I. Einleitung
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich als größtes EU-Mitglied seit dem Epochenwechsel 1989/90 am stärksten für die Annäherung der mittel-und osteuropäischen Reformstaaten an den Westen und seine Institutionen eingesetzt. Hierbei spielte die Heranführung an die Europäische Union als Garant für wirtschaftliche und politische Stabilität in Europa von Beginn an eine zentrale Rolle. Gleichwohl stehen viele EU-Partner Deutschlands einer Erweiterung der EU nach Osten skeptisch gegenüber Nicht zufällig faßte der Europäische Rat erst unter der deutschen Präsidentschaft bei seinem Gipfeltreffen im Dezember 1994 in Essen den Beschluß, nach Ende der 1996 einzuberufenden Regierungskonferenz Beitrittsverhandlungen mit den östlichen Reformstaaten zu beginnen. Im März 1998 startete die Europäische Union ihre Sondierungsgespräche für Beitrittsverhandlungen mit sechs von elf Bewerbern.
Bis zur Beitrittsfähigkeit der Reformstaaten bedarf es einer Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen: Sie reichen vom Umbau der Wirtschafts-und Rechtssysteme in den Reformstaaten über die schrittweise Öffnung der westlichen Märkte für osteuropäische Güter bis zu konkreten Hilfestellungen der EU oder ihrer Mitglieder in den Politikbereichen der Gemeinschaft. Die Europäische Union leistet ihren Beitrag durch Finanzhilfen und institutionalisierte Kooperationsmechanismen. Neben den Europaabkommen, über die die Reformstaaten mit der EU assoziiert wurden, sind dies der strukturierte Dialog, die intensivierte Heranführungsstrategie und die Beitrittspartnerschaften. Die EU-Kommission betonte aber auch wiederholt die Bedeutung der „regionalen Zusammenarbeit als Mittel zur Förderung von Stabilität, Sicherheit und Wohlstand sowie zur Stärkung des Integrationsprozesses in Europa“ Sie trage dazu bei, daß in Europa keine neuen Trennungslinien entständen.
Dieser Beitrag soll einen Einblick vermitteln, welche unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Reformstaaten neben den genannten EU-Aktivitäten existieren und welchen Beitrag diese Kooperation zur Annäherung der zukünftigen Partner aus Ost und West leisten kann. Im Vordergrund stehen dabei die Nachbarn Polen und Tschechien sowie die Politikbereiche Umwelt und Innere Sicherheit. Diese beiden Sektoren sind gerade auch für die Menschen in den Grenzregionen zwischen Ost und West nach Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ von besonderem Interesse, da sie am unmittelbarsten von grenzüberschreitenden Umwelt-und Sicherheitsproblemen betroffen sind.
Welche Bedeutung die Politikbereiche Umwelt und Innere Sicherheit bei der Beurteilung der Beitrittsfähigkeit spielen, machten die EU-Außenminister Anfang Oktober 1997 bei ihrem Treffen in Luxemburg deutlich: Sie stellten klar, daß von den Beitrittskandidaten noch erhebliche Anstrengungen insbesondere beim Umweltschutz und bei der Bekämpfung der Kriminalität erwartet würden Damit knüpften sie an die AGENDA 2000 -die Stellungnahme der EU-Kommission zur Osterweiterung vom Juli 1997 -an, in der diese betonte, daß die Bewerber neben dem Nachweis einer stabilen Demokratie und einer funktionsfähigen Marktwirtschaft auch in der Lage sein müssen, den gesamten Besitzstand der Union, den acquis communautaire, zu übernehmen Für die beiden untersuchten Kooperationsbereiche soll zunächst der Rahmen der existierenden Gemeinschaftsregelungen sowie die von der Kommission in der AGENDA 2000 angesprochene Problematik skizziert werden, bevor vor dem Hintergrund der vorhandenen Probleme auf den Stand der Kooperation zwischen Deutschland, Polen und Tschechien beim Umweltschutz und der Inneren Sicherheit, insbesondere auf regionaler Ebene, eingegangen wird.
