Die Osterweiterung der Europäischen Union: Herausforderung und Chance für eine gesamteuropäische Umweltpolitik
Alexander Carius/Ingmar von Homeyer/Stefani Bär
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Zusammenfassung
Die Osterweiterung der Europäischen Union (EU) stellt sowohl die EU als auch die Beitrittsländer vor ungleich höhere Anforderungen, als dies bei vorangegangenen Erweiterungen der Fall war. Dies schlägt sich auch auf die Chancen und Probleme nieder, die sich mit dem Beitritt der mittel-und osteuropäischen Staaten (MOE-Staaten) für die europäische Umweltpolitik ergeben. Dabei sind vor allem drei Faktoren von Bedeutung: Erstens verfügen die Beitrittsländer nicht über die für eine Durchsetzung der europäischen Umweltnormen notwendigen administrativen Voraussetzungen; zweitens fehlt es ihnen an finanziellen Mitteln für diese Aufgabe. Schließlich zeichnet sich die Umweltsituation in den MOE-Staaten durch extrem hochbelastete „hot-spot“ Gebiete aus, denen ausgedehnte, relativ unberührte Naturräume gegenüberstehen. Die Europäische Kommission versucht zwar, den besonderen Aspekten der Osterweiterung durch eine spezielle Heranführungsstrategie Rechnung zu tragen. Die Dimension der Anpassungserfordernisse im Umweltsektor und die Begrenztheit finanzieller und personeller Ressourcen auf seiten der Beitrittsstaaten und der EU machen es jedoch erforderlich, den Beitritt durch weitere Maßnahmen zu flankieren. So wird es während der Beitrittsverhandlungen bezüglich bestimmter Umweltrichtlinien, deren Übernahme durch die Beitrittsländer mit besonderen Problemen verbunden ist, zur Aushandlung von mehrjährigen Übergangsvereinbarungen kommen. Es stellt sich jedoch auch die Frage, inwieweit die Harmonisierungsstrategie und die Institutionen der EU selbst aufgrund der Osterweiterung mittel-bzw. langfristig angepaßt werden müssen. Eine Änderung der Abstimmungsregeln im Ministerrat könnte dazu beitragen, die Gefahr zunehmender Entscheidungsblockaden als Folge der Osterweiterung abzuwenden. Daneben ist an eine Flexibilisierung der Harmonisierungsstrategie zu denken, die u. a. an das Integrationskonzept der „variablen Geometrie“ anknüpfen kann.
I. Einleitung
Im Juni 1993 wurde auf dem Europäischen Gipfel in Kopenhagen beschlossen, daß die mit der Europäischen Union (EU) assoziierten mittel-und osteuropäischen Staaten (MOE-Staaten) grundsätzlich Mitglieder der EU werden können. Mit fünf der zehn MOE-Staaten, die in die intensivierte Heranführungsstrategie der EU einbezogen sind, wurden im März 1998 konkrete Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Das umweltpolitische Kapitel wird seit November 1999 verhandelt
Die EU-Osterweiterung unterscheidet sich in wesentlichen Aspekten von vorherigen Beitritten: -Mit zehn MOE-Staaten sowie Zypern und Malta ist die Zahl der Beitrittskandidaten ungleich höher und das wirtschaftliche Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten und den Beitrittsstaaten größer als bei früheren Beitritten. -Der Acquis Communautaire, der rechtliche Besitzstand der Union, der von den Beitrittsstaaten übernommen werden muß, ist besonders als Folge der Rechtsangleichung zur Schaffung des Binnenmarktes heute wesentlich umfangreicher als noch zum Zeitpunkt der Süderweiterung Mitte der achtziger Jahre. -Gegenüber früheren Erweiterungen hat sich die Qualität des EG-Rechts verändert. So greift die Europäische Gemeinschaft (EG) im Umwelt-recht verstärkt auf prozedurale Regeln zurück (beispielsweise Partizipations-und Informationspflichten), betont das Erfordernis einer integrierten Umweltpolitik und legt besonderes Gewicht auf die tatsächliche Durchsetzung der EG-Umweltpolitik. -Ein weiterer Unterschied zu bisherigen Erweiterungen besteht in der erforderlichen strukturellen Reform wesentlicher Handlungsfelder, Mechanismen und Instrumente der Gemeinschaft (z. B. die Reform der Organe und Entscheidungsmechanismen der EU, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der Struktur-und Kohäsionsfonds sowie die Neuaushandlung der finanziellen Beiträge der Mitgliedstaaten) -Die Beitrittsstaaten befinden sich in einem Prozeß der wirtschaftlichen und politischen Transformation. Neben der Übernahme des Acquis müssen sie gleichzeitig ihr gesamtes Rechts-und Wirtschaftssystem durch die Schaffung neuer Eigentumsregime, Privatisierungen, den Abbau von Subventionen etc. grundlegend reformieren. -Schließlich ist der Prozeß der EU-Osterweiterung von hoher außen-und sicherheitspolitischer Dringlichkeit geprägt, die jungen mittel-und osteuropäischen Demokratien politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich zu stabilisieren.
