Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

„Die DDR -das sozialistische Vaterland der Werktätigen!“. Anmerkungen zur Idehtitätspolitik der SED und ihrem sozialisatorischen Erbe | APuZ 39-40/1999 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 39-40/1999 Deutschland im Kalten Krieg. Strategien und Entscheidungen Die Bundesrepublik als „Sonderweg“ der europäischen Geschichte? „Die DDR -das sozialistische Vaterland der Werktätigen!“. Anmerkungen zur Idehtitätspolitik der SED und ihrem sozialisatorischen Erbe

„Die DDR -das sozialistische Vaterland der Werktätigen!“. Anmerkungen zur Idehtitätspolitik der SED und ihrem sozialisatorischen Erbe

Monika Gibas

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Das Jahr 1999 mit seinen Jubiläen -dem 50. Jahrestag der Gründung der beiden deutschen Teilstaaten Bundesrepublik und DDR sowie dem 10. Jahrestag der ersten friedlichen, demokratischen Revolution in Deutschland, die schließlich zur staatlichen Einheit führte -ist Anlaß, dem anhaltenden Defizit an „innerer Einheit“ nachzugehen. Beklagt wird, die ostdeutschen Bundesbürger seien „noch nicht angekommen in der Demokratie“, sie bezögen sich noch zu stark auf die DDR. Tatsächlich scheinen Ostdeutsche vom realsozialistischen Versuch der Jahre 1949-1989 stärker geprägt zu sein als erwartet. Die DDR dient vielen bei der individuellen Orientierungssuche im neuen System nicht nur als Negativfolie. In vielerlei Hinsicht bieten DDR-Erfahrungen auch positive Bezugspunkte. Sogar Fragmente der Propaganda der DDR fungieren noch als Orientierung bei der Bewertung und Interpretation der heutigen deutschen Gesellschaft. Wenn man verstehen will, warum das so ist, muß den seinerzeitigen Sinnstiftungsangeboten dieses Gesellschaftsversuches genauer nachgegangen werden. Das Sinnstiftungsangebot der damaligen neuen Eliten im Osten Deutschlands, die angetreten waren, sowohl eine „Neue Gesellschaft“ zu konstituieren als auch einen „Neuen Menschen“ zu erziehen, erstrebte den Bau einer egalitären, solidarischen Gesellschaft, als deren zentrales Ziel die Emanzipation der unteren Gesellschaftsschichten beschrieben wurde. Diese Sinnkonstruktion, die auf der marxistisch-leninistischen Ideologie basierte, wurde zur allein verbindlichen Basis bei der Gestaltung der DDR-Gesellschaft erklärt und über zentrale Institutionalisierungen rigoros durchgesetzt. Parallel zur Institutionalisierung dieses Sinnstiftungskonzeptes im Bildungssystem und in der propagandistischen Praxis vollzog sich die Konstruktion einer neuen Identität des DDR-Gemeinwesens auch auf der Symbolebene. Die Hoheitszeichen und die politische Festkultur der DDR akzentuierten jeweils verschiedene Momente der „Metaerzählung“ der DDR. Als zentraler Topos der auf Identifikation und Legitimation der DDR ausgerichteten Identitätspolitik und ihrer „Erzählungen“ kann -entgegen der im Diskurs hervorgehobenen Bedeutung des Antifaschismus als wichtigster Legitimationsbasis der DDR -die deutlich lebensnähere, zivilere Erzählung vom friedlichen, solidarischen und vor allem egalitären „deutschen Arbeiter-und BauernStaat“ mit all ihrem Pathos vom „werktätigen Volk“ als dem „entscheidenden historischen Subjekt“ herauskristallisiert werden. Vor allem eben auch beim , Volk‘, das mit der Losung „Wir sind das Volk!“ im Herbst 1989 diesen Erzählstrang aufnahm und ihn als kategorischen Imperativ der Führung entgegenhielt, hatte diese Erzählung offensichtlich starke -und, wie wir nach zehn Jahren wissen, auch andauernde -Integrationskraft.

I. 50 Jahre Bundesrepublik: Die „innere Einheit“ als unvollendete Aufgabe

Das Jahr 1999 eignet sich in hervorragender Weise zu Reflexionen darüber, wie es mit dem Ergebnis historischer Sinnbildungsarbeit in Deutschland, mit dem erreichten Selbstverständnis -also mit der vielbesprochenen und beschworenen „Identität der Deutschen“ -bestellt ist. 1999 jährt sich nicht nur die Gründung der Bundesrepublik Deutschland zum fünfzigsten Mal. Es ist auch das fünfzigste Jahr nach der Gründung des anderen deutschen Nachkriegsstaates, der Deutschen Demokratischen Republik. Zugleich ist 1999 aber auch das Jahr Zehn der finalen Krise der DDR. Mit der offenen, aber friedlichen Auflehnung von Bürgern gegen die Politik der seinerzeit tonangebenden Eliten in Massendemonstrationen auf den Straßen des Landes im „heißen Herbst 1989“ begann die erste friedlich verlaufende, demokratische Revolution in der deutschen Geschichte. In deren Gefolge wurde der 1949 konstituierte ostdeutsche Teilstaat durch das Votum einer Mehrheit seiner Bürger im Jahre 1990 abgewählt. Er verschwand im Orkus der Geschichte, die Ära der deutschen Zweistaatlichkeit endete. Während zum Zeitpunkt der Auflösung der DDR als Staat und des Beitritts zur Bundesrepublik im Jahre 1990 ostdeutsche Intellektuelle zumindest noch meinten, die DDR werde eine „Fußnote der Geschichte“ sein (Stefan Heym), war die Annahme der Mehrheit der westdeutschen Eliten wohl eher die eines nun endlich ausgestandenen jahrzehntelangen Ärgernisses. Es schien, als werde man es für einen kurzen Zeitraum nur noch mit der als desaströs eingeschätzten wirtschaftlichen Hinterlassenschaft der DDR zu tun haben. Daraus, so war von den seinerzeit regierenden westdeutschen politischen Eliten zu vernehmen, werde die so erfolgreiche und potente Wirtschaftsmacht Bundesrepublik aber in Kürze „blühende Landschaften“ zaubern. An das politische Versprechen rascher materieller Befriedung Ostdeutschlands knüpfte sich auch die Vision, die endlich wieder in einem Staate vereinten Deutschen würden fortan das tun können, was sie ja seit vierzig Jahren mehrheitlich immer erstrebt hätten: ohne gravierende Probleme Zusammenleben. Der öffentlich geäußerte Herzenswunsch des Altbundeskanzlers und Begründers der „Neuen Ostpolitik“ Willy Brandt, daß nun (endlich!) zusammenwachse, was zusammengehöre, schien in greifbare Nähe gerückt.

Die Euphorie des Anfangs war aber recht bald verflogen. Das lag nicht nur daran, daß die wirtschaftliche und damit auch die soziale Befriedung der „Fünf Neuen Bundesländer“ nicht gelang und daß der Transformationsprozeß statt dessen ökonomische und soziale Verwerfungen von so nicht erwartetem Ausmaße brachte, die den sozialen Frieden der erweiterten Bundesrepublik bis heute stören. Auch die innerdeutschen, zwischenmenschlichen Beziehungen wurden bald frostig, obwohl sich Ost-und Westdeutsche zum Zeitpunkt der Grenzöffnung im November 1989 glücklich in den Armen gelegen hatten. Die Ostdeutschen fühlten sich rasch und bis auf den heutigen Tag zunehmend auf Grund von administrativer Bevormundung durch westdeutsche Eliten und wirtschaftliche Benachteiligung oder gar infolge der Ausgrenzung durch Massenarbeitslosigkeit im Verhältnis zu den Westdeutschen als Bürger zweiter Klasse

