weltbevölkerung -sorgt für die starken Ausschläge in der Weltstatistik. Sie wird seit Jahren einmal mit und einmal ohne China erstellt.

II. Die regionalen Gewichte und demographischen Übergänge

Abbildung: Stand des demographischen Übergangs in verschiedenen Weltregionen 1995 (Geburten und Sterberate in Promille) Quelle: Population Reference Bureau, World Population Data Sheet, 1996; eigene Darstellung.

Die Ungewißheit bezüglich des Wachstums der Weltbevölkerung -sei es bis 2050 oder bis zum Zeitpunkt ihrer endgültigen Stagnation -ist gegenwärtig nicht zu beheben. Doch es hilft ein Blick auf die Weltregionen und ihre relevanten Großbevölkerungen. Er liefert ein faßbares Wissen über die internen Prozesse, die zu Wachstum oder aber zum Schrumpfen führen.

Weltregionen

Für einige Weltregionen ist ein demographischer Anstieg programmiert, dem noch nicht anzusehen ist -zumindest aus europäischer Perspektive -, wie darauf im kommenden Jahrhundert ein wirtschaftlicher und politischer Aufstieg erfolgen soll. Der afrikanische Kontinent, das Weltsorgenkind der Entwicklungspolitik, wird seine gegenwärtige Bevölkerung von 771 Millionen bis 2050 mit einem Faktor zwischen 2, 4 und 3, 3 vervielfachen. Afrika liegt mit seiner jährlichen Wachstumsrate von derzeit 2, 5 Prozent deutlich über dem Durchschnitt des Weltbevölkerungswachstums. Im kommenden halben Jahrhundert wird es über 20 Prozent der Menschheit stellen. Süd-und Südostasien mit Indien, Pakistan und Bangladesh wird ebenfalls überdurchschnittlich wachsen. Indien allein wird zwischen 16 und 18 Prozent der Weltbevölkerung auf sich vereinen. Es hat heute schon neben Afrika die am raschesten wachsende Bevölkerung. Im Nationenvergleich entfällt auf Indien der Großteil an den jährlichen Neugeborenen auf der Welt. China wird bis 2050 seinen noch vor Jahren prognostizierten hohen Anteil an der Weltbevölkerung verringern und mit 16 Prozent knapp hinter Indien bleiben.

Die industrialisierte Welt dagegen schreitet auf ihrem absoluten wie anteilsmäßigen Abwärtstrend fort. Um 1950 entfielen 33 Prozent der Weltbevölkerung auf sie, um 2050 werden es nur mehr zwölf Prozent sein. Im Mittelmeerraum treffen die kontrast-reichen Wachstumstempi von Erster und Dritter Welt hart aufeinander: Die geburtenschwächsten Länder Europas stehen einem exorbitanten Wachstum in den nordafrikanischen Staaten gegenüber. Allein die Türkei und Ägypten könnten dann mit jeweils über 100 Millionen Einwohnern die Bevölkerung einzelner süd-und westeuropäischer Länder um das Doppelte überflügeln

Demographische Übergänge

Im Entwicklungsprozeß durchschreiten Bevölkerungen unterschiedliche Wachstumsstadien. Sie wachsen um den Überschuß an Neugeborenen über die (in den einzelnen Altersstufen) Gestorbenen.

Dieser Überschuß steigt in dem Maße an, wie man mit Investitionen, Techniken und Medizin den Tod, vor allem im Kindesalter, zurückdrängt. Europa hat diese Wachstumsphase mit nachfolgenden Geburtensenkungen beendet, ja unterboten. Es lebt seit Jahren mit Sterbeüberschüssen. Drittweltländer befinden sich noch an frühen Stationen ihres demographischen Weges, ihres „Übergangs“. Es ist leichter, mit Hilfe medizinischer Versorgung Sterbefälle zu senken, als Abermillionen von jungen Paaren zu überzeugen, daß sie nicht mehr die gewohnte Geburtenzahl benötigen, um zu einer gewünschten Zahl überlebender Kinder -und damit nicht zuletzt zu ihrer eigenen Alterssicherung -zu kommen.

An der Endphase des demographischen Übergangs finden sich Europa und Nordamerika mit nur 1, 4 Kindern pro Frau, während im Durchschnitt erst 2, 1 Kinder die Elterngeneration zur Gänze ersetzen können; der Generationenersatz der modernen Welt ist also schon defizitär. Dann folgt Ostasien, von dem man weiß, daß es mit wirtschaftlichen Fortschritten sein Bevölkerungsproblem löst wie die Europäer. Das westliche und mittlere Asien dagegen -vom Nahen Osten über den indischen Subkontinent bis Indonesien -befindet sich in der Wachstumsphase mit niedrigen Sterbeziffern und nur sehr langsam fallenden hohen Geburtenwerten. Das gilt ebenso für das tropische Lateinamerika. In einer verschärften Wachstumsphase der Bevölkerung -mit der weitesten Spreizung zwischen Geburtenniveau und Sterblichkeit -befindet sich Afrika. Es dürfte vor Ende des kommenden Jahrhunderts nicht die Stagnationsphase erreichen -jene Abschlußphase des demographischen Übergangs, in der sich Geburten und Sterbefälle auf niedrigem Niveau angleichen und nur noch Bevölkerungsersatz, aber kein Bevölkerungswachstum mehr produziert wird. Man erkennt daraus, daß alle Bevölkerungen in ihrer Geschichte eine Streß-Phase absolvieren müssen: Neue Wege der Nahrungsbeschaffung, Technologie, Ressourcen und industrielle Organisationsformen müssen entstehen, um sie zu bewältigen.

