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Japan und die Zukunft der ASEAN-Staaten | APuZ 48/1998 | bpb.de

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APuZ 48/1998 Artikel 1 Das „asiatische Wunder“ in der Krise Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im asiatisch-pazifischen Raum Japan und die Zukunft der ASEAN-Staaten Demokratisierung und die Rolle der Zivilgesellschaft in Südkorea, Taiwan und auf den Philippinen Religiöse Erneuerung in Südostasien Ihre Auswirkungen auf Säkularisierung und Demokratie Andere Werte und Handlungsrahmen in Ostasien Konsequenzen für Deutschland

Japan und die Zukunft der ASEAN-Staaten

Manfred Pohl

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Japan ist die Rolle zugefallen, seinen wichtigsten Nachbarstaaten (mit Ausnahme Chinas) durch politische Maßnahmen zur Belebung der eigenen Wirtschaft und zur Überwindung der Bankenkrise aus der Krise zu helfen. In nur zwei Jahren hat sich die Lage innerhalb Japans (Regierungswechsel) und in den wichtigsten Partnerländern drastisch verändert: Der vergleichsweise politisch „starke“ japanische Ministerpräsident Hashimoto trat nach einer schweren Wahlniederlage zurück; in Indonesien stürzte Staatspräsident Suharto und überließ das „Familienunternehmen Indonesien“ seinem Nachfolger Habibie, in Malaysia mußte der liberale Finanzminister Anwar Ibrahim zurücktreten, sein Mentor, Regierungschef Mahathir, erzwang einen dirigistischen Wirtschafts-und Finanzkurs. In Myanmar (vormals Birma) sucht die Militärregierung SPDC (State Peace and Development Council) nach politischer Anerkennung, die wirtschaftliche Misere rangiert erst auf dem zweiten Platz. Eine im wesentlichen schwache japanische Regierung sieht sich vor der erdrückenden Aufgabe, nach Kräften die eigene Krise zu bewältigen und dabei zugleich Hilfe für die schwächlichen Wirtschaften der wichtigsten Nachbarländer zu leisten. Der wichtigste ASEAN-Partner Japans, Malaysia, lehnt das Rezept des Internationalen Währungsfonds ab (das Japan unterstützt), Indonesien wird zu einem Risikofaktor für die japanische Exportwirtschaft und Myanmar zu einer außenpolitischen Belastung. In diesem Beitrag wird versucht, die Aspekte dieser Problematik darzustellen.

I. Vorbemerkungen

Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, die Beziehungen Japans zu allen Nachbarstaaten in der asiatisch-pazifischen Region zu behandeln; allein die Darstellung der bilateralen Beziehungen Japans zu China, Rußland oder Südkorea/Nordkorea würde jeweils eigene Beiträge erfordern. An dieser Stelle sollen deshalb die japanischen Beziehungen zu drei Staaten der Association of South-East Asian Nations (ASEAN) im Vordergrund stehen: Thailand, Indonesien und Malaysia; hinzu kommt Myanmar (bis 1989 Birma). Sie weisen eine Reihe von Charakteristika auf, die als wesentliche Elemente auch der übrigen bilateralen Beziehungen Japans zu asiatischen Ländern gelten können. Die vier Länder repräsentieren zugleich die beiden unterschiedlichen Lösungskonzepte für die Asienkrise: Indonesien und Thailand haben sich den harten Rezepten des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterworfen und streben eine weitgehende Öffnung zum Weltmarkt an, Malaysia hat sich unter Ministerpräsident Mahathir für Kapitalkontrolle, Dirigismus und Abkapselung entschieden, in Myanmar geht es vorrangig um das Überleben der Militärregierung.