Aber nicht nur allgemeine Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der Transformation und der Integration herrscht heute bei den Ostdeutschen. Es geht auch ein neues Gespenst um in ostdeutschen Landen: „Ostalgie“. Der Zeitgeist faßt unter diesen Begriff einen vermeintlich rein nostalgischen, unkritisch-unreflektierten Bezug von Ostdeutschen auf ihre Vergangenheit. Die DDR werde von vielen Ostdeutschen nachträglich zur sozial-staatlichen Idylle verklärt, zur kuscheligen Heimat, in der es sich materiell gesichert durch das Recht auf Arbeit, in Familie und Betriebskollektiv warm und solidarisch leben ließ. Gerade im Jubiläumsjahr, so wird moniert, gäbe es statt kritischer Reflexion die Auferstehung einer „virtuellen DDR“. „Wer fünfzig Jahre DDR feiert, belügt sich selbst. Er feiert eine andere DDR als jene, die es vierzig Jahre lang gab“, wird gewarnt

Tatsächlich gibt es eine Rückbesinnung auf gelebtes Leben in der DDR: Ostprodukte im alten, nur vorsichtig modernisierten DDR-Design erobern mit selbstbewußtem Marketing nicht nur die Herzen ihrer einstigen, durch permanentes Unterangebot gestreßten Zwangskunden im Osten, sondern inzwischen auch den bundesdeutschen Markt. Es werden „Ostalgie“ -Partys mit den Attrappen der alten politischen Symbole gefeiert, und auch die Werbung entdeckte längst rote Fahnen, Marx-und Leninkonterfeis sowie einschlägige politische Losungen des DDR-Alltags als Werbeträger Vor allem aber zeigt der Markt der erinnerungskulturellen Angebote im Jahre 1999 das besonders eindrucksvoll. Zahlreich sind die Bücher und Bildbände, wissenschaftlichen Veranstaltungen und Ausstellungen, die aus gegebenem Anlaß an das vor fünfzig Jahren gegründete, geliebte wie gehaßte Staatsgebilde DDR erinnern.

Aber auch die inzwischen kaum noch zu überblikkenden Umfrageergebnisse der Meinungsforschung und empirische Studien der Sozialwissenschaften dokumentieren seit Jahren, daß die ehemaligen Bürger dieses realsozialistischen Gesellschaftsversuches sich durchaus erinnern wollen und das auch praktizieren. Allerdings geschieht das bei den weitaus meisten Ostdeutschen nicht -wie manchmal unterstellt wird -mit nostalgisch-verklärendem Blick, sondern vielmehr als reflektierter Umgang mit der eigenen Vergangenheit. Die als „Ostalgie“ bezeichneten Phänomene können auch als eine „Selbstermächtigung“, als eine psychisch entlastende, selbsttherapeutische „Laienpraxis“ gedeutet werden

Die wenigsten der ehemaligen Bürger der DDR, so ist den vielen Umfragen ebenfalls zu entnehmen, wollen allerdings die alte DDR zurückhaben. Politische Bevormundung und Repressionen gegen Andersdenkende, permanente ideologische Gängelei und die Auswirkungen ökonomischer Ineffizienz der zentralgelenkten Planwirtschaft auf das Lebensgefühl und den Lebensstandard der Menschen werden nach wie vor deutlich als Negativposten der DDR vermerkt. Was positiv erinnert und nun auch in der neuen Gesellschaft im Lichte der Massenarbeitslosigkeit angemahnt wird, sind der hohe Standard sozialer Absicherung durch die verfassungsrechtliche Garantie auf einen Arbeitsplatz und deren politische Umsetzung, ist das damals erreichte, durchaus beachtliche Niveau der Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft, und es sind nicht zuletzt auch die egalitären Züge der DDR Gesellschaft.

Nicht selten werden solche Auffassungen als gefährlicher Gesinnungsmüll aus DDR-Zeiten denunziert. Statt den Befreiern für die Hilfe aus der Not zu danken, trauerten die Ostdeutschen der DDR und ihren gewohnten und nun verlorenen Errungenschaften nach. Sie frönten dem „Neid“, diesem „Urelement kommunistischer Philosophie“, das sie im Staatsbürgerkundeunterricht gelernt hätten, beklagte ein Politiker erst kürzlich wieder „Wir wollen keine Ostidentität, wir wollen Thüringen-Mentalität“ und: „Wir sind keine Ostdeutschen, wir sind Sachsen“ ist daher auch prompt aus Politikerkreisen der Ostbundesländer zu vernehmen. Die ostdeutschen, DDR-erfahrenen Bundesbürger sehen sich also erneut mit einer Zumutung konfrontiert, die ihnen hinlänglich bekannt sein dürfte und deretwegen sie ja 1989 unter anderem den selbstbestimmten Auszug aus dem von seinen politischen Eliten so gelobten Land DDR unternommen hatten: Sie sollen sich schon wieder einmal wandeln, zum „Neuen Menschen“ werden, wie anno 1949-1989.

Viele weisen das als Zumutung zurück und beharren auf ihren eigenen, durch ihr Leben in wenigstens zwei, manchmal sogar drei oder vier deutschen gesellschaftlichen Systemen erfahrungsgesättigten Urteilen. Sie mischen sich -gestützt auf ihr „bewohntes Gedächtnis“ -ein und stellen den neuen Deutungsversuchen ihre eigenen gegenüber. Die politischen Eliten sind gut beraten, solche Haltungen ernst zu nehmen und sie nicht einfach als „falsche“ oder „nostalgisch-verklärende“ Erinnerung vom Tisch zu wischen. Sie basieren ja tatsächlich auf einer langjährigen Sozialisation durch ein spezifisches Wertesystem und eine eigene politische, ökonomische und soziale Praxis, die genauer zu evaluieren durchaus lohnt, wenn Ostdeutsche und Westdeutsche wirklich auf der Basis historisch-kritischer Bilanzierung der DDR-Vergangenheit ins Gespräch kommen sollen.

II. Das strategische Konzept der SED von einer „Neuen Gesellschaft“ mit „Neuem Menschen“

tm Osten Deutschlands waren die tonangebenden einheimischen neuen Eliten -die deutschen Kommunisten, linke Sozialdemokraten, aber auch andere linke und linksliberale Intellektuelle -nach der Niederschlagung der nationalsozialistischen Diktatur im Jahre 1945 nicht angetreten, um nur die ideologischen Hinterlassenschaften, die völkisch-rassistische, antidemokratische und militaristische Grundkonstitution der deutschen Gesellschaft zu überwinden. Während in den westlichen Besatzungszonen und ab 1949 in der Bundesrepublik unterschiedliche Gruppen engagierter Intellektueller und Politiker die kulturellen und ideellen Grundlagen der westdeutschen Teilgesellschaft in Richtung demokratisch-liberaler Inhalte zu korrigieren bemüht waren und man zu politischen Verhältnissen einer parlamentarisch verfaßten Demokratie mit kapitalistischer Wirtschaftsstruktur zurückkehrte, ging es den politischen Eliten im Osten des geteilten Landes vielmehr um einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel. Als Voraussetzung für eine humanistische, vor allem aber sozial auf die Befriedung der Bedürfnisse der unteren Schichten der Gesellschaft orientierte Verfaßtheit der neuen Nachkriegsgesellschaft sollten die ökonomischen und machtpolitischen Grundlagen neu bestimmt werden. Für die deutschen Kommunisten, die sich im Osten Deutschlands rasch entscheidenden politischen Einfluß sichern konnten, stand von Anfang an fest, daß nun -über kurze Zwischenschritte einer „antifaschistisch-demokratischen Phase“ und gestützt auf den militärischen und politischen Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht -das Projekt „Sozialismus“ auf der Tagesordnung stand. Mit der Bodenreform und den Enteignungen großindustrieller Wirtschaftsunternehmen sowie ihrer Umwandlung in Staatsbetriebe wurden schon vor der Gründung der DDR die Weichen in diese Richtung gestellt.