Altersstrukturen

Die Altersstrukturen widerspiegeln das Innere der Bevölkerungen und zeigen noch deutlicher als die Differenz von Sterbe-und Geburtenwerten, was ihnen bevorsteht. Es geht hier um die Gegenüberstellung von Jung und Alt. Sie bietet ein noch aufschlußreicheres Bild als die Wachstumsraten und Geborenenüberschüsse im Vergleich. Von der europäischen Entwicklung her sind wir gewohnt, daß die Probleme einer Alterspyramide mit breitem Jugendsockel (etwa um 1900) und einer solchen, die sich zur Glocke formt (wie in den zwanziger Jahren) und schon Alterung bedeutet, zeitlich hintereinander liegen. Die Zahlen für die Entwicklungskontinente zeigen auf der einen Seite einen Wachstums-druck, der von starken Jugendjahrgängen ausgeht, und auf der anderen Seite eine Alterungstendenz der Bevölkerungspyramide, die von langsamen Geburtenrückgängen und allmählich steigender Lebenserwartung herrührt. Diese Tendenzen werden sich bis 2050 verstärken. Im breiten Jugendsockel einer Alterspyramide schlummert ein Wachstumspotential, das bis zu seiner Erschöpfung nach drei Generationen das Bevölkerungsvolumen noch einmal verdoppeln kann. Man spricht von einem „demographischen Momentum“, wenn aus starken Jugendjahrgängen zwanzig Jahre später starke Elternjahrgänge werden, die dabei sind, die dritte Generation in die Welt zu setzen. Die entscheidende Frage ist, welche Zahl von Kindern sie haben werden. Zwei überlebende Kinder wären nur Ersatz der Elterngeneration und könnten die Stagnationsphase einleiten. Doch die steigende Zahl an Elternpaaren, die aus dem Jugendsockel hervorgeht, kann die Geburtenrückgänge in einer Generation wettmachen. Der Jugend-sockel muß abschmelzen, die Altersstruktur sich verschlanken und das bloße Ersatzniveau der Generationen von zwei Kindern erreicht sein -erst dann wird sich das demographische Wachstumspotential erschöpfen. Man weiß, daß das bis 2050 noch keineswegs überall geschehen wird. Die durchschnittliche Kinderzahl liegt in den Entwicklungsländern außerhalb Chinas immer noch bei vier, in Afrika südlich der Sahara bei sechs. Dort ist an eine baldige Stagnation nicht zu denken.

Die europäische Alterung

In Europa hat sich der alte Menschheitstraum vom langen Leben erfüllt. Doch Solidargemeinschaften können deswegen nicht die Hände in den Schoß legen. Die Alterung ist allseits spürbar. Der Geburtenrückgang hat sich längst zum „defizitären Geburtenertrag“ fortentwickelt, weil mit 1, 3 Kindern pro Frau der Generationenersatz um ein Drittel unterschritten ist und die Altenjahrgänge anteilsmäßig an Gewicht gewinnen. Außerdem sorgen generöse Gesundheitsdienste für steigende Lebenserwartung, gerade in den hochbetagten Rängen der 80-bis 100jährigen Sie liegt 1999 in Westeuropa bei 74 Jahren für Männer und 80 Jahren für Frauen; zwischen 2040 und 2050 werden in den heutigen Industrieländern die Männer durchschnittlich 77, 7 und Frauen 83, 8 Jahre alt werden Die aus den z. T. dramatischen Veränderungen der Altersstruktur herrührenden Probleme fallen in den einzelnen Weltteilen unterschiedlich und mit jeweils anderer Intensität an: In Europa bringen sie die sozialen Sicherungssysteme unter Finanzierungsdruck und fordern das Verhältnis der Generationen zueinander heraus. Auf den Entwicklungskontinenten beeinträchtigt die demographische Last den Entwicklungsweg -so lange, bis sie sich in Humankapital verwandelt und die Entwicklung mitträgt. Ab dem Jahre 2015 beginnen die einstigen Kinder des Baby-Booms der sechziger Jahre sich zur Ruhe zu setzen. Ihr Zustrom ins Pensionsalter wird sich bis 2030 fortsetzen und geburtenschwachen aktiven Jahrgängen des darauf erfolgten Geburteneinbruchs, des „Pillenknicks“, gegenüberstehen, der seit den siebziger Jahren bis heute andauert. Schon zu Anfang des neuen Jahrhunderts wird sich das Verhältnis der unter 20jährigen zu den über 60jübrigen umkehren. Bis 2025 werden die Älteren an die 30 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen.

III. Problemaufriß

Tabelle 2: Deutschland und die Weltbevölkerung Quelle: 1871: eigene Berechnungen; 1900: Massimo Livi-Bacci, A Concise History of World Population, Cambridge-Oxford 1992; ab 1950: United Nations, World Population Prospects, The 1998 Revision, New York 1999.

Es versteht sich eigentlich von selbst, daß von den Veränderungen des Bevölkerungswachstums ein ständiger Druck auf alle gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen ausgeht. Es ist ein eurozentristisches Vorurteil, daß mit dem Bevölkerungsvolumen auch die wichtigen Institutionen und Lebensabsicherungen mitwachsen würden, vor allem in der Wirtschaft und bei den Ernteerträgen. Seit Jahrzehnten gelten aber die Ernährungsfrage, die Verstädterung und der Ressourcen-verbrauch als die Hauptprobleme. Hunger ist oft eher eine Folge der sozialen Ungleichheit als der Vermehrung der Münder, weil „Hungerstaaten“ gleichzeitig auch Nahrungsmittelexporteure sind. Doch staatliche Existenzsicherung des einzelnen ist außerhalb des Westens nicht bekannt und auch nicht schlichtweg einzuführen. Verstädterung ist ein Konzentrationsphänomen. Schon um das Jahr 2015 werden 54 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, ein erheblicher Teil von ihnen in Mega-Cities von über 10 Millionen Einwohnern. Der Raubbau an Ressourcen läßt sich auf eine rückständige Technologie und Wirtschaftsgesinnung zurückführen.