II. Kooperation im Umweltbereich
1. EU-Rahmenbedingungen und Kommissionsforderungen laut AGENDA 2000
Die EU betreibt gemäß Art. 100 a, Art. 130 r-t sowie Art. 2 und Art. 3 k EG-Vertrag eine aktive Politik zum Schutz von Wasser, Klima, Luft, Boden, Tier-und Pflanzenwelt sowie Gemeinschaftspolitiken in den Bereichen Lärmbelästigung, Abfallentsorgung und Gefahren durch Chemikalien. Mit den negativen Folgeerscheinungen der Bmnenmarktliberalisierung -vor allem im Verkehrssektor bzw. im Transportwesen -gewann der Umweltschutz zusätzliche Bedeutung. Inzwischen gibt es über 200 Rechtsakte zum Thema Umwelt, die (langfristig) auch von den Beitritts-kandidaten umgesetzt und vollzogen werden müssen. In der AGENDA 2000 heißt es bezüglich des umweltpolitischen Niveaus der Bewerberstaaten u. a.: „Die Übernahme der UmweitVorschriften und -normen der Union ist von zentraler Bedeutung, doch kann -in Anbetracht der bestehenden Umweltprobleme und der erforderlichen massiven Investitionen -bei keinem Bewerberland davon ausgegangen werden, daß es dem Besitzstand in naher Zukunft entspricht . . . Nichtsdestotrotz sind Investitionen im Hinblick auf die Übernahme des Besitzstandes eines der vorrangigen Ziele der intensivierten Heranführungsstrategie.“
Die Aussichten für ein Erreichen der hohen EU-Umweltstandards durch die Bewerberstaaten scheinen nach Einschätzung der Kommission nicht sehr gut zu sein. Die enge Verflechtung beim Umweltschutz bietet jedoch gute Chancen für das ökonomische und politische Zusammenwachsen Europas d. h., daß auch die Westeuropäer ein Eigeninteresse an einem baldigen Erreichen „westlicher“ Umweltschutzstandards in Osteuropa haben müßten.. Die logische Folge wäre eine Unterstützungspolitik der osteuropäischen Reformstaaten durch die EU und ihre Mitglieder. Zwar soll die Umorientierung und Bündelung der PHARE-Mittel (das sind die EU-Hilfsprogramme zur Umgestaltung der Wirtschaft der osteuropäischen Länder) einen Beitrag zur Steigerung der Investitionen im Umweltsektor leisten, ihr Umfang ist jedoch begrenzt. Die Kommission weist deshalb auf die Notwendigkeit hin, weitere -auch private -Investitionen zu akquirieren 2. Hauptprobleme im Umweltsektor In den Reformstaaten existieren erhebliche Altlasten aus den Zeiten der Ost-West-Spaltung Europas. Beispielsweise wurden umweltgefährdende Einrichtungen -wie etwa emissionsintensive Kraftwerke -verstärkt im grenznahen Bereich angesiedelt. Sie stellen damit eine besondere Belastung für die Grenzregionen dar, die ohnehin zumeist ökonomisch vernachlässigt wurden. Ein zusätzliches Problem ist die veraltete Sicherheitsund Verfahrenstechnik in allen ehemaligen Ostblockstaaten. Das größte Umweltproblem in den osteuropäischen Reformstaaten -und damit auch in den Grenzregionen -ist die jahrzehntelange massive Luftverschmutzung, die sowohl eine starke direkte Gefährdung für die Gesundheit der Bewohner dieser Gebiete darstellt als auch über die Kontaminierung des Waldes, des Bodens und des Grundwassers negativ fortwirkt. Außerdem stellt die Verschmutzung der Grenzgewässer zwischen Deutschland, Polen und Tschechien -insbesondere von Oder, Neiße und Elbe -sowie der Ostsee eine große Umweltbelastung dar. In den meisten Gutachten gilt Tschechien als das Land, das am meisten unter der Luftverschmutzung und ihren Folgen leidet, da hier der Anteil der emissionsintensiven Braunkohle an der Gesamtenergieproduktion enorm hoch war und ist: Noch 1992 wurden 65 Prozent der Primärenergie aus Braunkohle gewonnen, und 75 Prozent der Elektrizität gingen daraus hervor. Die Kombination mit energieintensiver Schwerindustrie, die Anfang der neunziger Jahre noch 80 Prozent des tschechischen Stroms verbrauchte, verdeutlicht das tiefgreifende Problem
Bei der Schadstoffkonzentration durch Braunkohleverfeuerung gibt es innerhalb Tschechiens erhebliche Unterschiede: Anfang der neunziger Jahre war die Schwefeldioxid-Konzentration in Nord-Böhmen, an der Grenze zu Sachsen, zwanzigmal so hoch wie im ohnehin schon stark belasteten nationalen Durchschnitt. Damit handelt es sich bei dieser Umweltgefährdung um ein Nachbarschaftsproblem ersten Ranges. Allein der direkte Schaden wird auf Verluste von 100 Mio. Dollar jährlich im Agrarbereich und auf eine Vernichtung des Baumbestandes von 60 Prozent geschätzt. Nach UN/ECE-Angaben sind Polen und Tschechien in Europa die traurigen Spitzenreiter bei den Wald-schäden mit 54, bzw. 59, 7 Prozent geschädigter Waldfläche 9.
Der Hauptverursacher dieser grenzüberschreitenden Umweltgefährdung ist zwar die Tschechische Republik, sie ist an der Misere jedoch nicht alleine schuld. Vielmehr sind es auch „deutsche“ und „polnische“ Emissionen, die einen erheblichen Teil zur hohen Schadstoffkonzentration in den Grenzregionen beitragen Diese Klassifizierung von Emissionen nur nach ihrer nationalen Provenienz macht die Unsinnigkeit der gegenseitigen Aufrechnung und den dringenden Kooperationsbedarf im Umweltsektor deutlich.