Insgesamt vollzieht sich die Osterweiterung unter schwierigeren Bedingungen als vorangegangene Erweiterungen. Einerseits erhöhen die außenpolitischen Zielsetzungen den Druck, die Erweiterung in möglichst kurzer Zeit zu vollziehen. Andererseits spricht die hohe Zahl von Beitrittsstaaten, ihr wirtschaftlicher Entwicklungsrückstand, Umfang und Komplexität des Acquis, der Reformbedarf bestimmter Politiken der EU und der grundlegende wirtschaftliche, soziale und politische Transformationsprozeß in den Beitrittsstaaten für einen langfristigen Erweiterungsprozeß. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden der Frage nachgegangen, welche beitrittsbezogenen Probleme, Herausforderungen und Chancen sich für die europäische Umweltpolitik stellen Anlaß zur Skepsis gibt die Feststellung der Europäischen Kommission, daß im Bereich der Umweltpolitik von keinem Beitrittsstaat erwartet werden kann, „daß er dem Acquis Communautaire in naher Zukunft in vollem Maße entspricht“ Eine vergleichbar pessimistische Aussage wird von der Kommission für keinen anderen Bereich des Acquis getroffen. Andererseits bietet die EU-Osterweiterung eine einmalige Chance, eine gesamteuropäische Umweltpolitik zu schaffen. So würde z. B. eine Reduktion der Umweltbelastungen in den Beitrittsstaaten aufgrund des dort im allgemeinen niedrigeren Umweltschutz-und Preisniveaus die Umweltqualität in Europa nachhaltiger verbessern als vergleichsweise teure Umweltschutzinvestitionen in den bisherigen Mitgliedstaaten.
II. Die umweltpolitische Bedeutung des Acquis Communautaire
Abbildung 3
Abbildung: Die Beitrittsstrategie der EU Quelle: Eigene Darstellung; zu den Instrumenten der Heranführungsstrategie vgl. die Erläuterungen im Text.
Abbildung: Die Beitrittsstrategie der EU Quelle: Eigene Darstellung; zu den Instrumenten der Heranführungsstrategie vgl. die Erläuterungen im Text.
Die effektive Übernahme des gemeinschaftlichen Umweltrechts durch die MOE-Staaten wird angesichts gravierender Umweltprobleme sowohl in den Beitrittsstaaten als auch hinsichtlich grenzüberschreitender Umweltprobleme in den EU-Mitgliedstaaten grundsätzlich positive Wirkungen haben. Allerdings dürften zusätzliche Umweltentlastungseffekte für die Mitgliedstaaten aufgrund der bereits existierenden bi-und multilateralen sowie internationalen Umweltzusammenarbeit insbesondere bei weiträumigen und globalen Umweltproblemen eher begrenzt sein. Die europäische Umweltpolitik wird im Kontext des Beitritts von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament als Motor der Modernisierung von Staat und Wirtschaft in den Beitritts-staaten begriffen *Tatsächlich ist das Erfordernis der Übernahme und Umsetzung insbesondere des umweltrechtlichen Acquis geeignet, aufgrund der überalterten Umweltgesetzgebung der MOE-Staaten das nationale Umweltrecht und die nationale Umweltpolitik generell zu modernisieren und wesentliche Bereiche der Umweltpolitik systematisch umzustrukturieren oder neu zu gestalten. Dies gilt zum Beispiel für die Aufstellung von Abfallwirtschafts-und Luftreinhalteplänen, die Ausweisung von Schutzgebieten, den Aufbau einer funktionierenden Wasserwirtschaftsverwaltung oder allgemein für eine strategische Ausrichtung der Umweltpolitik. Damit einher geht durch Lern-und Diffusionsprozesse auch eine Modernisierung der Umweltverwaltung bzw.der Verwaltung insgesamt, beispielsweise durch die Einführung dezentraler Verwaltungsstrukturen, moderner, transparenter Verwaltungspraktiken, der Implementierung von Berichtspflichten und ressortübergreifender Konsultations-und Entscheidungsmechanismen. Komplexe substantielle (Operationalisierung von Begriffen wie „Stand der Technik“ etc.) und prozedurale (Beteiligungs-und integrierte Genehmigungsverfahren) Regelungen müssen umgesetzt und angewendet, die erforderlichen Investitionen identifiziert, geplant, finanziert und durchgeführt werden.
Die effektive Umsetzung des umweltrechtlichen Acquis in den Beitrittsstaaten ist auch für die Akzeptanz des europäischen Umweltrechts in den Mitgliedstaaten von Bedeutung. Aufgrund der bestehenden Implementationsdefizite des gemeinschaftlichen Umweltrechts ist zu befürchten, daß eine langsame oder unvollständige Übernahme und Durchsetzung des europäischen Umweltrechts in den Beitrittsstaaten auch die Bereitschaft der Mitgliedstaaten weiter einschränken würde, umweltrechtliche Regelungen der Gemeinschaft effektiv zu implementieren
Der Prozeß einer effektiven Rechtsangleichung impliziert aber auch eine Modernisierung der wirtschaftlichen Strukturen in den Beitrittsstaaten. Der Beitritt kann nur vollzogen werden, wenn die Industrie dieser Staaten auf dem liberalisierten europäischen Binnenmarkt mit westeuropäischen Unternehmen konkurrieren kann. Einerseits sind die bereits heute exportorientierten Industrien der Beitrittsstaaten schon aus Gründen der Wahrung von Marktzugangschancen gezwungen, produktbezogene EG-Umweltstandards einzuhalten, andererseits erscheint es aber gerade im Zuge der fort-schreitenden Integration der Beitrittsstaaten in den Binnenmarkt und der zunehmenden Handels-verflechtung wichtig, auch die traditionell weniger stark auf den Export ausgerichteten Firmen in den Beitrittsstaaten auf den zunehmenden Wettbewerb und eine u. U. erforderliche stärkere Exportorientierung vorzubereiten. Auf diesem Weg stellt die Beseitigung unterschiedlicher Umweltstandards im Rahmen des Beitritts eine wichtige Erleichterung dar.
