Es hat sich aus guten Gründen eingebürgert, Krisensymptome in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auf jeweils spezifische Innovationsschwächen zurückzuführen. Mit der Erkenntnis einer Innovationskrise wächst nicht nur die (abstrakte) Einsicht in die Notwendigkeit, „Neues zu tun oder etwas, was bereits gemacht wird, auf eine neue Art zu machen“, wie Joseph Schumpeter Innovation grundlegend definiert hat. Zugleich steigen auch die programmatischen Anforderungen an Innovationen als „ein zentraler Imperativ der modernen Gesellschaft“ bzw. an eine „Innovation der Innovation“ Innovationsschwäche als Problem korrespondiert mit „Verbesserung der Innovationsfähigkeit“ als einer quasi universellen Problemlösung.
I. Innovation als Patentrezept und moderner Schlüsselbegriff
In der Perspektive auf die Bundestagswahl 1998 machte der Innovationsbegriff als ein -allerdings meist inhaltsleeres -Patentrezept eine erstaunliche Karriere. Während die CDU „Für Deutschland Innovationen“ plakatierte, debattierte die SPD auf ihrem Bundesparteitag, dem bereits ein Innovationskongreß und ein Innovationsmanifest vorausgegangen waren, über „Innovationen für Deutschland“. In Innovationen wird sowohl „der Motor für Wachstum und Beschäftigung“ als auch die angemessene „Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung“ gesehen. Vor diesem Hintergrund hat Bundeskanzler Helmut Kohl einen „Rat für Forschung, Technologie und Innovation“ initiiert und die Friedrich-Ebert-Stiftung -allerdings auf der Grundlage eines nicht nur auf Technik reduzierten Innovationsverständnisses -unlängst eine internationale Konferenz mit dem Titel „Innovation in Wissenschaft, Technik und Gesellschaft“ durchgeführt. Die neue Bundesregierung will die „Wirtschaftskraft durch nachhaltiges Wachstum und Innovation stärken“. Die Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und Bündnis 90/Die Grünen geht davon aus, daß „Innovation, Wissenchaft und Technik . . . von zentraler Bedeutung für die künftigen Lebenschancen der Bürgerinnen und Bürger“ sind. Auch die Mitte des Jahres neu zusammengesetzte Landesregierung in Nordrhein-Westfalen geht nach eigenem Bekunden „den Weg konsequenter Innovationen“, will „Innovationen auf allen Ebenen voranbringen, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und möglichst viele attraktive Arbeitsplätze zu schaffen“
Auf der rhetorisch appellativen Ebene besteht offensichtlich weitgehend Konsens darüber, daß Innovation „der Schlüsselbegriff (ist), um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu bestehen“ Die schon fast inflationär zu nennende Verwendung des Innovationsbegriffs steht jedoch in krassem Gegensatz zu einer inhaltlichen Präzisierung und Fundierung des damit Gemeinten Deutlich wird allenfalls eine gewisse, gleichwohl diffuse Bedeutungsnähe zu Begriffen wie Reform, Fortschritt, Wandel und Modernisierung sowie eine weitgehende thematische Reduktion auf technische Neuerungen. Programmatisch abgekoppelt von systematischen Problemanalysen einerseits und zukunftsfähigen Entwicklungsperspektiven andererseits, bleibt letztlich offen, worin die problemlösende Wirkung der als Universallösung für zentrale gesellschaftliche Probleme propagierten Innovationsoffensive denn bestehen könnte.
II. Innovationen für eine nachhaltig zukunftsfähige Entwicklung und/oder nachhaltig zukunftsfähige Entwicklung als Innovationsstrategie und -prozeß?
