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Möglichkeiten und Grenzen supranationaler Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik. Das Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Unionsvertrages | APuZ 49/1999 | bpb.de

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APuZ 49/1999 Der Sozialstaat in der Globalisierung Möglichkeiten und Grenzen supranationaler Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik. Das Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Unionsvertrages Re-Regulierung der internationalen Finanzmärkte? Kippt die Globalisierung den Sozialstaat?

Möglichkeiten und Grenzen supranationaler Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik. Das Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Unionsvertrages

Berndt Keller

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag behandelt Möglichkeiten und Grenzen „europäischer“ Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitiken am Beispiel des Beschäftigungskapitels des Amsterdamer Unionsvertrag. Zunächst werden die Rahmenregelungen des Beschäftigungskapitels und deren Konkretisierungen skizziert. Es folgt eine vorläufige, im Ergebnis ambivalente Einschätzung der Perspektiven „europäischer“ Beschäftigungspolitik, wobei das Verhältnis von nach wie vor nationalen Arbeitsmärkten und „europäischer“ Politik und die Frage der Verlagerung der Kompetenzen von der nationalen auf die supranationale Ebene im Mittelpunkt stehen. Anschließend gibt der Autor einen Überblick über Notwendigkeiten und Versuche des neu eingerichteten makroökonomischen Dialogs sowie über vorhersehbare Probleme des „Europäischen Beschäftigungspakts“. Der Aufsatz schließt mit strategischen Überlegungen zu einem erweiterten Politikansatz, der die Beschäftigungspolitik auf EU-Ebene mit einer stärker koordinierten Wirtschafts-und Finanzpolitik verzahnt.

Aufgrund der Arbeitsmarkt-und Beschäftigungssituation, die angesichts einer Arbeitslosenquote von über zehn Prozent nur als höchst unbefriedigend bezeichnet werden kann, erhoben im Vorfeld der Regierungskonferenz zur Revision des Vertrages über die Europäische Union („Maastricht II") mehrere Mitgliedsländer (u. a. Österreich, Schweden, Dänemark), einzelne EU-Organe (u. a. das Europäische Parlament -EP.der Wirtschafts-und Sozialausschuß -WSA) sowie die Gewerkschaften Forderungen nach einer stärkeren „Europäisierung“ der Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik bzw. einer besseren Koordinierung nationaler Initiativen und Maßnahmen Diese zunächst recht unterschiedlichen Pläne waren zu Beginn der Regierungskonferenz im Frühjahr 1995 politisch nicht konsensfähig, da ihre Annahme Einstimmigkeit im Ministerrat voraussetzte, einige Mitglieds-länder (vor allem Deutschland, Frankreich, Großbritannien) sie aber strikt ablehnten.

Nach den Wahlen, in Frankreich und Großbritannien in der ersten Jahreshälfte 1997, änderten sich die Mehrheitsverhältnisse im Ministerrat. Diese Ereignisse führten neben öffentlichem Druck dazu, daß im revidierten Unionsvertrag („Amsterdamer Vertrag“) eine politische Kehrtwende erfolgte: Zum einen wurde das Abkommen über die Sozialpolitik („Sozialabkommen“) eingegliedert, welches aufgrund des damaligen opt out Großbritanniens lediglich als Anhang zum Maastrichter Vertrag vereinbart worden war zum andern wurde ein eigenständiges Kapitel zur Beschäftigung aufgenommen (Art. 125-130). „It highlights a shift in emphasis from the enactment of employment law (the body of rules directly concerned with the employment relationship) to the creation of employment policy (measures directly concerned with the creation and maintenance of employment, including measures concerned with training)

I. Die zentralen Inhalte des Beschäftigungskapitels

1. Die Rahmenregelungen Die Beschäftigungspolitik wird in Analogie zu anderen Politikfeldern folgende recht komplexe Struktur haben

-Auf europäischer Ebene legt der Ministerrat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung verschiedener Gremien (EP, WSA, Ausschuß der Regionen, Beschäftigungsausschuß) jährlich mit qualifizierter Mehrheit „Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedsländer“ in Form mittelfristiger, möglichst konkreter Zielvorgaben vor, die quantifizierenden und detaillierten Charakter haben können. Diese Leitlinien müssen mit den „Grundzügen zur Wirtschaftspolitik“ (Art. 99, Abs. 2) vereinbar sein und das Subsidiaritätsprinzip beachten; sie sind „von den Mitgliedstaaten in ihrer Beschäftigungspolitik zu berücksichtigen“.