Viele Beitrittsstaaten sind traditionell stark von einer Energie-und rohstoffintensiven Wirtschaftsstruktur geprägt. Auch hier können Modernisierungseffekte als Folge höherer Umweltanforderungen entstehen. Strengere Umweltschutzanforderungen schaffen Anreize zur Einsparung von Energie und Rohstoffen und führen zu Effizienzgewinnen und ökologischem Struktur-wandel, der durch eine Abkehr von energie-und rohstoffintensiven Industrien und die Hin-wendung zum modernen Dienstleistungssektor gekennzeichnet ist.
Umgekehrt werden durch die Übernahme gemeinschaftlicher Umweltstandards der Beitrittsstaaten und durch steigende Umweltkosten in den MOE-Staaten bisherige Wettbewerbsnachteile ausgeglichen und in den Beitrittsstaaten neue Absatzmärkte für die westeuropäische Umweltindustrie geschaffen
Mit der erwähnten pessimistischen Stellungnahme der Kommission zur rechtzeitigen Übernahme des umweltrechlichen Acquis durch die Beitrittsstaaten wurde die Forderung nach einer vollständigen Umsetzung bereits zum Zeitpunkt des Beitritts allerdings schon im Vorfeld der Beitrittsverhandlungen aufgeweicht. Dadurch erhöht sich die Gefahr, daß der Umweltschutz in den eigentlichen Beitrittsverhandlungen als „Manövriermasse“ behandelt werden könnte Um so wichtiger erscheinen Maßnahmen, die die effektive Übernahme und Umsetzung des EG-Umwelt-rechts unabhängig vom konkreten Verhandlungsverlauf unterstützen. Die Heranführungsstrategie der EU ist hier ein besonders wichtiger Mechanismus.
III. Die Beitrittsstrategie der Europäischen Union im Umweltbereich
Die Politik der EU gegenüber den Staaten Mittel-und Osteuropas hat sich seit den politischen Umwälzungen 1989 sukzessive fortentwickelt. Nach der anfänglichen Soforthilfe im Rahmen des PHARE-Programms zur Bewältigung der ökonomischen und sozialen Lasten des Transformationsprozesses wurde die Zusammenarbeit mit den MOE-Staaten durch die erwähnten Assoziierungsabkommen soweit intensiviert, daß sich ein EU-Beitritt zunehmend als reale Option darstellte. Seit dem Essener Gipfel der Staats-und Regierungschefs der EU im Dezember 1994 verfolgt die Europäische Union eine aktive Strategie der Her-anführung der beitrittswilligen MOE-Staaten. 1997 stellte die Kommission die Agenda 2000 vor, an der sich eine weiter intensivierte Heranführungsstrategie orientiert.
Die Abbildung gibt einen Überblick über die Beitrittsstrategie der EU. Die rechtlichen Grundlagen sind im Unionsvertrag und den Assoziationsabkommen mit den mittel-und osteuropäischen Beitrittskandidaten zu finden. Im Weißbuch der Europäischen Kommission von 1995 werden die binnenmarktrelevanten Regelungen des Acquis als für den Beitritt vorrangig identifiziert. Im Umwelt-bereich fallen hierunter vor allem produktbezogene Vorschriften, die jedoch nur die Hälfte des umweltrechtlichen Acquis ausmachen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Kommission im Juni 1998 eine Mitteilung über Beitrittsstrategien für die Umwelt herausgegeben, die die besondere Bedeutung des Umweltschutzes in der Heranführungsstrategie betont und weitere Regelungsgebiete des umweltrechtlichen Acquis benennt, die vorrangig übernommen werden sollen.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der in der Agenda 2000 vorgestellten intensivierten Heranführungsstrategie werden im Rahmen von bilateralen Beitrittspartnerschaften zwischen den einzelnen Beitrittsstaaten und der Kommission ausgehandelt. Die Beitrittspartnerschaften sehen die Erarbeitung nationaler Programme zur Übernahme des Acquis Communautaire (NPAAC) vor, in denen Prioriäten und detaillierte Strategien zur Umsetzung der Richtlinien entwickelt werden
Die Heranführungsstrategie der Kommission stützt sich auf finanzielle und technische Instrumente. Unter letzteren wird die Bereitstellung von Informationen und Erfahrungen verstanden, die die Umsetzung des europäischen in nationales Recht und dessen effektive Anwendung in den Beitritts-staaten gewährleisten soll. Die Kommission hat zudem Orientierungshilfen für die Beitrittsstaaten hinsichtlich der Übernahme des umweltrechtlichen Acquis entwickelt. So enthält der Acquis Guide der Kommission neben einer Darstellung von Inhalt und Implementationserfordernissen der wesentlichen umweltrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft Hinweise zur Erstellung von „Konkordanztabellen“, mit deren Hilfe Beitrittsstaaten und Kommission Fortschritte und Defizite bei der Angleichung an den Acquis festhalten".
