I. Zwischen „Horrorvision“ und „Weiter so!“
Seit Anfang der neunziger Jahre das Wort von der „Globalisierung“ zunächst journalistisch erschlossen und dann auch wissenschaftlich erkundet wurde, haben sich drei Lesarten des Problems herausgebildet, die unterschiedlicher nicht sein könnten: In der ersten Lesart wird die Globalisierung der Waren-und Finanzmärkte als eine völlig neue Phase in der gesellschaftlichen Entwicklung -„vergleichbar mit der Entdeckung Amerikas“ oft sogar als eine „Horrorvision“ zukünftiger wirtschaftlicher und politischer -aber auch kultureller -Entwicklung verstanden, die die nationalstaatliche Politik aushebelt und, so Ralf Dahrendorf, in eine „Quadratur des Kreises“ der Konkurrenz von nationalen Wettbewerbsstaaten mündet. Dies führe dann wiederum zur Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme und des gesellschaftlichen Zusammenhalts schlechthin. Dagegen wird in der Gegenposition das „Gerede“ von der Globalisierung als vermeintliches Täuschungsmanöver entlarvt, mit dem die nationalstaatlichen Politiken und vor allem die Gewerkschaftspolitik auf einen wirtschaftsfreundlichen Kurs gezwungen werden sollen. Politisch werden aus diesen beiden hier holzschnittartig wiedergegebenen Positionen entsprechend diametral entgegengesetzte Schlußfolgerungen gezogen: Während die erste Position zu einer eher fatalistischen Beschwörung notwendigen Widerstands neigt („Du hast keine Chance, aber nutze sie!“), versteift sich die zweite auf ein „Weiter so!“ -beide verzichten so auf realistische Gestaltungsoptionen. Der „lachende Dritte“ ist der von keinerlei Zweifeln und Skrupeln geplagte marktradikale (neo) klassische Ökonom, der im Globalisierungsprozeß die Wiedergeburt des nunmehr aus den Zwängen einer vermeintlich „über-regulierten“ nationalstaatlichen Ökonomie befreiten Marktes feiert und der politisches Handeln nur noch als Anpassung an die ökonomischen Weltmarktzwänge definieren kann.
Im Beitrag wird versucht, jenseits dieser Zuspitzungen die Ambivalenzen und Widersprüche in diesen ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen herauszuarbeiten. Denn es sind diese Ambivalenzen, die nicht nur jene oft beschworenen gesellschaftlichen und politischen Risiken enthalten, sondern auch „Korridore“ politischen Handelns jenseits alter nationalstaatlicher Politikkonzepte eröffnen, sofern Politik nicht als bloße Anpassung an den stummen Zwang der Marktverhältnisse verstanden wird. Dabei werden sich die Ausführungen auf die politisch-ökonomische Begründung von Globalisierungsprozessen beschränken Ökonomisch werden im Globalisierungsdiskurs fünf nicht trennscharf unterschiedene Begründungszusammenhänge aufgegriffen, die auch die Gliederung dieses Beitrages bestimmen: Es werden erstens die Entwicklung des Welthandels („Internationalisierung des Warenkapitals“), zweitens die Entwicklung der Direktinvestitionen im Ausland („Internationalisierung des produktiven Kapitals“) und drittens die Entwicklung auf den internationalen Finanzmärkten („Internationalisierung des Geldkapitals“) und die gewachsene Rolle des internationalen Aktienkapitals (Stichwort: „shareholder value capitalism“) als Indizien für Globalisierungsprozesse diskutiert. Darüber hinaus werden viertens die neuen Formen der internationalen Vernetzung der Produktion („global sourcing“, „integrated internationalproduction“) auf der Basis neuer und kostengünstiger Kommunikations- und Transporttechnologien und fünftens die unter dem Druck globalisierter Konkurrenz erzwungene Mutation der Nationalstaaten zu „Wettbewerbsstaaten“ zur Begründung für eine neue Qualität des Internationalisierungsprozesses heran-Jürgen Hoffmann, Dr. rer. pol., geb. 1944; Professor für politische Soziologie an der Hochschule fi Wirtschaft und Politik in Hamburg; wissenschaftlicher Berater des Europäischen Gewerkschaftsinstituts. Veröffentlichungen u. a.: Zahlreiche Aufsätze und diverse Buchveröffentlichungen zur politischen, gesei schaftlichen und sozialen Entwicklung der Bundesrepublik, zuletzt: Politisches Handeln und gesellschaf liehe Struktur -Grundzüge der deutschen Gesellschaftsgeschichte, Münster 1996.
Aloys Prinz, Dr. rer. pol., Diplomvolkswirt, geb. 1956; seit 1993 Professor für Wirtschaftspolitik an de Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Veröffentlichungen u. a.: Die Welt am Netz: wieviel Regulierung braucht das Internet?, in: Wirtschaft dienst, 78 (1998); (zus. mit Hanno Beck) Kann die betriebliche Alterssicherung das Alterssicherungssy stem retten?, in: List Forum für Wirtschafts-und Finanzpolitik, Bd. 24 (1998) 2.