1. Die marxistisch-leninistische Ideologie als Sinnstiftungsangebot

Die Umsetzung dieses Gesellschaftskonzeptes, das 1952 von der SED als nun unmittelbar zu realisierendes politisches Programm offiziell verkündet wurde, war von Beginn an verkoppelt mit einer identitätspolitischen Strategie, welche auf die Konstituierung eines neuen Massenbewußtseins, ja einer neuen nationalen Identität zielte. Die Moskauer Exilleitung der KPD begann schon lange vor Kriegsende, sich im Rahmen ihrer Strategie-diskussionen über ein Deutschland nach Hitler intensiv über die tieferen Ursachen der deutschen Katastrophe zu verständigen. Dem deutschen Volk, das nach kommunistischer Interpretation vornehmlich mit Hilfe der nazistischen Geschichtslegenden irregeleitet worden sei, sollte eine neue Zukunftsperspektive vermittelt werden, die sich auf historische und geschichtsphilosophische Argumentationen stützte. Ergebnis der Überlegungen war -neben einer aktiven Geschichtspropaganda an den sowjetisch-deutschen Fronten durch das „Nationalkomitee Freies Deutschland“ und der Schulungsarbeit unter deutschen Kriegsgefangenen in den sowjetischen Gefangenenlagern unter anderem die Bildung einer Arbeitskommission, die im Zeitraum von Februar 1944 bis Juli 1945 „Richtlinien für den Unterricht in deutscher Geschichte“ zum Zweck der Erziehung der jungen Generation des künftigen deutschen Staates diskutierte Das schließlich erarbeitete Konzeptionspapier nahm die deutsche Geschichte von der „germanischen Vorgeschichte“ bis zum „Kampf um ein neues Deutschland 1933-1945“ in den Blick und suchte so eine neue Sinnkonstruktion historisch zu fundieren. Die Verfasser hielten als ihre Zielsetzung fest, durch eine Darstellung der gesamten deutschen Geschichte ein neues Nationalbewußtsein zu entwickeln, „das begründet ist in dem Stolz auf die großen Leistungen des deutschen Volkes, die dem Fortschritt der Menschheit dienten, aber frei ist von nationalistischer Engstirnigkeit und rassischer Überheblichkeit“ Sie skizzierten schon im Moskauer Exil ein entsprechendes Umerziehungsprogramm, welches nach Kriegsende zielstrebig mit Hilfe sowjetischer Kulturoffiziere und linker Intellektueller in Angriff genommen wurde.

Der Stellenwert von Ideologie im Sinne von Theorie der politischen Praxis war in der DDR hoch veranschlagt, da die SED den von ihr initiierten und dominierten Versuch der Realisierung einer neuen, 'sozialistischen Gesellschaft als Umsetzung einer aus wissenschaftlicher Natur-und Gesellschaftserkenntnis entwickelten revolutionären Gesellschaftstheorie -des Marxismus-Leninismus, der „wissenschaftlichen Ideologie der Arbeiterklasse“ -verstand. Theorierezeption und -entwicklung, ihre Übersetzung in politische Strategie und Taktik, vor allem aber deren Vermittlung an möglichst breite Massen, die wiederum durch theoretische Einsicht in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse für die Politik der Partei mobilisiert werden sollten, waren nicht nur machtstrategische propagandistische Postulate in den Lehrbüchern des Marxismus-Leninismus zur ideologischen Verblendung der Bürger. Vielmehr muß dieser Anspruch der SED als ernsthafter, wenn auch letztlich gescheiterter historischer Versuch gelten, Gesellschaftsentwicklung vorwiegend normativ, d. h. einem vorgedachten, durch die gesellschaftliche Praxis nur wenig modifizierbaren theoretischen Konzept folgend, zu fundieren

Die SED vertraute nicht auf die allmähliche und langfristige bewußtseinsdeterminierende Potenz der neuen ökonomischen und politischen Verhältnisse, die sie dekretierte und realisierte. Sie gab sich auch nicht mit bloßer Loyalität der Bürger zufrieden Vielmehr strebte sie von Beginn an nach Interessenkonformität zwischen Führung und Volk und setzte daher auf die permanente Propagierung ihres Sinnstiftungsangebotes, auf „Erziehung zum sozialistischen Bewußtsein“ durch Vermittlung der Weltanschauung des Marxismus-Leninismus als einzig akzeptable ideelle Basis der neuen Gesellschaft. Da die politischen Eliten der DDR und auch viele parteilose linke Intellektuelle den Marxismus-Leninismus für die fortschrittlichste und nach ihrer Auffassung auch einzig wissenschaftliche Ideologie hielten, galt ihnen die angestrebte weltanschauliche Uniformierung der neuen

Gesellschaft nicht als Überwältigung der Mehrheit der Bürger durch eine Minderheitsideologie. Sie war in ihrem Selbstverständnis vielmehr ein Programm der Volksaufklärung und Volksbildung, das dem bis vor kurzem noch mehrheitlich der nationalsozialistischen Ideologie verfallenen Volk der Deutschen notfalls auch verordnet werden müsse. Ohne Vereinheitlichung der ideologischen Basis auf der Grundlage des vielbeschworenen „sozialistischen Bewußtseins“ schien den politischen Eliten der DDR ihr Gesellschaftsprojekt nicht realisierbar. Der Anspruch, die als wissenschaftliche Weltanschauung und Fundament zur Gestaltung gesellschaftlicher Praxis apostrophierte „sozialistische Ideologie“ allen Bürgern der DDR zu vermitteln und sie zu aktiven Vertretern dieser Weit-sicht zu bekehren, galt der SED daher bis zuletzt als wichtigste Voraussetzung für die Realisierung ihres Gesellschaftsexperimentes, welches -vor allem in den fünfziger Jahren -auch mit Druck und mittels Repression gegenüber ideologisch Wiederständigen durchzusetzen versucht wurde.

Wesentliche Inhalte der „sozialistischen Ideologie“ waren: 1. die Theorie von der -ökonomisch determinierten -Gesetzmäßigkeit gesellschaftlicher Entwicklung in aufsteigender Stufenfolge, als deren letzte und fortschrittlichste Stadien Sozialismus und schließlich der Kommunismus als klassenlose Gesellschaft galten (Formationstheorie); 2. das Theorem von Klassenkampf und Revolution als Triebkräften dieser formationeilen Entwicklung; 3. das Theorem von der Arbeiterklasse als der fortschrittlichsten Klasse, deren Aufgabe respektive „historische Mission“ das Vorantreibung dieser gesellschaftlichen Entwicklung im globalen Maßstab sei; 4. die Avantgardetheorie, nach der die Arbeiterklasse zur Erfüllung ihrer „historischen Mission“ der aufklärenden, organisierenden und führenden Kraft einer straff organisierten, disziplinierten Klassenkampfpartei bedürfe.

Diese Grundtopoi galten als feststehendes und hinterfragbares Fundament der „sozialistischen Ideologie“, das über die Kultur-und Bildungspolitik allen Bürgern zu vermitteln war.

Dieses ideologische Grundgerüst war in den Jahren des Neuanfangs nach dem verlorenen Krieg ein durchaus attraktives Sinnstiftungsangebot, das die Gestaltungsvorschläge der SED für ein Nachkriegsdeutschland historisch wie perspektivisch zu legitimieren vermochte. Denn das vom Marxismus des neunzehnten Jahrhunderts inspirierte Welt-bild verdichtete Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu einer großen Erzählung über den „gesetzmäßigen Gang“ der Weltgeschichte mit dem Endziel Kommunismus, der von der politischen Propaganda wie auch in Kunst und Literatur bis hinein in die sechziger Jahre noch in visionären Bildern als egalitäre, solidarische Gesellschaft ohne materielle Not beschrieben wurde. Als historisches Subjekt dieses weltgeschichtlichen revolutionären Umwälzungsprozesses wurden die werktätigen Massen bezeichnet, an deren Bedürfnissen das neue Gesellschaftsprojekt orientiert sei.

