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Deutschland vor und seit der Wende. Von der Kenntnis zur Anerkennung der Verschiedenheiten | APuZ 51/1998 | bpb.de

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APuZ 51/1998 Von Bismarck zu Hitler Kontinuität und Kontinuitätsbegehren in der deutschen Geschichte Überwindung des „deutschen Sonderweges“? Zur politischen Kultur der Deutschen seit dem Zweiten Weltkrieg Deutschland vor und seit der Wende. Von der Kenntnis zur Anerkennung der Verschiedenheiten

Deutschland vor und seit der Wende. Von der Kenntnis zur Anerkennung der Verschiedenheiten

Peter Steinbach

/ 18 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Bekenntnisse zur deutschen Einheit haben nicht selten verhindert, daß die sozialgeschichtlichen Folgen der vierzigjährigen Teilung aufmerksamer in den Blick genommen wurden. Man stritt über Begriffe und „Phänomene“, die zugleich von der Lebenswirklichkeit im geteilten Deutschland ablenkten. Vierzig Jahre deutscher Nachkriegsgeschichte bedeuten vier Jahrzehnte deutscher Teilung, mit allen Folgen für Mentalitäten, soziale Strukturen und Wertvorstellungen. Nur ein offener Blick, eine vertiefte Kenntnis der Transformationsvoraussetzungen kann den nach wie vor schwierigen mentalen wie problemorientierten Übergang vom Zusammenbruch der DDR zur Vereinigung der beiden deutschen Teilgesellschaften erleichtern. Zu oft wird übersehen, daß sich in den beiden Teilen Deutschlands nicht nur unterschiedliche Mentalitäten aufgrund z. T. völlig verschiedener Sozialisationsbedingungen herausgebildet haben; die jeweils anderen Lebenserfahrungen und zeithistorischen Sichtweisen haben auch Identitäten mit unterschiedlichen Orientierungen und Werten begründet. Die deutsche Einheit erfolgte zwar verfassungsrechtlich durch den Beitritt der neuen Bundesländer zum Geltungsbereich des Grundgesetzes, ferner durch die Übernahme der Wirtschafts-und Sozialordnung. In langen Jahrzehnten geprägte Erfahrungen und Mentalitäten können und dürfen dabei jedoch nicht gegenstandslos werden oder unbeachtet bleiben. Die begonnene gemeinsame politische Kultur erfordert es, wechselseitig die Entstehungsgeschichte der Verschiedenheiten zu kennen, um sie anerkennen zu können.

I.

Zum Zeitpunkt der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurde nach vielen Jahren eine nicht ganz ernst gemeinte Frage aus den sechziger Jahren geradezu von der Realität eingeholt: Vor mehr als zwanzig Jahren hatten Münchener Kabarettisten nämlich angeregt, neben dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen auch eines für gesamtdeutsche Antworten zu schaffen. In der Tat: Nach der ersten Überraschung über den Zusammenbruch des SED-Staates und im Anschluß an die erste Freude tat sich eine gewisse Lücke auf. Denn es gab keinerlei Vorbereitung auf die Probleme, die sich im Zuge der Wiedervereinigung stellen mußten -und dies, obwohl doch viele Jahrzehnte lang öffentlich immer wieder die Vereinigung der beiden deutschen Staaten beschworen worden war.

Zunächst traute man sich zu. mit schier unerschöpflichen Finanzmitteln in kurzer Zeit blühende Landschaften zu schaffen. Als aber deutlich wurde, daß vierzig Jahre sozialistischer Umgestaltung tiefe Spuren hinterlassen hatten, flüchtete man sich nach 1989 vielfach in politischen Aktivismus; jetzt war fast nur noch von einer notwendigen „Transformation“ die Rede. Dabei konnte es nicht allein um die Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen gehen, auch nicht um die Umwandlung von Hochschulen oder die Entstehung sogenannter intermediärer Institutionen, die Interessen artikulieren und politische Entscheidungen ermöglichen sollten. Es hätte vielmehr vor allem darauf ankommen müssen, die in mehreren Jahrzehnten entstandenen sozial-und mentalitätshistorischen Voraussetzungen der für Ostdeutschland notwendigen Transformation überhaupt präzise zu erfassen.