Daß die Alternativen zur Braunkohle als Haupt-energieträger in der Region keineswegs gefahrlos sind, zeigt die von Tschechien gewählte Variante des Ausbaus seiner Atomenergiekapazität Diese kann zu einer neuen Bedrohung für seine Nachbarn werden. Im deutsch-tschechischen Verhältnis stellt daher die Diskussion um das Weiterbetreiben oder gar den Ausbau unsicherer Kernkraftwerkstypen, insbesondere der Druckwasserreaktoren des „Tschernobyl“ -Typs wie in Temelin, eine Belastung dar. Kontroversen gab es auch um die grundlegende energiepolitische Schwerpunktsetzung in Tschechien. Während die tschechische Regierung unter Ministerpräsident Klaus stark auf Atomstrom setzte, indem sie eine Modernisierung der sowjetischen Reaktoren mit westlicher Technologie des US-Unternehmens Westinghouse forcierte, versuchten die deutschen zusammen mit den österreichischen Nachbarn, die tschechische Regierung von dieser Strategie abzubringen. Bis 1996 sollte der Umfang des Atomstroms durch die beiden Reaktoren in Temelin mit ca. 2 000 Megawatt verdoppelt werden. Die ursprünglich für 1992 geplante Inbetriebnahme des Atomkraftwerks verzögert sich jedoch weiter und wird nach Angaben der tschechischen Energiegesellschaft CEZ nicht vor dem Jahr 2001 erfolgen können Wegen der zahlreichen Umplanungen -im Vergleich zur Planung 1986 blieb nur die Betonhülle gleich -, vor allem aber wegen der zweifelhaften Sicherheitsstandards des „gemischten“ Kraftwerkstyps ist die Rechtsbasis für eine Inbetriebnahme höchst fragwürdig. Die nur befristete Betriebsgenehmigung des ersten tschechischen Atomkraftwerks Dukovany verstärkt das Bild eines energiepolitisch und ökologisch unsicheren tschechischen Weges.Mit Polen gibt es im Umweltbereich neue Probleme durch die starke Zunahme der Schadstoff-emissionen aus dem grenzüberschreitenden Straßenverkehr (insbesondere dem Güterverkehr) zwischen Ost und West. Dadurch werden die erzielten Erfolge bei der Schadstoffreduzierung in der Luft z. T. wieder zunichte gemacht: Bei jährlichen Zuwächsen des Güterverkehrs von Prozent stiegen die Stickoxide allein in Brandenburg von 1990 bis 1993 um 42 Prozent, die Kohlendioxid-Emissionen um ca. 50 Prozent; seitdem blieben die Werte auf hohem Niveau fast unverändert. Für diese Emissionen wird eher noch ein Anwachsen denn eine Reduzierung erwartet, da die Pkw-Dichte in den Reformstaaten und damit auch der grenzüberschreitende Straßenverkehr noch zunehmen wird: Laut einer Ifo-Studie von 1996 wird die Pkw-Dichte in den Visegräd-Staaten bis 2005 um 50 Prozent steigen 15. 3. Kooperationsschritte und -erfolge in den umweltrelevanten Sektoren Über die Gremien, die durch die Nachbarschaftsverträge Deutschlands mit Polen und Tschechien eingerichtet wurden, gibt es eine zunehmend intensivere nationale und regionale Umweltkooperation Auf kommunaler Ebene bilden die Euro-regionen entlang der deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen Grenze den institutionellen Rahmen für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Einen Schwerpunkt der Arbeiten der Euro-regionenbilden kulturelle und bildungspolitische Projekte. Es gibt jedoch auch eine Vielzahl an kommunalen Umweltprojekten, die von den Euro-regionen initiiert wurden. Nicht unerheblich für die Realisierbarkeit der Gemeinschaftsprojekte in den Euroregionen ist die Förderung durch die Programme INTERREG II und PHARE der EU
Mit Polen existiert ein Regierungsabkommen zum grenzüberschreitenden Umweltschutz vom 7. April 1994. Auf dieser Basis arbeiten der deutsch-polnische Umweltrat, die Nachbarschafts-und die Raumordnungskommission. Ein positives Beispiel für die deutsch-polnischen Bemühungen ist das grenzüberschreitende Naturschutzgebiet an der Oder. Der deutsche Nationalpark Unteres Odertal soll zum grenzüberschreitenden deutsch-polnischen „Internationalpark Unteres Odertal“ erweitert werden. Neben gemeinsamen Umweltschutzmaßnahmen bildet die deutsche Unterstützung der polnischen Behörden bei der Rechtsangleichung und Schaffung EU-konformer Verwaltungsstrukturen durch deutsche Fachleute als Berater einen Schwerpunkt der Zusammenarbeit.
Weiterhin existiert ein Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern vom Mai 1992, durch den die deutsch-polnische Grenzgewässerkommission eingesetzt wurde. Auf regionaler Ebene gibt es darüber hinaus ständige Arbeitskontakte zwischen den Umweltministerien und den polnischen Wojewodschaftsämtern für Umweltschutz zum Erfahrungsaustausch und zur Problembesprechung 19. Beispiele für die für beide Seiten fruchtbare Umweltkooperation sind die gemeinsam geplanten und in Betrieb genommenen Kläranlagen in Guben-Gubin und Swinemünde. Hierdurch wurden die jährlichen Schadstoffeinleitungen in die Neiße bei Guben um 95 Prozent bzw. in die Ostsee bei Swinemünde um 6 000 Tonnen reduziert Im Oktober 1996 wurde nach langwierigen Verhandlungen das deutsch-tschechische Umweltabkommen abgeschlossen, in dem sich beide Seiten u, a. zur Verhütung bzw. Verringerung grenzüberschreitender Umweltbeeinträchligungen sowie zur umweltverträglichen Entwicklung der grenznahen Gebiete verpflichteten. Einmal jährlich tagt seitdem die gemeinsame deutsch-tschechische Umweltkommission. Unterhalb dieser Ebene wurden Arbeitsgruppen gebildet wie z. B. die „Hochrangige Arbeitsgruppe Luft“ oder die Arbeitsgruppe „Immissionsdatenaustausch“, die eine objektive und transparente Datenbasis bereitstellen sollen. Bereits 1995 wurde der deutsch-tschechische Grenzgewässervertrag unterzeichnet. Die daraufhin eingesetzten ständigen Ausschüsse beschäftigen sich mit der Wasserwirtschaft an den Grenzgewässern zwischen Deutschland und Tschechien, von denen es insgesamt 243 gibt. Ein großer Erfolg auf dem Gebiet der Wasserwirtschaft ist die Reduzierung der Abwassereinleitungen in die Elbe um 90 Prozent zwischen 1991 und 1996 durch die Errichtung von 126 großen kommunalen Kläranlagen auf deutscher und tschechischer Seite. Ausgangspunkt hierfür war das dreiseitige Abkommen über die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe •
Neben den genannten Beispielen für bilaterale Kooperationsschritte gibt es auch trilaterale Erfolge bei der Umweltzusammenarbeit. Ein solcher Schritt unter Einbeziehung der EU ist der Vertrag über die Internationale Kommission zum Schutz der Oder (IKSO), der am 1 I. April 1996 in Breslau zwischen den Regierungen Deutschlands, Polens und Tschechiens abgeschlossen wurde. Bereits erste Ergebnisse brachte die trilaterale Kooperation in der deutsch-polnisch-tschechischen Arbeitsgruppe „Schwarzes Dreieck“, an der die EU beteiligt ist Die Expertengruppe „Luftmonitoring“ baute in der von Bergbau-und Schwerindustrie geprägten Grenzregion mit 6, 3 Millionen Einwohnern ein grenzüberschreitendes Luftmeßnetz auf, wodurch Transparenz bei den Immissionswerten erreicht wurde. Die Expertengruppe „Waldschäden“ lieferte eine einheitliche Bestandsaufnahme der Waldschadenssituation und ihrer Veränderungen. Die Expertengruppe „UVP im Schwarzen Dreieck“ sorgt für eine einheitliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in den drei Staaten und damit für ein zukunftsorientiertes ökologisches Handeln in der Region.
