Es gibt m. W. bis heute keine Untersuchung über die Beziehungen der DDR zu Palästina. Publikationen, die das Thema tangieren und die sich auf archivalische Forschungen stützen behandeln es entweder ausschließlich unter dem Aspekt der Beziehungen bzw. Nichtbeziehungen DDR-Israel oder in solchem Kontext wie „DDR-Staatssicherheit und terroristische Organisationen“. Insofern wird der Leser solcher Materialien Zeuge bemerkenswerter Schieflagen. Entweder wird ihm suggeriert, das Verhältnis DDR-Palästina reduziere sich sozusagen auf eine finstere Verschwörung zwischen Mielke und Arafat oder zwischen Stasi und „Schwarzem September“ Oder es wird -und dies ist zumeist der Fall -moralisch argumentiert. Es sei zutiefst unmoralisch gewesen, wenn der ostdeutsche Staat so enge Beziehungen ausgerechnet zu jener Organisation entwickelt habe, die das Leben von Holocaust-Überlebenden nachhaltigst bedrohe.
Das sich über vier Jahrzehnte zunächst sehr langsam entwickelnde Verhältnis zwischen DDR und der palästinensischen Befreiungsbewegung PLO unterlag den allgemeinen politischen Prämissen, die die DDR-Außenpolitik bestimmten: 1. Die Außenpolitik der DDR folgte immer (und nur manchmal sehr geringfügig abweichend) der Außenpolitik der Sowjetunion. 2. Sie war stets Mittel in der Auseinandersetzung mit dem anderen deutschen Staat und hatte die wesentliche Funktion, die internationale Anerkennung der DDR zu erzielen. Bis Mitte/Ende der siebziger Jahre war eines ihrer Hauptziele der Kampf gegen die sogenannte Hallstein-Doktrin, die den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik postulierte. Vor diesem Hintergrund wird übrigens verständlich, daß sich Beziehungen zwischen Israel und der DDR auch deshalb lange aus-schlossen, weil Israel spätestens mit dem Luxemburger Abkommen von 1952 die Hallstein-Doktrin akzeptiert und damit auf normale Beziehungen zur DDR verzichtet hatte. 3. Die DDR verstand sich als antifaschistisch und antiimperialistisch. Internationalismus und internationale Solidarität waren zwar auch ein taktisches Vehikel, aber vor allem doch echtes ideologisches Anliegen.
Mitte der sechziger Jahre, interessanterweise zu etwa dem Zeitpunkt, da die Arabische Liga die PLO gründete, wurde die DDR-Politik im Nahen Osten aktiver. Die engeren Beziehungen der Bundesrepublik zu Israel wurden von arabischen Staaten mit der Drohung des Abbruchs der Beziehungen zu Bonn und der Aufwertung der Beziehungen zu Ostberlin beantwortet. Die DDR unterhielt zu diesem Zeitpunkt zu einigen nahöstlichen Staaten konsularische Beziehungen und Handelsbeziehungen (Vereinigte Arabische Republik [VAR], Syrien und Irak). Sie hatte bei verschiedenen Gelegenheiten verbal und manchmal auch materiell ihre Solidarität mit arabischen Staaten bekundet (während des Suezkrieges von 1956 und der Libanonkrise von 1958 beispielsweise). In solchen Erklärungen war auch Palästina erwähnt worden, aber dies stets ausschließlich als ein Flüchtlingsproblem, das in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Vereinten Nationen gelöst werden müsse. Das sollte sich nun ändern. In einem Grußtelegramm des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht an die 2. arabische Gipfelkonferenz in Alexandria vom 5. September 1964 hieß es, die DDR halte „eine Lösung des Palästinaproblems auf der Grundlage der Beschlüsse der UNO für dringend erforderlich“ und sie sei „mit allen Arabern eins im Kampf gegen die Versuche des Imperialismus, die Palästinafrage zur Verschärfung der Spannungen im Nahen Osten auszunutzen“ Dieses Telegramm war die erste explizite Erklärung der DDR-Spitze zum Palästina-Problem.
Ulbricht besuchte im Frühjahr 1965 die VAR -es war sein erster Staatsbesuch außerhalb des Ostblocks. Im Abschlußkommunique der Gespräche mit Nasser hieß es, die DDR anerkenne „alle Rechte des arabischen Volkes von Palästina einschließlich seines unveräußerlichen Rechtes auf Selbstbestimmung. . .. Beide Seiten verurteilen die aggressiven Pläne des Imperialismus, nach denen Israel als gegen die Rechte des arabischen Volkes und dessen Kampf für Befreiung und Fortschritt gerichtete Speerspitze geschaffen wurde, um seinen Zielen zu dienen.“ Ulbricht sagte in einem Interview mit der ägyptischen Zeitung „Akhbar el-Yom“ vom 21. März 1965 auf die Frage, warum man den arabischen Standpunkt in der Palästinafrage unterstütze, diese Haltung habe „nichts mit taktischen Winkelzügen oder pragmatischen Erwägungen zu tun. Ihr liegen die Prinzipien zugrunde, von denen sich unsere Außenpolitik leiten läßt: Der Kampf um die Erhaltung des Friedens und um die friedliche Koexistenz, der Kampf gegen den Imperialismus und für die nationale Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht aller Völker.“
Die DDR-Medien dieser und der darauf folgenden Zeit enthielten jedoch weniger Aussagen zur Unterstützung der Palästinenser, sondern vor allem scharfe Anti-Israel-Töne. Der Schwerpunkt lag bei dem Bemühen, nachzuweisen, daß an antiarabischen Aktionen Israels irgendwie die Bundesrepublik zumindest mitbeteiligt sei. Der Medien-jubel in Westdeutschland anläßlich des israelischen Sieges im Sechstagekrieg von 1967 schien das zu bestätigen.
