I. Einleitung
Simbabwe ist in den letzten Jahren immer wieder in die internationale Kritik geraten. Wichtigster Anlaß dafür war zuletzt die militärische Intervention Simbabwes -zusammen mit Angola und Namibia -im Kongo, um dem dortigen Staatspräsidenten Kabila im Kampf gegen seine Widersacher, die wiederum von Ruanda und Uganda unterstützt wurden, zur Seite zu stehen. Die Kämpfe im Kongo, die seit August 1998 andauern und als Afrikas erster Weltkrieg bezeichnet worden sind, haben auch die „Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika“ (SADC), zu der seit 1997 auch der Kongo gehört, in eine politische Krise gestürzt, in der sich der SADC-Vorsitzende Nelson Mandela und Simbabwes Staatspräsident Robert Mugabe, der zugleich Vorsitzender des Sicherheitsorgans der SADC ist, gegenüberstehen.
Es gab jedoch auch innenpolitische Ereignisse, die Simbabwe negative Schlagzeilen einbrachten, angefangen von den Diskussionen um das Landerwerbsgesetz, das 1992 verabschiedet wurde und weißen Großfarmern zugunsten einer Umverteilung des Bodens die Enteignung androhte, über den Korruptionsskandal in bezug auf den Entschädigungsfonds für Kriegsveteranen bis hin zu dem opulenten Lebensstil der neuen Ehegattin des Staatspräsidenten. Zudem führte der wirtschaftliche Niedergang im Verlaufe der neunziger Jahre zu einer drastischen Verschlechterung der Lebensverhältnisse breiter Teile der Bevölkerung und wachsender Unzufriedenheit mit der Regierung, die sich 1997/98 in landesweiten Streiks und Massenprotesten entlud. Gegen die städtischen Proteste sowie Kritik an ihrem Kriegsengagement im Kongo setzte die Regierung repressive Maßnahmen ein, die sich auch gegen die Pressefreiheit richteten
Nach 19 Jahren ununterbrochener politischer Herrschaft hat Mugabe die Popularität, mit der er 1980 als erster Staatspräsident des unabhängigen Simbabwe bejubelt worden war, weitgehend eingebüßt. Seine Herrschaft hat zunehmend automatische Züge angenommen und beruht auf der Patronage, von der die Spitzen der politischen Elite und des Militärs profitieren. Auch wenn die herrschende Partei ZANU/PF, die das Land seit der Unabhängigkeit wie einen Einparteistaat regiert, nach außen weiterhin geschlossen wirkt, rumort es unter der Oberfläche. Die Frage, die die Menschen auf der Straße wie die Mitglieder der politischen Elite, die um ihre Pfründe bangen, gleichermaßen interessiert, ist die Nachfolge Mugabes. Wagte es in der Vergangenheit jedoch jemand aus der herrschenden Partei, ihm öffentlich den Rücktritt nahezulegen, kam das einer Majestätsbeleidigung gleich, die mit einer schweren Maßregelung geahndet wurde Der Versuch, die Entwicklung Simbabwes seit der Unabhängigkeit, nicht zuletzt den relativen Erfolg der achtziger und den Niedergang der neunziger Jahre, zu verstehen, muß die unterschiedlichen Facetten seiner komplexen Realität als langjährige Siedlerkolonie, die erst durch einen Guerillakrieg von der weißen Herrschaft befreit werden konnte, berücksichtigen Insbesondere müssen dabei auch die Wechselwirkungen einbezogen werden, die zwischen der eigenen Entwicklung und dem regionalen Umfeld im Südlichen Afrika in seinen verschiedenen historischen Phasen stattgefunden haben und weiterhin stattfinden.
II. Befreiungsbewegungen an der Macht
Die Partei, die in Simbabwe seit der Unabhängigkeit ununterbrochen an der Macht ist, die „Zimbabwe African National Union -Patriotic Front (ZANU/PF), ist zugleich die Bewegung, die an der Spitze des Guerillakriegs gegen die weiße Min-derheitsherrschaft gestanden hat. Dieses Merkmal, von einer Befreiungsbewegung an der Macht beherrscht zu werden, teilt Simbabwe mit vier weiteren Ländern im Südlichen Afrika, nämlich Angola, Mosambik, Namibia und Südafrika, in denen ebenfalls bewaffnete Kämpfe ausgetragen wurden und deren Entwicklung deutliche Parallelen aufweist.
Die Gemeinsamkeiten wurzeln in den Erfahrungen des Befreiungskriegs. Ihre Legitimität leiteten die Befreiungsbewegungen aus dem Kampf, den sie geführt haben, ab. Die Berechtigung des Widerstands gegen koloniale oder weiße Minderheitsherrschaft wurde in der Zeit weltweiter Entkolonialisierung auch international anerkannt, und die Befreiungsbewegungen wurden als rechtmäßige Vertreter der unterdrückten Bevölkerung ihrer Länder angesehen.
Zwar findet der Machtübergang in der Regel -so auch in Simbabwe -auf der Basis eines ausgehandelten Kompromisses statt, doch der Mythos der bewaffneten Befreiung wird gepflegt als Grundlage der eigenen Herrschaftslegitimation. So präsentiert sich die ZANU/PF als „the party of Zimbabwe’s liberation“ Haben zwei oder mehr Befreiungsbewegungen einen Anteil am Unabhängigkeitskampf gehabt, wie dies in Angola und Simbabwe der Fall war, sind Konflikte vorprogrammiert, denn jede von ihnen macht ihren eigenen Führungsanspruch geltend
Wurde im Befreiungskampf das Bündnis revolutionärer Intellektueller mit der breiten Bevölkerung, insbesondere den bäuerlichen Massen, propagiert, so sollen nach der Machtübernahme radikale sozio-ökonomische Reformen und partizipatorische Strukturen dieses Bündnis vertiefen und die Erwartungen der Menschen auf ein besseres Leben erfüllen. Doch kaum jemals entspricht die Realität diesem Anspruch. Dafür können verschiedene Gründe angeführt werden. Zunächst einmal ist ein Guerillakrieg eine denkbar schlechte Vorbereitung für eine zivile Herrschaftsausübung.