Der Druck, der von einem Bevölkerungswachstum zwischen 2 und 3 Prozent jährlich ausgeht, kann keine ausgleichenden, kompensierenden Kräfte finden, die einen gedeihlichen Wachstumspfad verheißen. Hier werden die westlichen Prinzipien Freihandel und Demokratie wenig helfen. Für „good governance“ fehlen alle Voraussetzungen: „Rasch wachsende Bevölkerungen können sich nicht rational strukturieren“, so Leon Tabah, französischer Emeritus der Demographie, der in allen einschlägigen Weltgremien vertreten war. Afrika, Mittelamerika sowie West-und Zentralasien gehören zu dieser Kategorie; sie sind Opfer der „demographischen Entwicklungsfalle“: Bescheidene Fortschritte werden von den unmittelbaren Kosten des Bevölkerungswachstums aufgezehrt Indien hat Mitte des Jahres 1999 seine Situation in dieser Weise beschrieben. Starke Jugendjahrgänge benötigen hohe Überlebenskosten, wie gering auch der Betrag für den einzelnen erscheinen mag. Der Umkehrschluß jedoch, daß Geburtenbeschränkung automatisch zur Besserung der Lage führen müsse, beruht auf einer Denkweise, die Wohlstand und Bevölkerungswachstum in ein umgekehrt proportionales, mechanisches Verhältnis setzt. Ein solches nur arithmetisch gedachtes Verhältnis kann praktisch-politisch nicht umgesetzt werden. Solange die hohe Kinderzahl -mit westlichem Auge betrachtet -nur mit Unwissenheit, Aberglauben und Mangel an Verhütungsmitteln erklärt wird, mag man auf den Gedanken verfallen, daß etwas Aufklärung und Propaganda für Familienplanung den Geburtensenkungsvorgang unumkehrbar einleitet, sich massenpsychologisch verstärkt und ausbreitet Doch man weiß längst, daß hohe Kinderzahlen nur der Reflex einer bedrängten, von Güterknappheit diktierten Existenz sind: Kinder sind die Mittelbeschaffer, die am leichtesten , zu haben sind; die einzige Ressource, zu denen Millionen Frauen Zugang haben. Die große Kindersterblichkeit gerade in diesen Milieus erzwingt dann „Vorsorgegeburten“, von denen aber nunmehr -einem allgemeinen Trend folgend -immer mehr überleben.

Auch reiligiöse und kulturelle Vorschriften führen zu zahlreichen Kindern. Die hinduistische Toten-zeremonie für den verstorbenen Vater z. B. muß der Sohn ausrichten. Wenn man berücksichtigt, daß auch Mädchen geboren werden und Kinder sterben, dann erfordert allein diese Zeremonie fünf bis sieben Geburten, um zu einem überlebenden Sohn zu kommen. Die Geschlechterpräferenz für Söhne in bäuerlich gesprägten Regionen tut ein übriges, die Kinderzahl nach oben zu rücken. Keine bloße Aufklärung oder Verhütungspropaganda hat bisher daran etwas ändern können. Sie stößt nur dort auf Widerhall, wo -die Kindersterblichkeit so weit gesunken ist, daß auch die Vorsorgegeburten heranwachsen und von den Müttern als ein Zuviel an Nachwuchs empfunden werden und damit ein Familienplanungsbedarf angemeldet wird; -die Besserung der Lebensverhältnisse so deutlich verspürt wird, daß die Eltern in wenigen ausgebildeten Kindern auch für sich ein besseres Dasein und sorgenfreies Alter erhoffen; -die verfügbaren Methoden der Empfängnisverhütung und ihre Einführung die Sitten und Gebräuche der relevanten Regionen bzw. Religionen nicht verletzen.

Nur wo diese Bedingungen erfüllt sind, kann man der demographischen Falle entkommen.

Hinsichtlich der Ressourcenfrage wurde unter dem Einfluß der ersten Berichte an den Club of Rome in den siebziger Jahren eine enge Verbindung zwischen wachsender Bevölkerung, Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung hergestellt. Die Besorgnis richtete sich vor allem auf nichterneuerbare Rohstoffe und Bodenschätze. In der Zwischenzeit haben sich viele Rohstoffe, mit deren Verbrauch der Untergang der Zivilisation vorausgesagt wurde, als substituierbar erwiesen. Mit steigenden Preisen wurde an ihrem technologischen Ersatz gearbeitet, wofür es imponierende Beispiele gibt Seit einiger Zeit weiß man jedoch, daß die Folgen anhaltenden Bevölkerungsdrucks zusammengenommen auch die erneuerbare Ressourcenbasis -Boden, Wasser und Atmosphäre -beeinträchtigen und dies an angebbaren Orten schneller, als die Regenerationskräfte sie wiederherstellen könnten. Wasser könnte im jetzt beginnenden neuen Jahrhundert jene Rolle spielen -und auch jene strategische Bedeutung erhalten -, wie sie das Erdöl im 20. Jahrhundert hatte

In der Ländergruppe mit einem Bevölkerungswachstum zwischen einem und zwei Prozent ist Erleichterung zu sehen. Ostasien, Lateinamerika und die Karibik haben zwar zu kämpfen, doch fin­ den sich „Erfolgskandidaten“ darunter, wo nur ihre politischen Regime dem Westen noch rätselhaft bleiben. Das dürfte am Kulturfaktor liegen, mit dem der Bevölkerungsfaktor an Bedeutung gleichzieht und der eine andere Welt schafft, als sie die westliche Modernisierung vorsieht. Die Probleme allerdings von Ländern, die sich gerade vom äußersten Bevölkerungsdruck befreien, sind nicht geringer. Durch kleinere Jugendjahrgänge frei gewordene Ressourcen müßten sofort in deren Ausbildung investiert werden, und die Arbeitsplätze für sie müßten schon geschaffen sein. In Europa waren Bevölkerungswachstum und Industrie beinahe gleichzeitig gewachsen. Im „Süden“ ist noch nicht zu sehen, wie die nahezu eine Milliarde junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren in Arbeit und Brot gesetzt werden kann. Die fortgeschrittene Welt legt einen Zwang zur Technologisierung vor, dem die Qualifikationsstrukturen des Humankapitals auf den Entwicklungskontinenten erst in ganz wenigen Regionen entsprechen, etwa in der Karibik und einigen indischen Bundesstaaten Die Beschäftigungsfrage der Dritten Welt dürfte mit den traditionellen Problemen wie Ernährung und Verstädterung gleichrangig werden. Man hat noch wenig Vorstellungen von dem Modernisierungsprozeß, in dem Länder sich mit ungelernten Massen in eine postindustrielle Welt einfügen müssen, und wie sie die Zwischenstadien vom Traditionellen zum Modernen ohne Desaster, Anomie, Fundamentalismen und Nationalismen überspringen sollen"