-Die Mitgliedstaaten setzen diese allgemeinen Grundsätze bzw. Leitlinien in Form mehrjähriger „nationaler beschäftigungspolitischer Aktions-pläne“ (im folgenden NAP) inhaltlich um und konkretisieren sie, wobei ihnen die Wahl der Mittel und Instrumente freisteht; sie berichten dem Ministerrat und der Kommission jährlich über ihre wichtigsten Maßnahmen und die Bedingungen ihrer Durchführung (Grundsatz der multilateralen Überwachung). -Die nationale Implementation der Beschäftigungspolitik im Sinne der Einhaltung der Zielvorgaben, nicht hingegen die Wahl der Instrumente, unterziehen Ministerrat und Kommission „nach einem gemeinsamen Verfahren der Bewertung der Ergebnisse“ einer jährlichen Prüfung, deren Ergebnisse veröffentlicht werden. Außerdem kann der Ministerrat nunmehr auf Empfehlung der Kommission mit qualifizierter Mehrheit und ohne Einschaltung anderer Gremien „Empfehlungen an die Mitgliedstaaten richten, wenn er dies aufgrund der Ergebnisse dieser Prüfung für angebracht hält“, sowie Anreizmaßnahmen „zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und zur Unterstützung ihrer Beschäftigungspolitik durch Initiativen beschließen“. -Ein vom Ministerrat einzurichtender bzw. restrukturierter ständiger Beschäftigungsausschuß, in den die Kommission und jeder Mitgliedstaat zwei Mitglieder entsenden, soll „mit beratender Funktion zur Förderung der Koordinierung der Beschäftigungs-und Arbeitsmarktpolitik“ tätig werden; er hört die Sozialpartner an und kann Stellungnahmen abgeben. -Die Formulierung und Implementation einer solchen Politik soll und kann keine Domäne staatlicher Akteure bleiben: Die nationalen und europäischen Sozialpartner sollen sowohl nach den Vorstellungen der Kommission als auch gemäß ihren eigenen Forderungen eine wesentliche, aktivere Rolle spielen, die über gemeinsame Erklärungen deutlich hinausgeht; ihre Beteiligung soll in Übereinstimmung mit der bestehenden nationalen und europäischen Gesetzgebung, Übereinkommen und Praktiken erfolgen und sich über alle Phasen des Politikzyklus erstrecken, d. h. vom Programmentwurf über die nationale Umsetzung bis zur Evaluation von Zielvorgaben zur Beschäftigungsentwicklung. Dieser stärkere Einbezug der Sozialpartner soll außerdem die bisher nur schwach entwickelten sozialen Dialoge sowohl auf gesamtwirtschaftlicher als auch auf sektoraler Ebene stärken und ihre bislang heterogenen Inhalte auf Beschäftigungsfragen konzentrieren. 2. Konkretisierungen Auf dem außerordentlichen Beschäftigungsgipfel im November 1997 konkretisierten die Staats-und Regierungschefs diese allgemeinen Rahmenvorgaben und beschlossen Optionen zur besseren und stärkeren Koordinierung der nationalen Beschäftigungspolitiken. Die für 1998 vereinbarten, auf Vorschläge der Kommission zurückgehenden 19 Leitlinien lassen sich in vier Schwerpunkten zusammenfassen -Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit (u. a.

Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit, Betonung aktiver Maßnahmen zugunsten von Arbeitslosen); -Entwicklung von Unternehmergeist durch die leichtere Gründung und Führung von Unternehmen sowie ein beschäftigungsfreundlicheres Steuersystem; -Förderung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmen und ihrer Arbeitnehmer;

-Stärkung und Ausbau der Maßnahmen für Chancengleichheit

Weiterhin soll nicht nur Unterbeschäftigung weitgehend abgebaut, sondern auch die im „Triadenvergleich“ mit Japan und den USA (knapp 74 Prozent) niedrige Beschäftigungsquote der EU (ca. 60 Prozent) aus demographischen, sozialen und wirtschaftlichen Gründen deutlich gesteigert werden.

Auf dem Beschäftigungsgipfel beschlossen die Staats-und Regierungschefs außerdem, diesen sogenannten Luxemburger Prozeß von Zielvorgaben, Zeitplan und gegenseitiger Überwachung und Kontrolle (monitoring) schon 1998 zum ersten Mal in allen Mitgliedstaaten durchzuführen. Die Leitlinien bzw. Säulen als mittelfristige Strategien wurden auf dem Wiener Gipfel Ende 1998 für 1999 nahezu linear fortgeschrieben und damit die eingeleitete Strukturierung des Politikfeldes bestätigt. Die Beschäftigungsstrategie soll während eines Fünfjahreszeitraums (1997-2002) weiterentwikkelt werden.

II. Eine vorläufige Einschätzung der „europäischen“ Beschäftigungspolitik

1. Nationale Arbeitsmärkte und „europäische“ Arbeitsmarktpolitik Die institutioneilen Verfassungen der nationalen Arbeitsmärkte differieren erheblich ihre Ergebnisse unterscheiden sich deutlich Auch die Verfahren und Instrumente der Arbeitsmarktpolitiken weisen große Differenzen auf, etwa in den Relationen von Ausgaben für passive bzw. aktive Maßnahmen oder in der Bedeutung, die sie letzteren beimessen Nationale Institutionen, welche für die Implementation einer koordinierten europäischen Politik zuständig sein müßten, sind nicht in allen Mitgliedsländern in gleichem Umfang vorhanden. Der Grad der Integration der nationalen Arbeitsmärkte ist mit einer Intra-EU-Mobilität von ca. zwei bis drei Prozent nach wie vor gering, obwohl die Mobilitätshemmnisse seit Ende der sechziger Jahre Zug um Zug abgebaut wurden Von einer „Europäisierung“ oder Integration nationaler Arbeitsmärkte kann in Anbetracht fortbestehender Unterschiede in bezug auf Produktivität, Entlohnung und übrige Arbeitsbedingungen nicht die Rede sein. Wir registrieren u. a. starke Unterschiede in der Höhe der Arbeitslosigkeit, eine ausgeprägte Regionalisierung des Beschäftigungsproblems (Nord-versus Süditalien, alte versus neue Bundesländer) sowie Strukturierungsprozesse der Arbeitslosigkeit, insbesondere in bezug auf Jugend-oder Langzeitarbeitslosigkeit.