Auch wenn, wie in Simbabwe, Namibia und Südafrika Wahlen zur Regelung des Machtübergangs durchgeführt wurden und die Befreiungsbewegungen damit demokratisch legitimiert waren, blieb der Befreiungskampf der Bezugspunkt, den sie wachhielten, um Herausforderer fernzuhalten. Ebenso wird der autokratische Herrschaftsstil der Partei sowie ihr Führungsanspruch aus dem Befreiungskampf abgeleitet. Erst im letzten Jahr stellte Mugabe im Rahmen einer heftigen Polemik gegen Kritik an seiner Führung aus der eigenen Partei die rhetorische Frage: „Where, may I ask, have the principles that bound and guided us during the liberation struggle gone? Where is our discipline, loyalty to the party and high sense of dedication gone?“
Ein konstitutioneller Mehrparteienstaat kann unter solchen Bedingungen der Hegemonie einer Befreiungsbewegung an der Macht zu einem faktischen Einparteistaat werden. Die Ende 1998 verabschiedete Verfassungsänderung in Namibia, um Staatspräsident Nujoma eine dritte Amtszeit zu ermöglichen, war ein typisches Beispiel der automatischen Herrschaftsausübung einer Befreiungsbewegung an der Macht. Wäre es dem ANC in Südafrika gelungen, bei den Wahlen am 2. Juni eine Zweidrittelmehrheit zu gewinnen, dann wäre auch seine Machtfülle gestiegen. Schon nach der Wahl von 1994 haben einzelne Beobachter in Südafrika davor gewarnt, daß eine Partei, die ihre Rolle als Befreiungsbewegung nutzt, um ihre Hegemonie abzusichern, das politische System in ein faktisches Einparteisystem umfunktionieren kann -ähnlich wie in Simbabwe
Ein weiterer Grund, weshalb die Erwartungen der Menschen häufig unerfüllt bleiben, ist durch die objektiven Bedingungen gegeben, die eine Befreiungsbewegung nach ihrer Machtübernahme vorfindet und/oder die im Unabhängigkeitsabkommen vereinbart worden sind. Dazu kommt aber auch, daß die Führer der Befreiungsbewegung, sobald sie ihre neuen Machtpositionen eingenommen haben, nicht selten das Interesse in den Vordergrund stellen, erst einmal selbst die Früchte ihres Kampfes zu ernten. Diesen Punkt hat der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Erzbischof Tutu in bezug auf sein Land treffend auf den Begriff gebracht, als er bemerkte, daß „the new government had stopped the gravy train only long enough to clamber on board“
III. Siedlerherrschaft und Unabhängigkeitskampf
Die politische und ökonomische Entwicklung Simbabwes in diesem Jahrhundert ist in starkem Maße durch die Präsenz weißer Siedler auf seinem Boden geprägt worden. Weltweite Schlagzeilen machte das damalige Süd-Rhodesien, als es 1965 die „einseitige Unabhängigkeitserklärung“ (UDI) ausrief. Damit isolierte sich das Siedlerregime weltweit und zwang die Kolonialmacht Großbritannien, die UNO einzuschalten, um internationale Sanktionen gegen das Smith-Regime zu erlassen. Mit Hilfe der benachbarten weißen Verbündeten, dem Apartheidregime in Südafrika und der portugiesischen Kolonie Mosambik, konnte das Smith-Regime die Sanktionen jedoch lange Zeit unterlaufen.
Um seine Herrschaft abzusichern, schrieb das Smith-Regime die ungleiche Landverteilung, die sich bereits in den Jahrzehnten zuvor herausgebildet hatte, im Landbesitzgesetz von 1969 fest. Danach stand 6 680 weißen Farmern in etwa die gleiche Bodenfläche zu wie 675 000 afrikanischen Bauern, wobei der weiße Sektor über einen weitaus höheren Anteil fruchtbarer Böden verfügte als die „Tribal Trust Lands“ (heute: „Communal Lands“), auf denen über vier Millionen Menschen lebten In der übrigen Wirtschaft verfolgte das Smith-Regime einen streng dirigistischen Kurs und schaffte es mit Hilfe von Investitionen aus dem weißen Südafrika, vor allem im Konsumgüterbereich eine relativ hohe Stufe der Autarkie zu erreichen. Die Wende zugunsten der Befreiung Simbabwes kam 1974/75 mit der Nelkenrevolution in Portugal und dem Ende des portugiesischen Kolonialimperiums in Afrika. Anfang 1976 reihte sich das unabhängig gewordene Mosambik in die Sanktionsfront gegen das Smith-Regime ein. Was aber noch schwerer wog, war, daß der Westen nun verstärkt eine Lösung des Simbabwe-Konflikts suchte und auch das weiße Südafrika, besorgt um seine eigene Herrschaft, das Smith-Regime unter Druck setzte, sich verhandlungsbereit zu zeigen
Das Bemühen des Westens sowie Südafrikas, durch ihre „Detente“ -Initiative eine Verhandlungslösung zu ermöglichen, erfolgte auch vor dem Hintergrund eines Aufschwungs des Befrei ungskampfes in Simbabwe. Waren die beiden Befreiungsbewegungen ZANU und „Zimbabwe African Peoples Union“ (ZAPU) seit Beginn der UDI-Zeit stark mit internen Auseinandersetzungen befaßt und im Befreiungskampf wenig erfolgreich gewesen konnte vor allem die ZANU vor dem Hintergrund des Umschwungs in Mosambik Anfang der siebziger Jahre den Guerillakrieg beträchtlich intensivieren.