Es ging um die Vereinigung zweier deutscher Teil-gesellschaften, von denen sich die eine als amerikanisiert und verwestlicht empfand, die andere einen sich über Jahrzehnte erstreckenden Umbau hinter sich hatte, der die Gesellschaft und das Individuum ganz anderen Einflüssen ausgesetzt hatte. Neuerdings analysiert man sie als Ausdruck einer „Sowjetisierung“ der Strukturen, der Lebensstile und der Wertvorstellungen. Als Schlagworte greifen beide Begriffe -Amerikanisierung wie Sowjetisierung -ohne Zweifel zu kurz. Zugleich aber treffen sie eine wichtige Grundvoraussetzung der Vereinigung: die Notwendigkeit, zwei ganz unterschiedliche deutsche Teilgesellschaften im Zuge eines weit über das Politische hinausgehenden sozialgeschichtlichen Prozesses zusammenzuführen. Marktwirtschaftliche Verhältnisse lassen sich nicht durch eine politische Proklamation herstellen. Sie müssen von den Menschen akzeptiert und verwirklicht werden. Diese mußten und müssen sich auf eine außerordentliche Weise neuen Denk-und Entscheidungsstrukturen anpassen. Dabei geht es nicht nur um Begriffe -etwa soziale Marktwirtschaft hüben, Fürsorgestaat oder autoritärer Sozialstaat drüben, auch nicht nur um Befindlichkeiten, um Animositäten oder Sympathien. Es geht vielmehr um die Fähigkeiten, den Vereinigungsprozeß dynamisch und aktiv zu gestalten, zugleich aber die millionenfachen Brüche in den Biographien nicht aus dem Auge zu verlieren.

Vielleicht hätte ein Blick in die Geschichte geholfen, die notwendigen Veränderungen zu erleichtern und manche Strukturprobleme -etwa die Frage nach der Verfügungsgewalt über Grund und Boden -anders zu regeln. Betrachtet man etwa die vergangenen Jahrhunderte seit der Reformation, so lassen sich Veränderungen und Anpassungen durchaus als immerwährende Geschichte von Eigentumsumwälzungen deuten: Die Reformation mündete in die Enteignung kirchlichen Grundbesitzes, die Französische Revolution brachte dem alten Adel die Vertreibung von seinem Besitz, und auch die Säkularisation am Beginn des 19. Jahrhunderts hatte eine weitreichende Besitzumwälzung zur Folge. Insofern stand auch die Bodenreform des Jahres 1945 in einer Tradition revolutionärer Umgestaltung durch die Zerstörung von Agrarstrukturen, die sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert als Belastung der Demokratisierung erwiesen hatten. Gewiß: Die Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten vollzog sich verfassungsrechtlich als Beitritt der neuen Länder zum Geltungsbereich des Grundgesetzes. Dies hatte Konsequenzen auch für die Eigentumsverhältnisse und bedeutete unvermeidlich eine strukturelle und institutioneile Anpassung an das „Beitrittsgebiet“. Zugleich ging es aber um mehr -nämlich u. a. um Mentalitäten, um ein verändertes Staats-und Politikverständnis, um ein völlig unterschiedliches Sozialsystem und damit auch um veränderte Zukunftsvorstellungen. Nicht darüber stritt man aber, sondern die Parteipolitik mit ihren eigenen Zielsetzungen schien zunächst alles andere zu überlagern.

Im Wahlkampf vom März 1990 hatten die Parteien des Westens mit überwältigender Macht demonstriert, was dies bedeutete. In diesem ersten freien Wahlkampf der DDR artikulierten sich weniger die Interessen der (zukünftigen) Vereinigungsgesellschaft, hier diskutierte man keine Zukunftsentwürfe, hier schien sich vielmehr das westdeutsche Parteiensystem selbst zu klonen. Und der Bundestagswahlkampf von 1994 verstärkte diesen Trend. Wahlen bieten, das Beispiel der Bundesrepublik in den fünfziger Jahren zeigte es, nach dem Sturz einer Diktatur der Bevölkerung in der Regel die Chance einer allmählichen Anpassung an neue, „postdiktatorische“ Wertstrukturen. Die ersten Jahre des Vereinigungsprozesses -im „Zeitraffertempo“ absolviert -ließen dafür offenbar keinen oder nur wenig Raum.

In Demokratien gilt, daß jedem Mitmenschen zugestanden wird, „politikfähig“ zu sein. Dies setzt politisches Vertrauen selbst gegenüber dem Andersdenkenden voraus. Mißtrauen gilt seit Jefferson als Grundelement der Demokratie, weil es sich gegen die Herrschenden, gegen einen möglichen Machtmißbrauch, richtet. Man kontrolliert die Eliten und versucht sie -etwa über die öffentliche Meinung -auf vielfache Weise zu beeinflussen. Ertappt man sie bei Fehlern, so bestätigt das die eigenen Grundüberzeugungen, erschüttert aber nicht das Staats-und Demokratieverständnis. In Diktaturen kehrt sich diese Sichtweise um. Die Untertanen werden aufgerufen, ihrer Führung zu vertrauen, ihren Mitbürgern aber wachsam und mißtrauisch zu begegnen. Durch die „westlich“ geprägten Wahlkämpfe wurde die Möglichkeit einer Umorientierung politischer Gewohnheiten und Sichtweisen fast vertan, weil die Wahlauseinandersetzungen aus dem Westen in den Osten verlängert wurden.