Insgesamt konnte die Luftverschmutzung in den Grenzregionen seit Anfang der neunziger Jahre durch massive Anstrengungen erheblich reduziert werden. Die unsanierte tschechische Kraftwerks-leistung ist vom Winter 1991/92 von 4 190 Megawatt auf 530 im Winter 1997/98 zurückgegangen. Dies gelang durch erhebliche Investitionen in Filteranlagen für die grenznahen tschechischen Braunkohlekraftwerke. Hierdurch konnten die jährlichen Schadstoffemissionen allein an Schwefeldioxiden von 1991 rund 1 Mio. Tonnen auf knapp 200 000 reduziert werden Zu dieser Sanierung der tschechischen Kraftwerksleistung trug auch die Bundesregierung durch Finanzhilfen in Höhe von 84 Mio. DM zwischen 1992 und 1998 bei. Die nicht zu sanierenden Altkraftwerke Tusmice 1 und Ledvice wurden Ende 1998 abgeschaltet. Damit wird sowohl dem tschechischen Luftreinhaltegesetz als auch den europäischen Emissionsgrenzwerten bei Großkraftwerken Genuge getan
Im Bereich des Verkehrs gab es zwar regionale Entlastungen. Durch die Fertigstellung der Autobahnverbindung nach Polen in der Nähe von Frankfurt (Oder) wird ein Großteil des Verkehrs aus der deutschen Grenzstadt und ihrer polnischen Nachbarkommune Slubice herausgeleitet. Die Abgasemissionen in der Grenzregion, wie in Deutschland insgesamt, werden dadurch aber noch weiter steigen. Auch die Schaffung weiterer Straßengrenzübergänge zwischen Deutschland und Tschechien entlastet die bisherigen Grenzübergänge und stößt in den Grenzregionen wegen des intensiveren Wirtschaftsaustausches auf Zustimmung. Unter Umweltschutzgesichtspunkten bringen sie dem Erzgebirge aber neue Belastungen. Genauso zwiespältig sind die Fortschritte bei der generellen verkehrstechnischen Anbin-düng der Reformstaaten an die EU zu sehen. Im Rahmen der transeuropäischen Netze (TEN) werden durch Mittel aus dem PHARE-Programm, aus Krediten der Europäischen Investitionsbank und eigenen Anstrengungen der Reformstaaten insgesamt neun West-Ost-Verkehrskorridore gebaut, die für das Zusammenwachsen Gesamteuropas wichtig sind. Ein Beispiel hierfür ist die Straßenverbindung Berlin-Kiew über Dresden, Wroclaw, Katowice, Krakow und Lvov, deren Ausbau bereits weit fortgeschritten ist. Hiervon werden auch die Grenzregionen profitieren. In der deutschen Nachbarschaft wird dies u. a. die oberschlesische Industrieregion Katowice sein, die durch den Niedergang der polnischen Kohle-und Stahlindustrie ökonomisch schweren Schaden erlitten hat. Die kurzen Transportwege nach Deutschland werden daher für die Region zu einem wichtigen Standortvorteil bei der Umstrukturierung durch die Ansiedlung neuer Industrien
Die umweltpolitischen Folgen, die durch einen massiven Ausbau des Straßenverkehrsnetzes auftreten, werden aber zunächst kaum thematisiert. Zwar fließen die für 1998 von der EU-Kommission zur Verfügung gestellten Mittel zur Schaffung der transeuropäischen Verkehrsnetze zu über 60 Prozent in Eisenbahn-bzw. Kombiverkehrsprojekte gleichzeitig sucht die Kommission aber mit den beteiligten Staaten bisher vergeblich nach einem geeigneten Konzept, um vor allem den grenzüberschreitenden Güterverkehr stärker auf die Schiene zu verlagern. Da die in Deutschland registrierten Abgasemissionen aus dem Verkehr bereits zu über 50 Prozent vom grenzüberschreitenden Transport stammen, muß ein Schwerpunkt der Umweltschutzbemühungen in den Staaten Mittel-und Osteuropas bei der raschen Übernahme der strengen EU-Standards für Kfz-Abgase und Kraftstoffe liegen Eine erste Initiative in diese Richtung brachte die 1. ECE-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung vom 12. bis 14. November 1997 in Wien. Dort wurde über ein gesamteuropäisches Abkommen verhandelt, das die Teilnahme von Lkw und Bussen am internationalen Verkehr von der Einhaltung von Umweltgrenzwerten nach EG-Standard abhängig machen soll 4. Bewertung der umweltpolitischen