In einer solchen Situation ist nicht zu erwarten, daß Familien allmählich aufhören, einzige Existenzgrundlage zu sein, und daß Alterssicherung an stabile staatliche Sozialbürokratien übergeht, was bekanntlich in Europa das Hauptmotiv zur Beschränkung der Kinderzahl gewesen war. Es ist fraglich, ob die in Europa entstandene konsumierende und scheidungsbereite Kleinfamilie in Regionen des Südens als modernes, funktionales Äquivalent für Großfamilien-und Clanstrukturen überhaupt möglich oder gar wünschenswert ist. Die soziale Sicherheit der Kleinfamilie beruht auf Massenproduktion, Sozialstaat und auf gleichartigen Einkommens-und Mittelstandsstrukturen, die in den Entwicklungsländern sich kaum nach europäischem Muster werden ausprägen können. Der Besitzindividualismus, der sich durch die westliche Sozialgeschichte zieht, ist dort nirgendwo im Entstehen. Clangeist, Familienorientierung sowie eth-nische Gruppierungen bedingungslosen Vertrauens dürften sich dort erhalten und auch in dieser Form in der Weltwirtschaft auftreten. Was im Westen als mafios erscheint, ist im Grunde auch der Versuch, die Vorteile traditioneller Strukturen nicht einer westlichen Moderne zu opfern, sondern sie in der vom Westen beherrschten globalen Wirtschaft wiederzubeleben, sogar neu zu schöpfen. Der Kampf der Kulturen dürfte immer weniger an den geographischen Grenzen selbst stattfinden als an den Knotenpunkten des globalen Verkehrs und Transfers. Ethnische Gruppen werden die öffentlichen Güter des Westens, den lockeren Verbund seines Liberalismus in gegenteiliger Haltung zu nutzen verstehen

Wenn von Weltbevölkerung -vor allem von ihrem Wachstum in der Dritten Welt -die Rede ist, wird gelegentlich auf den angeblich fiktiven Charakter der Debatte verwiesen. Denn die Menschheit teile sich ja in 200 Staaten und Verwaltungseinheiten, die aus ihren Bevölkerungen eine je besondere ökonomische und kulturelle Organisation geschaffen haben. Dieser Einwand ist kein Trost, weil die inneren Kämpfe und die nach außen gerichteten Ansprüche dieser 200 Einheiten ihre jeweilige demographische Lage widerspiegeln, anstatt sie zu beherrschen. Ihre Versammlung allerdings, die Vereinten Nationen, können in ihrem Namen Weltbevölkerungskonferenzen einberufen und dazugehörige Resolutionen den Einzelstaaten zur Ratifizierung empfehlen. Dort verabschiedete „Weltbevölkerungsaktionspläne“ machten manche Mitglieder auf die Bedeutung dieser Frage erst aufmerksam. Sie sind der Versuch, eine Art Weltbevölkerungspolitik zu etablieren, die keine mechanischen Patentrezepte mehr kennt, sondern die Staaten der Welt auffordert, „sich ihres Bevölkerungsproblems bewußt zu werden“, Schlußfolgerungen zu ziehen und gegebenenfalls Maßnahmen einzuleiten

IV. Deutschland und die Entwicklung der Weltbevölkerung

Mit der Reichsgründung 1871 begab sich die deutsche Bevölkerung in ihre Wachstumsphase aufgrund sinkender Sterbewerte und nur langsam folgender Geburtenrückgänge. Seinen Anteil an der europäischen Bevölkerung wird Deutschland noch lange konstant halten, weil die Europäer einem ähnlichen Trend unterliegen. Eine gewisse Dramatik zeigen die deutschen Anteile an der Weltbevölkerung. Der Rückgang auf 0, 8 Prozent bis 2050 ist auch mit einem gewissen Bedeutungsverlust Deutschlands verbunden.

Deutschland folgt nicht nur einem europäischen Trend, es eilte ihm vielmehr voraus. 1973 hatte es die erste Großbevölkerung, die in Frieden, Freiheit und Wohlstand real abnimmt. Die Gehörenenüberschüsse des Babybooms Mitte der sechziger Jahre haben sich jährlich verringert und sind dabei übers demographische Ziel, die ausgeglichene Bevölkerungsbilanz, hinausgeschossen. Dieser Trend hat den dauerhaften Überhang der Sterbefälle begründet. Wenn gelegentlich noch ein jährliches Plus erscheint, dann ist es dem Über-hang von Zuwanderungen über die Fortzüge zu verdanken. Man kann rückblickend dabei sogar von Gesamtdeutschland sprechen, denn auch die DDR verfiel in eine Bevölkerungsdegression, aus der sie sich ab 1974 mit einem Familienförderprogramm herausarbeitete Die Bevölkerungsbilanz ist die notwendige, aber nur oberflächliche Darstellung der demographischen Situation. Wie in Drittweltländern die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau auf die Vergrößerung der kommenden Generation schließen läßt, so muß man die deutsche „Gesamtfruchtbarkeitsziffer“ von 1, 4 auf ihre längerfristige Abnah-mewirkung hin bedenken. Die deutsche Bevölkerung ist damit vom Generationenersatz um ein Drittel entfernt. Ein Geborenendefizit solchen Ausmaßes trägt ebenfalls ein „demographisches Momentum“ in sich: Es verringern sich mit ihm auch die Zahl der Mütter der kommenden Generation, die -bei unverändert niedriger Kinderzahl -in . eine Abwärtspirale wandert. Ein Vergleich von Indexzahlen -beginnend mit 100 Eltern -ergibt in der vierten Generation nur noch ein Nachwuchsvolumen von 30. Die staatlichen „koordinierten Vorausschätzungen“ enthalten schon seit Jahren die unbestrittene Aussage, daß die Einwohnerzahl -Deutsche und Ausländer -von derzeit 82 Millionen in 30 Jahren auf 70 Millionen, in 50 Jahren auf 60 Millionen und gegen Ende des 22. Jahrhunderts weniger als 40 Millionen betragen wird. In diesen Prognosezahlen sind schon Zuwanderungen mitgerechnet, und zwar nach den realistischen Einschätzungen der Gegenwart. Sie ändern nichts am Befund, daß die autochthone deutsche Bevölkerung auf ihrem Territorium sich im neuen Jahrhundert dramatisch verringern wird.

Es mag anmaßend sein, die Entwicklung der deutschen Bevölkerung mit der Europas und der Weltbevölkerung zu konfrontieren. Deutschland ist seit 1945 Mittelmacht. Seine wirtschaftliche und industrielle Potenz brachte Deutschland neben den USA und Japan eine hochrangige Position ein. Doch hinter jeder wirtschaftlichen Großmacht steht auch eine demographische Potenz. Die organisatorisch-technische Entwicklung ersetzt zwar immer mehr Quantität durch Qualität, doch jede Produktionsweise stößt einmal an ihre kritische demographische Grenze. Man kann das Bevölkerungsvolumen mit zunehmender Modernisierung nicht mehr erhöhen, nur mittels gezielter Politik auf einem stationären Stand halten. Allein die „Motivation zur Elternschaft“ scheint das Geburtenniveau vor weiterem Absinken zu bewahren. Da die Kindersterblichkeit als besiegt gelten kann und Neugeborene mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch das Erwachsenenalter erreichen, kann das Bedürfnis nach Elternschaft schon mit einem Kind befriedigt werden.