1979 konnte schließlich auf einer weiteren internationalen Friedenskonferenz, der Lancaster House-Konferenz in London, eine Einigung über ein Abkommen erzielt werden, das Simbabwe 1980 die Unabhängigkeit brachte. Der Preis, den die Befreiungsbewegungen für den Kompromiß bezahlen mußten, waren substantielle Zugeständnisse an die weiße Minderheit, einschließlich einer auf zehn Jahre festgeschriebenen Garantie von Privatbesitz, die vor allem weiße Farmer in dieser Zeit vor Enteignungen schützte *B*ei den Unabhängigkeitswahlen errang die ZANU/PF einen hohen Sieg, so daß ihr Vorsitzender, Robert Mugabe, zum ersten Premierminister des unabhängigen Simbabwe gewählt wurde.
IV. Simbabwe als Frontstaat im Südlichen Afrika
Simbabwe befand sich nach Erlangung der Unabhängigkeit in einer schwierigen, aber in mehrfacher Hinsicht zentralen Stellung im Südlichen Afrika. Als jüngster Staat in der Region, der sich von weißer Minderheitsherrschaft befreit hatte, wurde Simbabwe zu einem wichtigen Mitglied der Gruppe der afrikanischen Frontstaaten. Diese informelle Gruppe afrikanischer Staatspräsidenten hatte sich Mitte der siebziger Jahre zusammengefunden, um die Befreiungskämpfe im Südlichen Afrika zu unterstützen. Zunächst gehörten Sambia, Tansania, Botswana und Mosambik dazu, seit 1976 auch Angola. Die Frontstaaten bemühten sich anfangs vor allem um den Friedensprozeß in Simbabwe, wobei sie die zerstrittenen afrikanischen Organisationen zur Zusammenarbeit und im Verhandlungsprozeß zur Kompromißbereitschaft drängten. Bei den Lancaster House-Verhandlungen hatten Sambia und Mosambik, die beide als Rückzugsbasis für den Guerillakrieg in Simbabwe dienten und häufige militärische Angriffe des Smith-Regimes hatten hinnehmen müssen, ein besonders starkes Interesse, daß es zu einer Verhandlungslösung kam
Simbabwes Stellung gegenüber Südafrika war prekär. Als Binnenland war es auf die Transportwege zu den Häfen in Mosambik, aber auch in Südafrika angewiesen. Zudem bestanden enge Wirtschaftsbeziehungen zu Südafrika. Die weiße Regierung in Pretoria hatte große Hoffnungen (und Geldmittel) auf. einen Wahlsieg des gemäßigten Bischofs Muzorewa gesetzt. Mugabe sah sie als einen radikalen Sozialisten an, der für sie eine Bedrohung darstellte. Sich der Gefahr bewußt, die sich für sein Land im Falle einer feindseligen Haltung Südafrikas ergeben konnte, schlug Mugabe eine Politik ein, politische Solidarität mit den Befreiungskämpfen in Südafrika und Namibia zu üben, das Territorium Simbabwes jedoch nicht als Aufmarschgebiet für Befreiungsbewegungen zur Verfügung zu stellen. Beziehungen zum Apartheidregime wurden auf staatlicher Ebene gemieden, zu Dienststellen auf der Arbeitsebene jedoch gepflegt. Einer radikalen Rhetorik stand so ein geschäftsmäßiger Pragmatismus zur Seite
Auch innerhalb Simbabwes trug die neue Regierung der Realität Rechnung, daß die Weißen in der gesamten Wirtschaft dominant waren. Um einen Exodus weißer Siedler zu vermeiden, wie er sich fünf Jahre zuvor mit großen Schäden für die nationale Ökonomie in Angola und Mosambik ereignet hatte, war eine der ersten Amtshandlungen Mugabes, eine „Politik der Versöhnung“ als Grundlage des friedlichen Zusammenlebens zwischen allen Bevölkerungsgruppen in Simbabwe zu verkünden. Zwar verließen manche Weiße dennoch das Land. Insgesamt erlitt die Entwicklung Simbabwes mit der Unabhängigkeit jedoch keinen Einbruch, sondern erlebte vielmehr mit dem Ende der UNO-Sanktionen einen Aufschwung.
In die fast zeitgleich mit seiner Unabhängigkeit zur Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Südafrika gegründete „Southern African Development Coordination Conference“ (SADCC) trat Simbabwe somit als ein Land mit einer differenzierten Infrastruktur und einem guten wirtschaftlichen Potential ein. Der SADCC gehörten alle mehrheitsregierten unabhängigen Staaten im Südlichen Afrika an, die sechs „Front-Staaten“ sowie Lesotho, Malawi und Swasiland. Dadurch, daß Simbabwe eine breitere Palette von Produkten herstellte, orientierten sich die Handelsströme innerhalb der SADCC verstärkt auf seine Ökonomie. Aus der Stellung der relativen Stärke erwuchs eine Haltung, seine nationalen wirtschaftlichen Interessen auf Kosten der SADCC-Partner durchzusetzen. Als ein Beispiel hierfür wird die 1981 auf Grundlage von Plänen des Smith-Regimes getroffene Entscheidung genannt, das Kohlekraftwerk in Hwange auszubauen, anstatt vorhandene Kapazitäten in Mosambik und Sambia für den eigenen Stromverbrauch zu erschließen Simbabwes Verhältnis zu seinen SADCC-Partnern wurde so von manchen Beobachtern als eine Frage der Dominanz gesehen
V. Innenpolitische Machtkämpfe zwischen ZANU und ZAPU