Im Progress Monitoring Manual werden weitere Berichtssysteme entwickelt, die es erlauben, Fortschritte bei der Übernahme des umweltrechtlichen Acquis zu beobachten. Ein noch in Vorbereitung befindliches Handbuch soll den Beitrittsstaaten bei der Implementation des umweltrechtlichen Acquis Hilfestellung leisten, indem Implementationspraktiken der Mitgliedstaaten vorgestellt und erläutert werden.
Das TAIEX-Büro der Kommission (Technical Assistance and Information Exchange Office) dient der Unterstützung der Beitrittskandidaten bei der Rechtsangleichung. TAIEX bietet u. a.den Verwaltungsfachleuten der Beitrittskandidaten Beratungs- und organisatorische Dienstleistungen an. Darüber hinaus wurde zur Entwicklung effektiver
Angleichungsstrategien im Bereich des gemeinschaftlichen Umweltrechts die DISAE-Fazilität der Kommission (Development of Implementation Strategies for Approximation in Environment) geschaffen.
In Anlehnung an das Implementationsnetzwerk der Kommission (European Union Network for the Implementation and Enforcement of European Environmental Law, IMPEL) wurde 1998 ein entsprechendes Gremium für die Beitrittsstaaten gegründet (IMPEL-AC), dessen Aufgabe in der Analyse der Monitoring-und Überwachungsstrukturen in den Beitrittsstaaten, im Erfahrungsaustausch und in der Weiterbildung von Beamten und Inspektoren der Beitrittsstaaten besteht.
Zur Vorbereitung auf die eigentlichen Beitrittsverhandlungen führt die Kommission seit April 1998 das „Screening“ der Gesetzgebung der Beitritts-staaten im Hinblick auf die Angleichung an den Acquis durch. Das Screening dient der frühzeitigen Identifikation von Lücken in der Gesetzgebung und absehbaren Problemen bei der Implementation. Die Ergebnisse des Screenings erleichtern es der Kommission im Rahmen ihrer Initiativfunktion, einen Vorschlag für eine gemeinsame Position des Rates zu formulieren, auf dessen Grundlage dann die eigentlichen Beitrittsverhandlungen geführt werden können.
Im Rahmen der Heranführungsstrategie hat die Kommission im Hinblick auf den Beitritt verschiedene Finanzierungsinstrumente geschaffen. Aus dem PHARE-Programm, dem wichtigsten Finanzierungsinstrument, flössen von 1990 bis 1999 rund 11 Mrd. €in die MOE-Staaten Für den Zeitraum 2000 -2006 sind jährliche Ausgaben von 1, 56 Mrd. €für PHARE veranschlagt. 70 Prozent der Mittel sollen für Investitionen und 30 Prozent (ca. 500 Mill. €) für den Aufbau der Verwaltungen in den Beitrittsstaaten zur Verfügung gestellt werden. Sogenannte „Twinning“ -Projekte bilden das zentrale Instrument zum Verwaltungsaufbau. Sie konzentrieren sich zunächst auf die Sektoren Landwirtschaft, Umwelt, Finanzen sowie Innen-und Rechtspolitik. Im Mittelpunkt der Projekte steht die Entsendung von Langzeit-und Kurzzeitexperten der Behörden eines oder mehrerer Mitgliedstaaten in einen Beitrittsstaat
Für das Jahr 2000 ist die Einrichtung des Instrument for Structural Pre-Accession Aid (ISPA) beschlossen worden, das sich an Zielen und Funktionsweise des Kohäsionsfonds für die Mitgliedstaaten anlehnt. Für den Zeitraum 2000-2006 ist eine finanzielle Ausstattung von ISPA in Höhe von jährlich 1, 04 Mrd. €vorgesehen. Für ISPA wird eine Aufteilung der zur Verfügung stehenden Mittel zu jeweils ca. 50 Prozent auf Investitionen in den Sektoren Umwelt und Verkehr angestrebt. Im Umweltbereich sollen Investitionen in den Bereichen Wasser-und Luftqualität sowie Abfallmanagement im Vordergrund stehen, da hier der Investitionsbedarf im Zuge des Beitritts besonders hoch ist. Die MOE-Staaten müssen 15 bis 25 Prozent der Projektsummen der ISPA-Projekte aus dem nationalen Haushalt oder extern über die Europäische Investitionsbank (EIB), die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) oder die Weltbank kofinanzieren Für den landwirtschaftlichen Bereich sind parallel zu ISPA Strukturhilfen durch das neue Programm Special Aid for Pre-Accession in Agriculture and Rural Development (SAPARD) vorgesehen. In diesem Rahmen können z. T. auch Maßnahmen im Umweltsektor gefördert werden
Im Rahmen des LIFE-Programms, das ursprünglich allein der Finanzierung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Umweltsektor diente, können seit einiger Zeit ebenfalls Maßnahmen in den assoziierten MOE-Staaten finanziert werden. Das zweite LIFE-Programm von 1996 bis 1999 ist mit einem Budget von 450 Mio. €ausgestattet. Die Heranführungsstrategie der EU wird durch die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN-ECE) und das Regional Environmental Center for Central and Eastern Europe (REC) unterstützt. Unter dem Dach der UN-ECE befindet sich das Sekretariat des „Umwelt für Europas-Prozesses, dessen wesentlicher Bestandteil das Umweltaktionsprogramm (EAP) für Mittel- und Osteuropa ist. Die MOE-Staaten haben in diesem Rahmen mehrjährige nationale Umweltaktionspläne (NEAPs) aufgestellt. Während der „Umwelt für Europa“ -Prozeß im wesentlichen auf der Zusammenarbeit zwischen Regierungen fußt, versucht das REC durch Stärkung der zivilgesellschaftlichen Kräfte in den MOE-Staaten eine Verbesserung der Umweltsituation herbeizuführen. Zu seinen wesentlichen Aufgaben gehört die Information der MOE-Staaten über umweltpolitische Strategien und konkrete Lösungsansätze.