Hanno Beck, Dr. rer. pol., Diplomvolkswirt, geb. 1966; seit 1993 wissenschaftlicher Mitarbeiter ai Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Veröffentlichungen u. a.: Jobs on the wire: The Internet and labour markets, in: Netnomics, Journal fc economic research and electronic networking, 1 (1999) 1; (zus. mit Aloys Prinz) Fremdlastenarithmetil Sind die Sozialversicherungen noch zu retten?, in: Arbeit und Sozialpolitik, 52 (1998) 5/6.
Ernst Hillebrand, Dr. phil., geb. 1959; Referent in der Abteilung Internationale Entwicklungszt sammenarbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung; Lehrbeauftragter am Seminar für politische Wissenschaft de Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Veröffentlichungen u. a.: Nachdenken über Demokratie und Zivilgesellschaft in Afrika, in: International Politik und Gesellschaft, (1994) 1; Ivory Coast -A formal Decentralisation and a Democratisation yet t come, in: Regional Development Dialogue, (1996) 1.
Ulrich Petschow, Diplomvolkswirt, geb. 1952; Koordinator des Forschungsfeldes Umweltpolitil und -Ökonomie am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gGmbH Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Susanne Dröge, Kurt Hübner und Jürgen Meyerhoff) Globalisierun und Nachhaltigkeit, Berlin 1998; (zus. mit Kurt Hübner und Regina Stein) Das Multilaterale Investitions abkommen (MAI) und die Umwelt, Bonn 1998.
Susanne Dröge, Diplomvolkswirtin, geb. 1967; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl fü Makroökonomie an der HHL -Leipzig Graduate School of Management.
Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Ulrich Petschow, Kurt Hübner und Jürgen Meyerhoff) Nachhaltigkei und Globalisierung, Berlin 1998; (zus. mit Birgit Soete) Trade-related Intellectual Property Rights, North South Trade, and Biological Diversity, Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschafter der FU Berlin, (1998) 47. gezogen. Von „Ambivalenzen“ im Globalisierungsprozeß auszugehen heißt dabei, zwei Fehler in der Analyse zu vermeiden, denen die o. a. beiden Extrempositionen der „starken Globalisierung“ und der „Globalisierungsskeptiker“ gleichermaßen verfallen: nämlich erstens die Globalisierung als einen Zustand und nicht als einen zyklisch verlaufenden Prozeß zu verstehen und darüber hinaus zweitens dabei von global vollständig integrierten Märkten auszugehen, die unterstellt oder aber empirisch widerlegt werden -als hätte es je „perfekte“ Märkte gegeben
II. Die Entwicklung des Handels
Die statistisch unübersehbare Entwicklung des Welthandels -die Wachstumsraten machen zeitweise ein Vielfaches der Wachstumsraten des globalen Sozialprodukts bzw.selbst des Sozialprodukts der OECD-Staaten aus -wird gemeinhin als wichtigstes Zeichen für die Existenz globalisierter Märkte herangezogen. Diese gar nicht zu bestreitende Tendenz der Intensivierung und Vertiefung des Welthandels muß aber zunächst einmal „historisch“ wie auch „geographisch“ und „sektoral“ relativiert werden: Historisch ist zunächst festzuhalten, daß sich der Welthandel in Zyklen entwickelt, was für kapitalistische Wachstumsprozesse generell gilt, und insofern die Phase hoher Ex-und Importquoten seit Mitte der achtziger Jahre auch Ausdruck einer zyklischen Entwicklung sein kann, die z. B. in den neunziger Jahren zumindest in den Ländern der Europäischen Union (in denen sich statisch bis Ende der achtziger Jahre der Integrationseffekt auswirkte) und in Japan wieder abklingt; erst aktuell nähern sich die Export-und Importquoten der entwickelten Länder wieder den vor 1914 erreichten an, und zumindest für die EU und Japan gilt, daß der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt seit Ende der achtziger Jahre wieder abnimmt Für die EU als Binnenmarkt gilt sogar, daß aktuell nur acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts exportiert werden Geographisch verteilt sich nämlich der Welthandel durchaus nicht „global“, sondern ist regional konzentriert auf die Länder der OECD-Triade, nämlich die Europäische Union (über 40 Prozent Anteil), Nordamerika (knapp 20 Prozent) sowie Japan und die südostasiatischen Schwellenländer (ca. 35 Prozent) Und sektoral ist hervorzuheben, daß wichtige Wachstumsbereiche der Ökonomie, nämlich die personenbezogenen Dienstleistungen und der Öffentliche Dienst, in der Regel über einen niedrigen „Offenheitsgrad“ nach außen verfügen