Bald nach der Unabhängigkeit kam es zu schweren innenpolitischen Auseinandersetzungen in Simbabwe. Zwar hatte die bei den Wahlen siegreiche ZANU/PF die PF/ZAPU mit in die Regierung genommen, aber Teile der ZAPU konnten sich mit der untergeordneten Stellung in der Koalition nicht abfinden. Zwischen den beiden Organisationen hatte es seit der Abspaltung der ZANU von der ZAPU im Jahr 1963 Differenzen gegeben. Im Befreiungskrieg festigte sich die Kluft zwischen den beiden Befreiungsbewegungen, so daß die ZANU im östlichen Teil des Landes, wo die Shona-Bevölkerung lebt, den bewaffneten Kampf führte, während die ZAPU sich auf den von der Ndebele-Bevölkerung bewohnten südwestlichen Teil konzentrierte. Zwar gelang es den Frontstaaten, ZANU und ZAPU dazu zu bewegen, für die Friedensverhandlungen die „Patriotische Front“ zu bilden, doch im Land blieben sie getrennt. Die Unabhängigkeitswahlen verdeutlichten dies und ließen auch den Persönlichkeitskonflikt zwischen den beiden Parteiführern, Mugabe und Nkomo, klar hervortreten. Da die Ndebele in Simbabwe nur etwa ein Fünftel der Bevölkerung ausmachen, wollte Nkomo einen gemeinsamen Wahlkampf unter dem Dach der PF führen und als „Vater der Nation“ an die Spitze des Staates treten. Dies lehnte ZANU/PF ab, und Mugabe gewann die Wahl durch die Unterstützung der Shona-Bevölkerung überlegen. Das Ergebnis zeigte eine deutliche regionale Zweiteilung des Landes
Als es nach der Unabhängigkeit zu einzelnen Protesten ehemaliger ZAPU-Kämpfer kam und dann Waffenlager auf ZAPU-Farmen gefunden wurden, kam es zu der wohl schwärzesten Phase in der jüngeren Entwicklung Simbabwes. Mit großer Härte und Brutalität ging die Regierung in einer mehrjährigen Kampagne gegen die Dissidenten vor. Weil sie -nicht ohne Grund -befürchtete, daß das weiße Südafrika innenpolitische Machtkämpfe zur Destabilisierung Simbabwes nutzen würde, schickte sie eine eigens dafür ausgebildete Eliteeinheit, die in Anlehnung an den Befreiungskrieg „Gukurahundi“ -Brigade hieß, in die Ndebele-Provinzen mit dem Auftrag, die ZAPU-Dissidenten auszumerzen. Mit flächendeckender, willkürlicher Gewalt, der Tausende von Menschen zum Opfer fielen, erfüllte sie ihren Auftrag. Gleichzeitig verhängte die Regierung eine Nachrichtensperre über die Vorkommnisse, so daß erst zehn Jahre später ein umfassender Bericht zweier Nichtregierungsorganisationen über die begangenen Menschenrechtsverletzungen vorlag Bis heute warten die Opfer des Regierungsterrors vergeblich auf ein Wort des Bedauerns von Staatspräsident Mugabe
Während der Militärkampagne in den Ndebele-Provinzen wurden auch mehrere ZAPU-Führer zeitweilig inhaftiert. Diese Situation der Schwächung ihres wichtigsten innenpolitischen Gegners nutzte die ZANU/PF, um der PF/ZAPU 1985 die Vereinigung beider Parteien anzutragen. Vor dem Hintergrund eines drohenden Parteiverbots versuchte Nkomo, einen erträglichen Kompromiß auszuhandeln, mußte aber am Ende kapitulieren. Ende 1987 unterschrieb er den sogenannten „Unity Accord“, der die Vereinigung beider Parteien unter dem Namen ZANU/PF und dem Vorsitz Mugabes besiegelte. Er selbst mußte mit einem der beiden Stellvertreterposten vorliebnehmen
Der wichtigste Erfolg der Vereinigung war, daß sie der Beendigung der Dissidentenkämpfe den Boden bereitete. Ansonsten hatte sich die ZANU/PF eine weitgehend unangefochtene Machtposition im Staat gesichert. Die in die herrschende Elite kooptierten Mitglieder der PF/ZAPU-Führung erhielten Zugriff auf staatliche Pfründe. In den Ndebele-Provinzen blieb jedoch vor dem Hintergrund der traumatischen Gukurahundi-Erfahrungen eine tiefe Unzufriedenheit zurück, die bis heute andauert. Es konnte daher nicht überraschen, daß mit generell verstärkten oppositionellen Aktivitäten Ende der neunziger Jahre auch Versuche zur Wiederbelebung der ZAPU erfolgten
VI. Mugabes autokratische Herrschaft
Für die herrschende ZANU/PF war die Vereinigung mit der PF/ZAPU ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zum Einparteisystem. Der „Unity Accord“ legte ausdrücklich fest, daß „ZANU/PF die Errichtung eines Einparteistaates in Simbabwe anstreben werde“ Nach der Unterzeichnung des Abkommens bekräftigte Mugabe seine Überzeugung, daß die nationale Einheit in Simbabwe am wirkungsvollsten unter der Führung einer „single, monolithic and gigantic political party“ gewährleistet werden könne, schränkte allerdings ein, daß dies das Ergebnis einer demokratischen Entscheidung der Bevölkerung sein müsse Wie diese jedoch zustande kommen sollte, blieb unklar, denn, so machte er an gleicher Stelle klar, „national unity under ZANU (PF) discourages the formation of Opposition parties by exposing their bankruptcy in political programme and ideological direction“ In dieser Vorverurteilung jeder Opposition zur ZANU/PF kommt der autokratische Führungsanspruch, der Mugabes Herrschaft kennzeichnet, deutlich zum Ausdruck.
Nachdem bereits 1987 die 20 Sondersitze, die das Unabhängigkeitsabkommen den Weißen eingeräumt hatte, abgeschafft worden waren, konnte die vereinigte ZANU/PF bei den Parlamentswahlen 117 von 120 Wahlkreisen gewinnen. Auch Mugabe gewann die Präsidentschaftswahl mit 78 Prozent der abgegebenen Stimmen überlegen Zwar bewertete Mugabe dieses Ergebnis als ein überzeugendes demokratisches Mandat für die Errichtung eines Einparteistaats dennoch verzichtete er dann doch auf eine entsprechende Verfassungsänderung. Zum einen war in der Zivilgesellschaft und sogar in der ZANU/PF selbst Widerstand dagegen laut geworden. Stärker wog indessen die Tatsache, daß weltweit nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eine breite Demokratisierungswelle eingesetzt hatte, die auch den afrikanischen Kontinent erfaßte Wäre Simbabwe in diesem historischen Moment gegen den Strom geschwommen, hätte es sich zweifellos international isoliert.