Die südostasiatische Subregion ist für die japanische Außenwirtschaft von zentraler Bedeutung, die ASEAN-Länder im besonderen spielen sowohl als Absatz-wie auch als Beschaffungsmärkte und als Zielländer japanischer Direktinvestitionen seit den achtziger Jahren eine Schlüsselrolle für die Wirtschaft Japans in der asiatisch-pazifischen Gesamtregion. Südostasien ist ebenfalls für die japanische Sicherheitspolitik ein Kernbereich: Japan hat ein vitales Interesse an der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität der südostasiatischen Länder. Die Interessen der japanischen Regierung und der japanischen Wirtschaft treffen sich hier: Öffentliche Entwicklungshilfe und private Direktinvestitionen tragen gemeinsam zu einer solchen Stabilisierung bei.

In negativer Hinsicht hat das starke japanische Wirtschaftsengagement in Südostasien aber auch zu wechselseitigen Abhängigkeiten geführt, die der gegenwärtigen sogenannten „Asienkrise“, bei der es sich um eine Finanz-und Wirtschaftskrise handelt, mit Blick auf Japan zusätzliche Brisanz verleihen. Die japanischen Geschäftsbanken, die ohnehin mit „faulen“ Krediten japanischer Schuldner zu kämpfen haben, werden inzwischen auch durch nicht einbringbare Kredite an südostasiatische Partner belastet.

Die asiatische Währungskrise ist aus japanischer Sicht geprägt durch eine Kombination dreier Faktoren, die in unterschiedlicher Stärke für alle betroffenen südostasiatischen Länder gelten, in besonderem Maße aber für Thailand, das hier kurz als Beispiel betrachtet werden soll. Drei Faktoren seien genannt: Ein gewaltiges Defizit in der Bilanz der laufenden Posten hatte 1996 bereits 8, 2 Prozent des thailändischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreicht; dieses Defizit drückte auf Dauer auf die überbewertete Währung Thailands. 2. Die thailändische Regierung hatte de facto den Baht an den US-Dollar gekoppelt; als der Dollar deutlich aufgewertet wurde, zog der Baht nach, und die thailändische Exportwirtschaft wurde durch Verlust an Wettbewerbsfähigkeit schwer geschädigt. Auf der anderen Seite löste die Yen-Schwäche, verbunden mit dem starken Baht, eine Welle japanischer Importe nach Thainland aus, obwohl Waren aus Japan bereits seit Jahren mehr als ein Drittel aller thailändischen Importe ausmachten. Der starke Baht ließ das thailändische Handelsbilanzdefizit weiter anschwellen. 3. Der dritte Faktor war ein starkes Anwachsen des Zustroms kurzfristigen Kapitals aus dem Ausland. Thailand hatte seit langem große Mengen ausländischen Kapitals in Form von Direktinvestitionen und mittel-bzw. langfristigen Krediten angezogen 1. Zusätzlich zu diesem Kapitalfluß verstärkten sich aber seit Beginn der neunziger Jahre der Zufluß von kurzfristigem Kapital und die Portfolio-Investitionen (Wertpapierfonds) als Reaktion auf die Liberalisierung der Kapital-und Wertpapiermärkte Thailands; die Gründung der Bangkok International Banking Facility, ein Off-shore-Markt, im Jahre 1993 führte zu einem Einströmen niedrig verzinster Dollars.

Der Zufluß ausländischen Kapitals hatte zweifellos auch Vorteile: Dadurch wurde das Defizit in der Bilanz der laufenden Posten ausgeglichen bzw. überdeckt, und die thailändischen Devisenreserven erhöhten sich. Zugleich aber wurde der inflationäre Druck auf die thailändische Währung durch Erhöhung der Geldmenge verstärkt. Ein beträchtlicher Teil des ausländischen Kapitals floß in hoch spekulative Sektoren wie Immobilien und schuf damit eine „bubble economy" ganz ähnlich der japanischen Wirtschaftsblase der späten achtziger Jahre. Besonders seit 1995/96 haben Spekulanten die unterentwickelten und nicht ausreichend transparenten Finanzmärkte für kurzfristige Gewinne genutzt Die Krise stellt sich als ein Versagen der Märkte dar, das ausgelöst wurde durch chaotische Zustände, die sich aus rücksichtslosen Hazard-Spielen und dem Zusammenbruch ethischer Standards angesichts der Verlockungen schneller und leichter Gewinne erklären