Würde man diesen Trend zumindest so lange umkehren wollen, bis die deutsche Bevölkerung wieder einen eigenen Generationenersatz aufweist, dann müßten auf 100 Deutsche statt wie bisher 140 Kinder efwas über 200 Kinder kommen. Das hätte zur Folge, daß die freiwillige Kinderlosigkeit praktisch verschwindet, sie sich nur bei zehn Prozent der Paare findet, während heute 26 Prozent der 40jährigen Frauen keine Kinder haben. Weiterhin müßte ein Drittel aller Paare zu einem dritten und gelegentlich vierten Kind bereit sein. 15 Prozent sind dies heute; sie dürften zumeist dem außereuropäischen Kulturkreis angehören. Die Bevölkerung in Deutschland würde also nicht mehr schrumpfen, wenn sich die Paare dauerhaft zur Zwei-Kinder-Familie entschließen. Um aus dem Geborenendefizit des vergangenen Vierteljahrhunderts herauszukommen, bräuchte es 50 Jahre. Erst dann hätte sich die deutsche Wohnbevölkerung bei rund 70 Millionen stabilisiert. Es ist ein kompliziertes Rechenexempel, das zum Generationenersatz zurückführt. Dieser würde auch noch keinesfalls eine auffallende Verjüngung der Altersstruktur bedeuten. Der Anteil der über 60jährigen ginge von den vorausberechneten 30 Prozent nur auf 25 Prozent zurück.

Würde Deutschland das demographische Stabilisierungswerk praktisch-politisch umsetzen wollen, würde das nicht nur eine erhebliche Umleitung von Ressourcen für die jungen Familien und für Erziehungseinrichtungen erfordern, es käme vielmehr einer Kulturrevolution gleich. Spätheirat, einst nur beim Bildungsbürgertum üblich, ist allgemein geworden. Junggesellentum, Kinderlosigkeit, Scheidungsbereitschaft waren seinerzeit bei der „Boheme“ nichts Besonderes. Nun haben sich die einzelnen „Spielarten“ der Partnerschaft über die ganze Gesellschaft verteilt und bringen dorthinden steten Wechsel, wo Dauerhaftigkeit verlangt wäre, wie vor allem in der Kindererziehung.

Es wird häufig der Fehler begangen, dieses Auseinanderstreben der Lebensform als Zeichen eines individuellen Lustverhaltens, von „Hedonismus“ zu deuten. Es zeigen sich darin jedoch eher die Zwänge der gegenwärtigen flexiblen Arbeitsformen und unsteten Arbeitsmarktchancen, die wahrgenommen werden müssen. Zudem ist das weibliche Geschlecht in allen Bildungsstufen vertreten und muß einiges daransetzen, daß sich die Bildungsinvestitionen in entsprechenden Berufspositionen amortisieren. Das steckt vielfach hinter der Floskel vom „eigenständigen weiblichen Lebenszusammenhang“. Er wird gerne als Ergebnis von Freiheit dargestellt, dabei stecken Etablierungszwänge in einem schwierigen Arbeitsmarkt wie auch allmähliche Trennung des späteren Frauenlebens von der traditionellen Witwenpension dahinter.

Es ist durchaus offen, ob diese Entwicklung des Arbeitsbereichs und die zunehmende Finanznot der sozialen Sicherungssysteme zu einem weiteren Hinausschieben oder gar zum Vereiteln der Familienbildung führen wird oder ob angesichts der neuen Knappheiten und Zwänge zur Selbstsorge die Familie wieder zur Einrichtung wird, die lebenserleichternd wirkt und persönliche Investition lohnt. Politische Kräfte, die eine bessere Ausstattung der jungen Familien fordern, weil diese für Jugend und Alter gleichzeitig sorgen müssen, dürfen nicht müde werden

Mit Ausnahme der Franzosen nehmen die Europäer ihre Bevölkerungsabnahme noch gelassen hin -wohl deshalb, weil sie für sie neu ist. Die Deutschen nehmen sie hin, obwohl sie ihnen schon seit langem bekannt ist. Das Credo lautet, daß eine flexible, auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaft demographische Schwankungen ausgleichen würde. Was quantitativ abgehe, müsse qualitativ kompensiert werden. Dies gilt jedoch nur so lange, als die Abnahme noch langsam verläuft, die Zuwanderung, die den Sterbeüberhang ausgleicht, keine Probleme aufwirft und die Jugendjahrgänge noch in zufriedenstellender Weise Bildungsgänge absolvieren, die ein hochqualifiziertes Human-kapital verheißen. Diese Ansicht rechnet nur mit derzeitigen Schwankungen der Bevölkerungsbi­ lanz. Vom langfristigen Abwärtssog durch verklei-* nerte Müttergenerationen nimmt sie nicht Kenntnis. Schon ab 2010 wird es schwieriger werden, bei branchenspezifischem Nachwuchsmangel globale Standards zu halten. Auch wird vermehrte weibliche Erwerbsbeteiligung die Geburtenrückgänge weiter verstärken, wenn nicht eine Politik der Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf eingeleitet wird. Der „demographische Faktor“ macht sich bei allen sozialen und ökonomischen Kompensationen bemerkbar und entzieht ihnen längerfristig den Boden. Das deutsche demographische Dilemma gewinnt somit Konturen: -Die Bevölkerungsabnahme Deutschlands unterliegt aufgrund vorangegangener Geborenendefizite einer Beschleunigung, die die Wohnbevölkerung bis zum Ende des neuen Jahrhunderts auf ein Drittel des Ausgangswertes von 82 Millionen reduzieren könnte. Die Wirkungen sind wegen der politischen Unwägbarkeiten nicht eindeutig vorherzubestimmen. Eine pronatalistische Politik könnte bis dahin von einigen Mitgliedsnationen der EU aber begonnen werden. -Die durchschnittliche Lebenserwartung -an sich ein erfreulicher Tatbestand -schreitet voran und stellt die Solidargemeinschaften vor Probleme in ungewohnter Größenordnung. -Die qualitativen sozioökonomischen Maßnahmen, um produktive und innovative Standards aufrechtzuerhalten, können in einer zweiten oder dritten dezimierten Generation einen Nachwuchsmangel aufdecken. Gelingt es, die schrumpfenden Jugendjahrgänge zu erfolgreichen „global players“ zu erziehen, werden sie auch Mittel und Wege finden, sich von Soziallasten zu befreien. Damit stünden die Zeichen auf Konflikt zwischen den Generationen.