Auch wenn dies alles keine dramatischen Veränderungen belegt, muß den Globalisierungsskeptikern doch entgegengehalten werden, daß vieles auch für einen qualitativen Bruch in der Struktur des Welthandels spricht: Zwar wird die Struktur des globalen Handels immer noch von der klassischen internationalen industriellen Arbeitsteilung geprägt, und auch die Lohnhöhen spielen noch eine untergeordnete Rolle (nur 1, 2 Prozent der Importe der OECD-Länder stammten 1990 aus „Niedriglohnländern“ Dennoch zeigt sich eine neue Qualität nicht nur in der mit dem schnellen Wachstum des Handels einhergehenden Dynamik und Vertiefung der Handelsbeziehungen, sondern vor allem in der Verschiebung vom intersektoralen (Handel zwischen den Branchen) zum intrasektoralen Handel -d. h„ der komplementäre Anteil am Welthandel geht zugunsten des substitutiven Anteils zurück. Dies hat eine Verschärfung der Konkurrenz in den Weltmarktbranchen zur Folge was in der Zukunft auch für bestimmte Bereiche der Dienstleistungen gelten wird, die besonders als Informationsdienstleistungen längst international handelbar geworden sind. Hinzu kommt, daß mit der wachsenden Vernetzung von Produktionsorten zumindest die soge-nannten „Schwellenländer“ als Niedriglohnproduzenten den entwickelten Ländern auf dem Teilarbeitsmarkt für Niedrigqualifizierte Konkurrenz machen, was in den Ländern der EU die aktuell steigende Arbeitslosigkeit in diesem Bereich mit erklären mag. Der oben gezogene Vergleich mit der Zeit vor 1914 hinkt auch insofern, als das Handelsregime damals immer von Nationalstaaten bestimmt wurde. Aktuell wird dagegen mit dem sukzessiven Abbau von handelspolitischen Schranken und Steuerungsoptionen (Zölle und nichttarifäre Handelsmaßnahmen) im Rahmen der GATT-Runden und nun des WTO-Regimes -also des Regimes der Welthandelsorganisation -und gleichzeitig mit erhöhten Regulierungsansprüchen sozial-ökologischer Art die Möglichkeit nationaler oder regionaler (z. B. europäischer) Politiken immer weiter bei dem Bemühen eingeschränkt, eigenständige Wege sozial-ökologischer Regulierung des Marktgeschehens einzuschlagen
III. Auslandsdirektinvestitionen als Globalisierungsmotor?
Die seit Mitte der achtziger Jahre in absoluten wie relativen Zahlen dramatisch angestiegenen Auslandsdirektinvestitionen (FDI) gelten als weiteres Indiz für den Gobalisierungsprozeß, für die gewachsene Mobilität des Kapitals und -in der Standortdebatte der Bundesrepublik -für den „Export von Arbeitsplätzen“. Allerdings spielen bei genauerem Hinsehen die Lohnhöhen respektive Lohnstückkosten die geringste Rolle bei den Motiven von Unternehmen, im Ausland zu investieren: 95 Prozent der Herkunftsländer und 75 Prozent der Zielländer von Auslandsinvestitionen sind entwickelte Industrieländer (OECD-Raum) Über ein Drittel des weltweiten Direktinvestitionenbestandes entfällt auf intraregiona\e Direktinvestitionen; regional sind die Auslandsinvestitionen also ähnlich dem Welthandel auf die Länder der Triade konzentriert Abgesehen davon, daß es sich z. B. bei den deutschen Auslandsinvestitionen zum großen Teil um Übernahmen bestehender Unternehmen handelt, daß also keine Arbeits-plätze exportiert werden sind die Hauptmotive solcher Auslandsinvestitionen (das gilt für 80 Prozent der befragten deutschen Unternehmen) solche der Marktsicherung und Markterweiterung Hinzu kommt die zeitweise stark aufgewertete DM als Anreiz für Auslandsinvestitionen, während der Mangel an ausländischen Investitionen in Deutschland oft auf die schwierigen Zugangsbedingungen des deutschen Unternehmens-und Finanzsektors zurückzuführen ist Die relativ niedrigen deutschen Lohnstückkosten und den vergleichsweise hohen Sozialstaatsanteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) als Ursachen für das Investitionsverhalten heranzuziehen stellt dagegen den Zusammenhang auf den Kopf: Die L änder mit den relativ höchsten Reallöhnen und Sozialstaatsausgaben sind zugleich die Länder mit den höchsten Arbeitsproduktivitäten und (deshalb) relativ niedrigen Lohnstückkosten -und dies bedingt einander
IV. „Casinokapitalismus“ -die Entwicklung der internationalen Finanzmärkte