Dennoch ließ sich Mugabe nicht darin beirren, unter Beibehaltung eines konstitutionellen Mehrparteiensystems die faktische Einparteiherrschaft der ZANU/PF nach der Vereinigung mit der PF/ZAPU weiter zu festigen. 1987 wurde Simbabwe von einem parlamentarischen System mit einem repräsentativen Staatsoberhaupt in ein präsidentielles System mit einem Staatspräsidenten, der sehr weitreichende exekutive Kompetenzen erhielt, umgewandelt. Mugabe, bis dahin Premierminister, wurde der erste Präsident im neuen System.
Der Umgang mit der Parteienfinanzierung macht den Anspruch der Befreiungsbewegung ZANU/PF auf ein Machtmonopol im nachkolonialen Staat besonders deutlich. Eine generelle Parteienfinanzierung sah die Regierung nach der Unabhängigkeit nicht vor. Sie richtete jedoch ein Ministerium für Politische Angelegenheiten ein, dessen Funktion, wie Mugabe selbst erklärte, darin bestehe, „to Service the party“. Zur Rechtfertigung fügte er hinzu, daß die Partei, also ZANU/PF, im Befreiungskrieg „has sacrificed for the nation. Why should the nation not now come to the assistance of the party?“
Das Ministerium bestand von 1980 bis 1992. 1992 verabschiedete die ZANU/PF im Parlament erstmals ein Parteienfinanzierungsgesetz, das die Meßlatte so hoch legte, daß nur die ZANU/PF einen Anspruch auf staatliche Förderung hatte. Auch eine spätere Reform des Gesetzes änderte hieran zunächst nichts
VII. Wirtschaftlicher Niedergang in den neunziger Jahren
Wirtschaftspolitisch stand die Regierung Mugabes nach der Unabhängigkeit vor schwierigen Aufgaben. Die Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung, die die ZANU/PF unterstützte, hoffte auf ein besseres Leben. Das erreichte gesamtwirtschaftliche Niveau beruhte jedoch strukturell auf der privilegierten wirtschaftlichen Stellung der Weißen in der Siedlergesellschaft. Mugabes „Politik der Versöhnung“ richtete sich somit in starkem Maße darauf, dieses Niveau zu halten, wenn nicht sogar zu erhöhen. Gleichzeitig mußte die neue Regierung aber Maßnahmen zugunsten der breiten Bevölkerung in Angriff nehmen. „Growth with Equity“ lautete die Losung, mit der sie diese Ziele auf einen Nenner zu bringen versuchte Die innere Widersprüchlichkeit der damit formulierten Strategie kommt darin zum Ausdruck, daß sie sowohl den sozialistischen Anspruch der ZANU/PF als auch die kapitalistische Realität der Siedlerökonomie aufnimmt. Immerhin ließ sich die merkantilistische Politik der weißen Siedler während der UDl-Zeit mit der interventionistischen Politik der ZANU/PF-Regierung vereinbaren.
Zentrale Bedeutung hatte für die neue Regierung die Agrarpolitik. Ihre nach der Unabhängigkeit initiierten Maßnahmen verbesserter Förderung afrikanischer Kleinbauern in den „Communal Areas“ trugen zur Erhöhung der Agrarproduktion bei und belegten zugleich das -von den Weißen immer bestrittene -produktive Potential der Kleinbauern. Bei der langfristigen Frage der Umverteilung von Land zugunsten der afrikanischen Bauern schränkten die Lancaster House-Vereinbarungen die Handlungsmöglichkeiten der Regierung jedoch ein, da die zehnjährige Besitzstandsgarantie den Ankauf von Boden nur bei freiwilligem Verkauf zuließ. Auf dieser Basis legte die Regierung 1982 ein Umsiedlungsprogramm auf, das vorsah, in drei Jahren 162 000 Familien umzusiedeln. In den zehn Jahren bis 1992 wurden indessen lediglich 52 000 Familien umgesiedelt. Zunehmend war deutlich geworden, daß Ineffizienz und mangelndes Interesse die Defizite beim Umsiedlungsprogramm ausmachten, nicht so sehr die Mittelknappheit beim Ankauf von Farmen, die die Regierung geltend machte Daß das Interesse der Repräsentanten der Befreiungsbewegung an der Macht stärker der eigenen Bereicherung diente, hatten bereits in den achtziger Jahren Korruptionsskandale offenbart. Große Schlagzeilen machte die Praxis, parlamentarische Privilegien auszunutzen, um Kraftfahrzeuge -angeblich zum eigenen Gebrauch -preisgünstig zu kaufen und dann teuer zu verkaufen. Als findige Journalisten den sogenannten „Willowgate“ -Skandal aufdeckten und eine Untersuchungskommission eingesetzt werden mußte, mußten mehrere Regierungsmitglieder zurücktreten Einzelne Minister, die danach auch vor Gericht kamen, wurden von Mugabe allerdings begnadigt.