Seit 1964 hatte es Versuche sowohl der PLO als auch einzelner palästinensischer Organisationen (z. B. al-Fatah) gegeben, der DDR die eigene Position nahezubringen bzw. Beziehungen anzuknüpfen. Die DDR-Stellen reagierten auf solche Annäherungen höflich-reserviert Zu jener Zeit nahm die Sowjetunion eine sehr zurückhaltende Position zur palästinensischen Widerstandsbewegung ein. Erinnert sei nur an das Wort des damaligen sowjetischen Außenministers Schepilow von den palästinensischen „Folklore-Guerrillas“. Die sowjetische Zeitschrift „Kommunist“ schrieb noch 1968, die PLO repräsentiere „die rückwärtsgewandtesten Elemente der palästinensischen Nationalbewegung, die durch die Chinesen für ihre eigenen Zwecke genährt werden“
Die DDR übernahm solche Wertungen zunächst nur partiell. Außerdem war sie nicht bereit, extremistische Positionen palästinensischer Gruppen („Israel ins Meer treiben“) zu akzeptieren. Es gehörte zu den unveränderlichen Maximen der SED-Politik, das Existenzrecht des Staates Israel nicht in Frage zu stellen, ungeachtet all der harschen und vielleicht auch überzogenen Darstellungen Israels und der israelischen Politik in Agitation und Propaganda. Eine Lösung des Palästina-Konflikts war für die DDR nur als politische Lösung vorstellbar.
Die Haltung zu den Palästinensern könnte man für die sechziger Jahre am besten mit dem Wort „zögerlich“ umschreiben. Die DDR-Diplomatie versuchte erst einmal, sich ein Bild zu verschaffen: Mit wem kann man eventuell Zusammenarbeiten, mit wem sollte man es unter keinen Umständen? Wünsche palästinensischer Organisationen nach Unterstützung wurden in dieser Periode hinhaltend beantwortet. Im November 1967 hatte das DDR-Außenministerium seine Vertretungen dahin gehend instruiert, keine Initiativen gegenüber palästinensischen Organisationen zu unternehmen. Bei „Unterstützungsersuchen“ solle auf die Solidarität der DDR gegenüber den arabischen Staaten verwiesen werden, die auch den Palästinensern zugute käme Kontakte zwischen PLO-Vertretern und DDR-Diplomaten in jener Zeit -vor allem in Kairo -ergaben sich stets auf palästinensische Initiative.
In dem Meinungsfindungsprozeß Mitte bis Ende der sechziger Jahre spielte das Verhältnis der SED zu den Bruderparteien im Nahen Osten eine wichtige Rolle als Quelle der Analyse und Information. Die Kommunisten -vor allem der KP Jordaniens -verfügten über gute informelle Kontakte zur palästinensischen Bewegung. Daß es zu jener Zeit in den Kommunistischen Parteien Israels, Jordaniens, Syriens und des Libanon harte innere Auseinandersetzungen bis hin zur Spaltung dieser Parteien gab, hat es für die DDR-Außenpolitiker allerdings nicht unbedingt einfacher gemacht. Während sich die SED und der Staat DDR offiziell zurückhielten, wurden erste Beziehungen zwischen gleichgearteten Organisationen geknüpft. Zu nennen ist das Rote Kreuz der DDR. das Kontakte zum Palästinensischen Roten Halbmond aufnahm. Vor allem aber der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund der DDR (FDGB) wurde aktiv. Er schloß am 25. Oktober 1969 eine Vereinbarung über Zusammenarbeit mit dem palästinensischen Gewerkschaftsbund PFTU ab. Darin wurden das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser anerkannt und ihr Recht auf „allseitigen Befreiungskampf mit dem Ziel, einen demokratischen Staat auf dem Territorium Palästinas zu errichten, eines Staates, in dem alle Bürger ohne Unterschied des Glaubens und der Rasse miteinander leben“. Der FDGB wolle „alle Möglichkeiten“ prüfen, um den PFTU in der gewerkschaftlichen Arbeit zu unterstützen, wie z. B. durch Ausbildung und materielle Unterstützung
Kontakte zu den Palästinensern entwickelte auch die Freie Deutsche Jugend (FDJ), und zwar insbesondere über den Weltbund der Demokratischen Jugend (WBDJ) und den Internationalen Studentenbund (ISB). Dieser Kanal sollte für die künftigen Beziehungen von Bedeutung sein, hatte doch die erste Generation der palästinensischen Führung ihren politischen Kampf in den Studenten-organisationen begonnen. Beispielsweise nahm Yasser Arafat als Vertreter des palästinensischen Studentenbundes GUPS an ISB-Konferenzen teil. Erwähnt sei am Rande auch, daß Yahia Hammouda.der im Dezember 1967 Shukeiry als PLO-Vorsitzender nachfolgte, bevor er seinerseits im März 1969 von Arafat abgelöst wurde, in der DDR studiert hatte. (Erste Palästinenser nahmen bereits 1956 ein Studium in der DDR auf, zu jener Zeit wurden sie durchweg von der Arabischen Liga zum Studium delegiert.)