Dieser Beitrag geht der Frage nach, ob und inwieweit die Diskussion über eine nachhaltig zukunftsfähige Entwicklung und dadurch inspirierte Versuche, soziale, institutioneile und organisatorische Innovationsprozesse in Unternehmen und Kommunen in die Praxis umzusetzen, dazu geeignet sind, der noch ausstehenden Innovationsoffensive eine (gesellschaftlich wünschenswerte) Richtung zu geben" Nicht Innovation um ihrer selbst Willen, nach dem Motto „Neu ist besser“, ist gefordert, sondern „Innovation mit Richtungssinn“
Dabei gehen wir ganz im Unterschied zu einem auf Technik, Forschung und Entwicklung sowie auf die darauf bezogene staatliche Politik reduzierten Innovationsverständnis von der sozialwissenschaftlich fundierten und etablierten These aus, daß es vor allem soziale und institutioneile Faktoren sind, die über Verlauf und Erfolg des Innovationsgeschehens entscheiden Demnach ist ein Ausweg aus der konstatierten Innovationsschwäche oder -krise unter Mißachtung oder Vernachlässigung sozialer und institutioneller Innovationen bzw. Innovationsbedingungen nicht zu finden. Oder mit anderen Worten: „Wir brauchen insbesondere soziale Innovationen, um mit den Problemen fertig zu werden, die auf uns zukommen.“ Angesichts des vagen Wissens über die Rahmenbedingungen, Erfolgs-und Mißerfolgsfaktoren innovativer Prozesse kann es nicht um Patentrezepte oder den „one best way“ zur Entfaltung einer neuen Innovationsdynamik gehen Bei der Identifizierung und Unterstützung zukunftsfähiger Neuerungsprozesse geht es vielmehr vorrangig um „die Förderung, Organisation und Kontinuität von permanenten Suchprozessen nach immer besseren Problemlösungen“
Die Umsetzung von neuen Ideen in neue Produkte und Verfahren findet überwiegend innerhalb von Unternehmen statt. Diese unternehmensinternen Innovationsprozesse werden, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen, in ihrem Verlauf und Ergebnis maßgeblich durch ein Netzwerk unternehmensübergreifender Kommunikationsund Kooperationsbeziehungen vor allem auf der lokalen und regionalen Ebene beeinflußt Nicht zuletzt deshalb ist neben den Unternehmen die kommunale und regionale Handlungsebene in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Auch in der Perspektive auf eine nachhaltig zukunftsfähige Entwicklung, wie sie programma-tisch grundlegend in der Agenda 21, dem 1992 in Rio de Janeiro von mehr als 170 Staaten unterzeichneten Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, formuliert wird, we'rden diese beiden „Praxisfelder“ besonders hervorgehoben: „Die Unternehmerschaft ist dem 1992 in Rio de Janeiro von mehr als 170 Staaten unterzeichneten Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, formuliert wird, we'rden diese beiden „Praxisfelder“ besonders hervorgehoben: „Die Unternehmerschaft ist eine der wichtigsten Triebkräfte für Innovationen. . . . Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen spielen eine wichtige Rolle in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes.“ Gerade deshalb soll die Privatwirtschaft „die Rolle des Umweltmanagements als Schlüsseldeterminante für eine nachhaltige Entwicklung anerkennen“. „Förderung einer umweltverträglichen Produktion“ und „einer verantwortungsbewußten Unternehmerschaft“ 18 sind dementsprechend zentrale Programmbereiche. „Bei der Verwirklichung der in der Agenda 21 enthaltenen Ziele“ ist darüber hinaus insbesondere „die Beteiligung und Mitwirkung der Kommunen ein entscheidender Faktor“. Deshalb soll jede Kommunalverwaltung „in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privat-wirtschaft eintreten und eine . kommunale Agenda 214 beschließen“ 19.
Innovation und nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung sind demnach systematisch miteinander verwoben: a) Die Debatte um nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung zielt ab auf einen gesellschaftlichen Konsens über neue Entwicklungsziele jenseits des auf industrielles Wachstum, Naturvergessenheit und technologische Machbarkeitsphantasien gestützten westlichen Zivilisationsmodells; in dieser Perspektive geht es um die Entwicklung eines innovativen, zukunftstauglichen Leitbilds gesellschaftlicher Entwicklung im Sinne einer regulativen Idee, wie z. B. auch Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit u. ä. b) Der Prozeß der Leitbildentwicklung bzw. die „Strategie nachhaltiger Entwicklung“ sind ihrerseits zu bezeichnen als „ein innovativer Prozeß und neues Steuerungsmodell“ 20. Erweiterte Kooperation und Partizipation, „Engagement und echte Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen“ 21 sind dafür konstitutiv. Auf dieser Ebene geht es um die Organisation von Suchprozessen nach immer besseren Problemlösungen und das Experimentieren mit darauf abgestimmten neuen Formen der Beteiligung und Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren bzw. Akteursgruppen; es geht um die Einleitung einer umfassenden und grundlegenden Innovation von Ideenfindungs-, Planungs-und Entscheidungsprozessen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft überall dort, wo die eingeschliffenen Routinen, Arbeitsteilungen, Planungskulturen und Entscheidungsstrukturen ganz offensichtlich an die Grenzen ihrer Akzeptanz und Problemlösungskapazität gestoßen sind.
