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Die UCK -Anmerkungen zu Geschichte, Struktur und Zielen | APuZ 34/1999 | bpb.de

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APuZ 34/1999 Die Entstehung des Kosovo-Problems Zur Haltung der südosteuropäischen Staaten im Kosovo-Konflikt Die Jugoslawienpolitik des Westens seit Dayton Die UCK -Anmerkungen zu Geschichte, Struktur und Zielen

Die UCK -Anmerkungen zu Geschichte, Struktur und Zielen

Klaus Lange

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Zusammenfassung

Mit der Unterzeichnung des Abkommens vom 20. Juni 1999, das zwischen der UCK und der KFOR geschlossen wurde und die Entmilitarisierung und die Transformation der UCK thematisiert, leitete die Organisation den Beginn des Wandels von einer militärischen Befreiungsbewegung zu einem zivilen Ordnungsfaktor ein. Die UCK hat seit ihren Anfängen zu Beginn der neunziger Jahre eine Entwicklung von einer vorrangig regionalen, autonomistischen Widerstandsorganisation, deren Kerngebiete in vorwiegend ländlichen Regionen zu finden waren, hin zu einer das gesamte Kosovo umfassenden Befreiungsbewegung durchlaufen. Für die UCK steht das Thema des Wiederaufbaues und der Schaffung einer Zivilverwaltung im Vordergrund. Es besteht gerade angesichts des heutigen Problemdruckes Anlaß zur Hoffnung, daß sie sich trotz des hohen Prestiges, das sie bei der Bevölkerung genießt, mit den anderen wichtigen Parteien letztendlich in einer pragmatischen Kooperation finden wird.

I. Vorbemerkung

Unter den Akteuren des Kosovo-Konflikts ist die UCK, die „Befreiungsarmee von Kosovo“ (albanisch: Ushtria Clirimtare e Kosoves) zweifellos derjenige, der in der öffentlichen Diskussion mit den meisten Fragezeichen versehen wird. Der Hauptgrund der Spekulationen und kontroversen Einschätzungen, die sich um die UCK ranken, liegt einerseits in der extremen Verschlossenheit nach außen, deren sich die UCK um des eigenen Überlebens willen befleißigen mußte, andererseits aber auch in der erfolgreichen Desinformationspolitik der serbischen Seite, der es weitestgehend gelungen ist, der UCK nacheinander das Etikett „terroristisch“, „drogen-kriminell“, „islamistischfundamentalistisch“ anzuhängen. Hinzu kommt ein technisches Problem: Die Quellenlage ist sehr dürftig, und die Möglichkeit, durch Gespräche mit Insidern weiterführende Eindrücke zu gewinnen, kann ohne albanische Sprachkenntnisse, über die nur wenige Fachleute verfügen, oft nicht wirklich voll ausgenutzt werden. Darüber hinaus kam es wiederholt zu irreführenden Spekulationen.

Die politischen Entscheidungsträger können aber eine teilweise fehlinformierte Öffentlichkeit nicht völlig ignorieren. Deshalb werden ihre Versuche, das Kosovo zu stabilisieren, nur in dem Maß erfolgreich sein können, in dem sie ein objektives Bild von den wichtigsten Akteuren haben. Selbst wenn sie über ein solches im wesentlichen verfügen, kann es schwierig werden, dieses zu bewahren bzw. politische Entscheidungen danach auszurichten, weil der Druck einer einseitig informierten Öffentlichkeit so stark werden kann, daß der Entscheidungsträger aus Gründen des politischen Überlebenswillens zu sachlich unbegründeten Modifizierungen von Entscheidungen genötigt werden könnte.

Die nachfolgenden Ausführungen gehen von der Annahme aus, daß das Kosovo noch auf lange Zeit eine Herausforderung für die europäische Politik darstellen wird, daß die UCK auch nach ihrer Entmilitarisierung und Transformation, der sie mit ihrer Unterschrift unter das Abkommen vom 20. Juni 1999 zugestimmt hat, einer der wichtigsten Faktoren der Politik im Kosovo bleiben wird und daß es deshalb zweckdienlich ist, die UCK möglichst so zu sehen, wie sie ist: Sie ist eine Armee im Entstehen, aber keine Armee von „Narkoterroristen“, die sich darüber hinaus noch vom internationalen terroristischen Fundamentalismus aushalten läßt.

II. Die Entstehungsgeschichte der UCK

Chris Hedges, Leiter des Balkan-Büros der New York Times von 1995 bis 1998, sieht in der UCK, der „Befreiungsarmee von Kosovo“, einen problematischen, aber nichtsdestoweniger den entscheidenden Faktor für die zukünftige Entwicklung des Kosovo und der Nachbarregionen: „Die UCK ist bei ihrer Forderung nach einem unabhängigen Kosovo jetzt und einem Großalbanien später kompromißlos. Und sie hat, zur Konsternierung von Washingtons Möchtegern-Friedensstiftern, die ineffektive Führung von Kosovos gemäßigter ethnischer Mehrheit, Ibrahim Rugova, ausgestochen. Die UCK ist, im Gegensatz zu ihrer Größe, überproportional wichtig -nicht nur, weil sie wahrscheinlich die Sezession des Kosovo von Serbien erreichen wird, sondern auch, weil sie mittlerweile die Aspirationen der meisten Kosovoalbaner repräsentiert.“

Wenn man in Betracht zieht, daß noch vor zirka zwei Jahren Ibrahim Rugova bei mehreren Gelegenheiten Zweifel an der Existenz der UCK formulierte und sogar den Verdacht äußerte, die UCK sei ein Produkt serbischer Geheimdienste, dann ist der inzwischen eingetretene Bedeutungswandel der UCK sehr beeindruckend.