Um der Wirtschaft neue Wachstumsimpulse zu geben und bis dahin ungelöste Entwicklungsprobleme, wie z. B. die Beschäftigung der hohen Zahl von Schulabgängern, zu bewältigen, verkündete die Regierung zu Beginn der neunziger Jahre, in Absprache mit internationalen Geberinstitutionen, ein Strukturanpassungsprogramm. Es beinhaltete Maßnahmen der Deregulierung und des Haushaltsausgleichs sowie der Handelsliberalisierung. Subventionsabbau und Preisfreigabe trafen die große Zahl kleiner Einkommenbezieher am stärksten, so daß die ohnehin große Kluft zwischen Arm und Reich sich ausweitete, während gewünschte Nachfrage-und somit Beschäftigungseffekte ausblieben. Am Ende dieser Entwicklung standen, erstmals 1995, sogenannte Brotunruhen angesichts fortschreitender Kaufkraftverluste vor allem der städtischen Bevölkerung
Erschwert wurde die Umsetzung des Strukturanpassungsprogramms durch die große Dürre 1992/93, die den Staat infolge der Ernteausfälle belastete. Erschwert wurde sie zudem aber auch durch innenpolitisch motiviertes Verhalten der Regierung, um ihre Popularität in der breiten Bevölkerung, insbesondere vor bevorstehenden Wahlen, zu erhöhen. So löste sie durch die Verabschiedung des Landerwerbgesetzes von 1992 eine heftige Debatte innerhalb und außerhalb Simbabwes aus. Dabei war selbst unter weißen Farmern nicht strittig, daß eine Korrektur der ungleichen Landverteilung unabweisbar war Umstritten war vielmehr, daß die Regierung, wie schon beim Umsiedlungsprogramm in den achtziger Jahren, kein kohärentes Konzept für die Umverteilung vorlegte, während nicht zuletzt Präsident Mugabe selbst durch antiimperialistische Polemik Stimmung gegen die Weißen, auf deren Agrarproduktion die nationale Ökonomie nach wie vor angewiesen ist, machte.
Als 1997 der Mißbrauch des Entschädigungsfonds für Kriegsveteranen durch die politische Elite des Landes bekannt wurde reagierte Mugabe nach öffentlichen Protesten der Veteranen, die den Befreiungsmythos der ZANU/PF in ein schiefes Licht rückten, mit dem bewährten Mittel der Patronage. Er sagte jedem Kriegsveteranen eine Entschädigungszahlung von Zim-$50 000, eine monatliche Rente von Zim-$2 000 sowie weitere Vergünstigungen zu Damit bürdete er dem Staatshaushalt Millionenbeträge auf, die die internationalen Geber auf den Plan riefen, da der im Rahmen der Strukturanpassung vereinbarte Ausgabenrahmen damit durchbrochen wurde. Neue breite Massenproteste wurden ausgelöst, als die Regierung eine Sondersteuer zur Finanzierung ihrer Zusagen ankündigte. In dieser Situation startete Mugabe eine neue populistische Initiative in der Landfrage, indem er seinen Agrarminister anwies, 1472 weiße Farmen für die Umsiedlung zu benennen. Da dies bedeutet, daß die Besitzer fortan, selbst wenn die Regierung ihrer Ankündigung keine Taten folgen läßt, nicht mehr frei über ihre Farmen verfügen können, mußte mit einem Rückgang ihrer Investitionen und folglich ihrer Produktion gerechnet werden. Das Vertrauen in die simbabwische Wirtschaft erreichte einen neuen Tiefpunkt, der sich -auch genährt durch die Finanzkrise in Südostasien -Ende 1997 in einem drastischen Verfall des Wechselkurses äußerte. Die darauf folgenden Preiserhöhungen für Lebensmittel lösten weitere Massenproteste aus
VIII. Simbabwe im Schatten des neuen Südafrika
Während die wirtschaftlichen Probleme Simbabwes in den neunziger Jahren Zunahmen, wandte sich Staatspräsident Mugabe vermehrt außenpoli-tischen Fragen zu. Die Zahl seiner Auslandsreisen wurde zum Gegenstand spöttischer Kommentare in der kritischen Presse. Mit dem Ende der Apartheid in Südafrika veränderten sich indessen die Rahmenbedingungen der Außenpolitik Simbabwes. Hatte das Land im ersten Jahrzehnt seiner Unabhängigkeit eine zentrale Frontstellung gegenüber dem weißen Südafrika eingenommen, wurde Südafrika mit der Freilassung Mandelas Anfang 1990 zunehmend zum Brennpunkt regionalen und internationalen Interesses. Zwar hatte Mugabe Ende 1991 den Vorsitz der Gruppe der Frontstaaten übernommen sie spielte jedoch beim Friedensprozeß in Südafrika keine entscheidende Rolle mehr und hatte ihre Aufgabe mit der Abschaffung der institutionalisierten Apartheid erfüllt. Für die regionalen Beziehungen mußten im Entwicklungs-wie im Sicherheitsbereich neue Strukturen gefunden werden.