Gerade in historischen Umbruchsituationen mit hoher Identitätsdiffusion individueller wie kollektiver Subjekte, wie es 1945 in Deutschland nach der selbstverschuldeten nationalen Katastrophe der Fall war, sind politische Akteure, deren Angebot an neuen kollektiven Wahrheiten die Identitätsdiffusion der Gesellschaftsmitglieder aufzulösen verspricht, in einer aussichtsreichen Position im Konkurrenzkampf um die politische Definitions-und Gestaltungsmacht. In der Umbruchsituation 1945 waren das im Osten des geteilten Landes letztlich die deutschen Kommunisten. Sie begannen auch umgehend, die erarbeiteten historisch-politischen Konzepte in gezielte Geschichtspolitik umzusetzen, die den Kern ihrer Identitätspolitik zur „Erneuerung der Kultur“ bildete.

2. Die Institutionalisierung des Ideologietransfers

Die strategische Zielstellung der SED-Führung, die Bewußtseinsbestände möglichst der gesamten ostdeutschen Bevölkerung auf der Basis des Marxismus-Leninismus in historisch kurzen Fristen zu vereinheitlichen, verlangte geradezu die Institutionalisierung des Ideologietransfers. Zu diesem Zweck schuf sich die SED eine spezifische Organisationsstruktur, deren Grundmuster bis Anfang der fünfziger Jahre im wesentlichen ausgeformt war Dabei war das Jahr 1951 ein Schlüsseljahr im Prozeß der Verankerung der marxistisch-leninistischen Ideologie in der DDR-Gesellschaft. Die Partei verkündete jetzt offiziell ihren ideologischen Führungsanspruch und stellte die Weichen für seine Realisierung. Die 4. Tagung des ZK im Januar 1951 verabschiedete mit dieser Intention drei Entschließungen: „Die nächsten Aufgaben der allgemeinbildenden Schule“, „Zur Verbesserung der Berufsausbildung“ und „Die nächsten Aufgaben in den Universitäten und Hochschulen“ Es war die unverschlüsselte Forderung, in all diesen Bereichen die Anerkennung des Marxismus-Leninismus als verbindliches ideologisch-theoretisches Konzept von Bildung und Erziehung zu befördern und -entschiedener als bislang geschehen -in die Bildungspraxis umzusetzen. Die 5. Tagung des ZK der SED vom März 1951 weitete dieses Anliegen einer strikten ideologischen Ausrichtung der Gesellschaft am Marxismus-Leninismus mit der berüchtigten Entschließung „Der Kampf gegen den Formalismus in Kunst und Literatur, für eine fortschrittliche deutsche Kultur“ sogar auf das Gebiet der Kunst und Literatur aus 17.

Alle Parteimitglieder, die in Führungsfunktionen der zuständigen Ministerien tätig waren, wurden verpflichtet, die Umsetzung dieser Beschlüsse durch Initiierung entsprechender staatlicher Maßnahmen zu sichern. Die Ideologie des Marxismus-Leninismus war nun nicht mehr nur ein weltanschauliches Angebot unter anderen, nur eine Botschaft der Agitprop-Funktionäre der Partei. Mit den Beschlüssen vom Jahre 1951 erklärte die SED offiziell ihren ideologischen Führungsanspruch und baute den Marxismus-Leninismus als Sozialisationsinstanz in die Gesellschaft ein. Die Beschlüsse der 2. Parteikonferenz im Jahre 1952, die den Beginn der sozialistischen Umgestaltung der DDR-Gesellschaft verkündeten, waren lediglich eine Bekräftigung dieser schon ein Jahr zuvor versuchten Ausrichtung wichtiger gesellschaftlicher Teilsysteme auf den Marxismus-Leninismus. Diese ideologische Uniformierung der DDR-Gesellschaft wurde in den folgenden Jahren mit allen Mitteln offensiver weltanschaulicher Propaganda einschließlich repressiver Übergriffe auf Nichtkonforme umgesetzt. Stalins Theorem, der ideologische Klassenkampf würde sich gesetzmäßig verschärfen, mit dem er seinen Ausrottungsfeldzug gegen politisch Mißliebige theoretisch zu rechtfertigen versucht hatte, fand auch in der DDR der frühen fünfziger Jahre sein Praxisfeld, wenn auch nicht mit annähernd vergleichbaren blutigen Resultaten. Die Plausibilität solcher Auffassung wurde befördert von der aufgeheizten Atmosphäre der damaligen Systemauseinandersetzung.

Im Jahr 1958 hatte der Versuch des gezielten Ideologietransfers einen weiteren Höhepunkt. Die SED-Führung sah nun in Wirtschaft und Staat wesentliche Grundlagen der gesellschaftlichen Umgestaltung in Richtung Sozialismus realisiert und konzentrierte sich verstärkt auf die Ausformung eines zur neuen ökonomischen Basis „passenden“ ideologischen Überbaus. Der V. Parteitag der SED im Juli 1958 behandelte die „sozialistische Umwälzung der Ideologie und der Kultur“ als zentrales Problem. Die Parteiführung sah erste Erfolge bei der Verbreitung der sozialistischen Weltanschauung unter den Bürgern der DDR. Euphorisch wurde behauptet, es hätten sich „neue gesellschaftliche Beziehungen der Menschen und eine neue Moral“ entwickelt, die die „eigentliche sittliche Epoche der Menschheit“ einleiteten Die Führung skizzierte erstmals in einem zentralen Dokument detaillierter, was sie letztlich als Resultat „sozialistischer Erziehung“ erwartete: Der antizipierte „neue Mensch der sozialistischen Epoche“, den es nun en masse zu erzeugen galt, müsse eine „allseitig entwickelte Persönlichkeit“ von „hoher theoretischer und musischer Allgemeinbildung“ sein, die „kämpferische Aktivität“ zeigt und fähig ist zu kollektivem und solidarischem Handeln Walter Ulbricht verkündete zehn „Grundsätze der sozialistischen Ethik und Moral“, deren Verinnerlichung durch jeden Bürger das „moralische Antlitz des neuen, sozialistischen Menschen“ formen helfe Die sozialistische Umwälzung in Ideologie und Kultur bedeute Herausbildung einer „zutiefst wissenschaftlichen Weltanschauung und einer hohen sittlichen Lebensauffassung“, Überwindung des Aberglaubens sowie „der kapitalistischen Unmoral und Unkultur“ erklärte er.

Mit der 1. Bitterfelder-Konferenz und der 3. Pressekonferenz 1959 orientierte die SED Kultureinrichtungen und Massenmedien darauf, die sozialistische Bewußtseinsbildung der DDR-Bevölkerung als ihre wichtigste strategische Aufgabe zu begreifen.