V. Weltentwicklung und Einwanderungsfrage

Der Bevölkerungsrückgang und die daher rührende Unsicherheit, ob man auf Dauer noch nationale Ziele wird verfolgen können, lassen an Einwanderung denken. In vielen geschichtlichen 19Fällen war Einwanderung der geglückte Lücken-füller seit der „Peuplierung“ und dem Landes-ausbau im 18. Jahrhundert. Postmoderne Gesellschaften, auf Wissen und hochgradigen Dienstleistungen beruhend, haben noch kein probates Immigrationsmuster entwickelt, wie die . alte'Bundesrepublik mit ihrer Gastarbeiterwerbung. Die 7, 4 Millionen Ausländerbürger gehören unterschiedlichen Kategorien an. Zwei Millionen sind „EU-Bürger“ und genießen Aufenthalts-und Niederlassungsrecht. Europäer von außerhalb der EU stammen aus Ost-und Südosteuropa, dem ehemaligen Jugoslawien. Die Hauptgruppe, mit der sich der allgemeine Ausländerbegriff noch verbindet, sind die 2, 1 Millionen Türken.

Am Zuwanderungsgeschehen nach Deutschland fällt der starke Anteil an humanitär begründeter Menschenaufnahme auf, wie er in den übrigen westlichen Industriestaaten, selbst in den USA, unbekannt ist. 75 Prozent der Asyl-und Fluchtbewegungen nach Europa haben Deutschland zum Ziel, das mit seiner Gesetzgebung und Praxis wie ein Magnet wirkt. Bei dieser Zuwanderungsform, zu der die Familienzusammenführung hinzugerechnet werden muß, sind dem Aufnahmeland die Hände gebunden. Es kann sie nur über Gesetzes-und Bestimmungsänderungen beeinflussen.

Die Zuzugsursachen sind bekanntermaßen politischer und sozialer Natur. Es wird hierzulande jedoch nie die Frage nach den politischen und sozialen Folgen dieser Zuwanderung gestellt bzw. nach den Existenzgrundlagen oder der Brauchbarkeit der Zuwanderer. So entsteht beispielsweise der hohe Anteil an Großfamilien, die schon über Jahre hinweg Sozialhilfeempfänger sind. Die Arbeitslosigkeit ist beim ausländischen Bevölkerungsteil doppelt so hoch wie beim deutschen, sein Anteil an den Sozialhilfebeziehern ist ebenfalls beträchtlich. Da das deutsche Abstammungsrecht sich um den Integrationsgrad der Ausländer nicht kümmert, es sei denn im Einbürgerungsfall, also ungewöhnlich tolerant ist, wird die Übersicht über die ausländische Bevölkerung bei verstärkter Zuwanderung leicht verloren. Jedenfalls existieren keine intensiven Integrationsprogramme. Die Schlagworte „Toleranz“, „Weltoffenheit“ und „Multikultur“ stehen für romantisch-weltfremdes Laisser-faire und führen Probleme auf Erziehungsfehler der Einheimischen zurück. Bürokratische Einordnung und Schulpflicht der Kinder ist wahrlich zu wenig, um einmal in der deutschen Gesellschaft und nicht bloß in der jeweiligen Subkultur der Landsleute zu existieren. Die Änderung des Asyl-Artikels im Grundgesetz 1993 hat den Andrang „in das Verfahren“ deutlich verringert. Die 1999 vorgenommene Abkehr vom alten Staatsbürgerschaftsrecht kann auf seine erwünschte Integrationswirkung hin erst nach Jahren überprüft werden. Die doppelte oder einfach erworbene deutsche Staatsbürgerschaft kann sogar die „Ethnisierung“ des Landes fördern: „Vielen. . . geht es darum, ihr Anderssein mit vollem Rechtsstatus auszuleben. Wir haben in Deutschland längst Parallelgesellschaften, die so groß sind, daß sie ohne die deutsche Gesellschaft auskommen.“

Zur Illustration des besagten Dilemmas unterstellen wir einen fiktiven demographischen Ersatzbedarf, mit dem die Alterspyramide wieder ihre idealtypische Glockenform erhalten könnte. Würde man die Alterung der deutschen Bevölkerung aufhalten wollen, bräuchte man dazu eine Million jüngerer Einwanderer jährlich. Denn die ausgleichende Anzahl Babies alleine ist nicht zu „importieren“; es gibt sie nur mit den Familien. Der demographische Ersatz'zwecks „Berichtigung“ der Altersstruktur ist von seinem Quantum her weder zu administrieren noch kulturell zu integrieren, geschweige denn politisch durchzusetzen. Denn das benötigte Immigrationsreservoir findet sich nicht mehr in Europa. Das schraubt auch Hoffnungen auf ökonomisch erwünschte Einwanderung zurück. Hochtechnologie-Gesellschaften haben immer weniger Bedarf an „Unterschichtung“, an einem „neuen Proletariat“. Qualifizierte und Experten just von dort abzuwerben, wo sie dringend gebraucht werden und ohnehin oft mit Entwicklungshilfe herangebildet wurden, nennt man seit einiger Zeit „die neue Ausplünderung der Dritten Welt“ Es geht also nicht nur um Einwanderer an sich, sondern um den Erhalt eines hochqualifizierten Erwerbspotentials. Die Integrationskosten für kulturferne Einwanderergruppen wären so hoch, daß es demgegenüber gerechtfertigt wäre, ein Geburtenförderungsprogramm einzuleiten, auch wenn man seit Jahren weiß, daß dies kein bequemes gesellschaftliches oder staatliches Unterfangen wäre.