Eine neue Qualität hat zweifellos die Entwicklung auf den Finanzmärkten. Mit der Herausbildung von Eurodollarmärkten im Zuge der US-Verschuldung durch den Vietnam-Krieg und mit dem Zusammenbruch des Weltwährungssystems von Bretton Woods, mit der darauf folgenden Flexibilisierung der Wechselkurse, mit der Weltschuldenkrise der achtziger Jahre und mit der Entwicklung von Offshore-Bankzentren haben sich mit zunehmender Staatsverschuldung enorme, frei-flottierende Finanz-und Spekulationsmassen gebildet, die zu exorbitant hohen Finanzumsätzen geführt haben (und zu einem sogenannten „Derivatenkapitalismus“ ausgebaut wurden -„Derivate“ sind abgeleitete Finanzmarktinstumente wie „Futures“, „Optionen“, die der Absicherung z. B. gegen Preisänderungen dienen, die aber auch zu spekulativen Zwecken genutzt werden). Dadurch wiederum hat sich die Höhe der internationalen Renditen im Finanzanlagen-und Spekulationsbereich gegenüber den Profitraten der jeweils nationalen Produktion relativ verselbständigen können. Die politisch gewollte Deregulierung der Geldmärkte führte zu hohen Zinselastizitäten, hohen Geldschöpfungsmultiplikatoren und zur Entwicklung privat betriebener Zahlungsverkehrssysteme; all dies hatte relativ hohe und gegenüber dem Produktionsprozeß relativ autonome Renditen (schnelle Gewinnaussichten, aber auch entsprechende Verluste) im Bereich der Finanzinvestitionen und damit einen Ausbau der Finanzinvestitionen zuungunsten der produktiven Investitionen zur Folge. Das Verhältnis von Finanztransaktionen zum Bruttoinlandsprodukt stieg weltweit von 15 : 1 (1971) auf 30: 1 (1980) und auf 78 : 1 (1990), das Devisenumsatzvolumen ist aktuell um das 50fache höher als das des Weltexports; täglich werden brutto 1400 Mrd. US-Dollar transaktioniert, davon 85 Prozent kurzfristiges „hot money“ Diese Entwicklung führt wiederum zu einer Verschärfung des dem Bankensystem inne-wohnenden Risikos, da jetzt bei einzelnen Akteuren eine Kumulation von Risiken möglich wird und die Spekulationsrenditen überdurchschnittliche Gewinne verheißen, die den Anreiz für real-wirtschaftliche Investitionen vermindern. Eine wachsende Instabilität der weltweiten Geld-und Gütermärkte und der realwirtschaftlichen Investitionsquoten werden so durch die Dominanz dieses „Casinokapitalismus“ (Susan Strange) wahrscheinlich, weil sich die „Exit" -Optionen" der Anleger -gemeint ist die Möglichkeit, aus dem produktiven Bereich der Kapitalanlagen heraus-zugehen -vervielfachen. Der seit Mitte der siebziger Jahre in der EU konstatierbare Einbruch der Investitionsquote (Nettoinvestitionen/Bruttoinlandsprodukt) ist auf die Wahrnehmung dieser „Exit“ -Optionen wesentlich mit zurückzuführen. Allerdings muß gegenüber der vielfach aus den o. a. Zusammenhängen abgeleiteten These, daß das Investitionsverhalten durch eine internationale Zinsrate bestimmt sei, einschränkend vermerkt werden, daß eine einheitliche internationale Zins-rate noch nicht existiert und empirisch ein signifikanter Trend zugunsten eines international ausgerichteten Investitionsverhaltens nicht eindeutig nachweisbar ist, wie die 1980 veröffentlichte Analyse von Martin Feldstein/Charles Horioka und die seitdem laufende wissenschaftliche Diskussion ergeben haben: Demnach orientiert sich das nationale Investitionsverhalten in den Industrieländern immer noch vorrangig an den nationalen Sparquoten Und auch die Rolle der „opaken“ Finanz-produkte, die vor allem auf lokalen Märkten angeboten werden, wird in der Diskussion oft übersehen: Viele „Finanzprodukte“, die gehandelt werden, sind an lokale Märkte mit den notwendigen Zugangsinformationen gebunden -deshalb „undurchsichtig“, eben: „opak“ -und stehen somit nicht auf dem internationalen Markt zur Verfügung Und die horrenden Spekulationsbeträge, die in der Literatur die These der Abkoppelung des monetären vom realen Sektor belegen sollen, reduzieren sich -weil Bruttozahlen -bei genauerer Gewinn-Verlust-Rechnung und Netto-Betrachtung auf sehr viel kleinere Risikokonstellationen Vor allem aber führen wachsende Unsicherheiten, wie sie mit dem Casinokapitalismus einhergehen, bei den Akteuren zu Strategien der Absicherung -etwa im Sinne der Anlage von Sicherungsfonds der Banken.