c) Schließlich setzt die Realisierung einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklung darauf abgestimmte bzw. abzustimmende technische, soziale und institutioneile Innovationen voraus In dieser Perspektive ist nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung sowohl Ergebnis von als auch zugleich normativer Maßstab für Innovationen Anstelle des Versuchs einer weitergehenden kategorialen und letztlich normativen Bestimmung der Beziehungen zwischen nachhaltiger Entwicklung und Innovation soll im folgenden -auf empirische Untersuchungen und konkrete Erfahrungen aus direkter Beteiligung gestützt -der Blick auf die Praxis sozialer und ökologischer Innovationsprozesse gelenkt werden. Auf einer solchen Grundlage lassen sich die vorhandenen Potentiale ebenso wie auch der Bedarf einer „Innovation der Innovation“ erkennen bzw. realitätsnah präzisieren.
III. Nachhaltig zukunftsfähiges Wirtschaften als Managementproblem
Die Diskussion darüber, was Nachhaltigkeit aus Sicht eines Unternehmens konkret heißt, steht noch ganz am Anfang. Weitgehend ungeklärt ist, wie Betriebe ein am Prinzip der nachhaltigen Entwicklung orientiertes Unternehmensleitbild entwickeln können, ob und wie die Transformation „von der Vision zur Praxis“ nachhaltigen Wirtschaftens gelingen kann und ob ein nachhaltiges Unterneh-men nicht möglicherweise ein Widerspruch in sich ist. Jedenfalls gibt es zur Zeit kein Unternehmen auf der Welt, das Kriterien nachhaltigen Wirtschaftens als strategische Größen meßbar und abfragbar in den Firmenalltag übertragen hat.
Ende der neunziger Jahre ist betrieblicher Umweltschutz in den deutschen Unternehmen weitgehend gesetzeskonform etabliert und wird auf relativ hohem Niveau betrieben. Nicht mehr der „saubere Betrieb“ wie noch in den achtziger Jahren steht im Vordergrund, sondern „ökologisch rationales“ Umwelt(-Kosten-) Management. Die Ergebnisse einer Befragung von kleinen und mittleren Unternehmen zu Verbreitung und Praxistauglichkeit von Umweltmanagement zeigen jedoch, daß eine deutliche Mehrheit mit der Einführung von Umweltmanagement mehr Probleme als Vorteile auf sich zukommen sieht: Befürchtet werden vor allem zusätzliche Kosten, Mehrarbeit und ein erhöhter Informations-und Schulungsbedarf. Immerhin ein Drittel der Unternehmen befürchtet eine Zunahme organisatorischer Probleme. Dementsprechend spielt in der mittelfristigen Planung der Unternehmen eine Verstärkung von Umweltschutzaktivitäten im Vergleich zu den betriebswirtschaftlichen Planungszielen „Absatz fördern“, „Kosten senken“ und „Wettbewerbsfähigkeit verbessern“ nur eine untergeordnete Rolle. Nach wie vor bestimmen end-of-the-pipe-Technologien, der Druck ordnungsrechtlicher Vorgaben und ansatzweise marktökonomische Innovationsimpulse die Umweltschutzpraxis in deutschen Unternehmen. Obwohl im europäischen Vergleich in Deutschland mit Abstand die meisten Unternehmen ein zertifiziertes Umweltmanagementsystem eingeführt haben, handelt es sich dabei noch immer nur um wenige Vorreiter (weniger als ein Prozent aller Unternehmen). Umweltmanagement im allgemeinen und Umweltmanagementsysteme im besonderen halten somit keineswegs auf breiter Front Einzug in den Unternehmen. Im Gegenteil: Der Bekanntheitsgrad der EG-Öko-Audit-Verordnung (über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltprüfung) und insbesondere der international geltenden ISO-Normen zum Umweltmanagement ist außerordentlich gering. Fast die Hälfte der befragten Unternehmen lehnt die Einführung eines normierten Umweltmanagementsystems ab.
Unternehmen, die produktionsintegrierte Umwelt-schutzmaßnahmen durchführen und ein darauf abgestimmtes Umweltmanagementsystem einführen, durchlaufen einen mehrstufigen Lern-und Entscheidungsprozeß, in dem unternehmensexterne Auslöser (wie z. B. verschärfte behördliche Auflagen oder Kontrollen), unternehmenskulturelle Aspekte, die persönliche Werthaltung der Unternehmensleitung, die jeweilige Stellung am Markt und vor allem die generelle Bereitschaft und Fähigkeit (insbesondere auf der Leitungsebene) zu internem Wandel zur Geltung kommen. Wie auch bei der schon weit fortgeschrittenen Umsetzung der ISO-Normenreihe zum Qualitätsmanagement ist für die Einführung eines normierten Umweltmanagementsystems primär die Erwartung ausschlaggebend, daß ein solches Zertifikat über kurz oder lang von den Kunden verlangt werden wird und daß es mit der bislang im Unternehmen „gelebten“ Organisation kompatibel ist. Dementsprechend läßt das Interesse an zertifizierten Umweltmanagementsystemen selbst bei „ÖkoPionier-Unternehmen“ dann nach, wenn sie die Überzeugung gewinnen, ihnen werde „damit etwas übergestülpt“, was zudem für die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehungen keinerlei erkennbare Vorteile bringt.