Tatsache ist, daß die UCK in einer Situation entstand, die der frühere Präsident des Präsidiums der Jugoslawischen Föderation, Janez Drnovsek, wie folgt skizzierte: „Das serbische Regime war nicht für Kompromisse. Im Kosovo gab es keine Möglichkeit mehr für den Dialog. Die großserbi-sehe Politik und Konzeption trat immer klarer an den Tag. Mit harter Hand konsolidierte Serbien die eigene Republik und verhielt sich drohend gegen die anderen.“ In einer solchen Situation war es naheliegend, zu erwarten, daß neben dem gewaltlosen Widerstand, der mit dem Namen Ibrahim Rugova verbunden war, sich auch wesentlich radikalere Strömungen konstituieren würden: „What is most striking, then, about the KLA insurrection is not that it occurred but that it took so long to occur.“

Bei der Entstehung der UCK sind im wesentlichen drei Faktoren zu berücksichtigen: Die wichtigste Komponente war die Organisation des bewaffneten Widerstandes, der vor allem von Angehörigen der-Familie Jashari getragen wurde, die in der Region Drenica beheimatet ist. Zweitens bestand mit kosovoalbanischen Polizei-und Militärangehörigen ein Potential, das von der serbischen Repressionspolitik ins berufliche Abseits gedrängt worden war und das sich für den Aufbau militärischer Strukturen des bewaffneten Widerstandes zur Verfügung stellte. Stephan Lipsius sieht in dieser Komponente den „harten Kern der Untergrundarmee. was aber meines Erachtens nur in quasi professionell-technischer Hinsicht behauptet werden kann angesichts des dominierenden Charismas, das von den führenden Persönlichkeiten der Familie Jashari, vor allem den Brüdern Adem und Hamze Jashari, eingebracht wurde. Der Vater, Shaban Jashari, war seit langem eine bekannte Persönlichkeit in kosovarischen Widerstandskreisen. Bereits in den sechziger Jahren hatte er zur Zeit des berüchtigten Innenministers und Sicherheitschefs Rankovic, der auf dem ZK-Plenum von Brioni 1966 entmachtet worden war, Berufsverbot als Lehrer erhalten, weil er öffentlich den Republikstatus für das Kosovo gefordert hatte. Festzuhalten ist an dieser Stelle nur soviel: Die UCK ist in ihren Kernelementen aus der Bevölkerung des Kosovo erwachsen, wobei im Widerstand profilierte Persönlichkeiten und Familien wichtige organisatorische Kristallisationskerne bildeten.

Als dritte und relativ unwichtigste Komponente, über deren Rolle noch spekuliert werden muß, gab es eine Gruppe pro-albanischer, d. h. Pro-Enver-Hoxha-Stalinismus-Sympathisanten, die aber nach den Eindrücken, die der Autor in Gesprächen mit führenden UCK-Vertretern gewonnen hat, schon in Anbetracht der völlig geänderten Umstände so gut wie keine Rolle mehr spielen. Chris Hedges meint zu dieser Komponente, die für ihn „die zweite“ ist, neben einer ersten „rechten", die für ihn aus „Söhnen und Enkeln pro-faschistischer Milizionäre“ besteht, die in der Tradition der „SSDivision Skanderbeg“ stehen: „Die zweite UCK-Faktion, die vor allem von Führern im Exil gebildet wurde, besteht aus alten Stalinisten, die dereinst von dem xenophobischen Enver Hoxha, dem albanischen Diktator, der 1985 starb, gefördert wurden. Diese Gruppe führte eine militant-separatistische Bewegung, die in der Tat auf Integration in Hoxhas Albanien aus war. Die meisten dieser Führer waren Studenten an der Universität Pristina nach 1974, als Belgrad der Provinz Autonomie gewährte. Befreit von der Aufsicht durch Jugoslawien, importierte die Universität tausende von Textbüchern, herausgegeben vom stalinistischen Regime Hoxhas, zusammen mit mindestens einem Dutzend militanter albanischer Professoren. Im Rahmen ihres Studienganges begann die Universität heimlich, die jungen kosovarischen Führer in der Kunst der Revolution zu schulen. Nicht nur kam eine große Anzahl der UCK-Führung aus der Universität, sondern auch, bezeichnenderweise, die Führung der ethnischen Albaner in Makedonien.“

Die Vorstellung von der UCK als einer in einen rechtsradikalen und einen linksradikal bzw. stalinistischen Flügel gespaltenen Organisation, wie sie Chris Hedges zu vermitteln versucht, geht, zumindest in der heutigen Situation, völlig an der Realität vorbei. Wenn diese Vorstellung irgendwann einmal Bezug zur Realität gehabt haben sollte, dann hat sich das Bild unter dem mit der militärischen Auseinandersetzung gegebenen Problem-druck inzwischen völlig verändert: Die Stärke der UCK besteht heute darin, daß sie in ihrer wesentlichen Komponente aus „ihrer“, der unmittelbar betroffenen Bevölkerung erwachsen ist und in der engen Verbindung zur kosovoalbanischen Bevölkerung ihr Lebenselement hat.