II. Negative Nebeneffekte traditioneller Industrialisierungsstrategien

Seit den sechziger Jahren hatten sich alle ost-und südostasiatischen Länder für exportinduzierte Entwicklungsstrategien entschieden. Das Ziel war ein möglichst schneller Übergang von Rohstoff-Lieferanten zu Exporteuren von industriellen Fertigwaren. Sie zogen ausländisches Kapital an, bauten arbeitskräfteintensive Industrien auf und nutzten die niedrigen Arbeitskosten als komparativen Vorteil. Auf diesem Wege konnten diese Länder die Exporte von Fertigwaren erheblich steigern: 1996 bestanden 83 Prozent aller thailändischen und philippinischen Exporte und 80 Prozent der malaysischen Ausfuhren aus Fertigwaren.

Aber für die Produktion der wichtigsten Güter wie PCs, Diskettenlaufwerke, Halbleiter und ähnliche Erzeugnisse mußten diese Länder Teile und Komponenten aus den Stammländern der transnationalen Unternehmen importieren, die ihre Produkte in der Region fertigen ließen. Das führte zu einer ungesunden Wechselwirkung oder Zwangskoppelung von Exporten und Importen: Ohne Zulieferungen (Importe) konnten die Exporte nicht gesteigert werden. Die Wertschöpfung der trans-nationalen Unternehmen in den Standortländern steigerte dort zwar die Einnahme harter Devisen, trug aber wenig zur Reduzierung der Handelsbilanzdefizite bei. Darüber hinaus führt eine Industrialisierungsstrategie, die auf ausländische Investitionen setzt, fast unvermeidlich zu Defiziten in der Einkommens-und Dienstleistungsbilanz durch den Abfluß von Gewinnüberweisungen sowie durch Zahlungen für Technologie-Lizenzen und Royalties (Vergütung für die Nutzung von Patenten). So verzeichnet Malaysia zwar einen Handelsbilanzüberschuß, aber die Rücküberweisung von Gewinnen hat sich außerordentlich negativ auf die Einkommens-und Dienstleistungsbilanz ausgewirkt; daraus folgte ein chronisches Defizit in der Bilanz der laufenden Posten.

Im Jahre 1985 kamen die sieben führenden Industrienationen (G 7) im New Yorker „Plaza" -Hotel überein, den japanischen Yen in seiner Parität durch die internationalen Devisenmärkte festlegen zu lassen; zuvor war der Yen durch die japanische Regierung gegenüber dem US-Dollar künstlich niedrig gehalten worden; jetzt schnellte die Bewertung gegenüber dem Dollar steil in die Höhe und erreichte zeitweise eine Parität von 100 Yen für einem US-Dollar, was zu schweren Belastungen für die japanische Exportwirtschaft führte. Seit dem Plaza-Abkommen zeichnete sich auch eine Veränderung in den Produktionsstrukturen süd-ostasiatischer Länder ab. Nach diesem Abkommen wurden nicht nur der Yen, sondern auch der koreanische Won und der New Taiwan-Dollar gegenüber dem US-Dollar aufgewertet, und Unternehmen aus Japan, Südkorea, Taiwan und Singapur verstärkten massiv ihre Direktinvestitionen in der Region, besonders in den ASEAN-Staaten und in China. Die Produktionsstruktur in der Region war seither verstärkt durch horizontale Arbeitsteilung geprägt; es entwickelten sich globale Zentren der Fertigung von wenigen Warengruppen und Produkten wie Haushaltsgeräten oder Halbleitern und elektronischen Erzeugnissen. Damit wurden all diese Länder verwundbar für konjunkturelle Schwankungen auf den wichtigsten Absatzmärkten in den Industrieländern. Ein 1996 zu verzeichnender dramatischer Absatzeinbruch bei Halbleitern und anderen elektronischen Erzeugnissen führte dann auch zu riesigen Über-kapazitäten und hohen Lagerbeständen in der Region.