Was in der Diskussion um die „Gestaltung“ des Zuwanderungsgeschehens vernachlässigt bzw. tabuisiert wird, ist neben vielem anderen der voraussehbare Einstellungswandel der Zugewanderten, der mit der steigenden Bevölkerungsgröße ihres Herkunftslandes zusammenhängt. Sie bewirkt zugleich einen weiteren Zuwanderungsdruck auf Westeuropa, zumal rasch wachsende Populationen sich schon im Mittelmeerraum befinden.

Die Europäer mit ihrer Erfahrung einer stufenförmigen Entwicklung, bei der kein zweiter Schritt vor dem ersten gemacht wurde, sehen sich nur einer paradoxen Welt gegenüber: einem politischen, weil demographischen Bedeutungsgewinn von Staaten, die aber chancenlose starke Jugend-jahrgänge beherbergen. Die Staaten werden zu Märkten für Europa und werden Mitspieler im Weltwirtschaftsgeschehen sein, auch wenn es bei vielen Entwicklungsländern noch nicht danach aussieht. Ihr politisches Gewicht wird steigen und ihnen eine Rolle auf der Bühne der Weltpolitik sichern, von der sie zuerst als Kolonialvölker, dann als „Arme des Südens“ ferngehalten waren. Sie dürften -ähnlich wie die Europäer in der Zeit ihres demographischen Bedeutungszuwachses um 1900 -eine starke nationalistische Phase durchleben, allein schon zur Kompensation der materiellen Entwicklungsprobleme und der Existenzsorgen ihrer Jugend. Da werden alte Fehden aufbrechen, Ansprüche geltend gemacht und Eroberungszüge um Ressourcen, vor allem um Wasser, bevorstehen. Ein prekäres Nebeneinander von traditionsgebundenen Strukturen einer rasch wachsenden ländlichen Armutsbevölkerung und dem Besitz von atomaren, biologischen oder chemischen Waffen hebelt auch gewohnte Formen internationaler Beziehungen aus. Solche Staaten mit mehr als 50 oder 100 Millionen Einwohnern werden sich im Konflikt-oder Genozidfall nicht mehr für moralisch begründete Interventionen des Westens eignen.

Abschließend drängt sich die Frage nach dei Zukunft der westlichen Zivilisation auf. Die Anzeichen, daß die übrigen großen Kulturkreise mit demographischem Wachstumspotential den demokratisch-individualistischen Wertvorstellungen des Westens nicht folgen, häufen sich. Dei Westen ist ein global überzeugendes und ersehntes Lebensmodell, doch den Preis für den Weg dahin wird man auf anderen Kontinenten nicht bezahlen wollen oder können. Es ist kaum vorstellbar, daß in den Megastädten der Dritten Welt oder in den verarmten Landregionen das Persönlichkeitsrecht und Eigentumsrecht sich so Geltung verschaffen werden wie in den europäischen Ursprungsländern. Analphabetismus, ethnische Rivalitäten und Mangelwirtschaft werden nicht schnell genug beseitigt werden, um an eine partizipatorische Demokratie überhaupt denken zu können.

Sollte sich heraussteilen, daß das westliche Lebensmodell nicht universell übertragbar ist, dann könnte es eine Episode bleiben, eine Schein-blüte in der Menschheitsgeschichte oder die lokale Luxusveranstaltung einer zur Zeit noch reichen und mächtigen Minderheit, der es aber an Nachhaltigkeit fehlt. Sowie der abendländische Geist an die Populationen gebunden bleibt, die ihn hervorgebracht haben, könnte die Aufzehrung ihrer demographischen Substanz auch sein Ende bedeuten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. *Für Anregungen und Durchsicht des Manuskripts danke ich Herrn Dr. Andreas Heigl, Lehrstuhl für Bevölkerungswissenschaft der Universität Bamberg.Vgl. United Nations-, World Population Prospects. The 1998 Revision, New York 1998. Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA), der sich als Anwalt der Familienplanungsprogramme versteht, stützt die Zahl von 8, 9 Milliarden.

  2. Vgl. United Nation«, World Population Prospects: The 1996 Revision, New York 1996: Alain Parant, Perspectives Ddmographiques, in: L'an 2000 et aprös.,., Paris, Januar 1999, S. 18-24.

  3. Vgl. Josef Schmid, Population Ageing: Dynamics, and Social and Economic Implications at Family, Community and Social Levels. Referat auf dem Meeting der UN/ECE (Genf), Budapest, 7. -9. Dezember 1998 (CES/PAU/1998/6; GE 9832457); G 6rard Calot/Jean-Paul Sardon, Les Facteurs du viellissement dömographique, in: Population, 54 (1999) 3, S. 509-552.

  4. Vgl. United Nations, World Population Prospects. The 1996 Revision, New York 1996; Andreas Heigl/Ralf Mai, Demographische Alterung in den Regionen der EU, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, (1998) 3, S. 293317.

  5. Vgl. Josef Schmid, Die demographische Komponente im Entwicklungsprozeß, in: Peter Atteslander (Hrsg.), Kulturelle Eigenentwicklung. Perspektiven einer neuen Entwicklungspolitik, Frankfurt -New York 1993, S. 213-238; ders., Anomie in the Development Context, in: Peter Atteslander/Bettina Gransow/John Western (Hrsg.), Comparative Anomie Research: Hidden barriers -hidden potential for social development, Aldershot 1999; Gayl D. Ness/Meghan V. Golay, Population and Strategies for National Sustainable Development, London 1997; Wolfgang Lutz (Hrsg.), Population -Development -Environment: Understanding their Interaction in Mauritius, Berlin 1994.

  6. Diese Ansicht wird mit einem der Begründer der Bevölkerungswissenschaft, Robert Malthus (1766-1834), in Verbindung gebracht -in grober Vereinfachung und nur oberflächlichen Kenntnis seiner umfangreichen Werke. Vgl. Hans Linde, Die Bedeutung von Th. Robert Malthus für die Bevölkerungssoziologie, in: ders.. Kritische Empirie. Beiträge zur Soziologie und Bevölkerungswissenschaft 19371987, Opladen 1988, S. 176-190; Josef Schmid, Der Wettlauf zwischen Storch und Pflug. Vor 200 Jahren erschien das „Bevölkerungsgesetz“ von Thomas Robert Malthus, in: Neue Zürcher Zeitung vom 30. /31. 5. 1998.