Auch aus diesem Grunde erlahmte bald das Interesse vieler Ostdeutscher an der Bewältigung ihrer Geschichte. Dies zumal, als sie sich nicht nur auf die Auseinandersetzung mit dem Ministerium für Staatssicherheit konzentrierte, sondern bald auch Bereiche umfaßte, aus denen nicht wenige DDR-Bürger einen Rest ihres Selbstbewußtseins zogen: Ob Antifaschismus, Demokratisierung der Bildung, polytechnische Erziehung, Kindergärten, Arbeitsplatzsicherheit und Wohnungsversorgung, Fernstudium oder Facharbeiterqualifikation -fast alles schien entwertet.

Alle Beschwichtigungen angesichts unbestreitbarer Erfolge bei der Entstehung des vereinten Deutschland können nicht verbergen, daß die mentalen Probleme bei der Vereinigung gravierender als befürchtet waren. Bärbel Bohleys Klage, sie hätte Gerechtigkeit gesucht und den Rechtsstaat bekommen, legte ein solches Symptom frei. Mit der Vereinigung begann für manchen Ostdeutschen die Reise in eine in vieler Hinsicht fremde Gesellschaft, in einen fremden Staat, in eine Zukunft, die als unsicher zu empfinden keineswegs mit Kleinmut gleichzusetzen war. Spezifische Wahlergebnisse, unterschiedliche politische Prioritäten, Fernsehgewohnheiten, selbst die Werbeslogans der Wirtschaft machen dies deutlich.

Historiker, Kultur-und Sozialwissenschaftler widmeten sich -trotz intensiver Studien zumal in der empirischen Sozialforschung -zu wenig der Aufgabe, die beiden deutschen Teilgesellschaften mentalitätsgeschichtlich in ihrer Unterschiedlichkeit wahrzunehmen. Dies führte nicht selten zu verletztenden Debatten, etwa über die Gleichsetzung von roter und brauner Diktatur. So verstärkten sich die Versäumnisse, die auch Ergebnis einer allzusehr vernachlässigten deutsch-deutschen Nachbarschaft waren. Diese hatte zunehmend nur die DDR-Forscher interessiert, die an den „Materialien zur Lage der Nation“ arbeiteten, von ganz wenigen Ausnahmen wie Hermann Weber und Karl Wilhelm Fricke abgesehen. Nicht, daß jetzt überheblich zu beklagen wäre, daß sich vor 1989 offensichtlich kein ernst zu nehmender Wissenschaftler oder Publizist mit der Frage beschäftigt hatte, wie man die beiden deutschen Gesellschaften im Zuge einer staatlichen Vereinigung zusammenführen könnte. Zu beklagen ist lediglich, daß noch Jahre nach der Wiedervereinigung klärende Fragen nach den sozialgeschichtlichen Voraussetzungen des Übergangs von einer Gesellschaft zur anderen nicht gestellt wurden.

Selbst diejenigen, die nicht müde wurden, sich öffentlich zur Aufgabe der Wiedervereinigung zu bekennen, hatten keine Vorstellung von den Schwierigkeiten, die nach 1989 tatsächlich zu bewältigen waren. Sie beklagten „deutsche Irrtümer“, ohne sich einzugestehen, daß auch sie keine Lösungen hatten. Dabei war der Start zunächst bemerkenswert. Innerhalb von wenigen Wochen wurde der Vereinigungsvertrag ausgehandelt und die Voraussetzung für eine staatliche Vereinigung geschaffen. Sie betraf vor allem aber die öffentliche Verwaltung. Manches glückte, etwa die Zusammenführung von Nationaler Volksarmee und Bundeswehr, der Aufbau einer Arbeitsverwaltung, die Institutionalisierung des Sparkassensystems und anderes mehr. Anderes -insbesondere die dauerhafte Sicherung von Arbeitsplätzen durch einen wirtschaftlichen Strukturwandel -stieß auf schwer zu überwindende Probleme und mündete in die massenhafte Arbeitslosigkeit. Schwierig gestaltete sich auch die Veränderung von Ausbildungs-und Bildungssystemen sowie die Angleichung der Sozialen Sicherung.

II.

Wer behauptet, daß die prinzipielle Einführung eines marktwirtschaftlichen Systems ohne große Probleme gelungen sei, der verklärt die jüngste Vergangenheit. Entscheidend ist aber vor allem, ob man die Anpassung möchte und die Schwierigkeiten, die unausweichlich entstehen, auch tragen will -hüben wie drüben. Unbestreitbar ist auch, daß sich die Durchsetzung des Eigentumsprinzips als schwere Hypothek entwickelte. Vergessen ist, wer dieses Prinzip pervertierte. Wer nach seinerzeit diskutierten Problemlösungen für die frühe Vereinigungsgesellschaft sucht, findet weniger ein Programm und schon gar kein Konzept, sondern mancherlei Hinweise auf ein vollmundiges Selbstbewußtsein der Westdeutschen.