Ein Beispiel für die Vorsicht, mit der die DDR die Beziehungen zur PLO pflegte, möchte ich aus persönlicher Erfahrung aus meiner Zeit als stellvertretender Chefredakteur der DDR-Wochenzeitung „Wochenpost“ berichten. Diese schlug im Frühjahr 1969 vor, palästinensische Kinder aus Flüchtlingslagern in Jordanien zu einem Ferienaufenthalt in die DDR einzuladen. Für dieses Vorhaben benötigten wir sowohl logistische als auch politische Unterstützung. Es ergab sich eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung Internationale Verbindungen des Zentralkomitees der SED. Die wichtige Frage war, wer angesichts fehlender offizieller Beziehungen vor Ort unser Partner sein solle. Es kam zur Kooperation mit der Kommunistischen Partei Jordaniens, die ihrerseits eine Mas-senorganisation als geeigneten Partner vorschlug, die Jordanische Frauenliga. Diese kooperierte für unsere Aktion mit dem palästinensischen Jerusalem-Komitee, an dessen Spitze wiederum mit Ibrahim Bakr ein Mitglied des PLO-Exekutivkomitees stand. Nach außen also gab es ein Zusammenwirken „nur“ mit einem Frauenverband in Jordanien, de facto arbeiteten wir an Ort und Stelle mit Vertretern des PLO-Exekutivkomitees zusammen. Damals bemühten sich mehrere palästinensische Gruppierungen, bei dieser Gelegenheit ebenfalls mit uns in Kontakt zu kommen, insbesondere die Demokratische Volksfront für die Befreiung Palästinas (DPFLP, später DEEP) und die Volksfront (PFLP).
Warum war alles so kompliziert? Weshalb erfolgte der Kontakt verdeckt? Es war der typische Ausdruck der Art und Weise, wie in der DDR politisch vorgegangen wurde. Offizielle Beziehungen zur PLO waren abhängig von einem offiziellen Plazet der obersten Führung. Solange dieses nicht erging, mußte taktiert werden. Noch aber befand man sich im Stadium des Abwägens.
Der Meinungsbildungsprozeß der DDR-Führung hinsichtlich Palästina kam offenbar erst im Frühjahr 1970 zu einem vorläufigen Abschluß. Den Zeitraum zwischen dem Frühsommer 1970 und dem Spätsommer 1973 würde ich als die wesentliche Phase der Herausbildung der Beziehungen zwischen der DDR und der PLO bezeichnen. Am 28. April 1970 wurde vom SED-Politbüro ein „Maßnahmeplan für die Entwicklung der Beziehungen der DDR zur palästinensischen Widerstandsbewegung“ beschlossen Die Notwendigkeit für eine solche grundsätzliche Positionsbestimmung gegenüber den palästinensischen Organisationen ergab sich daraus, daß der Nahe Osten zu jener Zeit für die DDR-Außenpolitik an Bedeutung gewonnen hatte: Die arabischen Staaten übernahmen die Vorreiterrolle bei der internationalen Anerkennung der DDR.
Das Papier vom 28. April 1970 enthält eine Linie, die in den kommenden Jahren durchgängig von der DDR beibehalten worden ist. Es hieß darin unter anderem: „Nationalistische Konzeptionen der palästinensischen Widerstandsorganisationen, die eine Liquidierung des Staats Israel beinhalten, werden nicht unterstützt.“ Statt dessen sollten die DDR-Repräsentanten in den enger werdenden Beziehungen bei der palästinensischen Führung auf eine realistische Haltung hinwirken Außer-dem förderte die DDR „Versuche von Kommunisten und anderen Linken in Israel, mit PLO-Vertretern Kontakt aufzunehmen und einen Meinungsaustausch zu führen“.