  7. Hier ist dem kürzlich verstorbenen erzliberalen Kämpfer des Hudson-Instituts, Julian Simon, recht zu geben, der seit Erscheinen der „Grenzen des Wachstums“ (1972) gegen diese eher kameralistische Sicht von Ressourcenabbau und deren angebliches Ende polemisierte. Hier hat der Markt-mechanismus wahrlich seine Funktion erfüllt und den menschlichen Geist („ultimate resource“) aktiviert, noch bevor Rohstoffe zu teuer wurden und dies strangulierend gewirkt hätte. Vgl. Dennis Meadows. Die Grenzen des Wachstums, Stuttgart 1972; Julian Simon, The ultimate Resource, Princeton 1981. Die Ansichten Simons allerdings zu den segensreichen Wirkungen des Bevölkerungsdrucks, der schon alleine seine Lösungen enthalte und dem mit keiner Bevölkerungspolitik nachgeholfen werden dürfte, sind abenteuerlich. Vgl. meine Kritik dazu: Der Bevölkerungsfaktor im Entwicklungsprozeß, in: Bernhard Felderer (Hrsg.), Bevölkerung und Wirtschaft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften, Neue Folge, Bd. 202, Berlin 1990, S. 593-605.

  8. Vgl. Don Hinrichsen u. a., Solutions for a Water-Short World. Population Report, Series M, Nr. 14 (Population Information Program, The Johns Hopkins University School of Public Health). Vol. 26, September 1998.

  9. Vgl. Jürg A. Hauser, Bevölkerung-und Umwellprobleme in der Drillen Well, Bd. 2. Bern -Stuttgart 1991, S. 591 ff.; ders., Von der demographischen zur demo-ökologischen Transformationstheorie. Ein essayistischer Beitrag, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, (1989) 1, S. 13-37.

  10. Vgl. P, Atteslander/B. Gransow/J. Western (Anm. 5).

  11. Vgl. Francis Fukuyama, Konfuzius und Marktwirtschaft. Der Konflikt der Kulturen, München 1995; ders.. Der Konflikt der Kulturen. Wer gewinnt den Kampf um die wirtschaftliche Zukunft?, München 1997; Joel Kotkin, Stämme der Macht, Reinbek 1996; Ulrich Menzel, Die neuen Feindbilder. Die Renaissance von Geopolitik und Geokultur in den internationalen Beziehungen, in: Universitas, (1996) 1, S. 1019; Eckart Ehleres, Kulturkreise -Kulturerdteile -„Clash of Civilizations“: Plädoyer für eine zeitgemäße Entwicklungsforschung, in: Uwe Holz (Hrsg.), Probleme der Entwicklungspolitik, Bonn 1997, S. 98-116.

  12. Der Wirtschafts-und Sozialrat der UN fordert regelmäßig die bevölkerungsstatistischen Daten zu Geburten, Sterbefällen, Lebenserwartung usw. ein, zu denen jeweils ein Urteil (zu hoch, zu niedrig, zufriedenstellend) mit abzugeben ist.

  13. Aufgrund großzügiger Maßnahmen war die Geburten-zahl der DDR angestiegen. Ein Urteil über ihren anhaltenden Erfolg kann kaum gefällt werden, denn dazu wäre die Betrachtung des Zeitraums bis zur abgeschlossenen Familien-bildung einer Frauengeneration erforderlich. Nur so kann* herausgefunden werden, ob wirklich wieder mehr Kinder in Familien sind oder nur rasch auf eine generöse staatliche Maßnahme reagiert wurde, d. h. die Geburten nur im jüngeren Frauenalter vorgezogen wurden, und am Ende ein ausgleichendes Geburtental folgt. Vgl. Jürgen Dorbritz/Karla Gärtner, Bericht 1998 über die demographische Lage in Deutschland mit einem Teil B „Ehescheidungen -Trends in Deutschland und im internationalen Vergleich", in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, (1988) 4, S. 373-458; Jürgen Dorbritz, Der demographische Wandel in Ostdeutschland. Verlauf und Erklärungsansätze, in: ebd., (1997) 2/3; Hartmut Wendt, Geburtenhäufigkeit in beiden deutschen Staaten. Zwischen Konvergenz und Divergenz, in: ebd.. (1991) 3, S. 251-280.

  14. Vgl. Jürgen Bordiert. Arme Kinderreiche. Nur eine Reform des Steuer-und Beitragssystems kann die Familienarmut beseitigen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Oktober 1999, S. 9; Ferdinand Oeter, Der unsoziale Sozialstaat: Notwendige Anpassungen der Politik an die Lebensverhältnisse in Gegenwart und Zukunft, Deutsche Liga für das Kind in Familie und Gesellschaft, Schriftenreihe Nr. 17, München -Basel 1989; Max Wingen, Familienpolitik. Grundlagen und aktuelle Probleme, Stuttgart 1997.

  15. „Ein Paß ist genug“. Gespräch mit Hans-Ulrich Klose (MdB), in: Die Zeit, Nr. 3 vom 14. 1. 1999.

  16. Vgl. Josef Schmid, Islamische Einwanderung und Kulturkonflikt, in: Bernd Rill (Hrsg.). Aktuelle Profile der islamischen Welt. Berichte und Studien der Hanns-Seidel-Stiftung, Band 76, München 1998, S. 81-102; ders.. Der Migrationsdruck auf Deutschland -der demographische und integrationspolitische Aspekt; in: Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Hrsg.), Asylpraxis, Schriftenreihe des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Band 3, 1998, S. 143-174; ders.. Die deutsche Asylfrage zwischen Grundrecht und Gesinnungspolitik, in: ebd., Band 5, 1999, S. 95-122.

Weitere Inhalte

Josef Schmid. Dr. philDr. rer. pol. habil., geb. 1937; Professor für Bevölkerungswissenschaft an der Universität Bamberg; Kuratoriumsmitglied des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB), Wiesbaden; Wissenschaftlicher Beirat der Deutschen Gesellschaft für Humanökologie (DGH), Berlin. -Veröffentlichungen u. a.: Bevölkerung und soziale Entwicklung, Boppard 1984; Bevölkerungsveränderungen in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1984; Das verlorene Gleichgewicht. Eine Kulturökologie der Gegenwart, Stuttgart 1992; (Hrsg.) Bevölkerung -Umwelt -Entwicklung, Opladen 1994; Die Moralgesellschaft. Vom Elend der heutigen Politik, München 1999.