Im Februar 1965 wurde ein „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“ erlassen, welches als zentrales Bildungsziel für die junge Generation der DDR-Bürger verbindlich festschrieb: „Den Schülern, Lehrlingen und Studenten sind gründliche Kenntnisse des Marxismus-Leninismus zu vermitteln. Sie sollen die Entwicklungsgesetze der Natur, der Gesellschaft und des menschlichen Denkens erkennen und anzuwenden verstehen und feste sozialistische Überzeugungen gewinnen. So werden sie befähigt, den Sinn des Lebens in unserer Zeit zu begreifen, sozialistisch zu denken, zu fühlen und zu handeln .. ,“ Eine Verordnung vom Februar 1966 bestimmte die „Inhaltlichen Schwerpunkte der politisch-ideologischen Erziehung der Schuljugend“ genauer: Wissen um die historische Mission der Arbeiterklasse, um die Führungsrolle der Partei, die Gesetzmäßigkeiten der gesellschaftlichen Entwicklung und die revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung müsse vermittelt werden. Der Jugend sei „bewußt zu machen, daß sie die revolutionäre Wissenschaft des Marxismus-Leninismus als höchstes geistiges Erbe“ übernehme Damit war der Marxismus-Leninismus per Gesetzesakt zur normativen Sozialisationsinstanz für künftige Staatsbürgergenerationen der DDR erklärt. Zwei Jahre später, 1968, wurde mit großem propagandistischem Aufwand nach einer Monate währenden Volksaussprache die neue sozialistische Verfassung der DDR verabschiedet. Sie erklärte die von der SED beanspruchte gesellschaftspolitische Führungsposition zum Verfassungsgrundsatz und garantierte „jedem Bürger eine kontinuierliche sozialistische Erziehung, Bildung und Weiterbildung“ (Artikel 25, Abs. 1), ferner die staatliche und gesellschaftliche Förderung aller Bedingungen, die zur „vollständigen Ausprägung der sozialistischen Persönlichkeit“ aller Bürger beitrügen (Artikel 25, Abs. 3) Die Ausrichtung der DDR-Gesellschaft am Marxismus-Leninismus war mit diesen Formulierungen de facto zum Verfassungsauftrag erklärt. Die SED verfügte nun über ein rechtsfähiges Instrumentarium, das sie in die Lage versetzte, die Akzeptanz ihrer ideologischen Hegemonie einzufordern. Daß ein solcher Schritt, wie die verfassungsrechtliche Festschreibung der Ausrichtung der DDR-Gesellschaft an der ideologischen Zielkultur des Marxismus-Leninismus, ohne Widerstand größerer gesellschaftlicher Gruppen überhaupt möglich geworden war, hatte vor allem auch sozialstrukturelle Gründe. Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre rückte die Nachkriegsgeneration in gesellschaftliche Führungspositionen ein, auf die die Sozialisationsinstanz „marxistisch-leninistische Ideologie“ schon hatte einwirken können. Die Forderung der SED.den Marxismus-Leninismus als allein gültige, wissenschaftliche Basistheorie für die weitere Gesellschaftsgestaltung zu betrachten, war von Teilen dieser neuen kulturellen und Funktionselite im Staatsapparat, im Wissenschafts-und Bildungssektor nicht nur formal akzeptiert. Viele hatten sie verinnerlicht, waren von der Potenz dieses Theoriegebäudes als Instrument innovativer Gesellschaftspolitik überzeugt. Damit war die Implantation einer neuen ideologischen Sinnkonstruktion in die DDR-Gesellschaft nicht nur administrativ über Gesetze, sondern -was wohl noch wichtiger war -auch über eine nennenswerte Anzahl von Ideologieträgern gesichert.

III. Die Übersetzung der marxistischleninistischen Lehre in nationale Symbole und Rituale

Wenn für die Bundesrepublik Deutschland noch Jahre nach ihrer Entstehung ein Identitätskonflikt konstatiert werden mußte, den die herrschenden Eliten im Grunde bis zum Ende der Zweistaatlichkeit im Jahre 1989 und eigentlich bis auf den heutigen Tag nicht konsensual aufzulösen vermochten so trifft ein solcher Befund auf die DDR nicht zu. Hier fanden die neuen staatstragenden Eliten in einem geradezu bemerkenswert kurzen Zeitraum und -im Vergleich zu den zähen Debatten und Kontroversen um die nationalen Symbole und Rituale im westlichen deutschen Teilstaat -in erstaunlicher Einigkeit zu einem Konsens über die offizielle Identitätssymbolik des am 7. Oktober 1949 begründeten neuen kollektiven Subjekts DDR.

1. Die Hoheitssymbole der DDR und ihre Texte

Die Frage des Designs der Staatsflagge war schon am Gründungstag geklärt. Sie wurde in der alten Form der Flagge der revolutionären Kämpfer von 1848 und der Weimarer Republik ausgeführt, analog zur Flaggenentscheidung der Bundesrepublik Deutschland Allerdings erzählten die beiden äußerlich zunächst gleichen Hoheitssymbole der beiden deutschen Teilstaaten eine je eigene Geschichte: Die Bundesrepublik berief sich damit ausdrücklich auf die Erbschaft der ersten deutschen Nationalversammlung sowie der ersten staatlich verfaßten bürgerlichen Demokratie von Weimar. Die DDR dagegen wollte mit dem Staats-namen und der Staatsflagge an die Traditionslinie der unvollendeten revolutionären Erhebungen von 1848 anknüpfen, die es aus Sicht ihrer politischen Eliten nun im ersten deutschen Arbeiter-und Bauernstaat zu vollenden galt.

Bei der Hymne wurde -im Unterschied zur Fahne -bewußt ein Traditionsbruch vollzogen. Das durch seinen Gebrauch in der Zeit des Nationalsozialismus diskreditierte Deutschlandlied wurde durch eine neue Nationalhymne ersetzt. Der Dichter und Kulturfunktionär Johannes R. Becher textete sie auf Bitte und nach inhaltlichen Anregungen des SED-Vorsitzenden und ersten Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck. Die neue Hymne, die innerhalb weniger Wochen entstand, wurde am 5. November durch Beschlüsse des Politbüros der SED und des Ministerrates der DDR beglaubigt, am 7. November 1949, anläßlich der zentralen Feier zum 32. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution, in Berlin uraufgeführt und am 8. Februar 1950, nach einer ersten erfolgreichen Popularisierungskampagne, von der Provisorischen Volkskammer dekretiert Die Hymne inszenierte -neben der stets vielbeachteten Beschwörung der Vision der deutschen Einheit -die arbeitenden Volksmassen und vor allem die Jugend als historisches Subjekt des Aufbaus der neuen deutschen Gesellschaft. Der Dichter Johannes R. Becher hatte hier seine Gedanken umgesetzt, die er im Moskauer Exil im Jahre 1945 schon in einem Vortrag als künftiges Fernziel für das deutsche Volk bestimmt hatte: „Die Lehre von der Arbeiterschaft als entscheidende Produktivkraft der modernen Gesellschaft und damit im Zusammenhang die Lehre von der führenden Rolle der Arbeiterschaft im gesellschaftlich-politischen Leben eines Volkes.“

Am 21. April 1950 folgte dann der letzte Akt der Inthronisierung der neuen nationalen Identitätszeichen: Das Parlament verabschiedete ein Gesetz über die Einführung der nationalen Feiertage „Tag der Befreiung“ (8. Mai 1945) und „Tag der Republik“ (7. Oktober 1949) Damit waren die Hoheitszeichen des neuen Staatswesens instal­ liert Sie sollten diesen Staat, mit nur geringfügigen Veränderungen, bis zu seinem Ableben im Jahre 1990 begleiten. Am 26. September 1955 trat das „Gesetz über die Staatsflagge und das Staats-wappen“ (Hammer-Zirkel-Ährenkranz) in Kraft. Anläßlich des zehnten Jahrestages der DDR wurde am 6. Oktober 1959 die Ergänzung der schwarz-rot-goldenen Nationalflagge mit dem Staatswappen dekretiert und die Flagge damit erst zum eigentlichen, sich von der Bundesrepublik nun auch in diesem Detail staatsoffizieller Symbolik deutlich abhebenden Identitätsausweis der DDR.

Für die Geschwindigkeit, mit der die neuen Eliten nach 1945 erste Vorschläge zur nationalen Symbolik des ihnen vorschwebenden neuen deutschen Staates in die Diskussion brachten, hatte natürlich auch Gewicht, daß sie sich ihrer Vorstellungen über den weiteren historischen Weg Deutschlands -trotz aller Unsicherheiten über die konkreten Zwischenstufen und historischen Zeiträume -im Grundsätzlichen ziemlich sicher waren: Er würde -über kurz oder läng -sozialistisch sein. Auch die Tatsache der deutschen Teilung, die in ihren Zukunftsvorstellungen vor Kriegsende und auch noch lange nach der Gründung der beiden deutschen Staaten keine wünschenswerte Position war, konnte sie daher nicht eigentlich verunsichern. Ihre politischen Visionen und Strategien richteten sich zunächst weiter auf ein einheitliches Deutschland, das sie nach ihren eigenen Vorstellungen auszugestalten gedachten.