Die mit dem Öko-Auditing verbundenen Erwartungen, unternehmensintern Lernprozesse anzustoßen und organisatorisch bessere Bedingungen für den schwierigen Übergang zum präventiven, ökologisch wie ökonomisch optimierten Umwelt-management zu schaffen, sind bisher noch weitgehend unerfüllt geblieben Der erhoffte Einstieg in eine nichtdirigistische Umweltpolitik, welche die aus Überreglementierung, Unübersichtlichkeit und Kontrollüberforderung entstandenen Effizienzdefizite des Umweltordnungsrechts kompensieren soll, kommt nur schleppend in Gang, weil und solange der dafür erforderliche unternehmensinterne Resonanzboden fehlt: Die angestrebte Eigenverantwortung, Selbstverpflichtung und Selbstorganisation scheitern an den Blockaden und Restriktionen, denen mit dem Auditverfahren begegnet werden soll. Innovationsbereitschaft und Fähigkeit zur kontinuierlichen Verbesserung, die mittels eines Managementsystems gefördert werden sollen, sind eben auch Bedingung und nicht nur Resultat seines Erfolges. In der Praxis gerät die Option, Umweltmanagement als Chance für die Entwicklung von innovativen, nachhaltigen und zukunftsfähigen Verfahren und Produkten zu begreifen und zu nutzen, in der Regel in Konflikt mit den praktizierten Entscheidungsabläufen und eingeübten Routinen im Unternehmen.
Welches die entscheidenden Faktoren und Akteure sind, die ein Unternehmen auf einen nachhaltigen, zukunftsfähigen Entwicklungsweg bringen, ist nach wie vor ungeklärt. Der Verweis auf den ausschließlichen Einfluß von Regulierungs-oder Marktdruck bzw.den viel bemühten Preismechanismus ist sicherlich zu kurz gegriffen. Der Übergang auf einen nachhaltigen Entwicklungsweg vollzieht sich vielmehr als ein „dynamischer, innengeleiteter Prozeß” der die vorhandenen Unternehmenspotentiale nutzt und externe Ansprüche in den Bezugsrahmen integriert. In dieser Perspektive ist die Ökologisierung von Unternehmen primär ein Prozeß der Organisationsentwicklung auf der Grundlage organisationalen Lernens „im Widerstreit divergierender Ziele, Normen und Wertorientierungen“ Dementsprechend sind die sogenannten weichen Faktoren der Unternehmensführung (wie Motivation, Interaktion, Information, Kommunikation, Qualifikation, Partizipation) von ausschlaggebender Bedeutung. Daß dabei nicht primär ökonomische und technische, sondern soziale und organisatorische Aspekte eine Rolle spielen und daß neben organisationsexternen Faktoren und Anforderungen das organisatorische Innenleben systematisch mit zu berücksichtigen ist, haben inzwischen zahlreiche empirische Studien deutlich gemacht. Unternehmen sind stets Austragungsorte von mikropolitischen Auseinandersetzungen um verschiedene Leitbilder, Entwicklungsrichtungen, Ziele und Interessen. Diese komplexen Prozesse gilt es mit all ihren Blockaden und Potentialen genau zu analysieren und zu handhaben.
Wie der Versuch, am Beispiel von zwei Produktlinien nachhaltige Entwicklung in das konkrete Unternehmenshandeln der Hoechst AG zu übersetzen, bestätigt ist nachhaltiges Wirtschaften eben primär ein „sozialer Prozeß“ Es handelt sich nicht um ein bestimmtes Entwicklungsmodell, das sich gemäß einem konsistenten Management-konzept planen und strategisch umsetzen ließe, sondern vielmehr um erfolgsunsichere und umwegige Prozesse des Suchens und Experimentierens. Konflikte aufgrund unterschiedlicher Interessen und Problemwahrnehmungen spielen dabei eine herausragende Rolle, weil es bei ökologischen Innovationen für alle Akteure im Prinzip darum geht, sich von den bisherigen sozialen Maßstäben des Handelns zu lösen. Schon die Implementation von Umweltmanagementsystemen steht und fällt deshalb im wesentlichen mit der nur unternehmensspezifisch zu beantwortenden Frage, wie die komplexen Entscheidungs-, Organisations-und Lernanforderungen zu bewältigen und in ein produktives Zusammenwirken von organisationaler Routine und Innovation zu überführen sind -eine Frage, deren Beantwortung nicht nur die kleinen und mittleren Unternehmen überfordert.