Die UCK bewegt sich seit langem im Kosovo wie der sprichwörtliche „Fisch im Wasser“, und sie hätte letztendlich nur zerschlagen werden können, wenn es gelungen wäre, quasi das Wasser zu entfernen, sprich: das Kosovo albanerfrei zu machen. Daran ist Milosevic gescheitert, und deshalb hat die UCK die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht nur überlebt, sondern sie wird auch einen der wichtigsten Faktoren, wenn nicht den wichtigsten Faktor in der kosovarischen Nachkriegspolitik bilden. Aus diesem Grund haben sich auch die Beziehungen westlicher Staaten, vor allem der USA, zur UCK seit Beginn dieses Jahres intensiviert und verbessert. Inzwischen hat die UCK das von serbi- sehen Stellen aufgebaute Image einer durch kriminelle Aktivitäten finanzierten terroristischen Organisation weitgehend korrigieren können. Niemand, der mit Führungspersönlichkeiten der UCK in engeren Kontakt getreten ist -etwa Vertreter westlicher Regierungen bei den Verhandlungen in Rambouillet zweifelt ernsthaft daran, daß die UCK eine demokratische Ordnung westlichen Zuschnitts im Kosovo anstrebt. Unterstützt wird dieser Eindruck des Wunsches nach grundsätzlicher Affinität zum westlichen Demokratietyp auch durch den Umstand, däß die UCK auf Angebote islamischer Staaten, Waffen zu liefern, nicht eingegangen ist. Das ist um so überzeugender, als das größte Defizit der UCK -neben der aufgrund der Umstände unzureichenden Ausbildung -im Mangel an qualitativ anspruchsvollen Waffen bestand, etwa hochwertigen Scharfschützengewehren, pan-zerbrechenden Waffen und tragbaren Luftabwehr-systemen: Daß die UCK entsprechende Angebote nicht angenommen hat, hat auch der serbischen Propaganda, die die UCK wiederholt in die Nähe des islamischen Fundamentalismus zu rücken versuchte, den Wind aus den Segeln genommen

Wenn heute gegenüber der UCK Vorbehalte bestehen, dann sollten diese nicht auf Terrorismus-oder Fundamentalismusverdacht beruhen. Wozu die UCK bzw. die von ihr dominierte, nach Rambouillet gebildete „Kriegsregierung“ aber jetzt nach dem Abzug der serbischen Armee und paramilitärischen Einheiten aus dem Kosovo Stellung beziehen muß, ist erstens die Frage nach der Aufhebung ihrer Präsenz in Nordalbanien und zweitens ihre Position gegenüber der albanischen Minderheit in Mazedonien.

Die Präsenz der UCK in Nordalbanien hat sich im Gefolge der Flüchtlingswelle deutlich verstärkt: Die UCK trat nicht nur in den Flüchtlingslagern zunehmend als Ordnungsmacht auf, sondern es war ihr auch gelungen, mit den wichtigsten Clanführern quasi Friedensabkommen zu schließen, nachdem es wiederholt zu Überfällen auf UCK-Angehörige gekommen war, denen meist die Waffen abgenommen wurden. Ohne hierbei tiefer in Details eindringen zu wollen, kann festgestellt werden, daß die UCK dabei ist, sich in Nordalbanien stärker zu etablieren, was zu einer weiteren Erosion der ohnehin kaum existenten Kontrolle führen dürfte, die die Regierung in Tirana über die nördlichen Landesteile ausübt. Es kann, mit anderen Worten, nicht ausgeschlossen werden, daß ein von der UCK politisch dominiertes Nachkriegskosovo in eine so enge Verbindung mit einem ebenfalls UCK-durchsetzten Nordalbanien eintritt, daß die staatliche Integrität der Republik Albanien \ ernsthaft in Frage gestellt würde. Diese Möglichkeit müßte meines Erachtens auch deshalb ernst genommen werden, da das Kosovo und Nordalbanien eine ethnisch bedingte, soziokulturelle wechselseitige Affinität besitzen, deren politische Bedeutung nicht unterschätzt werden dürfte. Damit soll nicht gesagt sein, daß die UCK die Destabilisierung Albaniens zum Ziel hat, sondern auf gewisse mögliche Entwicklungen hingewiesen werden, denen sich die UCK möglicherweise gar nicht entziehen könnte, würde sie nicht rechtzeitig durch Unterstreichung des provisorischen Charakters ihrer Präsenz in Nordalbanien entsprechende Vorkehrungen treffen.