Kooperation Im Umweltbereich hat sich die Situation im deutsch-polnisch-tschechischen Nachbarschaftsverhältnis seit Anfang der neunziger Jahre deutlich gewandelt. Alle Beteiligten haben die schwierige Ausgangssituation als gemeinsame Herausforderung angenommen und sind ihr durch koordiniertes Vorgehen begegnet. Zur kurzfristigen Entlastung erfolgten massive Investitionen von allen Seiten; zum zukünftigen schonenden Umgang mit der Ressource Natur wurden Strukturen errichtet, die ein auch langfristig kooperatives Handeln gewährleisten können. Diese Kooperationsstrukturen, die von der nationalen über die regionale bis zur kommunalen Ebene reichen, sind deshalb so wichtig, da jede Ebene unabhängig von den anderen durch die Verfestigung der gutnachbarschaftlichen Beziehungen das „Gebäude“ der Kooperation mit trägt. Hierdurch wirken sich unvermeidliche Verstimmungen auf der einen oder anderen Ebene weniger gravierend auf das Nachbarschaftsverhältnis insgesamt aus Die negativen umweltpo- litischen Folgen des Verkehrswachstums zwischen Ost-und Westeuropa -wie die Luftverschmutzung durch Autoabgase -können bilateral nur geringfügig beeinflußt werden. Die in ihrem Umfang stark gewachsenen Verkehrsströme mit ihren umweltschädigenden Begleiterscheinungen sind nur durch gesamteuropäische Maßnahmen kanalisierbar
In der Frage der Energiegewinnung aus Atomkraft hat sich die Situation unter Umweltschutz-gesichtspunkten seit Anfang der neunziger Jahre verändert. Aufgrund der gemeinsamen Sanierungserfolge im Bereich der tschechischen Kohle-kraftwerke ist die Fertigstellung des AKW Temelin aus Gründen der „sauberen“ Stromgewinnung und Deckung des Energiebedarfs nicht mehr notwendig. Diese veränderte energiepolitische Situation hat nach dem Sturz der Regierung Klaus, die keinerlei Diskussion über die Fertigstellung von Temelin zuließ, zu einem Nachdenken über Sinn und Notwendigkeit des AKW innerhalb der Übergangsregierung Tosovsky und der Regierung von Ministerpräsident Zeman geführt Ein weiterer Punkt, der in die begonnene Neubeurteilung der tschechischen Energiepolitik mit einfließen muß, ist die mit dem EU-Beitritt der Tschechischen Republik wirksam werdende Zuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) für die Versorgung mit Spaltstoffen und die Kontrolle der Sicherheit im Atomenergiebereich allgemein
III. Kooperation bei der Inneren Sicherheit
1. EU-Rahmenbedingungen und Kommissionsforderungen laut „AGENDA 2000“
In den Maastrichter Vertrag wurde dieser Politikbereich in die dritte Säule (Zusammenarbeit in der Innen-und Justizpolitik) des EU-Vertrages als Gegenstand intergouvernementaler Kooperation aufgenommen. Im Amsterdamer Vertrag von 1997 vereinbarten die EU-Mitglieder die Übernahme des Schengener Abkommens in den institutioneilen Rahmen der EU Bis zum Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages bilden der aus mehreren EU-Mitgliedern bestehende Schengen-Verbund in dem die Teilnehmer die Personenkontrollen an den Binnengrenzen aufgehoben und die Grenzkontrollen an ihren Außengrenzen massiv verstärkt haben, sowie die Maßnahmen zur Errichtung einer europäischen Polizeibehörde (EUROPOL) den wichtigsten Rahmen für die Kooperation der EU-Staaten mit den osteuropäischen Beitrittsbewerbern bei der Inneren Sicherheit.
Die hohe Kontrolldichte an den Außengrenzen des Schengen-Raumes bedeutet für die deutschen Nachbarn im Osten, daß neben der „Wohlstandsmauer“ aufgrund des ökonomischen West-Ost-Gefälles eine weitere Barriere zwischen der EU und den Reformstaaten entstanden ist. Gerade Polen und Tschechien, deren Grenze zu Deutschland am stärksten kontrolliert wird, müssen bemüht sein, dieses zusätzliche Mobilitätshinder-nis rasch zu überwinden. Hierzu müssen sie unter Beweis stellen, daß sie die strengen Anforderungen des Schengen-Systems erfüllen können und wollen.