2. Die politischen Feiertage und ihre Texte

Die DDR-Führung setzte von Anfang an auf große rituelle Formen für die öffentliche Präsentation dieser verordneten neuen Identität des jungen Gemeinwesens sowie zur Legitimierung ihrer politischen Macht nach innen und außen. Will man der Frage nachgehen, welche der zahlreichen politischen Rituale die von der SED-Führung imaginierte neue kollektive Identität der DDR geradezu idealtypisch verkörperten und mit welchen der so in Szene gesetzten Botschaften sie eine neue psychosoziale Grundkonstitution der Gesellschaft zu schaffen gedachte, so müssen neben dem Ersten Mai, dem „Internationalen Kampf und Feiertag der Werktätigen“, der in der DDR von 1946 bis 1990 arbeitsfreier Staatsfeiertag war, auch die Januargedenktradition zum Mord an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, der „Tag der Befreiung“ am 8. Mai und vor allem natürlich der „Tag der Repu­ blik“, der eigentliche nationale Feiertag der DDR mit seiner großen Erzählung über die „sozialistische deutsche Republik des werktätigen Volkes“, in den Blick genommen werden.

Der 15. Januar 1919

Der Tag der Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts verkörperte die Rückbindung an und Verpflichtung auf die Tradition antiimperialistischen und antifaschistischen Kampfes. Diese Erinnerung war von 1920 bis 1933’ und auch nach 1945 sofort wieder eine herausgehobene. Für die kommunistischen Exilanten wie für die während der Zeit des Nationalsozialismus im Lande gebliebenen und durch die stete existentielle Bedrohung auch in ihrer Identität besonders geprüften Kommunisten war das Gedenkritual im Januar die Wiederaufnahme öffentlicher Identifikation mit ihren kommunistischen Wurzeln, eine symbolische Rückkehr, nun aber -erstmals -als Sieger, moralisch und faktisch, worauf man selbst stolz sein und wofür man nun auch Respekt einfordern zu können glaubte. Die respektvolle Erinnerung an die „selbstlosen antiimperialistischen und antifaschistischen Kämpfe“, denen die Folgegenerationen auf ewig verpflichtet seien und die sie ableisten könnten mit aktivem Einsatz beim sozialistischen Aufbau, war denn auch der zentrale Topos in den Traditionserzählungen, welche das Ritual über die Jahrzehnte hinweg begleiteten. Aber dieses Gedenken war noch mehr. Es bewahrte auch die Erinnerung an das Trauma der linksradikalen deutschen Arbeiterbewegung des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts -den Mord an ihren gerade ernannten Führern mitten in den noch unentschiedenen revolutionären Kämpfen des „deutschen November“ 1918/19. Dieser Doppelmord an den Führern der eigenen Partei sowie die eigene politische Niederlage -erlitten nicht nur in der Auseinandersetzung mit der feudal-bürgerlichen Kriegspartei, sondern auch gegen die mit diesen sich verbündenden Führungsspitzen der ehemaligen Mutterpartei, der Sozialdemokratie, deren Mitschuld an der Ermordung der beiden abtrünnigen Sozialdemokraten das schon lange zuvor gestörte Verhältnis des linken Flügels zur SPD-Mehrheit endgültig in dauerhafte politische Feindschaft Umschlagen ließ -waren für die alte Garde der DDR-Führung das lebensgeschichtliche Schlüsselereignis, das auch für nicht wenige Vertreter der Nachfolgegenerationen noch orientierend blieb. Von den einen selbst erlebt und erlitten, für die anderen offenbar über das kulturelle Gedächtnis ihrer politischen Väter glaubwürdig transportiert und so auch von ihnen tief verinnerlicht Dies wird belegt durch das bis heute anhaltende Gedenken, wie die nach 1989 Jahr für Jahr im Januar zum Gedenkort strömenden Massen zeigen

Der 8. Mai Der neben dem Ersten Mai und dem 7. Oktober im Jahre 1950 ebenfalls zum Staatsfeiertag erklärte 8. Mai 1945 -der „Tag der Befreiung“ -stand für Schuldannahme und Bereitschaft zur Sühne als Verpflichtung zu ewiger Dankbarkeit gegenüber der Sowjetunion für die Befreiung vom Nationalsozialismus und für die Chance zum endlich möglichen sozialistischen Neuanfang. Diese Erzählung war nicht nur eine Identitätsmarke der Vertreter des antifaschistischen Widerstandes und der sich zu dieser Tradition nachträglich bekennenden Älteren, sondern sie war unmittelbar nach Kriegsende vor allem ein Angebot an die junge Generation. Die Annahme dieser „Geschichte“ ermöglichte Selbstachtung und Engagement ohne Verdrängung der elterlichen Schuld am Desaster von Krieg und Zusammenbruch des deutschen Staates Schuldanerkenntnis war so möglich, weil nicht mit ewiger Selbstverachtung verbunden. Insofern war diese Erzählung ein praktikables Sühnekonzept, das vor allem den Jüngeren die viel beschworene Verdrängung von deutscher Schuld an Krieg und Völkermord ersparte und sie handlungsfähig machte. Der Enthusiasmus der Aufbau-generation, der kein blinder, sondern ein durchaus reflektierter war, hat hier wichtige Wurzeln Daß die wirklich schuldbeladenen Älteren mit dieser Interpretation vom Kriegsende weit mehr Probleme hatten, läßt sich schon aus der Tatsache schließen, daß der Topos vom „Tag der Befreiung“ erst 1950 staatsoffizielle Bezeichnung und der 8. Mai erst ab diesem Zeitpunkt zum nationalen Feiertag dekretiert wurde. In den Jahren zuvor hielten sich die neuen Eliten eher zurück mit offiziellen euphorischen Befreiungsinterpretationen. In der Leipziger Volkszeitung war noch 1947 lediglich vom Tage der „bedingungslosen Kapitulation“ die Rede.

Der 7. Oktober Diese Teil-„Erzählungen“ über die historischen Wurzeln, über die Gründerväter und Taufpaten sowie über die internationale, ja weltgeschichtliche Einordnung des Staates DDR, die mit dem 15. Januar und dem Ersten und dem 8. Mai einen eigenen Erinnerungsort hatten, waren darüber hinaus auch in die Metaerzählung des 7. Oktober narrativ und rituell integriert. Die Festreden und Losungen, die Thesen des Zentralkomitees der SED und die Jahrestagsaufrufe des Nationalrates der Nationalen Front, die zahllosen populärwissenschaftlichen und wissenschaftlichen Bücher, die Dokumentär-und Spielfilme zum „Republikgeburtstag“ enthielten diese Topoi. Und sie waren mit den Kranzniederlegungen auf sowjetischen Ehrenfriedhöfen und in Dankreden an sowjetische Regierungs-und Militärdelegationen auch im Festtagsritual präsent. „Es lebe und blühe unsere Deutsche Demokratische Republik!“ So begrüßte der Präsident der DDR, Wilhelm Pieck, am Morgen des 7. Oktober 1959, zum zehnten Jahrestag der Staatsgründung, die Bürger des Landes auf der ersten Seite des Neuen Deutschland. Vom Stolz auf das gemeinsam Erreichte war die Rede, von der DDR als „Erbe des Vermächtnisses von Bebel, Liebknecht, Luxemburg, Mehring und Thälmann“ sowie davon, daß dieser Staat „das seit hundert Jahren ersehnte und erkämpfte Vaterland aller deutschen Sozialisten“ sei

Die Staatsfeiertage zum 7. Oktober, vor allem aber die alle fünf und zehn Jahre begangenen runden DDR-Geburtstage waren herausgehobene Repräsentationsanlässe des ersten „sozialistischen Staates der Arbeiter und Bauern“, wie es in Artikel 1 der seit 1968 gültigen, 1974 überarbeiteten Verfassung hieß Unter der Regie der SED wurden seit 1959 in fünfjährigem Rhythmus große, ganzjährige propagandistische „Gesamtkunstwerke“ inszeniert, deren zentraler Topos der Kult um fleißige und disziplinierte Arbeit am sozialistischen Projekt war. Die Werktätigen wurden im Vorfeld dieser Inszenierungen über ökonomische und kulturelle Mobilisierungskampagnen zu weiterer Leistungssteigerung animiert, und sie wurden auch gefeiert als die wahren Helden der neuen Zeit