Mit Blick auf die Ereignisse des Jahres 1970 möchte ich auf einen anderen Aspekt aufmerksam machen: Die DDR drückte sich in der Öffentlichkeitsarbeit stets dann um eine klare Position zur Palästinaproblematik herum, wenn es um Konflikte zwischen den Palästinensern und arabischen Regimen ging. Man konnte und wollte nicht arabische Regierungen verprellen, zu denen man Beziehungen auf hoher Ebene suchte, man konnte oder wollte aber auch nicht eine Befreiungsbewegung desavouieren. Also wählte man sehr oft die Flucht ins Schweigen oder in unverbindliche allgemeine Erklärungen. Auch ich wurde in zwei Fällen gewissermaßen „Opfer“ dieser Taktik. Im September 1970 erlebte ich den „Schwarzen September“ in Amman mit und übermittelte Berichte von den Kämpfen an die Wochenpost-Redaktion in Berlin. Im Unterschied zu anderen Berichterstattern, die sich , ganz auf die Flugzeugentführungen durch Palästinenser konzentrierten, schilderte ich auch die Rücksichtslosigkeit, mit der die jordanischen Armee gegen die palästinensischen Flüchtlingslager vorging und beschrieb die innerpalästinensischen Auseinandersetzungen um die richtige Taktik. Nach meiner Heimkehr mußte ich erfahren, daß meine Berichte nicht gedruckt worden waren -mit Rücksichtnahme auf Jordanien. Als ich im Herbst 1982 aus dem Nahen Osten unter anderem Augenzeugenberichte über das Massaker in Sabra und Shatila an die Redaktion schickte, wurden diese erst mal auf Eis gelegt -mit der Begründung, man wolle nicht von der bevorstehenden Nahostreise Honeckers ablenken!
Im Herbst 1970 gab es ein weithin unbemerktes, jedoch überaus wichtiges Ereignis für die Bezie-hungern zwischen der DDR und der PLO. Den Palästinensern wurde die De-facto-Einrichtung einer Vertretung in Berlin ermöglicht: Der PLO-Funktionär Imad Abdin (Abu Imad) wurde in der DDR als „Journalist“ akkreditiert, als „Korrespondent“ der Zeitung „al Fatah“, und er konnte eine Art Büro einrichten. (Natürlich war er alles andere als ein Journalist.)
Vom 30. Oktober bis zum 2. November 1971 besuchte dann Yasser Arafat auf Einladung des Afro-Asiatischen Solidaritätskomitees die DDR. In der Analyse der dabei geführten Gespräche durch die Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED wurde bei Arafat eine „Annäherung an einen realistischen Standpunkt in der Beurteilung des Staates Israel“ registriert. Ein weiterer Wandel werde sich nur schrittweise vollziehen. Als Schlußfolgerung nannte die Analyse die Forderung, sich stärker auf „die durch wachsenden Realismus gekennzeichneten Teile“ in der palästinensischen Bewegung zu orientieren. Dagegen solle „jede Möglichkeit einer Identifizierung der DDR mit nationalistisch-extremistischen Forderungen bzw. terroristischen Methoden vermieden werden“
Die sich anbahnenden Beziehungen und die politische Linie der DDR sollten sehr schnell auf eine harte Probe gestellt werden. Am 4. September 1972 überfiel ein palästinensisches Kommando die israelische Olympiamannschaft in München. Für die Öffentlichkeitsarbeit der DDR ergab sich eine schwierige Situation: Sie mußte sich vom Terror-anschlag distanzieren, ohne die dadurch in Gang gesetzte antipalästinensische Kampagne zu unterstützen. Also hieß es: „Offizielle Kreise der Deutschen Demokratischen Republik verurteilen dieses verabscheuungswürdige Verbrechen auf das allerschärfste. Die DDR lehnt den Terror als Mittel zur Erreichung politischer Ziele entschieden ab. Solche terroristischen Aktionen fügen auch der Olympischen Bewegung schweren Schaden zu.“ Und: „Mit ihrer Untat haben die Terroristen nicht zuletzt den mit uns freundschaftlich verbundenen arabischen Staaten schweren Schaden zugefügt.“
In der Bundesrepublik wurde der Anschlag von München zum Ausgangspunkt zahlreicher Aktionen gegen Palästinenser. Zwischen dem 8. und 24. September 1972 wurde ca. 1 500 Palästinensern die Einreise in die Bundesrepublik verweigert. Ab 16. September gab es Polizeiaktionen in der Bundesrepublik und in Westberlin gegen Palästinenser; am 4. Oktober wurden der Studentenverband GUPS und die Gewerkschaft GUPA verboten. Am 21. September 1972 teilte die bundesrepublikanische Presse mit, es seien acht Araber am Grenzübergang Waltersdorfer Chaussee in Westberlin zurückgewiesen worden. Am folgenden Tag gab es Berichte über Razzien gegen Palästinenser und am 28. September über Abschiebungen. Die DDR-Medien sprachen von „Willkürakten gegen arabische Bürger“ und einer „Welle allgemeiner Araberfeindlichkeit“. „Natürlich billigt die DDR nicht die Terroraktionen einiger Elemente, die unter anderem zu den jüngsten tragischen Ereignissen in München führten,“ hieß es. Doch das Vorgehen bedeute „Willkürakte“, und diese seien „eindeutig gegen das friedliche Zusammenleben der Staaten und gegen die Völkerverständigung gerichtet“