Zwar machen diejenigen Unternehmen, die sich aktiv mit Umweltschutzfragen beschäftigen, überwiegend positive Erfahrungen. Diese beschränken sich allerdings in der Regel auf punktuelle Verbesserungen an Verfahren, Organisation und Produkten oder Kosteneinsparungen in ganz bestimmten Bereichen. Ökonomische Restriktionen, die Fixierung auf technische Innovationen und -in der Selbstwahrnehmung der Unternehmensleitungen -vor allem persönliche Überforderung und betriebsinterne Widerstände auf Seiten der Mitarbeiter blockieren den Übergang zu einem nachhaltigen, zukunftsfähigen Wirtschaften. Qualitative Sprünge zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit können nur erreicht werden, wenn auf Seiten des Managements eine Bereitschaft zu ständigem Lernen, Querdenken und Verlassen gewohnter Alltagsroutinen besteht. Dazu gehörten sowohl die Entwicklung von Vertrauen in die Lern-und Veränderungsfähigkeit der Mitarbeiter, die Kooperation und der Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmen entlang der Produktlinie als auch die Bereitschaft der Geschäftsführung, ihre Autonomie zum Beispiel durch die Beauftragung eines externen Beraters partiell einzuschränken. Nicht nur bei einem Weltkonzern wie Hoechst wird sich erst bei der Umsetzung erweisen, inwieweit sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in das strategische Management „einbauen und praxisverändernd entfalten läßt“ Drehbuch-artige Wendeszenarien, ökologische Entwicklungspfade und Nachhaltigkeitsindikatoren überfordern Unternehmen, Unternehmensberatung und Wissenschaft. Zu differenziert und variantenreich sind die Umweltrisikoprofile, zu spezifisch die technisch-stofflichen, die Produktions-und marktökonomischen Gegebenheiten, zu kurzfristig die Planungshorizonte, zu turbulent die regionalen wie globalen Konkurrenzbedingungen. Nachhaltiges, zukunftsfähiges Wirtschaften ist immer nur näherungsweise zu erreichen und erfüllt im optimalen Fall eine Doppelfunktion: als Richtungssinn für das Management von aufeinander abgestimmten technischen, organisatorischen und sozialen Innovationen sowie als Bewertungsmaßstab für das damit Bewirkte.
IV. Nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung als Lern-und Beteiligungsprozeß auf der kommunalen Ebene
Was der Soziologe Ulrich Beck die „Redefinition des Lokalen“ genannt hat und was in der umweit-und entwicklungspolitischen Debatte mit dem Slogan „Global denken -lokal handeln" zum Ausdruck gebracht wird, ist eine angemessene Reaktion auf die Globalisierung und die mit ihr verbundenen Probleme u. a. in den Bereichen Arbeitsmarkt, sozialstaatliche Entwicklung, weltweite „(Verteilungs-) Gerechtigkeit“ und Umweltverschmutzung. Dies sind Probleme, die den Nationalstaat und die auf seiner Grundlage institutionalisierte Politik zunehmend überfordern; eine neue, diese Lücke füllende Weltpolitik ist nicht in Sicht und wird es vermutlich auch nie geben
Dabei zielt die „Repolitisierung der kommunalen Ebene" nicht auf ein noch weiter gehendes Abwälzen von Problemen auf Städte und Gemeinden, sondern auf eine Aufwertung des demokratischen Nahbereiches. Wenigstens drei Gründe sprechen für diese Aufwertung des Lokalen: 1. Viele globale Probleme (ökologische, soziale und wirtschaftliche) haben ihre Ursachen in Aktivitäten auf der lokalen Ebene (Produktions-und Konsumweise, Siedlungsstrukturen, Verkehr, Energieverbrauch und Lebensstile)
und kommen z. T. als direkte Bedrohung der Lebens-und Existenzbedingungen vor Ort auf die lokale Ebene wieder zurück. 2. Entgegen der immer wieder beklagten Politik-verdrossenheit signalisieren die Mitgliederzahlen in Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftshilfen und Stadtteilinitiativen durchaus eine Bereitschaft zur politischen Beteiligung; Verdrossenheit macht sich eher gegenüber Parteien und ritualisierten Politikstilen breit Die Beteiligungsbereitschaft zielt somit nicht mehr in erster Linie auf den Handlungsrahmen einer Partei, sondern vielmehr auf direkte Beteiligungsformen und ein der Lebenssituation angepaßtes, zeitlich befristetes Engagement. 3. Die Kommune, der Stadtteil oder allgemeiner ausgedrückt: die Lebenswelt des Alltags, d. h.