Die sich dramatisch entwickelnden Finanzmärkte haben allerdings nicht nur Auswirkungen auf das Investitionsverhalten, sondern führen auch zu einem spürbaren Wandel in den Unternehmenskulturen: Entscheidend für die sich andeutenden dramatischen Änderungen in der Unternehmenskultur in den Ländern des „rheinischen Kapitalismus“ (Michel Albert) in Europa (Bundesrepublik, BeNeLux-Staaten, Frankreich, Norditalien) ist der Trend, daß immer mehr Unternehmen sich das notwendige Kapital durch den Gang zur Börse beschaffen, anstatt Kapitalkredite aufzunehmen und Zinsen zu bedienen. Dadurch sind sie in ihrer Unternehmenspolitik immer stärker mit den kurzfristigen Interessen und Kalkülen der Aktionäre (der „shareholder“) konfrontiert. Dies ist vor allemein internationaler Prozeß, der sich darin ausdrückt, daß die Relation von grenzüberschreitendem Handel mit Aktien und Anleihen zum Bruttoinlandsprodukt von 5, 1 Prozent (1975) auf 169, 6 Prozent (1993) anstieg. Der schnell zunehmende sogenannte „Verbriefungsprozeß“ (Finanzinstrumente der „Verbriefung“ machen Forderungen übertragbar und handelbar) hat von 1980 bis 1993 zu einer Versechsfachung der Anleiheemissionen geführt und geht mit einer wachsenden Bedeutung der internationalen Investitionsfonds für die Ökonomie einher. Zusammen mit dem sich durch die Deregulierung der internationalen Märkte intensivierenden Wettbewerb auf Gütermärkten bewirkt dies eine „Verbetriebswirtschaftlichung“ der sozialen Beziehungen in den Unternehmen und eine betriebspolitische Dominanz der kurzen Frist und der variablen Kosten. Deren variabelster Teil sind aber die Lohnkosten. Dies hat in den Ländern des eher mittelfristig und kooperativ orientierten Typus des „rheinischen Kapitalismus“ eine z. T. dramatische Veränderung der Unternehmenskulturen zur Folge, die sich immer mehr an den kurzfristigen Dividenden-Interessen der Anteilseigner orientieren -„shareholder-value capitalism“ -und die deshalb heute den Arbeiter, der in der Zeit der Nachkriegsprosperität zum „Mit“ -arbeiter hoch-stilisiert wurde, am liebsten wieder auf „Produktionsfaktorkosten“ reduzieren und diese Kosten dann soweit wie möglich reduzieren möchten.
V. „Global sourcing“ -die Internationalisierung von produktiven Netzwerken
Die in den sechziger und siebziger Jahren rapide gesunkenen Transport-und Kommunikationskosten in Verbindung mit den neuen Kommunikationstechnologien haben Möglichkeiten für eine weltweit vernetzte Produktion eröffnet. Besonders die Transnationalen Konzerne (TNKs), aber auch bislang national orientierte Unternehmen können jetzt im Zuge der Strategien von „lean production“ und von „neuen Produktionskonzepten“ mit Hilfe der modernen Informations-und Kommunikationstechniken eine Politik der grenzüberschreitenden „externen Flexibilisierung“ ihrer Produktion auf einer neuen Stufe umsetzen. Der grenzüberschreitende „intra-firm“ -und „intra-industry“ -Handel hat auf diesem Hintergrund in den achtziger Jahren und danach stark zugenommen, auch wenn hier erhebliche Unterschiede zwischen den westeuropäischen Ländern (mit hohen Vernetzungsanteilen) und den USA und Japan (mit relativ niedrigen Anteilen) bestehen Dadurch wird es insbesondere den TNKs möglich, unterschiedliche Produktivitäts-, Qualifikations-und Lohnkostenressourcen in den unterschiedlichen Ländern durch Auslagerungen und „intra-firm“ -Vernetzungen zu mobilisieren -bezeichnenderweise aber nicht im Weltmaßstab, sondern konzentriert auf die westeuropäischen bzw. US-amerikanischen produktiven Zentren! In diesem Zusammenhang können dann besonders arbeits-bzw. lohnintensive Fertigungsbereiche in Länder ausgelagert bzw. Vorprodukte aus Ländern bezogen werden {„global sourcing“'), in denen auf der einen Seite die geforderte Qualifikation vorhanden ist und auf der anderen Seite die Lohnkosten niedrig sind (als Beispiel mag der inzwischen berühmt gewordene indische Ingenieur dienen, der via Internet Blaupausenarbeiten in seinem Heimatland für Konzerne in Europa ausführt). Die Verbindung von Internationalisierung der Ökonomie und den Möglichkeiten der Kommunikations-und Informationstechnologien haben hier bewirkt, daß Teilarbeitsmärkte international über weite Räume geöffnet und daß so soziale Schließungsprozesse seitens nationaler Gewerkschaften unterlaufen werden können. Unternehmen können sich -soweit sie solche Strategien verfolgen -den nationalen Arbeitsmärkten und Sozialsystemen entziehen, was für die in der Zeit der Nachkriegsprosperität entwickelten nationalen Reproduktionsstrukturen erhebliche Konsequenzen haben kann. Denn jetzt können die nationalen, auf die Erwerbsarbeit bezogenen tarif-und sozialpolitischen Regelwerke unter Druck geraten, da die von den Strategien des „global sourcing“ besonders betroffenen kleinen und mittleren Betriebe der jeweiligen Region, die bis dahin indirekt am Weltmarkterfolg der großen Unternehmen beteiligt waren, oft sehr