Die Blüte der selbstbewußt proklamierten Transformation eines plan-in ein marktwirtschaftliches System ist gewelkt. Auch die Anpassung der politischen Strukturen -die Transition -ist mehr schlecht als recht gelungen. Manche Jugendliche in den neuen Ländern haben bisher nicht ein einziges Mal gewählt, und früh wurde vor einer eher brüchigen Fassade der Demokratisierung gewarnt. Demoskopen kommen nicht umhin, die verbreitete Skepsis vieler Ostdeutscher gegenüber der Leistungskraft der sozialen Marktwirtschaft wie auch des Verfassungsstaates zu registrieren. Vielleicht rächt sich auf diese Weise, daß die Transformationseliten zu wenig über die DDR und die Mentalitäten ihrer Bewohner wußten, als sie darangingen, die staatliche und gesellschaftliche Vereinigung zu organisieren. Die „Rote-Socken-Kampagne“ machte deutlich, wie verletzlich die Bürger in den neuen Bundesländern sind, wie verantwortungslos nicht selten auf Kosten der Ostdeutschen in Westdeutschland Stimmungen gemacht und Wähler mobilisiert wurden.

Wer Menschen mit ihrer je eigenen Lebensgeschichte vor den Kopf stößt, vergißt, daß sich neue Institutionen nicht im luftleeren Raum errichten lassen. Sie bedürfen vielmehr der Menschen, die sie akzeptieren und mit Leben füllen. Wer wählt, muß überzeugt sein, daß seine Stimme zählt. Wer in Parteien mitwirkt, muß sie als Scharnier zwischen Staat und Gesellschaft akzeptieren. Wer ein Ehrenamt übernimmt, muß zuvor gespürt haben, daß es politischen Respekt gibt, der sich nicht in Mark und Pfennig rechnet. Und wer Opfer bringt, muß das Gefühl haben, daß alle solidarisch handeln. Statt dessen blühten Ossi-und Wessi-Witze -wurden so immer wieder wechselseitig Frustrationen kolportiert -, die doch oftmals nicht mehr als Ausdruck eines Vorurteils waren, das im Gespräch und mit dem Willen zum Verständnis des anderen leicht hätte beseitigt werden können. Während man viel übereinander sprach, vergaß man allzuoft, miteinander zu sprechen.

Natürlich gab und gibt es Unterschiede im Lebensstil, im Lebensgefühl, in der Zukunftsorientierung. Aber sie begründen per se keine mentalen Barrieren, sondern sie könnten neugierig aufeinander machen. Ein ostdeutscher Akademiker etwa hat Schwierigkeiten, die Unsicherheit seiner persönlichen Zukunft zu akzeptieren. Eltern aus den neuen Ländern haben andere Erwartungen an die Berufsberatung als Eltern aus dem Westen. Der Studienfachwechsel wird im Osten Deutschlands immer noch als Scheitern empfunden; im Westen ist er fast normal und gilt als optimale Nutzung von Interessen oder Berufschancen.

Im Alltag lassen sich die Probleme allein nicht lösen. Hier zeigt sich aber, wie unterschiedliche Erfahrungen ausgeglichen werden können. So wurde allmählich bewußt, daß beim Umbau und Aufbau von Systemen und Investitionen historisch entstandene Voraussetzungen von „Transformationen“ und „Transitionen“ berücksichtigt werden müssen. Denn im Laufe einer sich über mehr als vierzig Jahre erstreckenden Geschichte hatte sich mehr auseinander entwickelt, als der Ruf „Wir sind ein Volk“ vermuten ließ. Mit der Vereinigung wurde zudem im Westen ein Versprechen gegeben und nicht eingelöst. Es ging dabei nicht um „blühende Landschaften“, sondern es ging um den Auftrag des Grundgesetzes, in Deutschland gleichartige Lebensverhältnisse zu schaffen. Davon sind wir trotz aller Bemühungen immer noch weit entfernt. Aber es helfen keine Beschwörungen, sondern nur der Wille zum Möglichen.

Wenn fast achtzig Prozent der Westdeutschen vermuten, die finanzpolitischen Probleme der Bundesrepublik (West) hingen allein mit den „Transferzahlungen“ zusammen, wenn gut siebzig Prozent der Ostdeutschen die Mißwirtschaft westdeutscher Politiker für die Misere der öffentlichen Hand verantwortlich machen, dann zeigt sich, wie gespalten die deutsche Gesellschaft mental ist. Es reicht nicht, dies zu beklagen, sondern man müßte versuchen, die grundlegenden Erfahrungen und Orientierungen der deutschen Teilbevölkerungen zum Ausgangspunkt einer bewußten Vereinigungsgeschichte zu machen, die sich noch immer sehr mühsam vollzieht. Dies würde bedeuten, alle Herausforderungen der Vereinigung ernst zu nehmen. Unmittelbar nach der Vereinigung hat man vielfach von der Regierung verlangt, sie solle wie Churchill 1940 die Opferbereitschaft der Deutschen herausfordern und „Blut und Tränen" beschwören. Auch wenn politisch-theatralische Emotionalität vermutlich kein angemessenes Hilfsmittel zur Bewältigung von Schwierigkeiten ist, so war doch die Bereitschaft zur Solidarität zu Beginn sehr ausgeprägt.