der Ort, der den alltäglichen Erfahrungshorizont bestimmt bietet am ehesten praktische Anknüpfungspunkte für Beteiligung, für Veränderung und für Innovation.
Die Repolitisierung der kommunalen Ebene stützt sich demnach auf Erlebnisnähe zu gesellschaftlichen Problemen, auf unmittelbare Erfahrungshorizonte, die sich im sozialen Nahbereich konstituieren, und auf Beteiligungsbereitschaft vor Ort.
Ganz in diesem Sinne formuliert die Agenda 21 in Kapitel 28: „Durch Konsultation und Herstellung eines Konsenses würden die Kommunen von ihren Bürgern und von örtlichen Organisationen, von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschafts-und Gewerbeorganisationen lernen und für die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen.“ Diese Aufforderung bedeutet nicht, Beteiligung als Allheilmittel zur Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme zu stilisieren. Reklamiert wird aber eine „Demokratisierung der Demokratie“ im Sinne der Ermöglichung eines thematisch vorbehaltlosen Austau-sches zwischen Verbrauchern, Verbänden, Initiativen, Unternehmen, der Wissenschaft und der Verwaltung mit dem Ziel der Konsensbildung. Nur wenn es vor Ort zum offenen Dialog zwischen den genannten Akteuren kommt, alte Konfliktlinien und unhinterfragte Gegnerschaften zurückgestellt werden und die zu eröffnenden Diskurse anschlußfähig an das jeweilige Interesse und Aufgaben-spektrum der Diskurspartner sind, hat die Umsetzung des Leitbilds der Nachhaltigkeit in der gesellschaftlichen Praxis eine Chance. Dies erfordert u. a. die Erarbeitung einer übergreifenden Nachhaltigkeitsvision auf lokaler Ebene, die Bereitschaft zu Lernprozessen bei allen Beteiligten, die Entwicklung von konsensorientierten Methoden der Kooperation sowie die Organisation und Evaluation des einzuleitenden Prozesses.
Die Agenda 21 betont den „konsultativen Charakter“ der Beteiligung. Konsultation heißt „gemeinsame Beratung von Partnern". Über vielfältige Formen der wechselseitigen Information, Beteiligung und Beratung sollen die Bürgerinnen und Bürger wie auch alle örtlichen Organisationen in einen umfassenden Lernprozeß auf der kommunalen Ebene einbezogen werden. Konsultation und Beteiligung würde zusätzliche und neue Chancen eröffnen: Bürgernahe Informationen verhindern Fehlplanungen und helfen somit, Kosten zu sparen; zusätzliche Sachkompetenz der Bürger fließt in den politischen Prozeß; durch Beteiligung kann die Akzeptanz politischer Maßnahmen gesteigert werden, und nicht zuletzt entstehen durch dialogische Verfahren der Beteiligung neue und zielgruppenspezifische Formen von Solidarität. Dialog als Austausch unter Gleichen, gegenseitige Beratung und gegenseitiges Lernen als Öffnung des politischen Prozesses sowie die Erarbeitung von Konsens zwischen allen Beteiligten benennen dabei die Leitplanken der sozialökologischen Innovation auf der kommunalen Ebene.