arbeits-respektive lohnintensiv produzieren. Sie tragen damit die Hauptlast der Lohnnebenkosten (mit denen die sozialen Sicherungssysteme finanziert werden) und des Steueraufkommens (die Lohnsteuern machen den größten Anteil des Steueraufkommens aus). Zugleich sind es diese Betriebe, die z. B. im deutschen System den größten Anteil an der Ausbildung von Facharbeit haben. Diese Spaltung zwischen großen und kleinen/mittleren Unternehmen wird durch eine Wirtschaftspolitik, die die produktiven, oft regional fixierten Bindungen nicht stärkt, sondern allein auf den Produktivitätserfolg der Großen setzt, systematisch befördert. Die hohe Produktivität in den Kernsektoren einer exportorientierten Wirtschaft hat -durch die Übernahme von „Sharehol-der-value“ -Attituden durch das Management und die Deregulierungspolitik der Nationalstaaten gefördert -zusätzliche Arbeitslosigkeit zur Folge; die Produktivitätsentwicklung wird unter diesen Bedingungen nicht mehr Teil der Lösung des Problems (der Massenarbeitslosigkeit), sondern Teil des Problems selbst
Zugleich muß aber betont werden, daß die hier beschriebenen Prozesse der „externen Flexibilisierung“ immer noch an produktive regionale Zentren gebunden sind und daß die These, der zufolge die modernen Unternehmen „ohne Nationalität“ (so etwa Robert Reich) oder „standortlos“ (so Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf) seien empirisch bisher kaum Belege findet -was eine Reihe von Kritikern aufzeigen konnte. Das gilt selbst für die „Multis“, die noch längst nicht den Status von „Transnationalen Konzernen“ erreicht haben, wie Paul Hirst und Grahame Thompson belegen können Aber dies gilt auch für die Länder des „rheinischen Kapitalismus“ allgemein: Die hohe Produktivität der regionalen Standorte in diesen Ländern verhindert zumindest auf absehbare Zeit, daß jene Art des global sourcing, von der oben am Beispiel des qualifizierten indischen Ingenieurs die Rede war, sich als Massenphänomen durchsetzt und deshalb zu Entlassungsschüben führt. Denn in den entwickelten kapitalistischen Ökonomien gehört heute zu einem produktiven Produktionsort mehr als der Lohnkostenfaktor einer Berufssparte; dazu gehören vielmehr die genannten regionalen Netzwerke von Klein-, Mittel-und Großbetrieben, die universitären wissenschaftlichen Zentren, die im Ausbildungssystem produzierte hohe Produktionsintelligenz, eine ausgebaute Infrastruktur, der hohe Standard der Regulierung der Arbeit und der sozialen Sicherung und vor allem (noch) die hohe soziale und politische Stabilität. Diese regionalen Standortfaktoren, auf denen die hohe Produktivität in kontinental-westeuropäischen Ländern immer noch beruht, können zwar durch global sourcing der angesprochenen Art ergänzt oder auch -wie beschrieben -bedroht, aber vorerst noch nicht ersetzt werden. Die immer noch vorhandene produktive „Einbettung“ der Unternehmen in solche ökonomischen und sozialen Netzwerke der Region verbietet es auch, dem Kapital jene unbegrenzte Mobilität zu unterstellen, wie dies in der „starken Globalisierungsthese“ fast durchgängig geschieht. Aus den mit den „Globalisierungs-“ und „Entbettungsprozessen“ einhergehenden Marktturbulenzen und Währungsinstabilitäten, aus dem Trend zu vernetzten Produktionen, komplexeren Produkten und kürzeren Innovationszyklen könnte sogar umgekehrt geschlossen werden, daß die Einbettung in ein Kontinuität versprechendes Netzwerk der Region für die Unternehmen eine wichtige Innovationsvoraussetzung wird, weil eine solche Einbettung produktive Potentiale und Erwartungssicherheiten verspricht, auf deren Basis erst das „Mitspielen“ in einer globalisierten Konkurrenz möglich wird: Die Rückbesinnung auf die regionalen Potentiale wird hier Voraussetzung der Bewältigung der globalen Herausforderung.
VI. Der Staat als nationaler Wettbewerbsstaat -die Demokratie auf dem Rückzug
Mit der Internationalisierung des Geldkapitals und mit den internationalen Anlagestrategien der „global players“ (z. B.der TNKs) werden die Staaten und regionalen Staatenbünde (z. B. die EU) immer mehr zu Wettbewerbern um dieses Kapital, versuchen ihre Währung als Geldanlage-sphäre möglichst hart zu halten und die Staatshaushalte -zusätzlich unter dem Druck hoher Zinsen auf Staatsschuldtitel -einzuschränken, zu sparen. Der einzelne Nationalstaat (und dessen demokratische Verfaßtheit), der zuvor die äußeren Bedingungen des Marktes gesetzt und reguliert hat, droht jetzt zum Spielball internationaler Spekulation zu werden, droht seine Autonomie im internationalen „Casinokapitalismus“ zu verlieren -zumal dann, wenn die Politik aus diesem Konkurrenzdruck den fatalen Schluß zieht, die neuen Wettbewerbsbedingungen international nicht regulieren zu müssen, sondern im Zuge einer Deregulierungspolitik sich diesem Druck verstärkt aussetzt und versucht, seine Standort-, sprich: Kostenfaktoren gemäß diesen Wettbewerbsbedingungen zu verbessern.