III.

Die Probleme des Vereinigungsprozesses machen deutlich, daß die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik sich in vierzig Jahren Trennung viel fremder geworden waren, als es sich viele auch heute einzugestehen bereit sind. Eigentlich war dies schon vor mehreren Jahrzehnten spürbar geworden. Vor etwa dreißig Jahren waren in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ Reportagen über die DDR erschienen. Einige ihrer Redakteure, unter ihnen Marion Gräfin Dönhoff und Theo Sommer, waren durch die DDR gereist und hatten im Westen mit ihren Eindrücken von einer, wie es hieß, „Reise in ein fremdes Land“ großes Aufsehen erregt. Durch diese Reportagen schienen ein Staat und eine Gesellschaft, die der damalige Bundeskanzler Kiesinger als „Phänomen“ bezeichnet hatte, für viele erstmals Konturen zu bekommen. In der DDR war offensichtlich eine Gesellschaft entstanden, die sich mental von der westdeutschen unterschied.

Bis dahin hatte man dies nicht wahrhaben wollen und fühlte sich durch die „Abstimmung“ mitteldeutscher Landsleute mit ihren Füßen bestätigt. Bis weit in die fünfziger Jahre hinein hatte die DDR im Westen „die Zone“ geheißen. Oder man hatte sie mit dem Attribut „sogenannte“ belegt; in einer bestimmten Presse wurde fast so etwas wie ein Kulturkampf um die Anführungsstriche geführt. Die Wiedervereinigung wurde regelmäßig beschworen, nicht nur am 17. Juni, dem Jahrestag des, wie man bald sagte, „Volksaufstandes in der DDR“, sondern auch in Dezembertagen, als das „Kuratorium Unteilbares Deutschland“ die Bundesbürger hüben aufforderte, als Zeichen der Verbundenheit mit den Menschen „drüben“ Kerzen in ihre Fenster zu stellen.

Es mag an diesen Erfahrungen liegen, daß sich in der Erinnerung der Deutschen die Geschichte der deutschen Teilung vor allem in Kenntnis ihres Ausgangs 1990 nun als Geschichte auf dem Weg zur Einheit darstellt. Vergessen ist das „fremde Land“, vor allem aber, wie es in vierzig Jahren in immer weitere Ferne rückte. Wenn man heute darüber streitet, wer die Voraussetzungen für die Vereinigung geschaffen hat -Adenauer mit der konsequenten Westbindung, Schumacher mit der Formulierung der „Magnettheorie“, die Protagonisten der neuen Ostpolitik während der sozialliberalen Koalition oder gar Helmut Schmidt mit dem Nachrüstungsbeschluß -, dann wird vor allem eines verdrängt: daß sich die Jahrzehnte zwischen dem Kriegsende 1945 und dem Untergang der SED und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1990 als Teilungsgeschichte darstellen lassen, während der jede Seite für sich eigene Perspektiven für die Zukunft entwickelte. Sich diese nicht selten krassen Unterschiede zwischen Ost und West bewußt zu machen bleibt die vielleicht wichtigste Voraussetzung einer Annäherung.

In den fünfziger Jahren z. B. waren die sozialen Unterschiede zwischen den deutschen Teilgesellschaften in Ost und West noch nicht sehr ausgeprägt. Das Rentenniveau ähnelte sich bis Ende der fünfziger Jahre, und die Unterschiede im Verdienstniveau gingen vor allem auf die unterschiedliche Konvertierbarkeit der beiden deutschen Währungen zurück. 4, 20 DM mußte man damals für einen Dollar bezahlen; dieses Verhältnis bestimmte auch den Wert von Ost-und Westmark. Allerdings unterschied sich die Wohlstandsdynamik seit den fünfziger Jahren, denn insbesondere seit dem Wirtschaftsboom, der eine ferne Wirkung des Koreakrieges war, drifteten die beiden deutschen Staaten auch ökonomisch auseinander. Der Westen wurde Teil des sich herausbildenden westeuropäischen Wirtschaftssystems und fand sich seit den späten fünfziger Jahren wirtschaftlich voll, politisch hoffnungsvoll und kulturell zunehmend integriert. Das Wirtschaftswachstum eröffnete den Spielraum für eine neue Sozialpolitik, in der die Versorgung der Rentner sich mit Wohlstandsmehrung, etwa durch Eigenheimprogramme, verband. Die Vollbeschäftigung beendete jene wirtschaftliche Unsicherheit, die viele Jahrzehnte lang Kennzeichen abhängig Beschäftigter war. Die Wirtschaft war immer mehr auf Facharbeiter angewiesen, und für weniger qualifizierte Tätigkeiten mußten Arbeitskräfte aus dem weniger entwickelten Süd-und Westeuropa herbeigelockt werden. Dies galt vor allem für die Zeit nach dem Bau der Berliner Mauer. In sozialgeschichtlicher Hinsicht gelten die sechziger Jahre als wichtige Zäsur. Programme zur Eigentumsbildung, die Bildungsexpansion und die wirtschaftliche Fundierung sozialer Mobilität veränderten die deutschen Lebensverhältnisse.