Diese erheblichen Differenzen lassen einheitliche Maßnahmen im Rahmen der Arbeitsmarkt-und Beschäftigungspolitik weder effizient noch sinnvoll erscheinen vielmehr ist „ein hohes Maß an regionaler Variabilität als unverzichtbar anzusehen“ In Anbetracht dieser Ausgangslage sind homogene Strategien ausschließlich in bezug auf allgemein gehaltene Zielvorgaben, nicht hingegen in bezug auf konkrete Maßnahmen der Umsetzung und Implementation zu formulieren bzw. zu gewährleisten. Weiterhin muß der primäre Ansatzpunkt angesichts der Problemlagen auf der nationalen Ebene liegen; nicht nur die Implementation, sondern auch die Formulierung der Politiken muß dezentral erfolgen. Bei der „Programmgestaltung“ des Beschäftigungskapitels wurde folgerichtig versucht, dieser heterogenen Konstellation durch das „flexible“ Luxemburger Verfahren Rechnung zu tragen, anstatt irgendeine Art von Einheitlichkeit und Homogenität anzustreben. Durch dieses management by objectives sind allerdings zugleich erhebliche informelle und kaum zu kontrollierende Interpretations-und Handlungsspielräume für die Akteure auf nationaler, regionaler und betrieblicher Ebene eröffnet worden, die durchaus voneinander abweichende Interessen verfolgen. 2. Die Kontinuität der Entwicklung Bereits der Maastrichter Unionsvertrag schrieb vor, daß die Förderung eines „hohen Beschäftigungsniveaus“ (Art. 2) zu den Gemeinschaftsaufgaben gehört; weiterhin hatten die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik so auszurichten, daß sie „zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft im Sinne des Artikel 2 beitragen“ (Art. 102a). Damit war bereits der enge Zusammenhang von Beschäftigungs-und allgemeiner Wirtschaftspolitik deutlich, der später durch Vorkehrungen zur „makroökonomischen Koordinierung“ konkretisiert werden sollte.

Durch das Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Vertrages erhalten Beschäftigungsprobleme einen höheren politischen Stellenwert im Vorfeld der Wirtschafts-und Währungsunion (WWU), ohne daß jedoch ein Gleichgewicht zwischen monetärer und sozialer Integration hergestellt würde. Die angestrebte reine Koordination natio-naler Beschäftigungspolitiken hat eine andere Qualität als die Konvergenz im Fall der WWU und wird auch bei geschickter Nutzung der „weichen“ Steuerungsinstrumente durch die Kommission eine „soziale Konvergenz“ kaum erreichen können: „Consensus . . . over employment was only possible on two conditions: national employment policies should continue to play the principal role, and major and costly Programmes at EU level should be avoided."

Zudem gilt auch im Kontext der Beschäftigungspolitik strikt das im Maastrichter Unionsvertrag programmatisch wiederbelebte und erneuerte Prinzip der Subsidiarität, welches die Zuständigkeiten der unteren Ebenen stärken sowie nationalen, regionalen und lokalen Maßnahmen Priorität vor supranationalen einräumen soll. Die faktische Bedeutung in der Arbeits-und Sozialpolitik ist durchaus umstritten und ambivalent es kann u. a. zu einer Selbstentlastung der Kommission sowie zu einer Überforderung der Sozialpartner hinsichtlich ihrer Handlungsmöglichkeiten führen. „Zusammenfassend ergibt sich, daß die EU-Beschäftigungsinitiativen aus einer Mixtur von politischem Druck, guten Absichten und Sach-und Zeitzwängen zustande gekommen sind. Allein diese Entstehungsgeschichte als politische Formelkompromisse läßt schon Zweifel aufkommen, ob sie dem Beschäftigungsziel förderlich sein können.“ Im Gegensatz zu anderen Politikfeldern haben unabhängige Akteure (wie europäische Agenturen) keine Bedeutung. 3. Verlagerung der Kompetenzen?

Einerseits werden die Einflußmöglichkeiten der Kommission zweifellos durch die neue Option gestärkt, Leitlinien für die „Entwicklung einer koordinierten Beschäftigungspolitik“ formulieren, gegebenenfalls Empfehlungen an die Mitgliedstaaten aussprechen zu können und damit in ein Überprüfungsverfahren eingebunden zu sein. Andererseits verfügt die Kommission nach wie vor über keine wirklich „harten“ Kompetenzen einschließlich abgestufter Sanktionen zur Makro-koordinierung auf EU-Ebene, wie sie etwa im Rahmen der gemeinsamen Geld-und Währungspolitik (Art. 104) verbindlich festgeschrieben sind.

Sie bleibt vielmehr reduziert auf „weiche“ und damit unverbindliche Vorgehensweisen wie Verbesserung des Informationsstandes in den Mitgliedsländern, Vermittlung nationaler, sogenannter best practices (beste Lösungen und Ergebnisse) an die übrigen Mitgliedstaaten, Versachlichung der Diskussion durch benchmarking sowie länder-übergreifende Überprüfung von Maßnahmen nach gemeinsamen Kriterien. Die erneute Erweiterung der Handlungsspielräume der Kommission ist daher formeller, nicht wirklich substantieller Art.

Die europäischen Akteure verfügen wegen der nach wie vor nationalen Zuständigkeiten über keinerlei Sanktionsmöglichkeiten, sondern sind auf die rein freiwillige Kooperation der Mitgliedsländer angewiesen. Das Beschäftigungskapitel formuliert lediglich „Anreizmaßnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und zur Unterstützung ihrer Beschäftigungsmaßnahmen“ (wie Austausch von Informationen und best practices, vergleichende Analysen, Einführung innovativer Maßnahmen, Pilotprojekte).

Die Zuständigkeiten für die Umsetzung von Maßnahmen verbleiben, ähnlich wie in einer Reihe anderer Felder der Arbeits-und Sozialpolitik, weitestgehend bei den souveränen Mitgliedstaaten, die in ihrer Mehrzahl -entgegen anderslautender öffentlicher Ankündigungen -definitiv nicht zur Abgabe weiterer Zuständigkeiten bzw. Ressourcen an die EU und nur ansatzweise zur Entwicklung gemeinsamer Strategien bereit sind. Das prinzipielle und ungelöste Problem von negativer versus positiver Integration, d. h.der Setzung gemeinsamer inhaltlicher Standards gegenüber der bloßen Beseitigung von Hemmnissen der Marktintegration und wechselseitiger Anerkennung nationaler Standards, stellt sich auch in diesem Politikfeld; sozial-bzw. in diesem Fall arbeitsmarkt-politische Erfolge kommen vor allem in bezug auf die negative Integration zustande. Der Pfad intergouvernementalistischer Integration wird nicht verlassen.