Ein womöglich noch größeres Problem stellt die Frage nach der Zukunft der albanischen Minderheit in Mazedonien dar, für die eine Annäherung an ein von der serbischen Herrschaft befreites Kosovo das Vehikel eigener Autonomiebestrebungen sein könnte. Die dann zu erwartende Destabilisierung Mazedoniens würde so viele gefährliche Imponderabilien enthalten, daß gar nicht früh genug -vor allem seitens der UCK -die Voraussetzungen definiert werden können, unter denen die staatliche Integrität Mazedoniens garantiert werden könnte.

Unabhängig von den Einwänden, die der eine oder andere gegenüber der UCK hat, ist von einer Entwicklung auszugehen, die Chris Hedges wie folgt beschreibt: „Im Kosovo kann die Stationierung internationaler Truppen den Ausbruch umfassender Kämpfe verhindern und so die Atempause ermöglichen, die nötig ist, um eine gangbare Lösung auszuhandeln. Aber in Anbetracht der tiefen Kluft zwischen den Konfliktparteien ist letzteres kaum wahrscheinlich. Die internationale Gemeinschaft wäre dann mit der schwerwiegenden Wahl konfrontiert, entweder für lange Zeit im Kosovo zu bleiben oder nach der vorgeschlagenen Periode von drei Jahren abzuziehen, wobei es wahrscheinlich wäre, daß man auf beiden Seiten der Demarkationslinie wieder zu den Waffen greifen würde. Letztendlich wird es zu folgendem Ergebnis kommen: Unter Führung der UCK wird sich das Kosovo entweder mittels Verhandlungen oder durch Gewalt von Serbien trennen.“

III. Besonderheiten des bewaffneten Kampfes

Was die Entwicklung der kosovarischen politischen Organisationen bzw. Untergrundorganisa» tionen betrifft, gebührt Stephan Lipsius das Verdienst. einen auf seriöser Recherche basierenden Bericht verfaßt zu haben Was den organisierten bewaffneten Widerstand anbelangt, so entstanden die ersten Keimzellen der UCK etwa zu Beginn der neunziger Jahre, also quasi zeitgleich mit den Bemühungen der LDK (Demokratische Liga von Kosovo) unter ihrem Führer Ibrahim Rugova nach der Liquidierung des Autonomiestatus des Kosovo durch Belgrad, die Legitimität der serbischen Herrschaft durch Aufbau eines .. Parallelstaates“ in Frage zu stellen und gleichzeitig mit friedlichen Mitteln, einem Mix aus Wahlboykotts, Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und dem Bemühen um eine Internationalisierung des Konflikts, die Rechte der Kosovoalbaner zu verteidigen bzw. wiederherzustellen

Die ersten Operationen der UCK . bzw. von militärischen Zellen, aus denen sie sich entwickelt hat, gehen auf das Jahr 1993 zurück, waren aber in ihrem Umfang so bescheiden, daß sie keine Medienresonanz fanden. Trotzdem ist der verhältnismäßig frühe Zeitpunkt, zu dem der organisierte bewaffnete Widerstand einsetzte, in mehrfacher Hinsicht interessant: Er stellt nämlich die These in Frage, daß der bewaffnete Widerstand erst einsetzte, nachdem sich der mit dem Namen von Ibrahim Rugova verbundene gewaltlose Widerstand als unwirksam erwiesen hatte. Wenn es aber richtig ist, daß sich gewaltloser und bewaffneter Widerstand quasi zeitgleich entwickelten, dann muß man auch davon ausgehen, daß es ganz verschiedene Kreise waren, die die einander widersprechenden Konzepte von Widerstand zu realisieren versuchten. Somit liegt die Vermutung nahe, daß diese Kreise so gut wie keine Kommunikation miteinander unterhielten. Es wäre sonst auch nicht erklärbar, daß Rugova noch Jahre nach den ersten Operationen der UCK wiederholt Zweifel an der Existenz einer solchen Organisation äußerte bzw. sogar auf die Möglichkeit hinwies, die UCK könnte eine Schöpfung des serbischen Geheimdienstes zum Zweck der Provokation sein.

In der Tat handelte es sich bei den Trägem des gewaltlosen und denen des bewaffneten Widerstandes um gänzlich verschiedene Personenkreise: Erstere sind zum Teil hochgebildete Intellektuelle wie Rugova, ein Literaturhistoriker mit großer Ausländserfahrung, und der tatsächliche „Kopf" der LDK. Rugovas Stellvertreter, der Soziologe Fehmi Agani. Agani wurde nach Beginn der Nato-Operation auf der Flucht von serbischen Sicherheitskräften ermordet. Aganis Hauptanliegen war die Sicherung der kosovoalbanischen kulturellen Identität -ein Ziel, das er bereits in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre in seiner Funktion als Prodekan der Philosophischen Fakultät der Universität Pristina und zeitweiliger Direktor des dortigen Albanologischen Instituts mit Zähigkeit und größtem diplomatischen Geschick verfocht. Aganis politisches Ziel war die Erlangung des Republikstatus innerhalb der Jugoslawischen Föderation Als weiterer Spiritus rector jener Strömung, die letztlich in die Programmatik der LDK einmündete, darf der seit längerem verstorbene Historiker an der Universität Pristina, Ah Hadri, gelten. Agani und Hadri oblag im wesentlichen die diffizile Aufgabe der Realisierung diverser Kultur-protokolle, wie sie seit der zweiten Hälfte der sechziger Jahre wiederholt aufgelegt wurden. Diese Protokolle regelten die kulturellen und wissenschaftlichen Kontakte zwischen Pristina und Tirana. In diesem Umstand, abgesehen von serbischer Desinformation, könnten Gerüchte ihre Grundlage haben, die UCK sei eine Gründung des albanischen Geheimdienstes. Dabei würden allerdings Kulturprogramme, die auch vor dem Hintergrund der gemeinsamen albanisch-jugoslawischen Perzeption einer sowjetischen Bedrohung gesehen werden müssen (1968 Okkupation der Tschechoslowakei), mit Geheimdienstoperationen verwechselt werden und die sich viel später erst formierende UCK mit den geistigen Vätern des politischen Widerstandes in einen unzulässigen Zusammenhang gebracht werden.