Die Deregulierungspolitik der einzelnen Nationalstaaten und Staatenbünde seit Mitte der siebziger Jahre ist paradoxerweise sogar eine entscheidende Voraussetzung für jene Globalisierungsprozesse gewesen, die jetzt die Autonomie der Politik auszuhebeln drohen. Das Bemühen der nationalen Regierungen wiederum, auf die selbst freigesetzten Globalisierungstendenzen zu antworten, ergibt -ganz „Zauberlehrlinge“ -eine neue Form der Internationalisierung der Wirtschaftspolitik: nämlich die Internationalisierung des o. a. ruinösen Kostensenkungswettlaufs der nationalen Wirtschaftspolitiken nach unten. Es ist dies ein Nullsummenspiel, das dazu tendiert, in einem Negativsummenspiel zu enden, in dem zum Schluß alle Beteiligten ihre produktiven Ressourcen (Infrastruktur, Qualifikation, soziale und politische Stabilität) geopfert haben, um dann vor ökonomischen, sozialen und ökologischen Wüsten mit leeren Händen bzw. leeren Kassen, aber vollen Gefängnissen zu stehen. Da mit den wachsenden „Exit“ -Optionen auf der Kapitalseite die „kooperative Disziplinierung des Kapitals“ (Wolfgang Streeck) unterlaufen werden kann -eine Kooperation, die ja im Unterschied zu fordistischen Produktionsmodellen in den neuen, flexiblen Produktionskonzepten auch nicht mehr im bisher gekannten Maße erforderlich ist -, droht die Auf-kündigung des sozialstaatlichen Kompromisses, und die Fähigkeit der staatlichen und zivilgesellschaftlichen Regelsysteme zur Umverteilung nimmt ab
Jenseits dieses Wettbewerbsszenarios droht auf alle Fälle durch Prozesse der ökonomischen Globalisierung ein Souveränitätsverlust der Nationalstaaten der -da jenseits nationalstaatlicher Organisation demokratische Systeme eine soziokulturelle Basis vermissen lassen (die „Wir“ -Identität eines Volkes als „Souverän“) -auch in einem Verlust an Demokratie zu münden droht zugunsten einerseits der entfesselten Macht globalisierter Märkte und/oder andererseits tendenziell bürokratisierter supranationaler Apparate bzw.
wissenschaftlicher Expertengemeinschaften Die „Entgrenzung der Demokratie erschwert die Prozesse der demokratischen Willensbildung und politischen Identifikation. Sie erleichtert zugleich aber -auch deswegen -Prozesse bürokratischer (nicht-politisch politischer) Machtbildung und Entscheidungsfindung . . ,“
VII. „Re-embedding" als politische Aufgabe
Die dem „Globalisierungskomplex“ (Kurt Hübner) inhärente und gegenüber der Nachkriegsprosperität dramatisch veränderte gesellschaftliche Akteurskonstellation kann darin zusammengefaßt werden, daß durch die Öffnung von neuen, erweiterten Austrittsmöglichkeiten (,, Exit“ -Optionen) der Kapitalseite gegenüber der nationalstaatlichen Politik in den sozialstaatlichen Systemen und in den industriellen Beziehungen ein bis dahin unbekanntes Drohpotential zugewachsen ist. Dabei ist es die „Wirklichkeit der Möglichkeit“ (Ulrich Beck) eines Austritts aus dem sozialstaatlichen oder auch umweltpolitisch geregelten „Spiel“, die zählt, mit zwei wichtigen Einschränkungen: Nicht alle Akteure können gleichermaßen diese Möglichkeit in Anspruch nehmen, und nicht alle Akteure, die sie in Anspruch nehmen, könnten, nutzen sie auch Und diejenigen, die sie exzessiv nutzen, können auch mit hohen Opportunitätskosten in Form von Erwartungsunsicherheiten und Folgekosten konfrontiert sein. Insgesamt eröffnen sich damit Chancen für eine politische Intervention im Sinne der Gestaltung („governance“) des Globalisierungsprozesses.
Der Grund für die veränderten Akteurskonstellationen liegt im erhöhten Bewegungsspielraum des Kapitals, der wiederum eine wachsende Instabilität ökonomischer Prozesse zur Folge hat. Prozesse wachsender Instabilität und Unsicherheit produzieren aber auf Seiten gesellschaftlicher Akteure notwendigerweise auch politische und ökonomische Strategien, die mehr Sicherheit in der Unsicherheit verheißen. Historisch können z. B. Prozesse der Entbettung“ (disembedding) der Ökonomie, wie sie Karl Polanyi beschrieben hat, nicht absolut gesetzt werden; solche Entbettungsprozesse waren historisch immer auch zugleich Prozesse, die eine nachfolgende Wieder-Einbettung erzwungen haben: Die Durchsetzung der konkurrenzhaft vermittelten Eigentümergesellschaft der frühen bürgerlichen Gesellschaft provozierte z. B. jene „Herrschaft des Gesetzes“, die schon frühzeitig von Thomas Hobbes in seinem „Leviathan“ als Prozeß der „Einbettung“ der freigesetzten Marktkonkurrenten beschrieben wird; eine „Einbettung“, die in der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft durch Ergebnisse sozialer Konflikte und deren Festschreibung in Arbeits-und Sozialgesetzen immer weiter ausgestaltet wurde. Eine politische Antwort auf die hier beschriebenen ambivalenten Globalisierungsprozesse müßte daher ökonomische und politische „Wieder-Einbettungs-“ Strategien von Akteuren aufgreifen, unterstützen und vorantreiben, und zwar auf den verschiedenen Ebenen, auf denen Globalisierungsprozesse wirken: auf der Ebene der Region, der Nation, der regionalen Staatenbünde und auf der internationalen Ebene.