Schließlich darf der veränderte Lohnkostenfaktor nicht übersehen werden. Hauptgrund für die massiven Investitionen von Unternehmen aus Japan. Südkorea oder Singapur waren die gestiegenen Lohnkosten in diesen Ländern. Inzwischen aber sind auch in Malaysia, auf den Philippinen oder in Thailand die Löhne gestiegen; diese haben ihren komparativen Vorteil niedriger Arbeitskosten schon fast an Länder wie China, Vietnam oder Indien verloren.

Seit 1990 hat sich der Fluß von Handel und Investitionen dramatisch verändert: Die sogenannten „ASEAN-Four“ (Indonesien, Thailand, Malaysia, Philippinen) hatten zwischen 1985 und 1995 einen anteiligen Rückgang von Importen aus den USA um 2, 0 Prozentpunkte (von 16, 1 Prozent auf 14, 1 Prozent) zu verzeichnen, während der Anteil von Importen aus den NIE (Newly Industrializing Economies: Hongkong, Singapur, Südkorea, Taiwan) um Prozentpunkte (von 21, 0 Prozent auf 25, 5 Prozent) anstieg; ihr Anteil von Importen aus Japan stieg um 4, 3 Prozentpunkte (von 23, 3 Prozent auf 27, Prozent). Noch auffallender ist der Anteil der NIE als Investitionsquelle: Bis 1993 waren japanische Unternehmen mit Abstand die größten Kapitalgeber für die ASEAN. 1993/94 aber rangierten Neuinvestitionen aus den NIEs weit vor Investitionen japanischer Unternehmen. Im Jahre 1995 kam es zu einem Gleichstand; Unternehmen aus Japan und den NIEs investierten jeweils 11, 1 Milliarden US-Dollar (USA: 6, 7 Milliarden US-Dollar) 4. Das bedeutet, seit 1991 haben die NIEs Japan als wichtigsten Abnehmer von Exporten der ASEAN-Four ersetzt, und damit nehmen die ASEAN-Staaten insgesamt mehr Devisen aus den NIEs ein als aus jeder anderen Quelle 5.

Auf lange Sicht aber ist es eher unwahrscheinlich, daß die Währungskrise der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region einen schweren Schlag versetzen wird; verglichen mit den übrigen Entwicklungsländern verfügen die asiatischen Länder über robuste makroökonomische Grundlagen, zeichnen sich durch ein hohes Bildungsniveau, durch hohe Sparraten und eine vergleichsweise große politische Stabilität aus. Andererseits ist die Phase des „Wirtschaftswachstums auf der Überholspur“ wohl endgültig vorüber, die jährlichen Wachstumsraten dürften bei bescheidenen, aber soliden vier bis fünf Prozent liegen 6.

Chancen für die zukünftige Entwicklung vor allem der „kleinen Tiger“ und jener Staaten, die ihnen nacheifern, liegen in der Revision ihrer Entwicklungsstrategien, die zu sehr von Auslandskapital abhängig waren. Die industrielle Basis muß verbreitert werden, so daß mehr Teile und Komponenten in diesen Ländern selbst gefertigt werden können. Notwendig ist es auch, die Binnennachfrage zu stimulieren, um die einseitige Abhängigkeit von ausländischen Märkten aufzuweichen. Schließlich wird auch die Liberalisierung des intraregionalen Handels und der Investitionen unvermeidlich sein, hier kommt der angestrebten ASEAN Free Trade Area (AFTA) zentrale Bedeutung zu.

Japan muß dabei eine Schlüsselrolle spielen. Von rund 70 Milliarden US-Dollar Auslandskapital, das z. B. 1996 nach Thailand floß, waren 53 Prozent Kredite japanischer Banken; Japan muß also in wohlverstandenem Eigeninteresse eine Führungsrolle bei der Lösung der gegenwärtigen Krise übernehmen. Die meisten Länder der Region werden wahrscheinlich von der Bindung ihrer Währungen an den US-Dollar abrücken und sie stärker an die Währungen ihrer wichtigsten regionalen Handelspartner koppeln; das würde eine größere Rolle für den Yen bedeuten.