Wie schwierig sich die Entwicklung einer lokalen Agenda 21 in der Praxis oftmals gestaltet, soll am Beispiel Kölns aufgezeigt werden: • Obwohl die Initiative zur Entwicklung einer lokalen Agenda für Köln von örtlichen umwelt-und entwicklungspolitisch engagierten Gruppen ausging, verzichtete die Umweltverwaltung, die durch den Rat der Stadt Köln zur Erarbeitung eines Handlungskonzeptes beauftragt wurde, dabei auf die Einbeziehung dieser Gruppen. Ebenso verzichteten Stadt und Umweltverwaltung auf eine breite Information der Öffentlichkeit, die erst Beteiligung anregen kann. • Das vorgelegte und dann vom Rat der Stadt beschlossene Handlungskonzept läßt weder inhaltlich noch organisatorisch Raum für eine Leitbilddiskussion im Rahmen des Agenda-Prozesses. Die Stadt verschenkt damit die Chance einer identitätsstiftenden Klammer für den Gesamtprozeß und läßt die sich bildenden Diskussionsrunden unverbunden. • Das Handlungskonzept legte vier zu bearbeitende Themenfelder (Wirtschaftsstandort Köln; Bildung, Ausbildung und Wissenschaft; Köln in globaler Partnerschaft; nachhaltige Stadtentwicklung) fest. Damit wurde die Chance vertan, die Bürgerinnen und Bürger sowie die anzusprechenden Organisationen über das Medium der selbstbestimmten Themenfindung zu beteiligen. Ein erster Anreiz zur Beteiligung liegt gerade in der neuen Chance, bei der Themenentwicklung aktiv mitzuwirken. Die Themen, die in solchen Beteiligungen als beteiligungs-und konsensfähig entwickelt und bearbeitet werden, lassen sich vorab nicht festlegen und sind, wie der Agenda-Prozeß in Köln auch zeigt, sehr viel „kleiner“ als die in der Handlungsvorlage genannten. • Das Handlungskonzept formuliert den Agenda-Prozeß in Köln als „Projekt“, das den meisten mit ihr befaßten Menschen, Funktionsträgern und Organisationsmitgliedern mehr und zusätzliche Arbeit bringt und von daher eher abgelehnt wird (werden muß). Es gibt einen Zeitrahmen von zwei Jahren vor, der die Intention der lokalen Agenda 21, nämlich über veränderte politische Praktiken in realisierbaren Schritten eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen, völlig verfehlt. Die Entwicklung einer lokalen Agenda 21 ist kein Projekt, das mit klaren Zielen versehen in einem vereinbarten Zeitrahmen zu bewerkstelligen ist, sondern ein Prozeß, der die praktizierten Routinen der Projektbearbeitung (z. B. Ressortzuweisung)
gerade in Frage stellt, um über neue Wege, Formen und prozeßorientierte Vereinbarungen („Meilensteine“) „Zukunftsfähigkeit“ zu erreichen. Das bedeutet auch, daß die einfache Fortschreibung bestimmter Programme jetzt unter dem Titel lokale Agenda 21 an der Intention vorbeigeht, wenngleich es unter dem Gesichtspunkt „Es darf nichts kosten“ konsequent ist. • Das Handlungskonzept enthält keinerlei finanzielle Mittel und hat damit im „politischen Spiel“ Kölns eine Priorität von nahe Null.
Wenn der Rat der Stadt Köln dem Agenda27 Prozeß keine Priorität einräumt, warum sollte dann z. B. die Wirtschaft mit Geld und/oder Innovationen einsteigen?
Wie das Beispiel Köln, aber auch vielfältige Erfahrungen aus anderen Städten zeigen entwickelt sich ein erfolgreicher Agenda-Prozeß nicht im Selbstlauf. Vielmehr bedarf es bestimmter Rahmenbedingungen, ohne die er zum Scheitern verurteilt ist
Die lokale Agenda muß auf der Basis politischer Beschlüsse von Politik und Verwaltung nicht nur proklamiert, sondern aktiv und öffentlich mitgetragen werden. Sie als lästige Pflichtübung mißzuverstehen oder sie „von oben“ zu diktieren hieße, die notwendigen internen und externen Veränderungen unmöglich zu machen.
Die Initiierung und Organisation eines lokalen Agenda-Prozesses bedeuten zunächst neue und zusätzliche Aktivitäten der Kommune. In der Anschubphase sind entsprechend zusätzliche personelle und finanzielle Mittel, insbesondere zur Koordination und Moderation der Konsultationsprozesse, aufzuwenden. Mittel-und langfristig wird die lokale Agenda 21 in vielen Handlungsfeldern Wege eines effizienteren Mitteleinsatzes aufzeigen und damit Kosten einsparen.