Auch ein Verweis auf maoistische Organisationen von Kosovoalbanern, wie er meist von serbischer Seite ins Feld geführt wird, um die Urheberschaft des albanischen Geheimdienstes „Sigurimi" für die UCK zu suggerieren, zielt aus mehreren Gründen ins Leere: Als sich die Vorläuferstrukturen der UCK Anfang der neunziger Jahre im Zentralkosovo herauszubilden begannen, hatten sich besagte „maoistische“ Organisationen -die „Organisation der Marxisten-Lcninisten des Kosovo“ und die .. Kommunistische Marxistisch-Leninistische Partei der Albaner Jugoslawiens“ -schon längst aufgelöst. Zum anderen können „maoistische“ Organisationen in den achtziger Jahren nicht mehr im Auftrag des „Sigurimi“ tätig geworden sein, da der albanische Diktator Enver Hoxha, er starb 1985. bereits 1976 die seit zirka 1964 sehr engen Beziehungen zur Volksrepublik China aufgrund von Differenzen in der Europapolitik eingefroren hatte. Seit 1976 spielte „Maoismus“ deshalb keine Rolle mehr in Albanien, und dies war auch für den „Sigurimi“ absolut verbindlich. Spätestens seit dem Tod Enver Hoxhas stand das von ihm entwikkelte Regime in einem so schwierigen Überlebenskampf. daß es ganz andere Sorgen hatte als die Anzettelung militärischer Aktionen im Kosovo.

Der Kem der eigentlichen UCK. wie er sich Anfang der neunziger Jahre vor allem im Zentralkosovo herausbildete, hatte mit der Welt der Intellektuellen in Pristina so gut wie nichts gemeinsam. Um verstehen zu können, warum sich unter der einfachen Landbevölkerung überhaupt ein organisierter Widerstand herausbilden konnte, sollte man sich die ungebrochene Tradition des regionalen Autonomismus vor Augen führen, wie er vor allem für die gegischen Albaner typisch ist. Mit diesem zähen Autonomismus war schon die Zentralisierungspolitik der Osmanen in der TanzimatÄra (1839-1869) nicht fertig geworden Auch das Hoxha-Regime scheiterte bei seinem Versuch, die nördlichen Landesteile zu kollektivieren Ein weiterer wichtiger Faktor war das uralte Gewohnheitsrecht, das vor allem in den ländlichen Gebieten auch heute noch eine gewisse Bedeutung hat und in dem beispielsweise die Pflicht zur Blutrache unter bestimmten Voraussetzungen eine zentrale Stelle einnimmt. Vor diesem Hintergrund war es verständlich, daß es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis die serbische Unterdrückungspolitik eine so große „kritische Masse“ von Animosität bei den mehr traditionalistisch strukturierten Teilen der kosovarischen Gesellschaft angehäuft hatte, daß diese „kritische Masse“ schließlich in Form des bewaffneten Kampfes explodierte.

In ihren frühen Entwicklungsphasen, d. h. von zirka 1992 bis zur Veröffentlichung erster „Kommuniques“ im Frühjahr 1996, war die UCK eher eine Widerstandsorganisation als eine Befreiungsbewegung. Es standen also die Verteidigung gegen Übergriffe bzw. das militärische Abstecken von Gebieten, die für die serbischen Sicherheitskräfte „no go-areas“ wurden, im Zentrum der Aktivitäten. Diese strategische Begrenzung auf Verteidigung und Sicherung war im regionalen Autonomismus begründet, der vorerst keine weiteren Ambitionen als den Selbstschutz hatte, aber auch in der Begrenztheit der militärischen Mittel. Sowohl aufgrund der Ausbildung als auch von der Bewaffnung her war die frühe UCK für die hoch-gerüsteten serbischen Sicherheitskräfte überhaupt kein Gegner. Es fehlte an erfahrenen Ausbildern und Truppenführern und vor allem an wirkungsvollen Waffen wie hochwertigen Scharfschützengewehren und panzerbrechenden Mitteln. Diese Situation begann sich ab Frühjahr 1997 etwas zu bessern, nachdem im Gefolge der albanischen Unruhen im Frühjahr 1997 die dortigen Waffenlager der Armee geplündert und ein Großteil dieser Waffen über die albanische Nordgrenze in das Kosovo verschoben worden war. Trotzdem blieb die grundsätzliche Unterlegenheit der UCK bestehen, da auch die Qualität dieser Waffen oft in keiner Weise den militärtechnischen Erfordernissen entsprach. Auch der Mangel an erfahrenen Soldaten ging zurück, da nach dem Ende der Konflikte in Bosnien und Kroatien kosovoalbanische Offiziere, die, wie z. B.der Generalstabschef der UCK, Agim Ceku, auf Seiten der Kroaten oder Bosniaken gegen die Serben gekämpft hatten, nun bei der UCK einen neuen Aufgabenbereich sahen.