IV. Anpassungserfordernisse in den mittel-und osteuropäischen Staaten
Der Begriff „Transition“ ist im Fall der Beitritts-staaten nicht nur für die politischen und wirtschaftlichen Bedingungen, sondern auch für die Umweltsituation kennzeichnend. Im Vergleich zu den Mitgliedstaaten besteht hier eine große Divergenz zwischen stark belasteten „hot spot“ -Gebieten, wie z. B.dem sog. „Schwarzen Dreieck“ zwischen Polen, der Tschechischen Republik und Deutschland, und ausgedehnten, relativ naturbelassenen Räumen mit hoher Artenvielfalt Die extremen Umweltbelastungen in den „hotspots“ sind jedoch aufgrund wirtschaftlicher Probleme, des Rückgangs der Industrieproduktion und damit auch der Schadstoffemissionen sowie durch bi-und multilaterale Hilfs-und Aktionspro-gramme teilweise rückläufig. Umgekehrt werden Umweltbelastungen durch Wohlstandsgewinne, z. B. durch den zunehmenden Individual-, Transitund Straßengüterverkehr, voraussichtlich deutlich zunehmen. Zusätzliche Probleme ergeben sich im Bereich des Gewässerschutzes durch die unzureichende Klärung von Abwässern bzw. Vorklärung industrieller Abwässer und durch geringe Anschlußraten an das öffentliche Kanalisationssystem vor allem in ländlichen Regionen. Weitere Gewässerbelastungen werden durch den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in der Landwirtschaft verursacht
Für die besonders kostenintensiven Bereiche Luftreinhaltung, Abfallbeseitigung sowie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung wird für die Übernahme des EG-Umweltrechts seitens der Kommission und des Europäischen Parlaments von einem Gesamtinvestitionsbedarf in den zehn Beitrittskandidaten von rund 120 Mrd. €ausgegangen (investive Kosten zuzügl. operativer Kosten über 20 Jahre). Die entsprechende Debatte über die Beitrittskosten ist allerdings durch eine Reihe von Unklarheiten gekennzeichnet. Erstens wäre es sinnvoll, nicht primär absolute Kosten zu diskutieren, sondern vielmehr die durch den Beitritt zusätzlich verursachten Kosten. Letztere sind in der Praxis jedoch oftmals kaum von den Kosten zu unterscheiden, die ohnehin entstanden wären (Problem des Baseline Szenarios) Zweitens hängen die tatsächlich entstehenden Kosten von so unterschiedlichen Parametern wie dem betrachteten Zeitraum, den verwendeten Technologien und Instrumenten und der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Den Kosten des Beitritts sollte auch der durch ihn entstehende Nutzen gegenübergestellt werden; und zwar einerseits der rein ökonomische Nutzen -z. B. die oben dargestellten wirtschaftlichen Effizienz-und Modernisierungsgewinne -und andererseits auch die Wohlfahrtsgewinne, die Folge eines besseren Umweltschutzes sind. In den bisher vorliegenden Kostenschätzungen wird zudem nicht hinreichend zwischen unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft differenziert, die für die jeweiligen Kosten aufkommen müssen. Es ist jedoch sowohl aus sozialen wie auch aus Gesichtspunkten der Kapitalbeschaffung durchaus relevant, ob Kosten primär vom Staat, von den Produ-zenten oder den Konsumenten getragen werden müssen Schließlich leidet die Diskussion über die Beitrittskosten im Umweltbereich darunter, daß es bisher keine Schätzungen der Beitrittskosten für andere Sektoren bzw.der Gesamtkosten gibt, die mit den Kosten im Umweltsektor verglichen werden könnten.