Die SADCC hat sich 1992 als „Southern African Development Community“ (SADC) neu konstituiert und das Ziel formuliert, ihre Zusammenarbeit von der Koordination von regionalen Projekten in Richtung einer vertieften Entwicklungsintegration auszubauen 1994 trat Südafrika unter seiner neugewählten, von Nelson Mandela geführten Regierung der SADC bei. Zwei Jahre später wurde Südafrika der Vorsitz der SADC übertragen. Damit sollte nicht nur Mandela vor seinem Rücktritt von der aktiven Politik für seine Lebens-leistung geehrt werden.. Es kam darin auch die hohe Erwartung der Mitgliedstaaten der SADC an die zukünftige Kooperation mit Südafrika zum Ausdruck. Der Beitritt weiterer Staaten, Mauritius 1995 sowie die Demokratische Republik Kongo und die Seychellen 1997, unterstrich zudem die gewachsene Attraktivität der SADC
Wirtschaftlich steht Simbabwe in der heutigen SADC eindeutig im Schatten Südafrikas. Das Verhältnis beider zueinander kann mit dem Verhältnis Simbabwes zu den SADCC-Mitgliedern in den achtziger Jahren verglichen werden. Setzte Simbabwe als der dominante Partner gegenüber den anderen SADCC-Mitgliedern seine nationalen Interessen durch, so ist heute Südafrika der regionale Hegemon und kann gegenüber Simbabwe und anderen SADC-Mitgliedern seine eigenen Interessen durchsetzen. Ein Beispiel hierfür ist seine regionale Handelspolitik. Seit 1964 hatte Südafrika dem Smith-Regime wie dem unabhängigen Simbabwe bilaterale Handelspräferenzen eingeräumt, 1992 wurden diese jedoch im Rahmen von Schutzmaßnahmen gegen billige asiatische Importe beendet und auch von der neuen Regierung nach 1994 nur in stark eingeschränktem Umfang wieder gewährt Die einseitige Verteilung von Handels-und Wirtschaftsvorteilen ist jedoch, das scheint Südafrika bei seiner regionalen Handelspolitik zu übersehen, keine gute Voraussetzung für eine auf „equity, balance and mutual benefit“ beruhende regionale Kooperation, wie sie der SADC-Vertrag vorsieht
In der Sicherheitskooperation im Südlichen Afrika nach der Apartheid kam es im Verhältnis von Simbabwe zu Südafrika zu einem offenen Eklat. Nach schwierigen Diskussionen hatten die Staaten der Region 1996 beschlossen, im Sicherheitsbereich ein „Organ on Politics, Defence and Security“ zu schaffen, das wie die Gruppe der Frontstaaten auf der Ebene der Staatschefs angesiedelt, anders als die Gruppe der Frontstaaten jedoch als Teil der SADC konstituiert werden sollte. Die Verbindung wurde dadurch hergestellt, daß der Vorsitzende des SADC-Organs vom Gipfeltreffen der SADC gewählt wird Da er zuletzt Vorsitzender der Frontstaaten gewesen war, fiel die Wahl, wie erwartet, auf Präsident Mugabe. Die Struktur des Organs blieb zunächst offen. Auf dem Gipfeltreffen der SADC 1997 sprach sich Mandela dafür aus, das Organ in die SADC-Strukturen zu integrieren. Mugabe widersetzte sich der, wie er es sah, Unterordnung unter Mandela und beharrte auf einer vollständigen Autonomie des SADC-Organs, ähnlich wie früher bei der Gruppe der Frontstaaten. Das daraus resultierende Patt hatte zur Folge, daß das Organ seither handlungsunfähig ist, während eine von der SADC eingesetzte Ad-hoc-Gruppe nach einer konsensfähigen Lösung sucht.
Die militärische Intervention Simbabwes zusammen mit Angola und Namibia im Kongo im August 1998, um den erst 1997 an die Macht gelangten Präsidenten Kabila zu unterstützen, vertiefte die Kluft innerhalb der SADC. Südafrika war mit der Intervention nicht einverstanden und setzte sich für Friedensgespräche zwischen allen Beteiligten und eine darauf aufbauende politische Lösung ein Die Gründe für Simbabwe, im Kongo zu intervenieren, sind nicht eindeutig zu bestimmen. Mugabes Wunsch, aus dem Schatten Südafrikas herauszutreten und eine regionale Führungsrolle zu spielen, gehört zweifellos dazu, reicht aber als alleinige Erklärung nicht aus. Als Kabila 1996/97 gegen die Herrschaft Mobutus kämpfte, hatte sich Simbabwe -auf Drängen Ugandas -erstmals im Kongo engagiert und den Rebellen Waffen geliefert. 1998 war eine ganz neue Konstellation entstanden, in der Uganda und Ruanda die gegen Kabila kämpfenden Rebellen, auch mit eigenen Truppen, unterstützten. Simbabwe besann sich nun auf die nationalistischen Prinzipien der Souveränität und der Nichteinmischung. Simbabwes Argumentation, die Kabila unterstützenden Truppen würden eine rechtmäßige Regierung gegen fremde Eindringlinge verteidigen, wurde im September 1998 sowohl vom Gipfeltreffen der Blockfreienbewegung als auch der SADC bekräftigt. Auch Südafrika mußte, als Vorsitzender beider Organisationen, hier einlenken Daß simbabwische Ge-schäftsleute wie auch führende Militärkreise die Kriegssituation zu nutzen suchen, um sich nach Kräften zu bereichern, aber auch um Marktvorteile gegenüber Südafrika zu erlangen, macht Mugabes Engagement im Kongo zusätzlich komplex
IX. Simbabwe vor einem politischen Wandel?
Sollte Mugabe gehofft haben, mit seinem militärischen Abenteuer im Kongo den Befreiungsmythos der simbabwischen Armee zu neuem Leben zu erwecken und von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken, so hat er sich getäuscht. Auch wenn die Regierungspresse sich noch so bemüht hat, die Intervention zu rechtfertigen, für die Bevölkerung war nicht erkennbar, was Simbabwe im Kongo zu suchen habe. Kabilas undemokratische Herrschaft schien kaum unterstützenswert und die Kosten für den Truppeneinsatz im Kongo zu hoch. Das Fazit lag nahe, daß Mugabe sich für außenpolitischen Ruhm (der allerdings mit der Dauer des Kriegs zunehmend zweifelhaft wurde) mehr interessiere als für die Nöte der Bevölkerung im eigenen Land. So trug die militärische Intervention im Kongo dazu bei, die Stimmung gegen die Regierung Mugabes in der Zivilgesellschaft weiter zu verstärken.
Die faktische Einparteiherrschaft in Simbabwe hat es oppositionellen Strömungen lange Zeit schwer-gemacht, sich zu entfalten. Die achtziger Jahre waren innenpolitisch durch den ZANU-ZAPU-Konflikt geprägt. Als die Vereinigung der beiden Parteien vollzogen worden war, gab es Ende der achtziger Jahre gegen das geplante konstitutionelle Einparteisystem sowie gegen die Korruption in der politischen Elite („Willowgate“) breiten Widerstand in der städtischen Öffentlichkeit. Edgar Tekere, ein langjähriger Weggefährte Mugabes im Befreiungskampf, wurde aus der ZANU/PF ausgeschlossen und gründete die „Zimbabwe Unity Movement“ (ZUM), die erste nachkoloniale Parteigründung. Sie errang bei den Wahlen 1990 mit 17 Prozent ein achtbares Ergebnis, jedoch aufgrund des Mehrheitswahlrechts nur zwei Sitze im Parlament Wie andere Parteigründungen in der Folge litt sie unter ihrer starken Ausrichtung auf eine Führungsperson und konnte ihren Anfangserfolg organisatorisch nicht konsolidieren.