Der Verlauf der Kampfhandlungen seit 1997 war dadurch gekennzeichnet, daß die UCK immer wieder versuchte, „befreite Gebiete“ auszuweisen und abzusichern, die aber dann früher oder später von den überlegenen serbischen Kräften wieder besetzt werden konnten. Genaugenommen war die Kriegsführung der UCK eine Serie von Niederlagen, mit einer Einschränkung: Die UCK konnte zwar viele Male vertrieben, aber nie vernichtet werden. Eine alte militärische Erfahrung aber besagt, daß eine Guerrillatruppe, die nicht vernichtet werden kann, sich letztendlich auf der Siegerstraße befindet. Das war wohl auch die Meinung der Serben, die nach dem militärischen Beinahe-Desaster der UCK im Sommer 1998 erleben mußten, wie sich die Organisation schnell wieder erholte und auch, vor allem aufgrund der mittlerweile kräftig fließenden Spenden der kosovoalbanischen Diaspora, deutlich verbessern konnte. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die serbische Führung die Operation „Hufeisen“ zu planen begonnen haben, nicht nur als Lösung des Kosovo-Problems, sondern auch aus militärischen Gründen: Der UCK sollte die Bevölkerung als ihr Lebens-und Überlebenselement entzogen werden. Diese Rechnung wurde durch das Eingreifen der Nato zunichte gemacht, und die UCK ist heute, nach dem serbischen Abzug, wohl der wichtigste Faktor in der kosovoalbanischen Politik. Das wird sie aber auf die Dauer nur bleiben können, wenn sie ihre Transformation von einer Guerrillatruppe zu einer vorwiegend politischen Organisation erfolgreich zu bewerkstelligen in der Lage sein wird. „Erfolgreich“ heißt: Zusammenarbeit mit allen relevanten politischen Gruppierungen, vor allem auch mit der LDK Rugovas, deren vorwiegend von ihr getragene, von Bujar Bukoshi geführte Regierung auf einer nicht zu unterschätzenden Legitimationsbasis steht. Am 20. Juni 1999 hat der Ministerpräsident der „anderen“ kosovarischen, „provisorischen“ Regierung und politischer Sprecher der UCK, Hashim Thaqi, das Abkommen mit der KFOR unterschrieben, das in genau festgelegten zeitlichen Schritten die Entmilitarisierung der UCK innerhalb von insgesamt 90 Tagen regelt und Perspektiven ihrer Transformation definiert. Unter Punkt 25 des Abkommens, das für die KFOR von ihrem Ober-kommandierenden General Mike Jackson unterschrieben wurde, wird die Zukunftsperspektive für die UCK wie folgt definiert: „Die UCK beabsichtigt den Bestimmungen der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates zu folgen, und in diesem Zusammenhang soll die Internationale Gemeinschaft den Beitrag der UCK während der Kosovo-Krise angemessen und voll berücksichtigen und entsprechend angemessen erwägen, daß a) vor dem Hintergrund der Transformation der UCK und ihrer Strukturen die UCK individuelle Mitglieder zur Teilnahme in Verwaltung und bei den Polizeikräften vorzuschlagen verpflichtet ist, wobei in Anbetracht der Expertise, die sie entwikkelt haben, sie sich besonderer Erwägung erfreuen sollen, b) eine Armee im Kosovo nach dem Muster der US-Nationalgarde in angemessenem Zeitraum gebildet werden soll, als Teil eines politischen Prozesses, der die Zukunft des Kosovo determinieren soll, wobei das Abkommen von Rambouillet Berücksichtigung finden soll.“

IV. Die UCK -ein seriöser Partner?

Mit der Unterzeichnung des Abkommens vom 20. Juni 1999 hat sich die UCK nicht nur zu Entmilitarisierung und Transformation verpflichtet, sondern auch gleichzeitig implizit den „Ritterschlag“ als wichtiger Träger zukünftiger Sicherheits-und anderer Strukturen im zukünftigen Kosovo erhalten. Seit einiger Zeit häufen sich jedoch die Bedenken gegenüber einer Partnerschaft mit der UCK, da diese in einem Ausmaß in den internationalen Drogenhandel verwickelt sei, das sie als Partner disqualifizieren muß.

Was ist wahr an solchen Beschuldigungen, die, wenn sie zuträfen, selbstverständlich zur Liquidierung der UCK als Faktor beim Aufbau neuer Strukturen im Kosovo führen müßten? Eine etwas genauere Prüfung der Grundlagen solcher Anschuldigungen zeigt, daß bisher keinerlei Beweise dafür vorliegen, daß die UCK selbst aktiv im Drogengeschäft tätig war oder ist. Was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dagegen angenommen werden kann, ist, daß ein Teil der an die UCK geflossenen Gelder aus kriminellen Aktivitäten stammt und die UCK nicht jeden Eingang auf ihre Konten dahingehend überprüfen konnte, ob es sich um illegal oder legal erworbene Gelder handelte. Das wäre technisch einfach unmöglich gewesen.