Kurz darauf erfuhr man durch einen Artikel in der außenpolitischen Wochenzeitung „Horizont“ quasi nebenbei dies: „Aus der BRD ausgewiesene Studenten erhalten die Gelegenheit, ihr Studium in der DDR weiterzuführen.“ Dieser lakonischen Mitteilung war ein für DDR-Verhältnisse erstaunlich unbürokratischer Prozeß vorausgegangen. Bei den am 21. September und an den folgenden Tagen am Westberliner Grenzübergang zurückgewiesenen Palästinensern handelte es sich um Studenten u. a. von Hochschulen in Hamburg, die zum Ende der Semesterferien zum Studium zurückkehren wollten. Nach der Zurückweisung „strandeten“ sie erst einmal im Transitraum des Flughafens Schönefeld. Hier gelang es ihnen, durch private Vermittlung mit dem Berliner Repräsentanten von Arafats Fatah-Organisation, Imad Abdin, Kontakt aufzunehmen. Dieser beschaffte mit Hilfe der irakischen Botschaft zunächst provisorische Aufenthaltserlaubnisse für die DDR. Dann wurde sehr schnell an höchster Stelle entschieden, den aus Westdeutschland ausgesperrten palästinensischen Studenten den Abschluß ihres Studiums in der DDR zu ermöglichen. „Horizont“ teilte im Januar 1973 mit: „Palästinensische Studenten in der DDR eingetroffen.“ Dazu gab es ein Interview mit einem dieser Studenten. Die Aufnahme, hieß es, „widerspiegelt die antiimperialistische Haltung der DDR und entspricht dem Wesen unserer Außenpolitik, den arabischen Völkern in ihrem Kampf gegen den israelischen Aggressor im Rahmen des Möglichen jede Unterstützung zu gewähren“ Ich halte es durchaus für bemerkenswert, daß die Aufnahme der Studenten ohne das in der DDR bei einem solchen Anlaß eigentlich zu erwartende Agitationsgetöse erfolgte.
In Westdeutschland stieß die Aktion der DDR auf heftige Kritik. In einer Untersuchung heißt es: „Als die DDR ihre Solidarität mit den ausgewiesenen Studenten bekundete und ihnen Studienplätze und Stipendien beschaffte, stellten (einige BRD-Zeitungen) nicht nur die Friedfertigkeit der Palästinenser, sondern auch die der DDR in Frage.“ So fragte die Zeitung „Die Welt“ beispielsweise am 5. April 1973, ob dies nicht sogar ein Verstoß gegen den Grundlagenvertrag sei.
Die Reaktion der DDR auf München und die Überzeugung, es werde möglich sein, die realistischen Kräfte in der PLO zu stärken, führten gerade in jenen Tagen zu den entscheidenden Schritten für die weitere Entwicklung der Beziehungen. Als Ende Juni 1973 das SED-Politbüro-Mitglied Grüneberg in Beirut weilte, kam es zu den entscheidenden Vereinbarungen über die Zusammenarbeit zwischen DDR und PLO, die bis zum Ende der DDR Bestand haben sollten. In dem Kommunique über die Gespräche hieß es: „Die SED bekräftigte, daß sie auch in Zukunft die Palästinensische Befreiungsorganisation in ihrem gerechten Kampf für die nationalen Rechte des palästinensischen Volkes aktiv unterstützen wird.“ So wurde der PLO unter anderem die Möglichkeit gegeben, „ein Büro in der Hauptstadt der DDR, Berlin, zu eröffnen“ Arafat nahm kurz danach an den Weltjugendfestspielen teil, die in Berlin vom 28. Juli bis 3. August 1973 stattfanden. In seiner Anwesenheit sah man übrigens auch eine gewisse „Vorbeugung“ gegen einen möglichen Terroranschlag während des Festivals
Arafats Berlin-Besuch hatte noch andere bemerkenswerte Aspekte. Am 4. August empfing ihn Honecker zum ersten Mal im Haus des ZK der SED -es sollten zahlreiche Begegnungen in den kommenden Jahren folgen. Am gleichen Tag kam es bei einem Empfang Honeckers in Schloß Niederschönhausen erstmals zu einer offenen und offiziellen Begegnung zwischen Arafat und einer jüdischen Bürgerin Israels, der Anwältin Felicia Langer In Israel galt ein Treffen mit PLO-Vertretern als Straftatbestand. Dieses Treffen lag genau auf der oben skizzierten politischen Linie der DDR. Sodann wurde am 2. August 1973 in Berlin von Arafat und Grüneberg die Vereinba rung über die weitere Zusammenarbeit unterzeichnet Sie enthielt u. a. die Verpflichtung der DDR zur „Lieferung von Ausrüstungen des nichtzivilen Bereichs“, also militärischen Gütern.