Die beschlossenen Maßnahmen sollen zugleich die Effektivität (durch Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit) und die Legitimität der „europäischen“ Beschäftigungspolitik (durch Konzentration auf die auf nationaler Ebene zentralen Beschäftigungsfragen) erhöhen Die Leitlinien bzw. Säulen sind allerdings recht heterogen in ihrer Ausrichtung, von unterschiedlichem Abstraktionsgrad und nicht in allen Belangen eng aufeinander abgestimmt

III. Über das Beschäftigungskapitel hinaus

In den ersten „nationalen Aktionsplänen“ zeigt sich, so zum Beispiel in der ersten der Leitlinien, der „Beschäftigungsfähigkeit“, ein implizites Konstruktionsproblem des Beschäftigungskapitels, nämlich eine Reduzierung nicht nur auf Beschäftigungs-, sondern auf reine Arbeitsmarktpolitik. Erstere wäre im Rahmen gesamtwirtschaftlicher Strategien, deren Orientierung und Anlage zunächst nicht problematisiert wurde, umfassender anzulegen, mit anderen Politiken im Sinne einer makroökonomischen Koordinierung (policy mix) abzustimmen und auf die Aufrechterhaltung bzw. in der aktuellen Situation an der Herstellung eines höheren Beschäftigungsniveaus zu orientieren. Verschiedene Akteure (u. a. Kommission, Ministerrat, WSA, Gewerkschaften) vertreten die Ansicht, daß ein Gesamtkonzept entwickelt werden müsse, welches sowohl die Grundzüge der allgemeinen Wirtschaftspolitik als auch alle übrigen beschäftigungsrelevanten Politikfelder umfaßt; eine stärkere „Verzahnung“ bzw. bessere horizontale und vertikale Koordination von Tarif-, Geld-, Finanz-und Wirtschaftspolitik mit den beschäftigungspolitischen Leitlinien sowie Strukturreformen sei notwendig. 1. Notwendigkeiten und Versuche makroökononiischer Koordinierung Wesentliche Politikfelder sind einer europaweiten Koordinierung im Rahmen eines wirksamen policy mix mit beschäftigungswirksamen Implikationen (u. a. Senkung der Lohnnebenkosten) weitgehend entzogen. Ein komplexer beschäftigungspolitischer Ansatz ist schwierig zu realisieren, da er zum einen die institutionellen Gegebenheiten der EU berücksichtigen muß, zum anderen eine zwar informelle, dennoch aber verpflichtende Verhaltensabstimmung verschiedener Akteure der nationalen und supranationalen Ebene (Europäische Zentralbank, Kommission, Ministerien der Mitgliedstaaten, nationale Tarifvertragsparteien) hinsichtlich der Entwicklung makroökonomischer Determinanten erfordert: -Für die Geldmengen-, Zins-und Wechselkurs-politik ist seit Anfang 1999 auf supranationaler Ebene die Europäische Zentralbank (EZB)

zuständig, die vollständig unabhängig von politischen Weisungen ist und den strikten Auftrag hat, „die Preisstabilität zu gewährleisten“

(Art. 105, Abs. 1 EUV). Bei gegebener Preisstabilität soll die EZB jedoch laut Unionsvertrag (u. a. durch ihre Geldpolitik) die allgemeine Wirtschaftspolitik unterstützen und zur Verstetigung des Wachstums sowie zu einem hohen Beschäftigungsstand beitragen. -Hingegen bleiben die Finanzpolitiken, die für die Lösung von Beschäftigungsproblemen gleichermaßen relevant sind, auch nach der Revision des Maastrichter Unionsvertrages in der Zuständigkeit der Nationalstaaten, d. h., sie werden weder vergemeinschaftet noch notwendigerweise strikt koordiniert; eine „föderalistische“ Finanzverfassung steht ebensowenig auf der Agenda wie eine echte politische Union. -Auch die Tarif-, insbesondere die Lohnpolitik, findet nach wie vor ausschließlich auf nationaler, zumeist sektoraler Ebene statt. Eine „Europäisierung“ ist in Zukunft nicht zu erwarten. Selbst eine von einigen Gewerkschaften begonnene transnationale „Koordinierung“ mit dem Ziel der Ausschaltung von Unterbietungskonkurrenz und der Rückkehr zur produktivitätsorientierten Lohnpolitik befindet sich erst in den Anfängen

Politische Pläne zur engeren makroökonomischen Koordinierung sowie zu einem „Europäischen Beschäftigungspakt“ bzw. supranationalen Bündnis für Arbeit wurden im Vorfeld des Wiener Gipfels Ende 1998 diskutiert, dort offiziell vorgeschlagen und nach umfangreichen Vorabstimmungen in den verschiedenen Gremien beim Kölner Treffen Mitte 1999 schrittweise konkretisiert. Das Ziel besteht in „einem möglichst spannungsfreien Zusammenwirken von Lohnentwicklung, Finanz-und Geldpolitik“ („Köln-Prozeß“) Ein makroökonomischer Dialog im Sinne einer institutionalisierten Gesprächsrunde der für die verschiedenen Politiken zuständigen Entscheidungsträger (Kommission, EZB, Sozialpartner, Rat der Wirtschafts-und Finanzminister, Rat der Arbeits-und Sozialminister) soll eingeführt bzw. ein kooperativer, konsistenter makroökonomischer policy mix entwickelt werden. Ergänzen soll dieser regelmäßige Dialog aller beteiligten Akteure die „Weiterentwicklung und bessere Umsetzung der koordinierten Beschäftigungsstrategien“ des „Luxemburger Prozesses“ von Zielvorgaben, Zeitplan und monitoring im Rahmen der nationalen Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien mit Hilfe der NAPs sowie die Betonung der ökonomischen Notwendigkeit von „Strukturreformen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Funktionsweise der Waren-, Dienstleistungs-und Kapitalmärkte“ („CardiffProzeß“) 2. Zukünftige Probleme des „Europäischen Beschäftigungspakts“