Daher kann eine „Wieder-Einbettung“ (re-embedding) durch Regulierung der sich dynamisch ver-selbständigenden internationalen Handlungsoptionen der ökonomischen und politischen Akteure als ein Ansatzpunkt und Ziel von Politik benannt werden, ein Ansatzpunkt, der nicht unproblematisch ist. Denn schließlich sind Formen regionaler Regulierungen (z. B. im Rahmen der EU) auch immer Formen sozialer Schließung gegenüber Dritten. Und selbst internationale oder gar globale Regulierungsformen können -wie die Auseinandersetzungen im Rahmen der WTO-Verhandlungen gezeigt haben -dann diskriminierenden Charakter haben, wenn sie trotz moralisch gut begründeter Ziele die unterschiedlichen Entwicklungsstände nationaler Ökonomien nicht berücksichtigen und auf materielle Ausgleichsmechanismen verzichten. Prozesse des re-embedding müßten also mit konkreter (redistributiver!) internationaler Solidarität verbunden werden, wenn, sie nicht neue Ungleichheiten produzieren sollen.
Eine solche internationale „Wieder-Einbettung“ in Form der Regulierung wird derzeit nicht zuletzt dadurch erschwert, daß ein „Staat“ als Regulationsinstanz auf dem Weltmarkt und damit die „Hobbessche Lösungsform“ nicht zur Verfügung steht und wohl auch -als „Weltstaat“ -gar nicht unbedingt wünschenswert ist. Entscheidende Akteurs-ebenen jenseits der Nationalstaaten sind daher Verhandlungssysteme, die zwar nicht einer direkten demokratischen Legitimation offenstehen, die aber eine eigenständige Legitimation auf Basis von Vetorechten beanspruchen können Und damit sind gemeint: erstens regionale Vereinbarungen zwischen bestehenden Staaten und innerhalb von Staatenbünden bzw. Wirtschaftsgemeinschaften (EU, Nafta, Mercosur), zweitens Verhandlungen im Rahmen internationaler Organisationen (WTO, ILO/OECD, IMF etc.) und drittens internationale Ad-hoc-Vereinbarungen (Rio, Montreal), die allerdings einzelnen Staaten („Dritten“) immer noch „Freerider“ -Optionen als Möglichkeit belassen. Zugleich sind diese hier angesprochenen Ebenen des Handelns gerade für Organisationen, die -wie Gewerkschaften -noch (und mit guten Gründen) den nationalen Politikarenen und Märkten verhaftet sind, nur schwer zugänglich und dies auch oft nur um den Preis, die Interessen ihrer Mitglieder nur noch schwer mit den Politikinhalten auf diesen scheinbar abgehobenen Ebenen vermitteln zu können. Nicht zufällig sind es daher Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), die auf diesen Ebenen sehr aktiv sind und über Ad-hoc-Kontrakte unter Zuhilfenahme des eigenen Drohpotentials (z. B.der Konsumentenmacht im ökologischen Diskurs sich als erstaunlich durchsetzungsfähig erweisen. Soziale und ökologische Mindeststandards als ein Inhalt der internationalen Regulierung könnten so einerseits Ergebnisse internationaler Verhandlungen sein, aber andererseits auch Ergebnisse der Auseinandersetzung der NGOs mit den Transnationalen Konzernen, die dann in Codes of Conduct (Verhaltensrichtlinien) auf der Konzernebene verankert werden (und dafür gibt es inzwischen viele positive Beispiele). Je weiter diese Verhandlungen von den nationalstaatlichen Systemen entfernt sind, desto mehr ersetzt das moralische Argument das ökonomische Interesse -weshalb sich auf diesen internationalen, ungeregelten Ebenen Organisationen wie Gewerkschaften schwertun. Dabei sind sie hier im ureigensten Interesse gezwungen, sich mit den anderen beteiligten Akteuren für bürgerliche Freiheitsrechte im internationalen Raum einzusetzen, um den Herausforderungen der Märkte Paroli bieten zu können
Im Globalisierungsdiskurs könnten so Inhalte politischer Regulierung reflexiv umformuliert werden. Denn die Globalisierungsdiskussion -dies hat Helmut Wiesenthal in einer soziologischen Annäherung an das Problem herausgestellt -vermittelt die Einsicht, „daß es keine wirkliche Externalisierung von Handlungsfolgen gibt und daß nach der Eroberung des globalen Raumes signifikante Fortschritte nur mehr per Intensivierung, qualitativer Innovation und Chancenausgleich möglich sind“ Vielleicht erweist sich diese Erkenntnis sogar als die größte Chance im „Globalisierungskomplex“.