Das entscheidende Kooperationsinstrument zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit der Schengen-Staaten ist das Schengen-Informations-System (SIS) mit Sitz des Zentralrechners in Straßburg. Mit diesem elektronischen Fahndungsverbund, der auch als „Schatztruhe für die europäischen Kriminalisten" gilt, können polizeirelevante Daten ausgetauscht und sekundenschnell abgerufen werden. Das SIS und die darauf aufbauende Effektivierung der polizeilichen Kooperation innerhalb der teilnehmenden EU-Staaten sollen durch die Errichtung einer europäischen Polizeibehörde (EUROPOL) mit Sitz in Den Haag erweitert werden. Tätigkeitsfelder von EUROPOL, dessen Aufbau auf deutsche Initiative hin auf dem Maastrichter Gipfel 1991 beschlossen wurde, sollen neben der Unterstützung der nationalen Behörden bei der Bekämpfung des Drogenhandels, der Geldwäsche und des internationalen Terrorismus die zentrale Auswertung polizeilicher Erkenntnisse zu grenzüberschreitenden Straftaten bei Autoverschiebung, Nuklearschmuggel, Schleuserkriminalität, Menschenhandel und Kindesmißbrauch sein. Neben den nationalen Ermittlungsbeamten sollen die EUROPOL-Beamten durch die Datenauswertung die Netzwerke der Organisierten Kriminalität aufdecken und langfristig eine europäische Strategie zur gemeinsamen Verbrechensbekämpfung entwickeln
In der AGENDA 2000 heißt es zur Inneren Sicherheit u. a.: „Alle Bewerber stehen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, vor der Herausforderung der Bekämpfung von organisiertem Verbrechen, Terrorismus, Menschenhandel und Rauschgifthandel . . . Bereits jetzt machen sich die Auswirkungen dieser Faktoren in der Union bemerkbar. Die Unionserweiterung bietet jedoch eine Gelegenheit, gemeinsame Probleme in diesen Bereichen, die sowohl die gegenwärtige Union als auch die Beitrittsländer betreffen, wirksamer anzugehen.“
Bei der Beitrittsfähigkeit der Reformstaaten hinsichtlich der Inneren Sicherheit ist das Urteil der Kommission in der AGENDA 2000 sehr viel moderater als bei der Umweltpolitik; hier hat die EU selbst noch große Probleme. 2. Hauptgefährdungspotentiale für die Innere Sicherheit Illegale Migration
Mit 52, 51 Prozent der 1996 in der EU neu registrierten Asylbewerber trägt Deutschland mit großem Abstand die Hauptlast aller Aufnahmeländer in Europa Die Gesamtzahl der offiziellen Flüchtlinge und Asylbewerber veranschaulicht die Größenordnung des Migrationsproblems; sie betrug in Deutschland 1996 rund 1, 6 Mio. Hinzu muß die Zahl illegaler Zuwanderer in unbekannter Größenordnung gerechnet werden. Bei der illegalen Einreise nach Deutschland bildet seit Jahren die deutsche Ostgrenze zu Polen und Tschechien mit einer Gesamtlänge von 1 264 km den Schwerpunkt. Hier hat die Schleuserkriminalität kontinuierlich stark zugenommen. Die Schleuserbanden sind so gut organisiert und versiert, daß selbst das europaweit dichteste Kontrollnetz des Grenzschutzes in Sachsen mit 5 800 BGS-und 3 100 weiteren Grenzschutzbeamten angesichts des nur zu schätzenden Umfangs von Menschenschmuggel von Ost nach West lediglich marginale Erfolge liefern kann Von deutscher bzw. EU-Seite wurde in die- sein Zusammenhang vor allem die liberale polnische Einreisepraxis an seiner Ostgrenze kritisiert, die es Einreisewilligen nach Westeuropa ermöglicht, relativ problemlos bis zur EU-Ostgrenze zu gelangen
Seit der Asylrechtsänderung in der Bundesrepublik 1993 ist die Gefahr sozialen Sprengstoffs durch Migranten auch für die beiden deutschen Nachbarn angestiegen. Durch die deutsche Klassifizierung Polens und Tschechiens als sichere Drittstaaten im Sinne des deutschen Asylrechts -an sich ein Qualitätssiegel für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit -änderte sich deren Rolle in den Ost-West-Wanderungsbewegungen: Sie wurden von Transfer-zu Zielländern.
Organisierte Kriminalität Durch die Organisierte Kriminalität (OK) besteht neben den direkten Schäden in außerordentlicher Höhe die Gefahr der Unterwanderung der demokratischen Strukturen in Wirtschaft und Politik. Dies gilt für die stabilen Demokratien in Westeuropa und in noch stärkerem Maße für die jungen Demokratien Osteuropas. Ein EU-Lagebericht aus dem Jahr 1996 kommt zu dem Ergebnis, daß die Organisierte Kriminalität eine zunehmende internationale Dimension hat, die den Kooperationserfolgen der EU-Mitglieder weit voraus ist Obgleich unbestritten ist, daß grenzüberschreitende Kriminalität nur international bekämpft werden kann, fehlt es hier noch an wirkungsvoller Zusammenarbeit. Bisher können zwar innerhalb der EU Waren und Geld weitgehend unbehindert die Grenzen überschreiten, Justiz und Polizei dürfen jedoch nicht über diese hinaus handeln.
Wie dringend auch hier eine Intensivierung der Ost-West-Kooperation ist, sollen einige Beispiele illustrieren. Beim Waffenhandel spielen die östlichen Nachbarstaaten nicht nur als Transfer-, sondern auch als Herkunftsländer eine bedeutende Rolle Beim Drogenhandel (vor allem Heroin) existiert eine gesamteuropäische „Arbeitsteilung“: Die mittel-und osteuropäischen Staaten haben eine wichtige Funktion als Sammel-und Lagerplätze für die überwiegend türkischen Händler-ringe. Im Westen ist Frankreich die Haupt-operationsbasis. Neben der Unterwanderung demokratischer Strukturen bedeutet die Organisierte Kriminalität eine massive wirtschaftliche Schwächung der Staaten. Allein der Ausfall an Tabak-und Umsatzsteuer durch den meistens über Osteuropa laufenden Zigarettenschmuggel wird in der Bundesrepublik auf jährlich rund 1, 2 Mrd. DM geschätzt; bei rund 20 Mrd. DM Tabaksteuereinnahmen ist dies ein beträchtlicher Anteil Hinzu kommt, daß mit den Erlösen die Aktivitäten der Organisierten Kriminalität in Deutschland weiter verstärkt werden.