Diese neue Qualität der Beziehungen zwischen der DDR und der PLO ist in der Bundesrepublik merkwürdigerweise mit einer kleinen Verzögerung wahrgenommen worden. Erst am 15. August 1973 meldete die Presse einen Protest des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde in Westberlin, Galinski, der vom „größten Skandal der deutschen Nach-kriegsgeschichte“ sprach. In diesem Zusammenhang wurde von westdeutschen Medien eine „Arabische Informationsagentur“ zitiert: Moskau habe die DDR als „Durchgangsstation für die Unterstützung der Guerrillas vorgesehen, um künftig für sich selbst diplomatische Verwicklungen zu vermeiden, die sich aus einer direkten Hilfeleistung der Sowjetunion ergeben könnten“ Galinski wurde nach eigenen Aussagen bei den Vertretern der Westalliierten in Berlin vorstellig und verlangte deren Vorgehen gegen das PLO-Büro
Die offizielle Eröffnung des Büros der PLO in der Hauptstadt der DDR erfolgte im März 1974 Es hatte nicht den Status einer diplomatischen Vertretung, es war -wie die Büros der afrikanischen Befreiungsbewegungen SWAPO oder FRELIMO -beim Solidaritätskomitee akkreditiert. Welches Gewicht die PLO dieser Vertretung beimaß, zeigte sich auch daran, daß mit Nabil Quleilat der Vizepräsident des Studentenverbandes GUPS zu ihrem ersten Leiter ernannt wurde. Der Oktoberkrieg von 1973 war gerade beendet, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte in seiner Resolution 338 zum Frieden im Nahen Osten aufgerufen, die arabische Gipfelkonferenz in Algier vom 28. November 1973 hatte die PLO als einzige legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes anerkannt, und in der Vollversammlung der Vereinten Nationen stimmten am 7. Dezember 1973 87 Staaten für das palästinensische Recht auf Selbstbestimmung und Rückkehr in die Heimat. Ein Jahr später, am 13. November 1974, hielt Arafat dann seine berühmte Rede vor der UNO-Vollversammlung, und Erich Honecker gratulierte ihm mit einem Telegramm. Bemerkenswert war dabei die Anrede: „Werter Genosse Yasser Arafat!“ Ab 1974 entwickelte sich eine zunehmend enger werdende Zusammenarbeit zwischen der DDR und der PLO auf den verschiedensten Feldern.
In der westlichen Öffentlichkeit konzentrierte man sich auf die Kooperation im -wie es im DDR-Sprachgebrauch hieß -„nichtzivilen Bereich“, und dies mit dem Hinweis auf die besondere deutsche Verantwortung gegenüber Israel nach dem Holocaust. Ich bin nicht in der Lage, auf Umfang und Einzelheiten dieser Zusammenarbeit einzugehen. Aber die „Enthüllungen“ darüber, die nach 1990 durch die Medien gingen, hatten durchaus keinen Neuigkeitswert. Die israelische Armee erbeutete im Sommer 1982 beim Vormarsch auf Beirut eine größere Anzahl von Dokumenten über die militärische Kooperation (so u. a. Protokolle der Gespräche von Abu Jihad mit DDR-Verteidigungsminister Hoffmann im November 1981 und veröffentlichte sie 1983 in einem Buch. Schwerpunkt dieser Zusammenarbeit war die Ausbildung von militärischen Spezialisten und insbesondere militärischen Führungskräften in der DDR (u. a. an Offiziershochschulen). Für diese Kooperation gab es im PLO-Büro bzw.der späteren palästinensischen Botschaft einen Militärattache. Es gehörte zum Selbstverständnis der DDR, daß man jedweden Terrorismus ablehnte, daß aber bewaffneter Befreiungskampf als legitim betrachtet wurde. Hinsichtlich Palästinas betonte man die Unmöglichkeit einer militärischen und die Notwendigkeit einer politischen Lösung, aber auch das legitime Recht der Palästinenser auf Selbstverteidigung. In diesem Kontext gab es also keine Vorbehalte gegen ein militärisches Zusammenwirken mit der PLO.
Hinsichtlich des Umfangs waren die Beziehungen auf anderen Feldern bedeutender. Die DDR leistete eine umfangreiche humanitäre Hilfe für die palästinensischen Flüchtlinge, vor allem im Libanon. Archivunterlagen zufolge betrug der Gesamtumfang dieser Hilfe gemäß Vereinbarungen mit dem SED-Politbüro in den Jahren 1973 und 1974 je eine Million Mark, 1976 und 1977 je fünf Millionen sowie 1978 und 1979 jeweils vier Millionen Mark In den folgenden Jahren dürfte der Umfang ähnlich gewesen sein. Zu den Hilfeleistungen der DDR gehörte u. a. die Ausrüstung des palästinensischen Krankenhauses in Beirut -das Gaza-Hospital in Sabra/Shatila -, das 1982 von den „christlichen“ Milizen zerstört wurde.