Seit den sechziger Jahren öffnete sich der Mittelstand zur Facharbeiterschaft; dadurch übernahmen die Angehörigen der Arbeiterschaft mittelständische Orientierungen. Die Bildungsoffensive eröffnete größere Bildungschancen und damit auch die Aussicht auf sozialen Aufstieg. Innergesellschaftliche Grenzen schwanden. Die europäische Integration verstärkte diesen Prozeß. Das Fremde wurde nicht mehr als bedrohlich empfunden, das Eigene als veränderlich. Aversionen der europäischen Nachbarn, die das Bild der Deutschen in vielen Ländern bestimmt hatten, wurden schwächer -auch dies eine Folge der Verwestlichung deutscher Lebensstile und der politischen Integration. Vor allem der Lebensstil der Jugendlichen veränderte sich; die Älteren paßten sich der zunächst beklagten . Amerikanisierung'und Verwestlichung ihrer Kinder an. Nicht einmal die Kritik am Vietnamkrieg konnte an dieser Westorientierung etwas ändern -dies um so weniger, als die Studentenproteste im Westen Deutschlands ihre Entsprechungen in Frankreich und in den USA hatten.

Im Vergleich zu den fünfziger Jahren war in den sechziger Jahren ein . westliches'Deutschland entstanden. Dies veränderte auch die „mental map", die innere politische und kulturelle Geographie. Eine „Bundesrepublikanisierung" des Bewußtseins setzte ein und wurde nicht selten sogar politisch bewußt forciert. So erschien in den achtziger Jahren eine fünfbändige Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, die darauf zielte, diesem westdeutschen Lebensgefühl eine historische Grundlage zu vermitteln. Aus Westdeutschland war mental längst ein eigener Staat geworden, dessen Pädagogen, Politiker und Verfassungsjuristen mancherlei Anstrengungen unternehmen mußten, um Rudimente eines gesamtdeutschen Bewußtseins zu bewahren. Manche dieser Bemühungen waren längst zum Ritual geworden, wie die Gedenkfeiern anläßlich des 17. Juni 1953; einigen Politikern, etwa dem damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, gelang es allerdings, den Blick immer wieder nach Osten zu richten. Die deutsche Frage sei solange offen, sagte er, wie das Brandenburger Tor geschlossen sei -was eine Vereinigung aber politisch und sozial bedeutete, das konnte sich kaum einer vorstellen.

Im Osten hingegen wirkten sich Wandlungsprozesse aus, die von der SED bewußt initiiert und mit diktatorischen Mitteln durchgesetzt worden waren, um die dortige deutsche Gesellschaft zu verändern und einen „neuen Menschen" zu schaffen. Die Enteignung der Großindustrien sowie der Banken und selbst die Bodenreform hatten die meisten Ostdeutschen hingenommen, denn sie sahen darin eine Beseitigung der soziostrukturelien Grundlagen nationalsozialistischer Herrschaft. Die Bildung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften war schon nicht mehr so einfach akzeptiert worden und hatte ebenso die Flucht in den Westen forciert wie die Bedrängnisse, die der Mittelstand auszuhalten hatte und die sich über einen langen Zeitraum erstreckten. Freiberufler und Angehörige des Bildungsbürgertums verloren nicht nur ihre Selbständigkeit, sondern auch die Reputation. Lehrer zu werden war keineswegs mehr Ausdruck des Ehrgeizes oder des sozialen Aufstiegs, denn andere Berufe galten als attraktiver. Umworben wurde im Osten die Arbeiterschaft, vor allem nach dem Aufstand des 17. Juni 1953, der ein Arbeiteraufstand war. So veränderte sich in den Betrieben das Verdienstgefüge -Löhne wurden nivelliert, Leistungsanreize vor allem der Arbeiterschaft angeboten. Mancher Ingenieur verdiente weniger als der von ihm eingesetzte Arbeiter. Zugleich wurden soziale Differenzierungen nivelliert: Fast 90 Prozent der „Werktätigen“ wurden als Arbeiter bezeichnet. Andererseits taten sich neue Unterschiede auf, vor allem als Folgen eines Nomenklatura-Systems, aber auch infolge der Möglichkeit des Zuverdienstes und der Entlohnung für Dienstleistungen in Valutamark.