Neben den hohen Investitionskosten stellen Rechtsangleichung und praktische Implementation des umweltrechtlichen Acquis erhebliche Anforderungen an die Umweltverwaltung in den Beitrittsstaaten. Unterentwickelte regionale und kommunale Verwaltungsstrukturen erschweren die Durchsetzung der Umweltgesetzgebung. Dies wird z. B. mit Blick auf die Erteilung von Genehmigungen und die Durchführung von Inspektionen im Rahmen der Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie) der Fall sein Darüber hinaus besteht in allen Beitrittsstaaten ein Defizit an personellen und technischen Ressourcen im Bereich der Vollzugskontrolle. Die formale Rechtsangleichung wird zudem durch die Überlastung der mit der Formulierung und Verabschiedung entsprechender Regelungen befaßten Institutionen beeinträchtigt.
Nach offizieller Einschätzung der Kommission werden die Beitrittsstaaten den umweltrechtlichen Acquis trotz dieser Probleme mittelfristig zumindest rechtsförmlich übernehmen können Allerdings läßt die Kommission offen, ob sie damit -wie von den Beitrittsstaaten erklärt wird -eine rechtsförmliche Umsetzung bis zu den von den Beitrittsstaaten jeweils anvisierten Beitrittsterminen im Januar 2002 bzw. 2003 für wahrscheinlich hält. Noch größere Unsicherheit verursacht die oben genannte Erwartung der Kommission, daß die vollständige Implementation des EG-Umwelt-rechts in den Beitrittsstaaten nur langfristig -und damit wohl erst nach einem Beitritt -möglich sein wird. Tatsächlich hat das Screening im Umweltbereich gezeigt, daß die fünf Beitrittsstaaten Übergangsfristen insbesondere für die Implementation des wasserrechtlichen Acquis, der IVU-Richtlinie sowie im Bereich des Abfallmanagements beantragen werden Hinsichtlich der Länge von möglichen Übergangsfristen besteht noch keine endgültige Klarheit. Während im EU-Umweltministerrat eine Begrenzung von Übergangsfristen auf fünf Jahre diskutiert wurde erwägen einige Beitrittsstaaten beispielsweise für Teile der IVU-Richtlinie die Beantragung von Übergangsfristen, die den Fristen entsprechen, die für die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie galten. Im genannten Fall wären dies bis zu elf Jahre
V. Flexibilisierung und institutioneile Reformen auf EU-Ebene
Vor dem skizzierten Hintergrund wird ein Anpassungsbedarf insbesondere im institutioneilen und finanziellen Bereich auch auf EU-Ebene offensichtlich. Die Notwendigkeit einer Reform der GAP, der Beitragszahlungen und der Struktur-fonds wurde eingangs bereits als grundlegende Voraussetzung der Osterweiterung erwähnt. Im folgenden sollen mögliche institutionelle Implikationen und Flexibilisierungserfordernisse erörtert werden. Die Kommission deutet in ihrer Mitteilung über umweltpolitische Beitrittsstrategien selbst die Möglichkeit einer Flexibilität bei der Übernahme des Acquis durch die Beitrittsstaaten an, insofern die „Konformität mit dem Besitzstand der Gemeinschaft [. . . ] eine unerläßliche Voraussetzung für die Mitgliedschaft in der Union, aber kein Selbstzweck“ ist. Als Kriterien für die Auswahl von Prioritäten bei der Angleichung werden „die wichtigsten ökologischen Probleme und Prioritäten“ in den einzelnen Beitrittsstaaten sowie die „wirtschaftlichen Folgen -sowohl Auflagen als auch potentielle Anreize zu Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit“ genannt Damit schlägt die Kommission ein differenziertes Vorgehen bei der Rechtsangleichung vor, das den ökologischen Problemlagen, aber auch wirtschaftlichen Faktoren in den Beitrittsstaaten Rechnung tragen soll. Die Argumentation der Kommission legt nahe, daß sich die Prioritätenbildung auf die zeitliche Reihenfolge bezieht, in der verschiedene Elemente des umweltrechtlichen Acquis von den Beitrittsstaaten übernommen werden sollen. Möglich wären demnach Übergangsfristen, aber keine dau erhaften Ausnahmen. Eine solche Vorgehensweise wurde im Prinzip bereits anläßlich der Süderweiterung der EG um Spanien und Portugal in Art. 8c der Einheitlichen Europäischen Akte verankert Hier ging es allerdings nicht um die Übernahme des Acquis, sondern um neue Maßnahmen zur Einführung des Binnenmarktes. Für diese Maßnahmen wurde die Möglichkeit zeitlich befristeter Ausnahmeregelungen für Mitgliedstaaten vorgesehen, die aufgrund relativer wirtschaftlicher Unter-entwicklung bei der Einführung des Binnenmarktes besonders hohen Belastungen ausgesetzt sind.