Aus der DDR erhielt die 1970 gegründete PLO-Wirtschaftsorganisation SAMED Ausrüstungen (z. B. Nähmaschinen) für die SAMED-Werkstätten. Das erlaubte es zahlreichen palästinensischen Flüchtlingsfamilien im Libanon, sich selbst einen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Aus dieser Zusammenarbeit erwuchs ab 1975 die regelmäßige Teilnahme von SAMED an der Leipziger Messe. In der Logik dieser Kooperation lag es dann auch, daß der Chef der SAMED, Abu Ala (Ahmed Qrei), der heutige Präsident des palästinensischen Legislativrats, zum Vorsitzenden einer neu gegründeten Freundschaftsgesellschaft Palästina-DDR berufen wurde.
Unbedingt zu nennen ist die Ausbildung palästinensischer Studenten in der DDR. Insgesamt wurden in jedem Jahr mehr als hundert Palästinenser in der DDR immatrikuliert, davon jeweils 35 für eine Hochschulausbildung, zehn bis 15 für eine Fachausbildung bzw. Fortbildung an Hochschulen und 45 für eine Berufsausbildung. Alljährlich wurde zwischen der DDR und der PLO ein Kulturabkommen vereinbart. Es wurden Stipendien an palästinensische Künstler vergeben und Zeugnisse palästinensischer Kultur in der DDR gezeigt, beginnend 1978 mit einer beeindruckenden Ausstellung palästinensischer Volkskunst im Islamischen Museum in Berlin Es gab palästinensische Filmwochen in der DDR und -zunächst zögerlich -die Veröffentlichung palästinensischer Literatur.
Schwerer in Daten zu belegen sind die politischen Aktivitäten der DDR, die über Jahrzehnte hinweg den eingangs skizzierten Grundsätzen folgten. Die DDR war keine Großmacht, sie hatte keine Großmachtambitionen, aber ihre Führung hatte das Gefühl, daß die besonderen Beziehungen und ein schrittweise erworbenes Vertrauenspotential sie in den Stand setzten, gute Dienste als Vermittler zu leisten. Das betraf auch die innerpalästinensische Szene. Die PLO-Führung wurde „protokollgemäß“ sozusagen von Staats wegen empfangen. Aber es gab gleichermaßen Beziehungen zu Teil-organisationen, insbesondere zur Volksfront (PFLP) und zur Demokratischen Front (DFLP). George Habbash und Nayef Hawatmeh weilten des öfteren als Gäste des Solidaritätskomitees in der DDR. Auch die Mitglieder von PFLP und DFLP kamen in den Genuß von Solidaritätsleistungen, insbesondere Studienplätzen. Es entsprach durchaus politischer Grundhaltung wie auch einem gewissen politischen Harmoniebürfnis, wenn die DDR-Vertreter bei Diskussionen sich immer wieder für die palästinensische Einheit unter dem Dach der PLO stark machten und versuchten, zwischen den palästinensischen Gruppierungen zu vermitteln. Die DDR engagierte sich naturgemäß auch stark für die gleichberechtigte Mitarbeit der im Februar 1982 gegründeten Palästinensischen Kommunistischen Partei in der PLO.
Wer die Chronik der Palästina-Frage in den achtziger Jahren etwas genauer betrachtet, wird bemerken, daß Arafat oftmals unmittelbar vor oder nach politischen Wendepunkten nach Berlin reiste. Es bildete sich fast die Gewohnheit heraus, einschneidende politische Schritte mit der SED-Führung zu debattieren. Nicht, daß die DDR sozusagen zum Promoter der Palästinapolitik geworden wäre. Aber ihr Rat war gefragt, zumal die DDR international stets ihr Gewicht zugunsten der Palästinenser in die Waagschale warf. Das mag im nachhinein etwas merkwürdig erscheinen: die DDR als der große Weise, wo sie doch offensichtlich nicht einmal in der Lage war, das eigene Haus in Ordnung zu halten?