Die notwendige Verläßlichkeit des Handelns bzw. die für Abstimmungsprozesse notwendige Kooperation stößt bei den einzelnen Akteuren auf Schwierigkeiten: -So wird vor allem die EZB bei einer stärkeren Einbindung in die gemeinsame „Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung“ eine faktische Einschränkung ihrer vertraglich garantierten Souveränität beim Einsatz der geldpolitischen Instrumente, konkret ihrer stabilitätsorientierten Geldpolitik, befürchten. Einen möglichen Zielkonflikt zwischen den Erwartungen der Stabilitäts-und der Beschäftigungspolitiken würde die EZB wohl, ähnlich wie früher die Bundesbank, zugunsten der Preisstabilität lösen, d. h. eine wie immer geartete Modifikation des Ziels der Preisniveaustabilität nicht akzeptieren. -Die Tarifpartner befürchten eine mehr oder weniger gravierende Einschränkung ihrer Tarifautonomie bzw. Unabhängigkeit durch „Lohnleitlinien“. Einige Gewerkschaften erwarten Restriktionen für ihre Tarif-bzw. Lohnpolitiken, für welche die Kompromißformel einer „mittelfristigen Produktivitätsorientierung“ bzw. einer strikten „Beachtung des Ziels der Preisstabilität“ gelten soll. Weiterhin vertreten Gewerkschaften und Arbeitgeber recht unterschiedliche Positionen in bezug auf Sinn bzw. Notwendigkeit von Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung, nämlich „stimulate domestic demand and economic government on the one hand; follow a policy of supply and subsidiarity on the other“ Von einer wirksamen europaweiten Koordinierung ihrer nationalen Politiken, die nicht mit einer genuinen „europäischen“ Tarifpolitik zu verwechseln ist, sind die Gewerkschaften weit entfernt. Bei allen Akteuren ist inzwischen unumstritten, daß die recht unterschiedlich ausgestalteten nationalen Lohnpolitiken nach der Einführung der gemeinsamen Währung bzw.dem damit verbundenen Wegfall der Option von Wechselkursänderungen als Anpassungsinstrumente dienen werden. Diese Entwicklung ist um so wahrscheinlicher, als die Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten, wie bereits erwähnt, nach wie vor gering ist und daher als Ausgleichsmechanismus nicht in Frage kommt. Ebenfalls institutionell ausgeschlossen sind Transfers öffentlicher Ressourcen in entwicklungsschwache Regionen bzw. in Länder mit aktuellen wirtschaftlichen Problemen im Sinne eines kompensierenden und konfliktmindernden Finanzausgleichs, wie ihn vor allem föderalistisch organisierte Länder wie die Bundesrepublik kennen und praktizieren. Ebenso-wenig vorgesehen ist ein deutlicher Ausbau des Gemeinschaftshaushalts (in Höhe von 1, 27 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Union), der in strikter Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip relativ klein bleiben soll. Auch kann die koordinierte Lohnpolitik der nationalen Einzelgewerkschaften -ebenso wie die Politiken anderer Akteure -vor einem Trittbrettfahrer-Problem stehen: In großen Gruppen können einzelne Akteure, besonders wenn direkte Sanktionen (vor allem Zwang) fehlen, ihren eigenen Beitrag zurückhalten und hoffen, daß das Kollektivgut dennoch erstellt wird und sie an ihm partizipieren. Zudem wenden sich die Arbeitgeber und ihre Verbände strikt gegen jede Form supranationaler Tarifpolitik; ihr Widerstand gegen eine horizontale Koordinierung der Lohnpolitiken wird vehement sein, da der Status quo ihren Interessen besser entspricht. -Außerdem setzen die Mitgliedstqaten deutlich unterschiedliche Akzente nicht nur in ihren Finanz-, sondern auch in ihren Beschäftigungspolitiken, wobei der vormalige Konsens über eine reine Angebotsorientierung weniger stabil als bis-her scheint; auf europäischer Ebene sind Konflikte zwischen den Räten (vor allem zwischen den Arbeits-und Sozial-bzw. Wirtschafts-und Finanz-ministern) zu erwarten. Letztere werden vermutlich eine Fortsetzung der Konsolidierungspolitik vorziehen, d. h. eine weitere, möglichst schnelle Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zur Sicherung der „Nachhaltigkeit“ der Konvergenz-kriterien, die für den Beitritt zur WWU galten Beschäftigungspolitische Impulse von Seiten der nationalen Finanzpolitiken im Sinne einer Stimulierung der Binnennachfrage sind in diesem Rahmen unwahrscheinlich.

Auch die Beziehungen zwischen der EZB und den Finanzministern können zu Konflikten führen, etwa bei der Auslegung der fiskalpolitischen Vorgaben des Stabilitäts-und Wachstumspakts zur Sicherung der „Nachhaltigkeit“ der Beitrittskriterien der WWU. Eine engere Koordinierung der Steuerpolitiken (etwa im Bereich der Unternehmenssteuern), die nicht mit einer „Steuerharmonisierung“ zu verwechseln ist, spielt wegen andauernder Interessendivergenzen zwischen den Mitgliedsländern sowie der Furcht vor dem Verlust nationaler Souveränitätsrechte derzeit keine besondere Rolle.