Im Osten Deutschlands -im, wie man im Westen sagte, „Herrschaftsbereich Ulbrichts“ -hatte es seit den fünfziger Jahren also ebenfalls gravierende soziostrukturelle Änderungen gegeben, die schließlich zu einem ganz eigenen Wertesystem führten. Es berührte das Staatsverständnis ebenso wie die Einschätzung des politischen Miteinanders und der Zukunftsorientierung. Diese Veränderungen betrafen wie im Westen nicht nur die Sozial-strukturen, sondern auch das Lebensgefühl. Insgesamt war der Westen den Ostdeutschen aber weniger fremd als der Osten den Westdeutschen. Vor allem durch das Westfernsehen wußte man sich im Osten zu orientieren. Dennoch waren die Unterschiede etwa bei der Bewertung des Eigentums kraß. Galt im Westen das Eigenheim als das höchste Ziel großer Anstrengungen, so waren Grund und Boden im Osten Deutschlands keineswegs besonders hoch geschätzt. Ein Auto galt nicht selten als ungleich erstrebenswerter denn ein Eigenheim, das durch den schwierigen Erhaltungsaufwand belastete; überdies waren dem Grund-erwerb enge Grenzen gesetzt. Die Grundbücher wurden keineswegs mit der Sorgfalt geführt wie im Westen, vor allem, wenn die Besitzer geflohen waren.

Die Teilung schien ja endgültig; insofern war es nicht wichtig, was im Grundbuch stand. Das änderte sich schlagartig mit der Vereinigung, schaffte Unruhe und vergrößerte nicht selten auch die Vermögensunterschiede. Hätte man hier einen Ausgleichsmechanismus entwickelt, um die Verteilung der Grundvermögen sozial verträglicher zu gestalten und den einzigen Wert zu nutzen, der im Zuge der Vereinigung Bestand hatte -den Grund-und Hausbesitz -, dann hätten sich manche Probleme vermeiden lassen. Warum sollte ein im Westen lebender Grundbesitzer nicht die Hälfte seines Verkaufserlöses in einen „Vereinigungsfond“ einzahlen, warum sollte der Ostdeutsche, der ein Grundstück erworben hatte, ohne im Grundbuch zu stehen, nicht im Laufe von zwanzig Jahren einen ähnlichen Betrag aufbringen und in denselben Fond einzahlen, der ausschließlich der Schaffung neuer Infrastrukturen hätte zugute kommen können?

Anders stellte sich das Problem in der mittelständischen Industrie. Mancher Fabrikant, mancher selbständige Handwerker war in den fünfziger und sechziger Jahren in Genossenschaften gezwungen worden. Diese faktische Enteignung erschien ihnen oft nicht einmal das Schlimmste zu sein. Aber daß sie mit Bauern und Selbständigen, Akademikern und Lehrern öffentlich als mitverantwortlich für den Nationalsozialismus gebrandmarkt wurden, das schmerzte. Die Zerstörung der Kultur des Mittelstandes hatte schlimme Folgen, denn sein Kennzeichen ist die Orientierung an sozialer Kontinuität. Auch durch die Bildungspolitik der SED wurde diese Kontinuität unterbrochen, während man im Westen versuchte, sozialen Aufstieg durch Bildung kompensatorisch zu erleichtern. Die DDR-Führung sah sich am Ziel ihrer Wünsche, als eine Berufsstatistik feststellte, daß mehr als 90 Prozent der Bevölkerung der Arbeiterschaft zuzurechnen seien. Der Preis dieser Nivellierung war nicht nur eine weitgehende Proletarisierung des Lebensgefühls, sondern auch die Zerstörung sozialer Gruppen, die eine differenzierte Industrie-und Dienstleistungsgesellschaft tragen.

Auch die Auseinandersetzung mit den Kirchen trug zum Gefühl der Unterdrückung bei. Es verstärkte sich durch die Erfahrung, daß die Kinder von Angehörigen des Bürgertums nicht mehr ohne weiteres die Hochschulreife erwerben oder ein Studium aufnehmen durften. Daß in den späten vierziger Jahren Arbeiter-und Bauernfakultäten die Bildung demonstrieren sollten, hatte man akzeptiert -auch als Facette in der Auseinandersetzung zwischen den , Krupps'und den , Krauses'. Aber Bildung und Ausbildung vom Wohlverhalten einerseits und von gesellschaftlichen Veränderungsvorstellungen andererseits abhängig zu machen, das war schwer zu akzeptieren. Als der Druck auf die Arbeiterschaft zunahm, indem deren Normen erhöht wurden, stellte sich für viele Bürger der DDR die Frage, ob sie in Ost-oder in Westdeutschland ihre weitere Existenz suchen wollten. Vor allem den Jüngeren fiel die Antwort bis zum Mauerbau leichter. Etwa drei Millionen Menschen hatten bis zu diesem Zeitpunkt die DDR verlassen.