Die Details der folgenden Jahre, all die Treffen und Konferenzen sollen hier nicht aufgeführt werden. Es sei nur erwähnt, daß das PLO-Büro in Berlin 1980 diplomatischen Status erhielt, und zwar auf der Ebene einer Ständigen Vertretung. Der zumindest optischen Aufwertung der Haltung zur PLO diente am 16. Juni 1981 die Gründung des Freundschaftskomitees DDR-Palästina, sozusagen als Partnerorganisation zur Freundschaftsgesellschaft Palästina-DDR. Diese Gründung erfolgte im Rahmen der Liga für Völkerfreundschaft der DDR, deren Präsident berief Werner Kirchhoff zum Präsidenten des Komitees Kirchhoff war hauptamtlich Vizepräsident des Nationalrats der Nationalen Front der DDR, eine zumindest laut Protokoll wichtige Position, so daß seine Berufung auch die Bedeutung des Palästina-Komitees unterstreichen konnte. Das Freundschaftskomitee DDR-Palästina ordnete sich in der Liga für Völkerfreundschaft in eine ganze Anzahl von Freundschaftsgesellschaften und -komitees ein Das Komitee setzte sich vornehmlich aus Vertretern jener Organisationen zusammen, die in irgendeiner Weise mit palästinensischen Institutionen zusammenarbeiteten. So gehörten ihm Beauftragte des Gewerkschaftsbundes FDGB an, der Freien Deutschen Jugend, des Frauenverbandes, des Journalistenverbandes, des Solidaritätskomitees etc. Vertreten waren auch das Außen-und das Kulturministerium. Außerdem gab es einige wenige „Einzelmitglieder“, Menschen, die sich in dieser oder jener Weise in der DDR für Palästina engagierten: Journalisten, Filmleute und Schriftsteller. Das Komitee traf sich regelmäßig, aber in sehr großen Abständen. Eine Koordination der verschiedenen Aktivitäten erfolgte naturgemäß nicht hier, sondern durch den SED-Parteiapparat. So beschränkte man sich im Komitee darauf, sich gegenseitig über Aktionen zu informieren. Und es ergab sich die Möglichkeit einer Debatte politischer Analysen der Palästina-politik.
Am 15. November 1988 wurde der Staat „Palästina“ proklamiert, und am 18. November wurde er von der DDR anerkannt. Am 16. Januar 1989 erfolgte die formelle Umbenennung des PLO-Büros in Berlin in Botschaft des Staates Palästina. Zu den Feierlichkeiten anläßlich des 40. Jahres-tages der DDR war auch Yasser Arafat angereist, er wurde sozusagen Augenzeuge des Untergangs der DDR. Am 6. Oktober erhielt er von Honecker den Großen Stern der Völkerfreundschaft. Es war der gleiche Orden, den Honecker genau ein Jahr zuvor, am 17. Oktober 1988, an Edgar Bronfman, den Präsidenten des World Jewish Congress, überreicht hatte.
Mitten in der Umbruchzeit sahen die Freunde Palästinas in der DDR ihre Chance, aus dem engen Korsett des Freundschaftskomitees auszubrechen. Am 10. März 1990, acht Tage vor der ersten freien Wahl in der DDR, wurde die Vereinigung der Freunde Palästinas gegründet als eine DDR-weite Organisation. Sie hielt es für wichtig, in die sich abzeichnende deutsche Vereinigung die entwickelten Beziehungen der DDR zu den Palästinensern einzubringen. In Westdeutschland verfügte die PLO über die „Informationsstelle Palästina“ als eingetragenen Verein und einen beim Büro der Arabischen Liga akkreditierten PLO-Vertreter. Die DDR hingegen unterhielt volle diplomatische Beziehungen zu Palästina. Wir wandten uns also an die Regierung de Maiziere und an die Fraktionen der am 18. März 1990 neu gewählten Volkskammer der DDR und legten dar, daß es vernünftig und notwendig wäre, die Beziehungen zu und die Hilfeleistungen für die Palästinenser fortzusetzen. Wir regten an, die Haltung der DDR zum Palästinaproblem, zu diplomatischen Beziehungen eines vereinigten Deutschland zu Palästina und zur Fortsetzung von Solidaritätsaktivitäten mit den Palästinensern zum Gegenstand einer aktuellen Fragestunde in der Volkskammer zu machen.
Außenminister Markus Meckel antwortete am 19. Juli 1990. Er verwies darauf, daß „erst kürzlich beim amtierenden Staatsoberhaupt der DDR ein neuer palästinensischer Botschafter akkreditiert wurde“ Er fügte hinzu: „Wir sind entschlossen, diese Beziehungen zum palästinensischen Volk in den Vereinigungsprozeß einzubringen.“ Schließlich hieß es in dem Schreiben: „Unsere Solidarität mit dem Volk von Palästina beweisen wir auch durch die Weiterführung der Ausbildung palästinensischer Studenten. Für das in Kürze beginnende Studienjahr 1990/91 wurden erneut Plätze angeboten. Hilfssendungen für die Palästinenser in den besetzten Gebieten sollten meines Erachtens ebenfalls fortgesetzt werden. Entsprechende Aktivitäten politischer Kräfte zur Unterstützung dieses Anliegens werden begrüßt.“
Zweieinhalb Monate später existierte die DDR nicht mehr. Im deutschen Vereinigungsprozeß hatten die Politiker wichtigere Ziele im Auge als Palästina. Erst drei Jahre später, nach dem Oslo-Abkommen im Herbst 1993, wurde Arafat offiziell in Bonn empfangen und wurden erste Schritte in Richtung auf engere Beziehungen und eine Kooperation zwischen der Bundesrepublik und Palästina unternommen.