Aufgrund dieser Interessendivergenzen gestaltet sich eine strikte Umsetzung der auf der Makro-ebene ansetzenden Strategie, die über reine vertrauensbildende Maßnahmen und eine Verbesserung des gegenseitigen Verständnisses hinausgeht, als schwierig. Das Gelingen der horizontalen wie vertikalen Koordination ist jedoch unabdingbar für einen Erfolg dieses erweiterten Versuchs einer Abstimmung unterschiedlicher Interessen (institution building). Das Grundproblem besteht in der Wahrung von Unabhängigkeit und Autonomie aller Entscheidungsträger bei gleichzeitiger Sicherung der freiwilligen Kooperation.

Die Gefahr einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen politischen Nenner nach einer Generaldebatte über unterschiedliche Gegenstände ist nicht von der Hand zu weisen, zumal keinerlei verbindliche und quantifizierende Zielvorgaben (vor allem in bezug auf Wachstum und Beschäftigung) vereinbart wurden, wie sie einige Länder (besonders Frankreich) vorgeschlagen und gefordert hatten. Die weit gesteckten, rein verfahrenstechnisch gehaltenen Rahmenvorgaben des makroökonomischen Dialogs können bei der notwendigen inhaltlichen Ausgestaltung unterschiedlich ausgefüllt werden, wobei neben den Aktivitäten der genannten korporativen Akteure u. a. die Initiativen der jeweiligen Präsidentschaft für die Ergebnisse eine wesentliche Rolle spielen werden.

IV. Fazit und Ausblick

Eine genuin europäische Politik im engeren Sinne kommt trotz des „Luxemburger Verfahrens“ nicht zustande, welches einerseits in bezug auf die tatsächlich vorhandenen Optionen durchaus realistisch, andererseits aber hinsichtlich möglicher Wirkungen beschränkt ist. Es konkretisiert bzw. formalisiert im wesentlichen ähnliche Beschlüsse des Essener Gipfels Ende 1994 die sich auf Empfehlungen des Weißbuchs „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung“ beziehen; insofern stellt das Beschäftigungskapitel in seiner intergouvernementalen Ausrichtung und letztendlichen Unverbindlichkeit keine grundsätzliche Neuerung dar, sondern steht in einer gewissen Kontinuität der Entwicklung. Insgesamt zielt das Verfahren auf einen reinen Abgleich der nationalen Beschäftigungspolitiken, was noch keine eigenständige europäische Politik ausmacht. Statt dessen handelt es sich lediglich um eine vorsichtige Änderung der Arbeitsteilung zwischen nationalen und supranationalen Akteuren bei unbestrittener und fortbestehender primärer Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Aufgrund dieser im Prinzip unveränderten Kompetenzverteilung stehen der Kommission echte Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Nichteinhaltung bzw. Nichterreichung von Zielvorgaben ebensowenig wie den anderen Akteuren auf europäischer Ebene zur Verfügung, wodurch die Effektivität eingeschränkt wird.

Inwieweit die Kommission im Prozeß der Anwendung der verfahrenstechnischen Rahmenregelungen ihre Einflußmöglichkeiten aus institutionellem Eigeninteresse ausbauen und sich, etwa durch geschicktes Verhalten in Verhandlungsprozessen, zusätzliche Kompetenzen verschaffen kann, ist in bezug auf die Beschäftigungspolitik, ähnlich wie bei anderen Bereichen der Arbeits-und Sozialpolitik, eine offene Frage. Die Antwort hängt u. a. von der Zusammensetzung der Kommission, den Chancen der Koalitionsbildung sowie der freiwilligen Kooperationsbereitschaft der Mitgliedstaaten ab. Die Kommission ist solange kaum für eine fehlende integrierte Politik verantwortlich zu machen, wie die Mitgliedstaaten nicht bereit sind, ihr die notwendigen Kompetenzen zu übertragen. Sie kann unter den gegebenen Rahmenbedingungen ausschließlich als Koordinationsforum für nationale Politiken dienen, begleitende Maßnahmen einleiten sowie weit gesteckte Rahmenvorgaben machen; Umsetzung und Implementation bleiben Aufgaben der nationalen Akteure. Eine von manchen Beobachtern befürchtete weitgehende „Harmonisierung“ der nationalen Arbeitsmarktpolitiken ist weder inhaltlich notwendig noch institutionell im Beschäftigungskapitel angelegt. Es gibt keinen realistischen Grund für die Annahme, daß die Kommission zum zentralen Akteur wird oder „von oben“ eine Entwicklung einleiten könnte.

Eine vorsichtige Koordination einzelstaatlicher Maßnahmen seitens der Kommission ist in Anbetracht der Verfassung der Arbeitsmärkte sowie der rechtlichen und faktischen Kompetenzverteilung zwischen nationalen und europäischen Institutionen und Akteuren kurz-und mittelfristig die einzig realistische Perspektive zur Einleitung europäischer Initiativen. Ein Wechsel des Politikstils weg von eher symbolischen Aktionen mit primär innenpolitischen Orientierungen hin zu einem höheren Stellenwert einer stärker vergemeinschafteten Beschäftigungspolitik könnte vor allem durch den Ausgang nationaler Wahlen bzw. die damit verbundene Veränderung von Mehrheitsverhältnissen im Ministerrat eingeleitet werden.

Ansätze einer „europäischen“ Beschäftigungspolitik werden in absehbarer Zeit lediglich appellativen Charakter haben und über den bloßen Austausch von Informationen wie nationalen best practices und benchmarking kaum hinausgehen, keine wesentlichen Verhaltensänderungen bei nationalen Akteuren bewirken und keinen erheblichen europäischen „Mehrwert“ haben. Sie werden aus den genannten Gründen weder rechtlich noch faktisch zum „europäischen“ Politikfeld. Beschäftigungspolitik wird nicht zu den wenigen, hochgradig regulierten Bereichen der Arbeits-und Sozialpolitik gehören, zu denen vor allem der Arbeitsund Gesundheitsschutz sowie die Chancengleichheit von Frauen und Männern zu rechnen sind.