Der zweite deutsche Staat, das andere Deutschland, Mitteldeutschland -eben die DDR war in den sechziger Jahren völkerrechtlich nur von den Ostblockstaaten und ihren Verbündeten sowie den westlichen Siegermächten anerkannt worden. Für viele Westdeutsche rückte die DDR zunehmend in den Hintergrund, nicht nur als Lebensraum von mehr als 16 Millionen Deutschen, sondern auch geographisch. Wo genau lagen Stendal, Greifswald, Gera oder Oschatz? Die DDR -das war bald vor allem nur die unangenehme Strecke, die man auf dem Weg nach Berlin durchquerte. Zwar lebten dort auch Deutsche. Aber sie schien auszuzeichnen, daß sie in ihrer Mehrheit den Westen wollten. Daß sie eine eigene Identität entwickelt hatten, das war zwar von Journalisten beobachtet und beschrieben, aber nicht als Entfremdung zwischen den beiden deutschen Teilgesellschaften interpretiert worden. Ging nicht die Bonner Regierung von einem einheitlichen deutschen Staatsbürgerrecht aus, das jedem zustand, der „aus dem Osten“ in den Westen kam? War das nicht Klärung genug? Der UNO-Beitritt der DDR hatte diesen westdeutschen Alleinvertretungsanspruch relativiert, die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auch die DDR zu einem europäischen Verhandlungspartner gemacht. Ständige Vertretungen, Kredite und Staatsbesuche hatten weiteres getan. Nur sehr weitsichtige Analytiker verspürten den Druck des Wandels, der schon 1963 von Egon Bahr in seiner Tutzinger Rede als Begleitumstand der Annäherung programmatisch gedeutet wurde. Der einflußreiche Berliner Publizist Peter Bender sprach damals von einer „offensiv“ zu betreibenden „Entspannung“. Dieses Konzept wurde vor allem mit der sozialliberalen Koalition zu einem Ferment des europäischen Wandels. Koexistenz sollte den europäischen Frieden bewahren helfen und Entkrampfungen im Verhältnis der Blöcke bewirken.

Eine ähnlich zupackende Vision braucht die deutsche Vereinigungsgesellschaft heute. Unterschiede zwischen den beiden deutschen Teilgesellschaften konstituieren ja keine jeweiligen deutschen Ethnien, sondern nur jene regionalen Unterschiede, die eigentlich Voraussetzung der kulturellen und politischen Vielfalt sind. Ein föderatives System scheint überdies wie kaum ein anderes geeignet, diese Unterschiede produktiv wirksam werden zu lassen und sie zugleich zu integrieren.

Wichtig ist es, die Vereinigung als positive Herausforderung, als Bewährung der deutschen Vereinigungsgesellschaft zu akzeptieren. Gewiß „kommt zusammen, was zusammengehört“. Dies geschieht aber nicht als Folge eines zufälligen Ereignisses, eines Zusammenbruchs, sondern als Ergebnis von politischen Entscheidungen, die die Deutschen in den achtziger Jahren wollten, hüben wie drüben. Der häufig zitierte Satz von Willy Brandt gab dem Vereinigungsgefühl einen bis heute nachhallenden Ausdruck. Er hatte zugleich einen weiteren Aspekt, denn Brandt wollte auch sagen, daß zusammenwachse, was zusammengehört, weil es zusammengehört. Die Freude an der Vereinigung lasse er sich durch nichts und niemanden nehmen, erklärte Willy Brandt.

Dieses Lebensgefühl zu stärken wäre die Konsequenz eines Selbstbewußtseins, welches in der Vereinigung nicht nur die Erfüllung eines politischen Zieles, sondern eines noch tiefer reichenden Wunsches sieht, der sich vor anscheinend schon weit zurückliegenden Jahren so machtvoll Ausdruck gab und heute nicht selten nur noch resignativ in die Erinnerung zurückgeholt wird. Die beiden deutschen Gesellschaften, so unterschiedlich sie in den vierzig Jahren ihrer Teilung geworden sind, haben viele Gemeinsamkeiten in ihrer Vergangenheit bewahrt, auch in der Distanzierung gegenüber der Teilung. Diese Gemeinsamkeit kommt in der gemeinsamen Verantwortung für die gelingende gesellschaftliche Vereinigung zum Ausdruck, zu der es keine Alternative gibt.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Peter Steinbach, Dr. phil., geb. 1948; 1982-1992 Professor für Historische und theoretische Grundlagen der Politik an der Universität Passau; seit 1983 wissenschaftlicher Leiter der ständigen Ausstellung „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ in Berlin, seit 1989 wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Berlin; seit 1992 Professor für Historische Grundlagen der Politik an der Freien Universität Berlin und Leiter der Forschungsstelle Widerstandsgeschichte an der FU Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Nationalsozialistische Gewaltverbrechen in der öffentlichen Auseinandersetzung der Nachkriegszeit, Berlin 1981; (Hrsg.) Vergangenheitsbewältigung durch Strafverfahren, München 1984; (Hrsg. zus. mit Jürgen Schmädeke) Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, München 1994'; (zus. mit Johannes Tuchei) Lexikon des Widerstandes 1933-1945, München 1994; Lesebuch des Widerstands, München 1994; Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Berlin 1994; Widerstand im Widerstreit: Die Deutschen und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Paderborn 19962.