IV. Die zentrale Erzählung als Identitätskonstruktion der DDR und ihre Wirkung

Der stets wiederholte Topos vom „ersten Arbeiter-und Bauernstaat in der deutschen Geschichte“ und vom „sozialistischen Staat der Werktätigen“ -das war die eigentlich stützende Erzählung der SED-Strategie zur Konstruktion einer eigenständigen kollektiven Identität der DDR, die über Geschichtsbild und Repräsentationskultur gezielt vermittelt wurde. Zwar hatte auch der Antifaschismus in Geschichtsbild und Gedenkkultur der DDR einen herausragenden Platz. Zum einen wegen seiner tatsächlichen lebensgeschichtlichen Relevanz für die Identität der alten Kommunisten, zugleich natürlich auch deshalb, weil mit diesem Erzählstrang der Macht-, Führungs-und Vorbild-anspruch der alten Führungsgarde scheinbar für immer unangreifbar zu legitimieren war. Allerdings stellte sich heraus, daß eine breite, ungebrochene Tradierung über mehrere Generationen letztlich nicht gelang und sich der Topos des Antifaschismus letztlich doch nur als Identitätsbaustein für begrenzte Gruppenidentitäten eignete.

Viel stärker als dieser Topos wirkte dagegen die andere Teil-Geschichte der Metaerzählung: die in der professionellen Historiographie, in der massenmedialen Propaganda und in der politischen Festkultur der DDR dominante Erzählung vom „ersten deutschen Arbeiter-und Bauernstaat“. Stärker als die Heldenepen über die ermordeten Führer Liebknecht und Luxemburg, die antifaschistischen Kämpfer und die „Befreier“ in Gestalt der Roten Armee war ganz offensichtlich die Integrationskraft der deutlich lebensnäheren, auch zivileren Erzählung vom friedlichen, solidarischen und vor allem egalitären deutschen Arbeiter-und Bauernstaat mit all ihrem Pathos der Arbeit und der „Werktätigen“.

Denn in vielen Punkten fand das ideologisch gestützte Konzept des Gesellschaftsprojektes einer egalitären, sozial abgefederten Arbeitsgesellschaft, das in der DDR unter der rigiden Führung der SED gegen äußere und innere Widerstände zu realisieren versucht wurde, ja auch in der sozialen Praxis des Staates DDR seinen Niederschlag. Das Recht auf Arbeit, die lebenslange Garantie eines Arbeitsplatzes für alle arbeitsfähigen Bürger waren staatlich gesichert, ebenso die für den Bürger kostenfreie Gesundheitsfürsorge. Es gab billige Grundnahrungsmittel und billige Wohnungen, die staatlich und betrieblich organisierte Kinderbetreuung für berufstätige Frauen. Die DDR war ein weitgehend an den Maßstäben von Industriearbeitern orientiertes Gesellschaftsprojekt, dessen politisch herrschende Funktionärsschicht sich nach dem Desaster des 17. Juni 1953 vor einer erneuten Verärgerung der „herrschenden Klasse“ durch ungebührliche Forderungen fürchten gelernt hatte. Die als Forderung vorgebrachte Losung der Massenproteste des Herbstes 1989 „Wir sind das Volk!“ war unmittelbarer Reflex auf diese symbolische Aufwertung in der Metaerzählung der DDR.

Genau diese Erzählung und. die entsprechenden lebensgeschichtlichen Erfahrungen mit ihrer -zumindest teilweisen -Umsetzung in der lebens-weltlichen Praxis der DDR sind bei ihren ehemaligen Bürgern noch heute als Wertestruktur präsent Dabei handelt es sich nicht nur um eine verblassende Erinnerung. Der Bezug auf die in der DDR einst propagierte Metaerzählung und ihre Sinngehalte wurde durch die Probleme der Ostdeutschen in den Jahren nach dem Beitritt immer wieder aktuell. Die Selbstverständigung über die eigene Situation, die Kritik der bestehenden Verhältnisse wird daher teilweise mit den Begriffen und aus der Wertperspektive der DDR-Ideologie formuliert. Das funktioniert unter anderem deswegen so gut, weil die sozialistische Metaerzählung genau diese Plagen skandalierte und immer wieder memorierte, von denen sich viele Ostdeutsche nun bedrückt fühlen: vor allem Arbeitslosigkeit, krasse soziale Unterschiede und ein Verlust an Orientierung.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Umfragen von Meinungsforschern, die dieses Ergebnis zeitigen, sind inzwischen Legion.

  2. Frank Pergande, Virtuelle DDR, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. 5. 1999, S. 1.

  3. Siehe zu diesen Phänomenen Thomas Ahbe, Zwiespältige Bilanz. Über Ostalgie und ihre Gründe, in: Universitas. Zeitschrift für interdisziplinäre Wissenschaft, Nr. 1634/April 1999, S. 339-351; ders., Ostalgie als Laienpraxis. Einordnung, Bedingungen, Funktionen, in: Berliner Debatte Initial, (1999) 3, S. 87-97; ders., 50 Jahre DDR -Konjunkturen und Krisen der Identifizierung mit der DDR. in: Monika Gibas/Rainer Gries/Barbara Jakoby/Doris Müller (Hrsg.), Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999, S. 266-284; Monika Gibas, „Hammer und Zirkel im Ährenkranz“. Anmerkungen zur politischen Symbol-und Repräsentationskultur der DDR, in: Deutschland Archiv, (1999) 4, S. 552-563.

  4. Vgl. Th. Ahbe, Ostalgie als Laienpraxis (Anm. 3).

  5. Arnold Vaatz, Mißverständnisse wie im Märchen. Im Osten war Neid eine Tugend und keine Schwäche -und im Westen könnte es genauso werden, in: Süddeutsche Zeitung vom 24. 125. 7. 1999, S. 10.

  6. Zitiert nach: Thomas Koch, Von der „dualistischen Gesellschaft“ zur „solidarischen Bürgergesellschaft“? Entwicklungspfade und Leitbilder für Ostdeutschland, in: Deutschland Archiv, (1997) 1, S. 95-113.

  7. Ebd.

  8. Aleida Assmann, Funktionsgedächtnis und Speichergedächtnis -zwei Modi der Erinnerung, in: Kristin Platt/Mihran Dabag (Hrsg.), Generation und Gedächtnis. Erinnerung und kollektive Identität, Opladen 1995, S. 182.

  9. Vgl. Gerald Diesener, Die Propagandaarbeit der Bewegung „Freies Deutschland“ in der Sowjetunion 1943-1945, Diss. B, Leipzig 1987.

  10. Vgl. Werner Berthold, Marxistisches Geschichtsbild -Volksfront und antifaschistisch-demokratische Revolution. Zur Vorgeschichte der Geschichtswissenschaft der DDR und zur Konzeption der Geschichte des deutschen Volkes, Berlin 1970, S. 134-155.

  11. Ebd., S. 145.

  12. Vgl. u. a. Johannes L. Kuppe, Zur Funktion des Marxismus-Leninismus, in: Materialien der Enquete-Kommission „Aufarbeitung und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland". Bd. III/2, S. 137 ff., Baden-Baden 1995; Monika Gibas, Ideologie und Propaganda, in: Die SED. Geschichte-Organisation-Politik. Ein Handbuch, hrsg. von Andreas Herbst/Gerd Rüdiger Stephan/Jürgen Winkler, Berlin 1997, S. 241 — 262.

  13. Vgl. Sigrid Meuschel, Legitimation und Parteiherrschaft in der DDR, Frankfurt am Main 1992.

  14. Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 3, München 1995, S. 799.