Ob eine europäische Beschäftigungspolitik, die sich Ende der neunziger Jahre erst im Anfangsstadium befindet, in der Lage sein wird, die im Vergleich zur ökonomischen nach wie vor schwach entwikkelte „soziale Dimension des Binnenmarktes“ bzw. die Sozialunion zu stärken sowie einen echten „europäischen Mehrwert“ in der Beschäftigungspolitik zu erzeugen, ist offen. Auf jeden Fall benötigt die Etablierung von Prozeduren, Regeln, Kooperationsmustern und monitoring viel Zeit, die in Anbetracht der Problemlage kaum zur Verfügung steht. Auf die typischerweise gegebene Langwierigkeit europäischer Politikprozesse zu setzen bedeutet jedenfalls, sich auf eine ungewisse Perspektive einzulassen.

Strategische Ansatzpunkte für einen alternativen Plan zur Abstimmung verschiedener Politikfelder lassen sich durchaus benennen: Die relativ einseitige Stabilitätsorientierung der WWU, die auf Nachfragebelebung durch Preisstabilität und günstige Rahmenbedingungen setzt, müßte durch die deutlichere Akzentuierung von Wachstum und Beschäftigung ergänzt werden. Eine stärkere, über den derzeitigen Umfang hinausgehende Quantifizierung von Zielvorgaben im Sinne von Output-Indikatoren mit dem Ziel einer weitergehenden Selbstbindung der nationalen Akteure sowie striktere und verbindliche Zeitpläne bei der Durchführung beschäftigungspolitischer Maßnahmen sind prinzipiell durchaus möglich, wie die Einhaltung der fiskalischen und monetären Konvergenzkriterien für den WWU-Beitritt gezeigt hat.

Eine engere Verzahnung der Beschäftigungspolitik mit der allgemeinen, künftig stärker koordinierten Wirtschaftspolitik sowie eine bessere Abstimmung der weiterhin autonomen nationalen Finanzpolitiken wären ebenso Teil einer alternativen, im bereits erwähnten „makroökonomischen Dialog“ institutionalisierten Gesamtstrategie wie eine entsprechende Ausrichtung der gemeinsamen Geldpolitik, ohne in die vertraglich fixierte Autonomie der EZB einzugreifen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Wesentliche Teile des Manuskripts entstanden im Frühsommer 1999, als der Autor Gastwissenschaftler im EGI/ETUI/ISE (Europäisches Gewerkschaftsinstitut) in Brüssel war. Vgl. Andreas Aust, Der Amsterdamer Vertrag: „Vertrag der sozialen Balance“? Sozial-und Beschäftigungspolitik in der Regierungskonferenz 1996/97, in: Zeitschrift für Sozialreform, 43 (1997) 10, S. 748-777; Stefan Tidow, Europäische Beschäftigungspolitik. Die Entstehung eines neuen Politik-feldes: Ursachen, Hintergründe und Verlauf des politischen Prozesses, Forschungsgruppe Europäische Gemeinschaften Arbeitspapier Nr. 18, Marburg 1998; Hans Wolfgang Platzer, Sozialstaatliche Entwicklungen in Europa und die Sozialpolitik der Europäischen Union. Die soziale Dimension im EU-Reformprozeß, Baden-Baden 1997.

  2. Vgl. Berndt Keller, Europäische Arbeits-und Sozialpolitik, München -Wien 1997, S. 75 ff.

  3. Catherine Barnard/Simon Deakin, European Community social law and policy: evolution or regression, in: Industrial Relations Journal. European Annual Review, 1997, S. 131 — 153.

  4. Vgl. Europäische Kommission/Generaldirektion Beschäftigung, Arbeitsbeziehungen und soziale Angelegenheiten, Bericht über die Fortschritte des mittelfristigen sozialpolitischen Aktionsprogramms, in: Soziales Europa (1996) 4, Beiheft.

  5. In der Bundesrepublik stimmte in der ersten Runde das federführende Wirtschaftsministerium die Erstellung des NAP mit anderen Ministerien, vor allem mit dem Forschungs-, Bildungs-und Arbeitsministerium ab, die für einzelne Leitlinien zuständig waren; die Sozialpartner werden konsultiert und dadurch in den Prozeß einbezogen. Vgl. im einzelnen Jens Sperlich, Das Beschäftigungskapitel im Amsterdamer Vertrag: Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Arbeitsmarktpolitik, Verwaltungswissenschaftliche Diplomarbeit, Konstanz 1998. S. 69 ff.

  6. Vgl. ETUC/UNICE/CEEP, Social Partner’s contribution to the Employment Summit, Brüssel 1997.

  7. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (KOM (97) 497 endg.), Mitteilung der Kommission, Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 1998, Brüssel 1997.

  8. Die Beschäftigungsquoten liegen vor allem bei Jugendlichen (15-24 Jahre), Frauen und Älteren (55-64 Jahre) viel niedriger. Das Gefälle besteht im Dienstleistungssektor, vor allem bei kommunalen Dienstleistungen, Dienstleistungen für Unternehmen und Handel sowie im Hotel-und Gaststättengewerbe. Vgl. im einzelnen Kommission/Generaldirektion Beschäftigung, Arbeitsbeziehungen und soziale Angelegenheiten, Beschäftigung in Europa, Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Brüssel 1998.

  9. Vgl. David Soskice, Der Arbeitsmarkt in der Europäischen Gemeinschaft in den 90er Jahren, in: Europäische Kommission (Hrsg.), Europäische Integration und der europäische Arbeitsmarkt, Beiheft 1, Luxemburg 1994, S. 69-90.