Die absurde Kooperationspraxis bei Kfz-Verschiebungen ist ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit gemeinsamer Maßnahmen: Polnische Polizisten dürfen einen Verdächtigen nur 48 Stunden festhalten. Wegen fehlenden Zugangs zu den westlichen Informations-und Kommunikationsmechanismen müssen Anfragen auf dem Dienstweg über die Hauptkommandantur in Warschau und das Bundeskriminalamt in Wiesbaden an die lokale deutsche Polizeidienststelle gestellt werden -mit dem Ergebnis, daß die Verdächtigen wieder auf freiem Fuß sind, bis eine Antwort eintrifft Das Beispiel zeigt, daß die Kooperationsgeschwindigkeit den Verhältnissen völlig unangemessen ist. 3. Kooperationsschritte und -erfolge bei der Inneren Sicherheit Ein multilateraler Schritt zur Einbeziehung der mittel-und osteuropäischen Staaten in die Maßnahmen zur Stärkung der Inneren Sicherheit in Gesamteuropa war die Bildung der Arbeitsgemeinschaft für polizeiliche Zusammenarbeit in Mittel-und Osteuropa (AG Polmoe) im Dezember 1996 auf Initiative des seinerzeitigen Innenministers von Mecklenburg-Vorpommern, Rudi Geil (CDU), zur wirkungsvolleren Bekämpfung osteuropäischer Banden u. a. in den Bereichen Men-schenschmuggel, Rauschgift-, Alkoholschmuggel und Kfz-Verschiebung. Konkret soll das Gremium zum regelmäßigen Informationsaustausch mit halbjährlichen Treffen dienen, ein gemeinsames Frühwarnsystem schaffen und die Bekämpfungsstrategien abstimmen
Hinsichtlich der Migrationsproblematik gab es bereits erste gemeinsame europäische Initiativen. Bei einem Treffen von Innenministern aus rund 40 europäischen Staaten am 15. Oktober 1997 in Prag einigten sich diese auf einen Empfehlungskatalog von 55 Maßnahmen, die von der engeren Kooperation bei illegalen Grenzübertritten bis zur beabsichtigten Strafverschärfung bei Menschenschmuggel reichen. Die Staaten der EU sicherten den Reformstaaten zudem ihre Unterstützung bei der Bekämpfung der illegalen Migration und der damit verbundenen Kriminalität zu
Bilateral gibt es sowohl zwischen dem Bund als auch den an die Beitrittskandidaten grenzenden Bundesländern erste Kooperationsschritte mit Polen. Am 6. November 1991 schloß die Bundesregierung mit Polen ein Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ab, dem am 7. Mai 1993 das Abkommen zur Zusammenarbeit hinsichtlich der Auswirkungen von Wanderungsbewegungen folgte. Am 5. April 1995 wurde das deutsch-polnische Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit der Polizei-und Grenzschutzbehörden in den Grenzgebieten unterzeichnet. Damit soll die unmittelbare grenzüberschreitende Kooperation bei der Verbrechensbekämpfung verbessert werden. Auf dieser Rechtsgrundlage finden auf polizeilicher Arbeitsebene von Sachsen aus regelmäßige Arbeitstreffen zum Informationsaustausch über die Sicherheitslage im Grenzbereich mit den benachbarten Wojewodschaftskommandanturen der polnischen Polizei statt. Durch das Regierungsabkommen wurde die bereits vor 1995 betriebene Kooperation der Polizeibeamten rechtlich abgesichert Das Abkommen regelt erstmals die polizeiliche Kooperation im Grenzgebiet über eine
EU-Außengrenze hinweg; es hat damit Pilotfunktion. Mit den Wojewodschaften Jelenia Gora und Zielona Gora ist von Seiten der sächsischen Polizei auf der Basis des Regierungsabkommens auch eine grenzüberschreitende Observation und Fahndung geplant, ohne daß jedes Mal eine Sondergenehmigung des Innenministeriums eingeholt werden muß
In den deutsch-tschechischen Beziehungen steht das Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit der Polizei-und Grenzschutzbehörden in den Grenzgebieten noch aus, obwohl es bereits langwierige Verhandlungen gab. Für die bereits praktizierte deutsch-tschechische Polizeikooperation in der Grenzregion zwischen Sachsen, Nord-und Westböhmen existiert somit immer noch die unbefriedigende Rechtsunsicherheit, obgleich das bilaterale Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bereits seit 29. September 1992 in Kraft ist
Ein besonderer Schritt zur gemeinsamen Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist die direkte polizeiliche Zusammenarbeit bei der Aus-und Fortbildung von deutschen, polnischen und z. T. auch tschechischen Polizisten. Ein wichtiges Element ist die Sprachausbildung, bei der die Deutschen einen viel größeren Nachholbedarf haben als ihre Nachbarn. Durch die verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten der grenznahen Polizeireviere soll die Effektivität der Verbrechensbekämpfung deutlich gesteigert werden. Ein Beispiel hierfür ist die Arbeit an der sächsischen Fachhochschule für Polizei in Rothenburg, wo Sprachkurse und multinationale Seminare -u. a. zur internationalen Kfz-Verschiebung oder zur Wirtschaftskriminalität -stattfinden 4. Bewertung der justitiellen und polizeilichen Kooperation Bei der Inneren Sicherheit zeigt sich deutlich die Unsicherheit der EU-Staaten im Umgang mit den neuen Herausforderungen und das Mißtrauen gegenüber der Verläßlichkeit und Kompetenz der östlichen Reformstaaten. Die positiven Erfahrun-gen bei der praktischen Kooperation im Grenzbereich, aber auch bei der Abstimmung innerhalb gemeinsamer Gremien zwischen West-und Osteuropäern tragen jedoch zu einer realistischen Sichtweise bei. Die im sächsisch-polnisch-tschechischen Grenzgebiet gefundenen praktischen Lösungen sind auch bei der EU-Kommission als Beitrag zur Inneren Sicherheit positiv aufgenommen worden