Einige Beispiele für Informationen, aus denen man kriminelle Tätigkeiten der UCK ableitete, waren: In der Belgrader (!) Zeitung „Politika“ vom 2. Oktober 1998 berichtete ein „jugoslawischer Drogenexperte“, daß die UCK in Albanien am Tauschhandel Drogen gegen Waffen „direkt“ teilhabe. Und merkwürdigerweise reiht der „Experte“ im selben Atemzug die UCK in eine so heterogene Gesellschaft wie die „Grauen Wölfe“ (Türkei), die „Pasdaran“ (Iran) und die „Taliban“ (Afghanistan) ein. Unter Berücksichtigung des jeweils völlig verschiedenen Charakters der genannten Organisationen fällt es schwer, dieser Analyse Glauben zu schenken. Geschickter ist aber der Versuch des „Experten“, die (nicht zu bezweifelnde!) große Bedeutung der albanischen Mafia im Heroinhandel -unbelegt -als Aktivität der UCK zu suggerieren, nach der Logik: Viele Albaner handeln mit Drogen, die UCK besteht aus Albanern, also handelt die UCK mit Drogen.

Am 24. März 1999 meldete die französische Nachrichtenagentur AFP, daß die Londoner „Times“ darüber berichtete, daß die UCK ihren Kampf „... zum Teil mit Drogengeldern .. finanziere. Kosovoalbaner seien am Drogenhandel beteiligt und lieferten die Profite nach Hause. Außerdem bereite Europol einen Bericht vor, aus dem nach Ermittlungen des BKA hervorgehe, daß „...der Heroinhandel in Westeuropa inzwischen größtenteils in die Hände von Kosovo-Albanern übergegangen sei“. Ein Nachweis -wie Namen, Ort und Zeit -der von der UCK durchgeführten Transaktionen unterbleibt auch hier.

Auch die russische Agentur „Novosti“ berichtete am 24. März 1999 vom „Verdacht“, daß „. .. the world drug mafia is financing the Kosovo Liberation Army .. Und schwedische „intelligence informations“ stützen die Annahme einer „Verbindung zwischen UCK und Drogengeld“. Außerdem behaupteten laut „Novosti“ (ungenannte) deutsche Polizeiexperten, daß die UCK seit Beginn ihres Kampfes 900 Millionen D-Mark erhalten habe, wovon die Hälfte aus Drogengeldern stamme. Beweise für diese Behauptungen konnten aber bisher nicht erbracht werden.

V. Zur Zielsetzung der UCK

Die UCK war bis zur Unterzeichnung des Abkommens vom 20. Juni 1999 ausschließlich eine militärische Organisation mit dem vorrangigen Ziel der Befreiung des Kosovo von der Unterdrückung durch die serbischen Sicherheitskräfte. Zwar verfügte der Generalstab der UCK über eine Art „politisches Direktorat“, an dessen Spitze Hashim Thaqi stand, aber dieses politische Element hatte erst verhältnismäßig spät an Bedeutung gewonnen, und das auch nur als Koordinationsstelle für die sich seit Sommer 1998 verdichtenden diplomatischen Kontakte. Die Entwicklung eines politischen Programmes wurde von der UCK vor dem Hintergrund der erbitterten militärischen Auseinandersetzung nicht als prioritär empfunden. Anders stellt sich die Frage bei den politischen Parteien, die sich im Laufe der Zeit der UCK angenähert haben und mit ihr, wie etwa im Fall der LPK (Volksbewegung von Kosovo), eine partielle Symbiose eingegangen sind. Welche programmatischen Impulse sind von daher möglicherweise an die UCK herangetragen worden?

In diesem Zusammenhang sei grundsätzlich darauf hingewiesen, daß politische Parteien auf dem Balkan traditionsgemäß in geringerem Umfang Programmparteien sind, als das in Westeuropa der Fall ist. Von daher ist es in einigen Fällen schwierig, Programmpunkte zu identifizieren, die mit Sicherheit als langfristige Zielsetzung in Frage kommen könnten. Für den dargelegten Zusammenhang sind zwei Zielsetzungen wichtig, die auf ihre Relevanz für die UCK hin überprüft werden sollten: Schaffung einer selbständigen „Republik Kosovo“ und Verwirklichung von „Großalbanien".

Was die erstere Zielsetzung angeht, so besteht quer durch alle wichtigen Parteien die einmütige Auffassung, daß am Ziel der staatlichen Souveränität für das Kosovo festgehalten werden muß. Dabei fühlt man sich an das Referendum vom September 1991 gebunden, in dem nach Angaben der Organisatoren 87 Prozent der Wahlberechtigten teilnahmen, von denen wiederum 99 Prozent für eine unabhängige Republik stimmten Diesem Ziel fühlt sich auch die UCK verpflichtet.