Zur Sicherung reibungsfreier Kooperation mit den Ländern der Region sollte Japan seinen Markt weiter öffnen, energisch die Deregulierungsmaßnahmen vorantreiben und die Importe aus der Region steigern, ganz ähnlich wie die USA Mexiko durch die NAFTA (North American Free Trade Agreement) unterstützten. Zwar sind Japans Importe gestiegen, aber es bestehen z. B. mit Malaysia, den Philippinen und Thailand immer noch hohe Handelsbilanzüberschüsse.

Die japanische Regierung wird sich verstärkt den Technologietransfer durch öffentliche Entwicklungshilfe zum Ziel setzen müssen, da private japanische Unternehmen nur in geringem Maße Technologie transferieren. Japans Unternehmen begründen diesen mangelnden Transfer damit, daß es unmöglich sei, japanische Management-prinzipien wie Unternehmensloyalität, Entscheidungen von unten nach oben usw. zu übertragen; dennoch ist das nicht völlig unvorstellbar: Amerikanische Autohersteller haben in der Region erfolgreich eine Mischung aus amerikanischen und japanischen Produktionstechnologien eingeführt. Der Grund für die restriktive Haltung japanischer Unternehmen beim Technologietransfer ist wohl eher die Sorge vor neuen leistungsfähigen Konkurrenten; die Entwicklung Südkoreas ist hier ein warnendes Beispiel. Aus der Rückschau sind viele japanische Unternehmensvertreter der Ansicht, daß in Südkorea ein zu intensiver Technologietransfer betrieben wurde.

III. Japans Hilfsmaßnahmen

Es gehört in jüngster Zeit zu den immer wieder vorgebrachten Kritikpunkten, daß Japan sich den Herausforderungen der Asienkrise nicht stelle und seiner Aufgabe als Lokomotive der benachbarten Wirtschaften nicht gerecht werde. Hier sind einige Korrekturen nötig:

Japan hat seit Ausbruch der Asienkrise die weitaus größten Mittel aller Geberländer zur Verfügung gestellt, allein 37 Milliarden US-Dollar auf bilateraler Basis. Über die ODA (Official Development Assistance) hat Japan -verglichen mit den USA -das 14fache an Mitteln für asiatische Länder bereitgestellt. Japanische Unternehmen haben durch großangelegte Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Verbesserung der Industriestruktur und zum Technologietransfer beigetragen; japanische Investitionen in Asien belaufen sich jetzt auf zirka 78 Milliarden US-Dollar und liegen damit deutlich über denen aus den USA

In der japanischen Öffentlichkeit hat besonders die Auffassung Verärgerung ausgelöst, daß die japanische Politik zumindest teilweise für die Währungskrise verantwortlich sei. Alle internationalen Währungsorganisationen sind sich jedoch darüber einig, daß die Krise in erster Linie durch ein Wechselkurssystem ausgelöst wurde, das sich an den US-Dollar gekoppelt hatte, durch wachsende Defizite in der Bilanz der laufenden Posten, durch den schnellen Zustrom von kurzfristigem Kapital, das von privaten Unternehmen nachgefragt worden war und in hoch spekulative Bereiche (Immobilien) investiert wurde; es trug damit nicht dazu bei, die Produktion zu steigern Die japanische Regierung war bereit, ihre Verantwortung für die Krise zu akzeptieren, rief aber zugleich die internationalen Organisationen auf, konzertiert zur Lösung der Krise beizutragen. Folgende Maßnahmen sollen aus japanischer Sicht international Anwendung finden: -Steigerung der ODA im Bereich der unmittelbaren humanitären Hilfe; -Unterstützung der Ausweitung der Exporte asiatischer Länder, z. B. durch die Bereitstellung von Versicherungen für Importe und Exporte; -Hilfe bei der Stabilisierung von Wechselkursen; -Verhinderung von protektionistischen Maßnahmen besonders in den USA und den europäischen Ländern.