  15. Vgl. M. Gibas (Anm. 12), sowie Wolfgang Leonhard, Die Etablierung des Marxismus-Leninismus in der SBZ/DDR (1945-1955), in: -Aus Politik und Zeitgeschichte, B 40/94, S. 3 ff.

  16. Dokumente der SED. Bd. 3, S. 332 ff.

  17. Vgl. ebd., S. 443.

  18. Über den Kampf um den Frieden, für den Sieg des Sozialismus, für die nationale Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender, demokratischer Staat. Beschluß des V. Partei-tages der SED vom 15. Juli 1958, S. 292.

  19. Ebd., S. 295.

  20. Protokoll der Verhandlungen des V. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 10. bis 16. Juli 1958 in der Werner-Seelenbinder-Halle zu Berlin, Berlin 1958, S. 160.

  21. Ebd., S. 164.

  22. Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 6 vom 25. Februar 1965, S. 87.

  23. Aufgabenstellung zur weiteren Entwicklung der staatsbürgerlichen Erziehung der Schuljugend vom 2. Februar 1966, in: Verfügungen und Mitteilungen, Nr. 10/1966, S. 121.

  24. Vgl. Verfassungen deutscher Länder und Staaten. Von 1816 bis zur Gegenwart, Berlin 1989, S. 504.

  25. Vgl. Edgar Wolfrum, Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1989. Phasen und Kontroversen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 45/98, S. 6; ders., Geschichtspolitik und deutsche Frage. Der 17. Juni im nationalen Gedächtnis der Bundesrepublik (1953-1989), in: Geschichte und Gesellschaft, (1998) 3, S. 388.

  26. Zum Diskussionsprozeß um die Flagge vgl. Harry D. Schurdel, Die Hoheitssymbole der Deutschen Demokratischen Republik, in: Parteiauftrag: Ein neues Deutschland. Bilder, Rituale und Symbole der frühen DDR, hrsg. von Dieter Vorsteher, Berlin 1997, S. 44 ff.

  27. Zur Geschichte der Nationalhymne der DDR siehe Heike Arnos, Auferstanden aus Ruinen. Die Nationalhymne der DDR 1949 bis 1990, Berlin 1997.

  28. Zitiert nach: Peter Erler/Horst Laube/Manfred Wilke (Hrsg.), „Nach Hitler kommen wir!“ Dokumente zur Pro-grammatik der Moskauer KPD-Führung 1944/45, Berlin 1994, S. 334.

  29. Vgl. Volkskammer der DDR, Anfragen, Gesetzesvorlagen und Anträge, Drucksache Nr. 59-100, S. 109 f. Siehe dazu ausführlich Matthias Kitsche, Die Geschichte eines Staatsfeiertages. Der 7, Oktober in der DDR 1950-1989, Diss., Köln 1990, S. 17.

  30. Es gab offenbar lebhafte Zustimmungsbekundungen während der Popularisierungskampagne. So erhielt Johannes R. Becher zahlreiche Zuschriften solchen Inhaltes. Siehe dazu H. Arnos (Anm. 27), S. 69. Die Autorin stellt fest, daß die Hymne vor allem von der Jugend rasch angenommen worden ist.

  31. So argumentierte Egon Krenz in einer Gesprächsrunde im Rundfunk im Januar 1999 auf die Frage nach den Ursachen für den letztlichen Gewaltverzicht der DDR-Regierenden gegen die Massendemonstrationen im Herbst 1989, auf den Straßen habe ja das Volk gestanden und man habe nicht „zum Noske“ werden wollen. Diskussionsrunde in „Deutschland-Radio Berlin“ zum Thema „Wann ging das Machtmonopoi der Führung der SED verloren?“ Siehe auch Thomas Ahbe/Michael Hoffmann, „Wir bleiben hier!“ Erinnerungen an den Herbst '89, Leipzig 1999.

  32. Die Medien berichteten von ca. 100 000 Teilnehmern am 10. Januar 1999, vgl. Neues Deutschland vom 11 Januar 1999, S. 1..

  33. Die Deutung der Verbrechen, der Schuld wie auch die Interpretation der Bedeutung der Sowjetunion als „Trägerin der Hauptlast des Zweiten Weltkrieges“ setzte dabei andere Akzente als die Deutung von Verbrechen und Schuld in Westdeutschland. Während hier seit den siebziger Jahren der Holocaust in Gedanken und in der Schulddiskussion quasi als „singuläres Jahrhundertverbrechen“ herausragt, versuchten die Eliten der DDR, Verbrechen, Schuld und Neuanfang „klassenmäßig“ aus marxistisch-leninistischer Perspektive zu deuten. Die Enteignung, Ausplünderung und Ermordung der europäischen Juden geriet in den Schatten des besonders herausgehobenen Gedenkens an die Ermordung von Kommunisten und Linken in ganz Europa sowie an die Verbrechen an den Völkern Osteuropas.

  34. Daß Kinder und Jugendliche in erstaunlichem Maße reflektiert über die schwierigen Probleme der Kriegsschuld, der Vertreibungen der Deutschen aus den „Ostgebieten“, ja selbst der Plünderungen und Vergewaltigungen durch die sowjetischen Besatzer zu urteilen vermochten, hat ein Fundus von 1 300 Berliner Schüleraufsätzen aus dem Jahre 1946 paradigmatisch gezeigt. Vgl. „Ich schlug meiner Mutter die brennenden Funken ab“. Berliner Schulaufsätze aus dem Jahr 1946, ausgewählt und eingeleitet von Annette Gröschner, Berlin 1996.

  35. Leipziger Volkszeitung vom 7. Mai 1947, S. 3.

  36. Es lebe und blühe unsere Deutsche Demokratische Republik! Aufruf des Präsidenten zum 10. Jahrestag, in: Neues Deutschland vom 7. Oktober 1959, S. 1.

  37. Zit. nach: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 47 -Ausgabetag: 27. September 1974.

  38. Vgl. M. Gibas u. a. (Anm. 3).

  39. Vgl. Thomas Ahbe/Monika Gibas, Erbschaft einer Zeit. Zur Persistenz der sozialistischen Metaerzählung nach dem Systemwechsel, in: Psychologie und Gesellschaftskritik, (1998) 1, S. 55 ff., Monika Gibas, Massenbeeinflussung und politischer Wandel. Die Langzeitwirkung der DDR-Propaganda, in: Universitas, Nr. 624, Juni 1998, S. 510 ff.; Wolfgang Engler, Die Ostdeutschen. Kunde von einem verlorenen Land, Berlin 1999.

Weitere Inhalte

Monika Gibas, Dr. sc. phil., geb. 1951; Historikerin; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kultur-und Universalgeschichte Leipzig e. V Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Dirk Schindelbeck) „Die Heimat hat sich schön gemacht!“ 1959: Fallstudien zur deutsch-deutschen Propagandageschichte, Leipzig 1994; „Die Frau, der Frieden und der Sozialismus“. Erziehungspropaganda oder Emanzipationskampagne?, in: Gerald Diesener/Rainer Gries, Propaganda in Deutschland. Zur Geschichte der politischen Massenbeeinflussung im 20. Jahrhundert, Darmstadt 1996; „Die Republik, das sind wir!“ Das propagandistische Gesamtkunstwerk Zehnter Jahrestag der DDR als nachholendes Initiationsritual, in: Parteiauftrag: Ein neues Deutschland. Bilder, Rituale und Symbole der frühen DDR, hrsg. von Dieter Vorsteher, Berlin 1996; Massenbeeinflussung und politischer Wandel. Die Langzeitwirkung der DDR-Propaganda, in: Universitas, Nr. 624, Juni 1998; (zus. mit Rainer Gries, Barbara Jakoby und Doris Müller) Wiedergeburten. Zur Geschichte der runden Jahrestage der DDR, Leipzig 1999; Hammer und Zirkel im Ährenkranz. Anmerkungen zur Symbol-und Repräsentationskultur der DDR, in: Deutschland Archiv, (1999) 4.