Die zunehmend autokratische Herrschaft von Mugabe sowie der wirtschaftliche Niedergang führten in den neunziger Jahren zu verstärkten oppositionellen Strömungen. Bei den Wahlen von 1995 (Parlament) und 1996 (Präsidentschaft) riefen fast alle Oppositionsparteien aus Protest gegen die massive Bevorzugung der ZANU/PF (Parteienfinanzierung, staatliche Medien) zum Wahlboykott auf, trugen damit allerdings, wenn auch unfreiwillig, erst recht zum erneuten haushohen Wahlsieg der ZANU/PF und Mugabes bei
Der Aufschwung der Opposition in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre hatte seine Grundlage weniger in politischen Parteien als in breiteren zivilgesellschaftlichen Aktionen und Akteuren. Proteste gegen die Auswirkungen der Strukturanpassungsmaßnahmen auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung wurden bereits seit dem Beginn des Jahrzehnts vom Dachverband der simbabwischen Gewerkschaften (ZCTU) organisiert Die Brotunruhen, die seit 1995 stattfanden, hatten spontanen Charakter und wurden zum Teil von Angehörigen des städtischen informellen Sektors ausgelöst, die nicht dem ZCTU-Verband angehören. Immer mehr übernahm ZCTU jedoch eine koordinierende Rolle in der Protestbewegung. Dies wurde in dem überwältigenden nationalen Streik am 9. Dezember 1997 manifest, zu dem ZCTU -nach den Preiserhöhungen im Gefolge des Währungsverfalls und dem Skandal um den Kriegsveteranenfonds -aufgerufen hatte und an dem sich in Harare und zahlreichen anderen Städten des Landes Zehntausende von Menschen beteiligten. Parallel zu der sich entfaltenden Massenbewegung initiierten zivilgesellschaftliche Akteure aus verschiedenen Nichtregierungsorganisationen eine öffentliche Debatte über die Reform der Verfassung Die Initiative begreift sich als Forum, das -im Unterschied zur ZANU/PF-Regierung -eine partizipatorische Verfassungsdiskussion im Rahmen einer Nationalkonferenz befürwortet. An der „National Constitutional Assembly“ (NCA), die aus der Initiative hervorging, sind Menschenrechtsgruppen, Kirchen, Gewerkschaften, Frauengruppen, politische Parteien, Studentengruppen, Angehörige freier Berufe, kurz: Bürger aller Schattierungen beteiligt. Ziel der NCA ist es, die Elemente des politischen Systems zu verändern, die angesichts der Dominanz der ZANU/PF faktisch auf einen Einparteistaat hinauslaufen, wie z. B. die weitreichenden exekutiven Kompetenzen des Präsidenten, u. a.sein Recht, 20 Prozent der Abgeordneten zu ernennen; Wahlgesetz (Verhältnis-anstatt Mehrheitswahlrecht), Besetzung der Wahlkommission, Parteienfinanzierung. Als Ergebnis wird ein demokratisches System angestrebt, das wirkliche Chancengleichheit garantiert. Der Generalsekretär der ZCTU, Morgan Tsvangirai, seit Jahren bereits an der Spitze der Gewerkschaftsbewegung, gehörte ebenfalls zu den Grün-dungs-und Führungsmitgliedern der NCA. Die Möglichkeit, die Massenbewegung und die Verfassungsdebatte in einer breiten politischen Bewegung zusammenzuführen, nahm Ende Februar 1999 konkrete Gestalt an, als Tsvangirai seine -lange erwartete -Bereitschaft bekanntgab, die
Führung einer arbeiterorientierten politischen Partei zu übernehmen
Die Situation in Simbabwe am Ende der neunziger Jahre hat Ähnlichkeiten mit der im benachbarten Sambia zu Anfang des Jahrzehnts, als der Gewerkschaftsführer Chiluba an der Spitze einer breiten Oppositionsbewegung den langjährigen Präsidenten Kaunda bei Wahlen besiegen konnte Ob Tsvangirai bei den Wahlen im Jahr 2000 (Parlament) bzw. 2002 (Präsidentschaft) dem Beispiel Chilubas folgen kann, hängt u. a. davon ab, ob er die Hauptströmungen der Opposition zusammenschließen kann.
Ganz entscheidend für eine Wiederholung des „Chiluba-Effekts“ in Simbabwe ist aber das Verhalten der etablierten Staatsmacht. Hier läßt sich aus der nachkolonialen Politik der ZANU/PF als Befreiungsbewegung an der Macht die Vermutung ableiten, daß sie -anders als Kaunda in Sambia -alles daransetzen wird, an der Macht zu bleiben. Die Gukurahundi-Kampagne der achtziger Jahre liegt nicht so lange zurück. Das Vorgehen gegen die Protestaktionen der neunziger Jahre war ebenfalls durch ein hohes Maß an Repressivität gekennzeichnet Die Verfassungsdebatte sucht die Regierung durch eigene Gesprächsbereitschaft von oben zu beeinflussen. Mit dem Krieg im Kongo ist der Einfluß der Armee auf die Regierung deutlich gewachsen.
Denkbare Strategie, um der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen und der ZANU/PF die Macht zu erhalten, wäre der „indonesische Weg“, daß Mugabe, auf den sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung in starkem Maße konzentriert, vor den Wahlen seinen Rücktritt als Staatspräsident ankündigt und einem Vertrauten aus der Partei Platz macht. Definitive Aussagen über die Zukunft sind indessen nicht möglich. Soviel scheint aber sicher zu sein: Der in Simbabwe in den letzten Jahren eingeleitete Prozeß politischen Wandels wird mit den Wahlen von 2000/2002 noch nicht abgeschlossen sein.