  10. Vgl. W. Stanley Siebert, Overview of European labour markets, in: John Addison/W. Stanley Siebert (Hrsg.), Labour Markets in Europe, London 1997, S. 229-243.

  11. Vgl. Nick Adnett, European labour markets. Analysis and policy, London -New York 1996, S. 36 ff.

  12. Vgl. Klaus Schömann, Active labour market policy in the European Union, Discussion Paper FS I 95-201, Wissenschaftszentrum Berlin 1995.

  13. Vgl. B. Keller (Anm. 2), S. 151 ff.

  14. Diese Schlußfolgerung läßt sich im internationalen Vergleich etwa auch konkret am Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit bzw. entsprechender Maßnahmen belegen. Vgl. Amparo Serrano Pascual, Tackling youth unemployment in Europe, Draft Paper, Brüssel 1999; ders., The European employment guidelines and national policy approaches to fighting youth unemployment, in: Emilio Gabaglio/Reiner Hoffmann (Hrsg.), European Trade Union Yearbook 1998, Brüssel 1999, S. 233-251.

  15. Ulrich Walwei, Nationale und europäische Wege zu mehr Beschäftigung: Zu den Möglichkeiten und Grenzen einer europäischen Beschäftigungspolitik, in: Sozialer Fortschritt, 48 (1999) 6, S. 137.

  16. Janine Goetschy, The European Employment Strategy: Genesis and Development, in: European Journal of Industrial Relations, 5 (1999) 2, S. 125.

  17. Vgl. Kees van Kersbergen/Bertjan Verbeek, The politics of subsidiarity in the European Union, in: Journal of Common Market Studies, 32 (1994) 2, S. 215-236.

  18. Dieter Duwendag, Beschäftigungspolitik durch die Europäische Union? in: Klaus Lüder (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung der Zukunft. Vorträge der 65. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1997 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Berlin 1998, S. 258.

  19. Der in der Managementlehre zur Messung von Organisationsperformanz entwickelte Ansatz beabsichtigt die „Ermittlung der relativen Position jedes Mitgliedstaates im Vergleich zum Durchschnitt der drei Besten anhand ausgewählter quantitativer Indikatoren“ (WSA 1999, 6) -und nicht nur für den EU-Durchschnitt; Beispiele für nationale best practices im Rahmen der Säulen bzw. Leitlinien sollen eine erhebliche Rolle im Erfahrungsaustausch zwischen Ländern sowie beim „Grundsatz der multilateralen Überwachung“ spielen.

  20. Vgl. J. Goetschy (Anm. 16), S. 117-137, hier S. 130ff.

  21. Vgl. A. Serrano Pascual, The European employment guidelines (Anm. 14), S. 233 ff.

  22. Vgl. Thorsten Schulten/Reinhard Bispinck (Hrsg.), Tarifpolitik unter dem EURO. Perspektiven einer europäischen Koordinierung: Das Beispiel Metallindustrie. Hamburg 1999.

  23. Die offizielle „Kurzformel“ lautet: „Verbesserte Koordination der makroökonomischen Politiken -in der vollen Autonomie der agierenden Akteure auf der nationalen und europäischen Ebene -erbringt mehr Beschäftigung, Synergien, die aus gegenseitigem Vertrauen, engem Zusammenwirken sowie aus einer sachgerechten Abstimmung resultieren.“ Werner Tegtmeier, Weiterentwicklung der koordinierten Beschäftigungsstrategie durch einen europäischen Beschäftigungspakt, in: Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht (Hrsg.), Tagung Koordinierte Beschäftigungsstrategie -Sozialpolitische Neuerungen durch den Vertrag von Amsterdam, Bonn 1999, S. 50.

  24. Die offizielle „Wirkungsformel“ lautet: „Eine verläßliche Finanzpolitik, die die Vorgaben des Stabilitäts-und Wachstumspaktes einhält, und eine von den Sozialpartnern in eigener gesamtwirtschaftlicher Verantwortung wahrgenommene Lohnpolitik sichern gemeinsam langfristig Preisstabilität. Damit wird der Weg frei für die nationalen Zentralbanken bzw. für die Europäische Zentralbank, sich in diesem Gesamtprozeß durch ihre eigenen autonomen Entscheidungen mit dem Ziel, Beschäftigung positiv zu stimulieren, einzubringen.“ Vgl. W. Tegtmeier (Anm. 23), S. 53.

  25. Philippe Pochet/Etienne Arcq, UNICE in 1998, in: Emilio Gabaglio/Reiner Hoffmann (Hrsg.), European Trade Union Yearbook, Brüssel 1998, S. 179-195.

  26. In diesem Kontext ist vor allem das aktuelle Budgetdefizit wichtig, das eine Höhe von maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten darf.

  27. Vgl. Europäische Kommission/Generaldirektion Beschäftigung (Anin. 4), S, 9.

  28. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Wachstum. Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung. Herausforderungen der Gegenwart und Wege ins 21. Jahrhundert, Brüssel 1993.

Weitere Inhalte

Berndt Keller, Dr. rer. soc., geb. 1946; seit 1987 Professor für Arbeits-und Sozialpolitik an der Universität Konstanz. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Sozial-, Arbeits-und Tarifpolitik, u. a.: Arbeitsbeziehungen im öffentlichen Dienst. Tarifpolitik der Gewerkschaften und Interessenpolitik der Beamtenverbände, Frankfurt/Main-New York 1983; Arbeitspolitik des öffentlichen Sektors, Baden-Baden 1993; Europäische Arbeits-und Sozialpolitik, München -Wien 1997; Einführung in die Arbeitspolitik. Arbeitsbeziehungen und Arbeitsmarkt in sozialwissenschaftlicher Perspektive, 6. völlig überarb. und wesentlich erw. Aufl., München -Wien 1999.