Was die Schaffung eines „Großalbanien“ betrifft, d. h. die Vereinigung der wesentlichen albanischen Siedlungsgebiete in einem Staat, so wurde diese Zielsetzung gelegentlich von Teilen der LPK, LPCK (Volksbewegung für die Befreiung Kosovos) und LBDK (Bewegung für die demokratische Vereinigung Kosovos) -nicht aber so sehr von der LDK -vertreten. Entsprechend wurden auch innerhalb der UCK von einigen Repräsentanten, allerdings in wesentlich geringerem Maß als in den Parteien, entsprechende Planspiele konstruiert.

Im Augenblick steht „Großalbanien“ für die UCK nicht auf der politischen Agenda. Primär wird man mit dem Aufbau des Kosovo auf lange Zeit beschäftigt sein, und die politischen Eliten in Tirana und Pristina sehen keinerlei Vorteile in einer Vereinigung. Die Regierung in Tirana ist bei aller Sympathie für das Kosovo nicht daran interessiert, den gegischen Bevölkerungsanteil im Vergleich zu dem toskischen im Süden des Landes übermächtig werden zu lassen, was infolge einer Vereinigung der Fall wäre. In Pristina geht man davon aus, daß man bald den wirtschaftlichen Vorkriegsstandard wieder erreichen und sogar überschreiten wird, während man in Albanien, wie das früher auch schon war, eher den „armen Verwandten“ sieht, zu dem man sich zwar bekennt, mit dem man aber auf Dauer nicht unter einem Dach leben will.

Unklar ist allenfalls der zukünftige Status der Albaner in Mazedonien. An dessen territorialer Integrität darf auf keinen Fall gerüttelt werden, will man nicht einen weiteren Konflikt auf dem Balkan riskieren. Auf dieses Thema angesprochen, weisen UCK-Vertreter darauf hin, daß die UCK eine rein kosovarische Organisation und nicht die politische Vertretung der Albaner in Mazedonien sei. In Anbetracht des Status der Albaner in Mazedonien, der wesentlich besser ist, als es der der Kosovo-Albaner war, ist allerdings auch nicht damit zu rechnen, daß sich in Mazedonien in überschaubaren Zeiträumen eine ähnlich explosive Situation ergeben wird, wie das im Kosovo der Fall war.

Das Thema „Aufbau und Entwicklung“ steht heute im Mittelpunkt. Das gilt auch für die UCK, die im Zuge ihrer eingeleiteten Transformation einen mehr politisch-zivilen Charakter anzunehmen beginnt: Der ehemalige Kämpfer, der damit beginnt, erste Verwaltungsstrukturen aufzubauen oder die Müllabfuhr zu organisieren, ist heute schon keine Seltenheit mehr. Optimistisch stimmt auch die Tatsache, daß die UCK mit den übrigen politischen Parteien immer intensiver kommuniziert und darüber hinaus auch versucht, politisch ungebundene Fachleute in den Aufbauprozeß einzubinden. Dem langjährigen Beobachter der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse im Kosovo erscheint es als sehr plausibel, daß die UCK in Kooperation mit Persönlichkeiten wie Rugova, Bukoshi, Qosja u. a. einen konstruktiven Beitrag zum Wiederaufbau des Landes leisten wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Chris Hedges, Kosovo's Next Masters?, in: Foreign Affairs, (Mai/Juni 1999), S 24.

  2. Janez Drnovsek, Meine Wahrheit. Zürich 1998, S. 227f.

  3. C. Hedges (Anm. 1), S. 26. KLA = Kosovo Liberation Army.

  4. Stephan Lipsius, Untergrundorganisationen im Kosovo -Ein Überblick, in: SÜDOSTEUROPA, 47 (1998) 1-2, S. 79.

  5. C. Hedges (Anm. 1), S. 28.

  6. Persönliche Gespräche des Autors mit UCK-Vertretern.

  7. C. Hedges (Anm. 1), S. 42.

  8. Vgl. St. Lipsius (Anm. 4).

  9. Vgl. Noel Malcolm. Kosovo -A Short History, London 1998, S. 348 ff.

  10. Grundlage für diese Aussage sind zahlreiche Gespräche Aganis mit dem Autor im Zeitraum 1969-1974.

  11. Vgl. Historia e Shqiperise, Bd. II. Tirana 1965, S. 39-92.

  12. Vgl. Klaus Lange. Die Agrarfrage in der Politik der Partei der Arbeit Albaniens. München 1981.

  13. Vgl. N. Malcolm (Anm. 9), S. 347.

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Klaus Lange, Dr. phil., geb. 1946; Dozent an der Hochschule für Politik, München; Referent für Außen-und Sicherheitspolitik der Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung; Gastprofessuren in Rußland, Südafrika und Pakistan. Veröffentlichungen u. a.: Grundzüge der albanischen Politik, München 1973; Die Agrarfrage in der Politik der Partei der Arbeit Albaniens, München 1981; Albanian Security Policies, in: RUSI Defence Studies Series, London 1989; Der Kosovo-Konflikt. Aspekte und Hintergründe, München 1999 (Aktuelle Analysen, 14, Akademie für Politik und Zeitgeschehen der Hanns-Seidel-Stiftung, München).