IV. Negative Auswirkungen japanischer Investitionen in Südostasien

Japanische Unternehmen in der ASEAN mußten im ersten Quartal 1998 Umsatzrückgänge von 26, 7 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 1997 hinnehmen, japanische Unternehmen in den NIEs verzeichneten Umsatzeinbußen von 7, Prozent 9. Nach Angaben der JETRO (Japan External Trade Organization) waren auch die japanischen Exporte in asiatische Länder 1997 insgesamt rückläufig. Während die USA mit 6, 6 Prozent und die EU mit 3, 8 Prozent Zuwächse verzeichnen konnten, sanken die japanischen Exporte gegenüber 1996 um 1, 9 Prozent. Diese Angaben sind in dem jährlichen Weißbuch der JETRO enthalten, die zugleich fünf Punkte als Politikempfehlungen für ein stabiles weltwirtschaftliches Wachstum vorlegte: Damit die asiatischen Länder ihre Wirtschaft und den Handel stabilisieren können, müssen die wichtigsten Partnerländer und Regionen (USA, EU, Japan) ihre Einfuhren erhöhen und bewußt ihre Funktion als „Abnehmerländer“ (absorber) wahrnehmen; dabei ist die wirtschaftliche Erholung Japans von zentraler Bedeutung. Exporte sind gegenwärtig die einzige Möglichkeit für die süd-ostasiatischen Länder, ihre Krise zu überwinden und für 1998 Wachstum zu generieren. Aber Japans Importe aus der Region nehmen zur Zeit deutlich ab. Indonesien ist zu mehr als 30 Prozent seiner Ausfuhren vom japanischen Markt abhängig, und auch Hongkong setzt noch fünf Prozent seiner Exporte in Japan ab

Um eine Wiederholung der Krise zu vermeiden, der sich die asiatischen Länder gegenwärtig gegenübersehen, muß das internationale Finanzsystem neuen Regeln unterworfen werden, ein akkurates Verständnis für kurzfristige private Kapitalflüsse ist erforderlich.

Die asiatischen Länder haben von den Vorteilen des freien Handels und freier Investitionen profitiert, sie müssen jetzt der Versuchung widerstehen, zu protektionistischen Maßnahmen zu greifen. Die hochentwickelten Industrieländer ihrerseits müssen vermeiden, importbeschränkende Maßnahmen wie Anti-Dumping-Abgaben auf billige ostasiatische Exporte zu verhängen. Die Einführung des Euro wird dazu beitragen, die Konzentration auf den US-Dollar zu beenden, und zur Stabilisierung der internationalen Devisenmärkte beitragen; es ist auch notwendig, die Internationalisierung des Yen voranzutreiben. Im Interesse weiterer weltweiter Liberalisierungstendenzen muß die nächste Gesprächsrunde der World Trade Organisation (WTO), die im Jahr 2000 beginnt, unbedingt zu einem Erfolg werde

Japanische Unternehmen der verarbeitenden Industrie bauen zunehmend Personal in ihren süd-ostasiatischen Niederlassungen ab. Die Wirtschaftskrise zwingt diese Unternehmen, von dem Grundsatz traditionellen japanischen Management-Stils Abschied zu nehmen, auch in Krisenzeiten keine Mitarbeiter freizusetzen. Einige Beispiele sollen den Trend verdeutlichen, der sich schon seit 1997 abzeichnete:

Trotz der Pläne, verstärkt Fahrzeuge aus seiner thailändischen Produktion nach Japan zu exportieren, sah sich Nissan gezwungen, in seinem Joint Venture Siam Nissan Automobile Co. von 3 500 Mitarbeitern durch Kündigung und vorgezogenen Ruhestand 200 abzubauen. Nissan erwartete aufgrund der Krise in Thailand einen Umsatzrückgang von 22 Prozent. Kündigungen sind in Thailand selten, auch Nissan hat sich für Kompensationsmodelle entschieden; Arbeitnehmer, die freiwillig gingen, erhielten acht Monatslöhne, die übrigen sieben als Entschädigung