Der Agenda-Prozeß beginnt mit der Entwicklung eines unter Beteiligung der Bürger und örtlichen Organisationen auf die Bedingungen vor Ort abgestimmten Handlungskonzepts. Hauptaufgabe dieses Konzeptes ist die verbindliche und transparente Regelung und Koordination von Aufgaben, Themen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
Bürgerbeteiligung ist weder Anhängsel noch „Schmiermittel“ des Agenda-Prozesses, sondern seine eigentliche Substanz und Qualität -Bürgerbeteiligung allerdings weder in einem auf Bildung und Akzeptanzbeschaffung reduzierten Sinne noch mißverstanden als basis-demokratische Chaotisierung von Planungsund Entscheidungsprozessen. Bürgerbeteiligung dient vielmehr und ausschließlich dem Zweck, daß „die Kommunen von ihren Bürgern und örtlichen Organisationen, von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschafts-und Gewerbeorganisationen lernen und für die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen“ Hierfür problem-und aufgabenbezogen geeignete arbeitsund entscheidungsfähige Formen zu finden ist eine Hauptaufgabe und zugleich Erfolgsbedingung des Agenda-Prozesses. Die gesamte Bandbreite der Interessen ist dabei ebenso zu berücksichtigen wie die Umsetzung und Erfolgskontrolle. Daß dies nicht ohne Konflikte und Reibungen erfolgen wird, spricht keineswegs gegen ein solches Vorgehen, sondern für ein professionelles Management und den Einsatz geeigneter Verfahren. Von besonderer Bedeutung ist die systematische Einbeziehung der Wirtschaft in konkrete Projekte regionaler Kooperation.
In der Perspektive auf die Entwicklung eines sich selbst tragenden und steuernden, permanenten Lernprozesses scheiden enge zeitliche Vorgaben aus. Die realistische Formulierung von problem-und aufgabenorientierten „Meilensteinen“ hingegen ist notwendiger Bestandteil dieses Prozesses.
Der Agenda-Prozeß zielt dezernats-und ämterübergreifend auf eine zukunftsfähige Entwicklung der Stadt vor Ort, die ihren Bürgern hohe Lebensqualität, soziale Gerechtigkeit und Umweltverträglichkeit bietet, dies aber auch gleichermaßen den Mitbürgern auf der „Einen Welt“ zugesteht. Thematisch läßt er sich also weder auf ein reines Umweltprogramm noch auf die klassischen Ressorts und Pfiichtaufgaben der Kommunalverwaltung reduzieren. Dies ist bei der organisatorischen Verankerung des Agenda-Prozesses innerhalb der Stadtverwaltung zu berücksichtigen. Lokale Agenda 21 ist eine Querschnittsaufgabe, die den Organisations-und Gestaltungsrahmen kommunaler Umweltschutzpolitik weit überschreitet, und deshalb an zentraler Planungsstelle zu verankern.
V. Ausblick
Eine Entwicklung zur zukunftsfähigen Stadt ist ohne Zusammenwirken von Umweltschutz, nachhaltigem Wirtschaften, sozialer Integration und erweiterter Bürgerbeteiligung nicht zu erreichen. Und nachhaltiges Wirtschaften ist perspektivisch nicht zu verwirklichen ohne einen umfassenden Innovations-, Lern-und Reorganisationsprozeß in den Unternehmen, der auch das lokale und regionale Umfeld, das stark verflochtene Netzwerk der unternehmensübergreifenden Kooperations-und Kommunikationsbeziehungen, in das unternehmerisches Handeln stets und in zunehmendem Maße eingebunden ist, systematisch mit einbezieht. Die Erfahrungen mit dem schwierigen Übergang vom rechtskonformen und weitgehend bürokratisch regulierten Umweltmanagement zum nachhaltigen Wirtschaften zeigen ebenso wie die bisherigen Umsetzungsversuche der lokalen Agenda 21, daß Aufklärungs-und Überzeugungsarbeit ebensowenig wie die begründete Aussicht auf nachweisbare (wirtschaftliche) Erfolge ausreichen, um tragfähige Innovationsbündnisse mit Richtungssinn zu etablieren. Stattdessen kommt es vor allem darauf an, bei allen Akteuren die Bereitschaft zu fördern, vermehrt (strategische) Allianzen einzugehen mit dem Ziel, neue Lösungen für drängende Probleme zu finden, sich auch auf offene und erfolgsunsichere Such-, Lern-und Entwicklungsprozesse einzulassen und die dazu erforderlichen Ressourcen, in erster Linie Zeit und kreative Energie, zu mobilisieren.
Dies kann auf Dauer nur gelingen, wenn Regierungen und lokale Behörden dies nicht blockieren, sondern im Gegenteil entsprechende Anreize, Gelegenheiten und Möglichkeiten schaffen und ihre Inanspruchnahme systematisch unterstützen. Den Dialog zwischen Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Akteuren vor Ort ideell, materiell und organisatorisch zu fördern ist ein entscheidender Hebel zur Überwindung der viel beklagten Innovationskrise und zugleich ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine „Innovation der Innovation” im Sinne einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Entwicklung; und insofern handelt es sich dabei keineswegs um einen „Selbstzweck“, sondern um „ein Gebot der Klugheit“