Auch von Seiten der Schengen-Mitgliedstaaten werden die Reformstaaten stärker in die Zusammenarbeit miteinbezogen. Bei der Konferenz der Schengen-Staaten im September 1998 auf dem Petersberg bei Bonn übergab der damalige Bundesinnenminister Kanther den EU-Beitritts-kandidaten das „Schengen Handbuch“ mit den wichtigsten Regelungen. Ein von den Schengen-Staaten eingesetzter Ausschuß soll in den Beitritts-ländern klären, wo die Defizite bei der Erlangung einheitlicher Sicherheitsstandards liegen
Obwohl die EU-Beitrittskandidaten bemüht sind, möglichst rasch Anschluß an den Schengen-Verbund zu bekommen, wird den verantwortlichen Regierungen deutlich, daß die Erfüllung bestimmter Bedingungen -wie z. B. die Einführung der Visumpflicht für Bürger aus Drittstaaten -die Gefahr der Abschottung gegenüber den Nachbarn im Osten mit sich bringen wird. Damit einher ginge die Beschneidung des regionalen Wirtschafts-und Kulturaustausches
IV. Schlußfolgerungen
Auf der formellen, also vertraglichen Ebene sind die Nachbarschaftsbeziehungen zwischen Deutschland, Polen und Tschechien in den Bereichen Umweltschutz und Innere Sicherheit neun Jahre nach dem Umbruch in Europa bereits weit fortgeschritten. Die regionale Kooperation an der Grenze zwischen Ost und West hat zu wichtigen Teilerfolgen geführt und vor allem psychologisch das Klima der Zusammenarbeit verbessert. Die Fortschritte in diesen problembeladenen Politikbereichen sind von enormer Bedeutung. Würde die Kooperation nur im kulturellen Bereich Früchte tragen -die bekannten Beispiele der Europa-universität Viadrina in Frankfurt/Oder, des Sächsisch-Böhmischen Musikfestivals oder des deutsch-tschechischen Gymnasiums in Pirna stehen stellvertretend für unzählige Projekte -, wäre sie nur bedingt zukunftsträchtig.
Beim Umweltschutz gab es sowohl aufgrund umfangreicher Investitionen in moderne Umweltschutztechnik wie auch durch die vielen erfolgreichen regionalen Initiativen enorme Fortschritte. Die Ausgangsbasis für eine kooperative Lösung der verbliebenen Probleme und der neuen Aufgaben ist deshalb gut. Hierfür sollte -unter Einbeziehung der EU -das Potential des Umweltschutzes als „Motor und Innovator bilateraler Beziehungen“ gezielt eingesetzt werden Die neuen umweltpolitischen Herausforderungen durch das starke Anwachsen der transeuropäischen Verkehrsströme erfordern gesamteuropäische unter Führung der EU.
Die zunehmend intensivere Kooperation bei innenpolitischen Fragen zwischen Ost und West und insbesondere zwischen den deutschen Bundesländern und den benachbarten Reformstaaten zeigt, daß die praktische Zusammenarbeit bei der verstärkten Wahrnehmung des grenzüberschreitenden Charakters der Probleme durchaus rasch erfolgen kann. Die daraus resultierenden regionalen Kooperationserfahrungen können die Basis für eine umfassendere Zusammenarbeit auf nationaler und gesamteuropäischer Ebene bilden. Die Intensivierung persönlicher Kontakte auf der unte- ren Arbeitsebene ist außerordentlich wertvoll, weil nur so das notwendige Vertrauensverhältnis im sensiblen Bereich der Inneren Sicherheit geschaffen werden kann.
Bei der Inneren Sicherheit muß es die Strategie der Westeuropäer sein, alle östlichen Nachbarstaaten möglichst frühzeitig in die polizeiliche Arbeit des Schengen-Verbundes und von EUROPOL einzubeziehen, da der Schutz vor international agierenden kriminellen Organisationen nicht erst innerhalb der EU beginnen kann. Die Aktivitäten sollten bereits in den Nachbarstaaten und dort verstärkt in den Grenzregionen ansetzen, die der Organisierten Kriminalität als Transferbereiche und Aktionsbasen dienen. Für ein erfolgreiches Vorgehen müssen sicherheitsrelevante Mängel in den Bewerberstaaten rasch beseitigt werden.
Abschließend ist festzuhalten, daß die regionale Kooperation der unmittelbar von der EU-Osterweiterung Betroffenen als Gradmesser der Integrationsbereitschaft auf beiden Seiten besonders wichtig ist. Würde diese Zusammenarbeit nicht funktionieren, könnte die nationale und gemeinschaftliche Politik nicht mit Leben erfüllt werden. Für Deutschland ist das Funktionieren dieser regionalen Kooperation von doppelter Bedeutung: zum einen, weil sich die Probleme -sei es die Umweltverschmutzung oder die Organisierte Kriminalität -an den Grenzen zu den östlichen Nachbarn regional und national bemerkbar machen; zum anderen, weil es seit 1990 offizielle deutsche Politik ist, die mittel-und osteuropäischen Staaten an die EU heranzuführen. Wenn schon in Deutschland die Kooperation mit den östlichen Nachbarn nicht klappen würde, wäre eine Osterweiterung den skeptischen EU-Mitgliedern kaum zu vermitteln. Je früher und intensiver die Zusammenarbeit zwischen den Beitrittskandidaten und allen EU-Mitgliedern gelingt, desto besser ist es für alle Europäer. Denn erfolgreiche Verbrechensbekämpfung in Polen oder niedrige Emissionswerte in Tschechien sind nicht nur für Brandenburger und Sachsen oder die Deutschen insgesamt wichtig, sondern genauso für alle anderen EU-Bürger.