Die Ausführungen der Kommission schließen jedoch auch weiter gehende Möglichkeiten nicht aus. Die oben angeführte Erklärung, daß die Übernahme des Acquis kein Selbstzweck sei, legt nahe, daß das EG-Umweltrecht von den Beitrittsstaaten nicht per se übernommen werden muß. Anlaß zur Übernahme besteht nur, wenn dies im Hinblick auf substantielle Gründe, wie den Umweltschutz oder den Europäischen Binnenmarkt, zweckdienlich ist. Eine selektive Übernahme des EG-Umweltrechts durch einzelne Beitrittsstaaten nach stark lokalisierten Kriterien der Zweckmäßigkeit wäre selbstverständlich kontraproduktiv. Dies müßte letztendlich zur Auflösung der einheitlichen EG-Umweltgesetzgebung führen. Dennoch stellt sich die Frage, ob es bezüglich bestimmter Gemeinsamkeiten der Beitrittsstaaten hinsichtlich der Umweltsituation und der Anpassungsprobleme sinnvoll sein könnte, die Beitrittsstaaten von der Übernahme bestimmter Teile des Acquis zu befreien. Beispielsweise ist die Verpflichtung zur vollständigen Implementierung des europäischen Wasserrechts gerade in dünn besiedelten Regionen einzelner Beitrittsstaaten unzweckmäßig, da die EG-Regelungen auf dichter besiedelte Gebiete zugeschnitten sind. Der durch eine strikte Anwendung des Wasserrechts erzielbare ökologische Nutzen rechtfertigt keineswegs die hohen Investitionen, z. B. für den Bau von Kanalisation und Kläranlagen Auf derartigen Überlegungen beruhende permanente Ausnahmeregelungen entsprächen Integrationskonzepten der „variablen Geometrie“. Diese sehen eine nach Ländergruppen differenzierte Integration vor Gegenwärtig kommt das durch den Vertrag von Amsterdam neu geschaffene Instrument der Verstärkten Zusammenarbeit dem Konzept der variablen Geometrie nahe. Danach kann sich eine Gruppe von Mitgliedstaaten auf gemeinsame Regelungen einigen, die über die sonstigen Regelungen der EU hinausgehen. Hierfür können sie den institutionellen Rahmen der EU nutzen, wenn kein Mitgliedstaat ein Veto gegen die verstärkte Kooperation einlegt und jeder Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, dem neuen Regime später beizutreten. Fraglich ist, ob die Verstärkte Zusammenarbeit auch auf einzelne Richtlinien oder nur für ganze Politikbereiche anwendbar ist. Außerdem ist eine Verstärkte Zusammenarbeit nur bei neuen Maßnahmen oder bei solchen, die über die bisher auf EU-Ebene getroffenen Maßnahmen hinausgehen, möglich. „Negative“ Teil-aufhebungen sind ausgeschlossen.
Das Konzept der variablen Geometrie bietet sich an, wenn wichtige und konstante Unterschiede zwischen Gruppen von Mitgliedstaaten dauerhaft unterschiedliche Regelungen sinnvoll erscheinen lassen. Hingegen sind Übergangsfristen, die dem Konzept der zeitlich differenzierten Integration entsprechen, eher geeignet, auf Probleme bei der Angleichung an den Acquis zu reagieren, die sich aus vorübergehenden Schwierigkeiten ergeben, wie z. B. einem kurz-oder mittelfristigen Kapital-mangel
Angesichts der mit der Erweiterung zunehmenden naturräumlichen und sozioökonomischen Diversität der EU kann davon ausgegangen werden, daß flexible Regulierungsstrategien an Bedeutung gewinnen werden Ansätze einer flexiblen Harmonisierungsstrategie weist z. B. die neue Richtlinie zur Qualität von Benzin und Dieseltreibstoffen auf, die einem Mitgliedstaat verlängerte Fristen bei der Einführung umweltfreundlicherer Treibstoffe einräumt, „wenn er (der Mitgliedstaat) nachweisen kann, daß es für seine Industrieunternehmen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden wäre, (. . .) die erforderlichen Änderungen vorzunehmen“ 3D 1ie Mitgliedstaaten können auch strengere Auflagen hinsichtlich der Qualität der Treibstoffe in Ballungsräumen oder ökologisch besonders empfindlichen Gebieten festlegen. Derartige Ausnahmen sind aber nur dann zulässig, wenn nachgewiesen wird, daß „die Umweltverschmutzung ein schwerwiegendes und wiederkehrendes Problem für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt oder nach vernünftigem Ermessen darstellen kann“
Flexible Regulierungsmechanismen sind bisher nur in Ansätzen institutionalisiert und kaum praktiziert worden. Eine stärkere Institutionalisierung könnte langfristig helfen, die Folgen der Osterweiterung mit Blick auf die wachsende Diversität der Europäischen Union besser aufzufangen und die Gefahr eines langfristigen Absinkens des Umweltschutzniveaus abzuwenden bzw. einer u. U. drohenden Auflösung eines einheitlichen Schutz-niveaus entgegenzuwirken. Solche negativen Entwicklungen erscheinen möglich, da damit zu rechnen ist, daß die Beitrittsstaaten -ähnlich wie die Staaten, die der EG im Rahmen der Süderweiterung beitraten -eher zu den umweltpolitischen Nachzüglern unter den Mitgliedstaaten gehören werden. Sie verfügen weder über Traditionen einer durchsetzungsfähigen Umweltpolitik, noch werden diese Länder auf absehbare Zeit zu den wohlhabenderen Mitgliedstaaten gehören, die eher bereit sind, die Kosten eines hohen Schutzniveaus zu tragen.
Ohne flexiblere Umweltstandards können konkret zwei Probleme entstehen: Erstens wird es schwieriger werden, eine Harmonisierung auf hohem Umweltschutzniveau zu erreichen, da entsprechende Regelungen leicht von einigen Beitritts-staaten und den umweltpolitischen „Nachzüglern“ unter den bisherigen Mitgliedstaaten im Ministerrat blockiert werden könnten. Zweitens kann es bei einer anhaltenden Blockade dazu kommen, daß einzelne Mitgliedstaaten, die ein höheres Schutzniveau wünschen, unter Berufung auf Art. 95 (4) bzw. (5) EGV, Art. 30 EGV oder in Ermangelung des Zustandekommens einer gemeinsamen Regelung auf EU-Ebene Maßnahmen auf nationaler Ebene ergreifen Im Extremfall könnte dies zu einer schrittweisen Auflösung eines einheitlichen Regelungsniveaus auf EU-Ebene führen.
Spätestens ein Jahr vor dem Zeitpunkt, zu dem die Zahl der Mitgliedstaaten der EU 20 überschreiten wird, muß nach den Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags eine Konferenz der Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten einberufen werden, um über notwendige Reformen der EU-Organe zu beraten. Für die europäische Umweltpolitik dürfte besonders eine Veränderung der Abstimmungsregeln des Ministerrates von Bedeutung sein. Da mit der Osterweiterung und dem Beitritt Zyperns und Maltas weitere „Mini“ -und „Mikrostaaten“ Mitglieder der EU werden, wird besonders über die Stimmgewichtung im Rat diskutiert. Durch eine stärkere Angleichung der Stimmgewichtung an die Einwohnerzahl soll verhindert werden, daß sich das Verhältnis von Stimmen im Rat zur Bevölkerungszahl noch weiter verschlechtert.
Zu prüfen wäre hier aus umweltpolitischer Sicht, welche Stimmgewichtung verhindern könnte, daß eine Gruppe von Mitgliedstaaten Fortschritte in der Umweltpolitik blockieren kann Geht man davon aus, daß die Beitrittsstaaten (inkl. Malta und Zypern) eine solche Gruppe bilden könnten würden diese bei einer Fortschreibung der jetzigen Stimmgewichtung eine knappe Sperrminorität im Ministerrat bilden können. Käme es zu einer Stimmverteilung, die linear proportional zur Einwohnerzahl ist, wäre diese Gruppe hingegen weit vom Erreichen einer Sperrminorität entfernt Natürlich bedürfen derartige Überlegungen einer weitaus differenzierteren Analyse unter Einbeziehung der bisherigen Mitgliedstaaten, die an dieser Stelle allerdings nicht geleistet werden kann.
VI. Schlußfolgerungen
Eine den umweltpolitischen Herausforderungen im Zuge der EU-Osterweiterung genügende Bei trittsstrategie muß kurz-und mittelfristig sowohl auf eine hohe finanzielle, technische und administrative Unterstützung der Beitrittsstaaten, wie sie in der intensivierten Heranführungsstrategie der EU bereits erkennbar ist, als auch auf Instrumente der flexiblen Integration und Regulierung zurückgreifen. Da die Beitrittsstaaten nur auf lange Frist in der Lage sein werden, das EG-Umweltrecht vollständig umzusetzen, muß dafür Sorge getragen werden, daß ihnen auch nach dem Auslaufen der Heranführungsstrategie hinreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang wird die Reform der Kohäsions-und der Strukturfonds von besonderem Interesse sein. Vor dem Hintergrund niedrigerer marginaler Kosten des Umweltschutzes in den Beitrittsstaaten sind aus gesamteuropäischer Perspektive außerdem Umweltentlastungseffekte durch zusätzliche finanzielle Mittel für die Beitrittsstaaten im Sinne einer „joint implementation“ sinnvoller als vergleichsweise kostspielige Umweltinvestitionen in den Mitgliedstaaten mit wesentlich geringerem ökologischen Nutzen.
Aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel, die zur Unterstützung der Beitrittsstaaten zur Verfügung gestellt werden können, und der Aussicht, daß diese Staaten eher zu den umweltpolitischen „Bremsern“ in der EU gehören könnten, ist mittel-und langfristig auch eine Anpassung der umweltpolitischen Integrationsstrategie und der Institutionen der EU erforderlich. Zu denken wäre hier z. B. an die Nutzung von Integrationskonzepten, die an das Konzept der variablen Geometrie anknüpfen.
Alexander Carius, Dipl. -Pol., geb. 1964; Geschäftsführer und Projektleiter, Ecologic, Gesellschaft für Internationale und Europäische Umweltforschung, Berlin. -Zahlreiche Veröffentlichungen zur internationalen und europäischen Umweltpolitik und Osterweiterung der Europäischen Union. Ingmar von Homeyer, Dipl. -Pol., geb. 1964; wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ecologic, Gesellschaft für Internationale und Europäische Umweltforschung, Berlin. -Zahlreiche Veröffentlichungen zur europäischen Integration und Umweltpolitik sowie zur Osterweiterung der Europäischen Union. Stefani Bär, RAin, M. A. E. S., geb. 1968; Projektleiterin, Ecologic, Gesellschaft für Internationale und Europäische Umweltforschung, Berlin. -Zahlreiche Veröffentlichungen zum europäischen Primärrecht, Umweltrecht und zur europäischen Integration.
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