MMC Sittipol Co. (48 Prozent Mitsubishi. 52 Prozent thailändische Partner) hat seit April 1997 die Produktion von Picup-LKWs für den thailändischen Markt halbiert, das Werk für die Limousinen-Fertigung wurde im Juni für zwei Wochen geschlossen. 100 Zeitarbeiter wurden freigesetzt und Vollzeitkräfte von den Bändern in dem Werk in Bangkok auf andere Tätigkeiten umgesetzt; 64 Vollzeitkräfte, die mit ihrer neuen Beschäftigung nicht einverstanden waren, kündigten daraufhin. MMC Sittipol will keine Vollzeitkräfte entlassen, die freigesetzten Mitarbeiter waren Beschäftigte eines Subkontraktunternehmens, das Arbeitskräfte für die Automobilindustrie zur Verfügung stellt

Die Wirtschaftskrise in Thailand hat mehrere dort ansässige japanische Unternehmen dazu bewogen, Leistungen für ihre Beschäftigten zu kürzen. Daraufhin kam es zu Streiks, die von den Belegschaften begonnen wurden, ohne den vorgeschriebenen Verhandlungsprozeß mit dem Arbeitgeber zu absolvieren. Drei japanische Unternehmen sahen sich 1997 gezwungen, eine Petition an den thailändischen Arbeitsminister zu richten und ihn aufzufordern, dafür zu sorgen, daß die Gewerkschaften im Rahmen der Gesetze handeln, wenn es zu einem Konflikt kommt

Hitachi Ltd. hat 1998 in Singapur 363 Arbeiter entlassen, ca. 20 Prozent der gesamten Belegschaft in einem Unternehmen, das Kathodenröhren für PC-Monitore herstellt. Die Entlassungen erfolgten nach einem Rückgang der Auslastung um 40 Prozent. Auch Sony Corp. hat rund ein Drittel seiner Belegschaft (296 Mitarbeiter) in seinem singapurischen Werk entlassen, in dem optische Bauteile für CD-Spieler gefertigt werden. In Indonesien hat Mitsubishi Electric Corp. 120 Zeitarbeitnehmern und 100 Vollbeschäftigten gekündigt, eine Kürzung um 40 Prozent; hier handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen mit Lippo, das Kühlschränke und Klimageräte produziert. Das Unternehmen will jetzt den Export steigern, nachdem der indonesische Binnenmarkt um 20 Prozent abgerutscht war.

In Thailand bauen vor allem Autohersteller ihr Personal ab; so hat Mazda kürzlich sein Joint Venture mit einem thailändischen Partner geschlossen und 550 Arbeiter entlassen. Asahi Glass Co. (Bauverglasung und Autoscheiben) hat 150 Mitarbeiter, die Hälfte seiner regulären Belegschaft, durch Abfindungsprogramme abgebaut Wenn sich der Trend zum Personalabbau in japanischen Unternehmen fortsetzt, dürften negative Auswirkungen auf die ohnehin labilen Arbeitsmärkte in Südostasien nicht ausbleiben.

Die oben genannten Forderungen der japanischen Regierung (repräsentiert durch die halbstaatliche JETRO) klingen auf den ersten Blick zweifellos überzeugend, gäbe es da nicht die Forderung nach Aufhebung „protektionistischer Maßnahmen", die eher an Japan zu stellen wäre als an die USA und Europa -sonst hätte es die Forderungen nach Marktöffnung in Japan aus südostasiatischen Ländern nicht gegeben. Japan will des weiteren die Personalentwicklung in den Partnerländern vorantreiben, indem mehr Trainees akzeptiert werden -dies gilt insbesondere für Entwicklungsländer. Schließlich will Japan technische Hilfe leisten, um die Finanzsektoren in Entwicklungsländern umzustrukturieren.

Solche Maßnahmen dienen nur der Soforthilfe, die ASEAN und ihre Partner benötigen aber eine grundsätzliche Lösung der Krise, die weiter reicht als der augenblickliche Ausweg. Gegenwärtig ist in Asien nicht an ein Lösungskonzept zu denken, das auch nur entfernt dem Konzept der gemeinsamen europäischen Währung ähneln würde; aber die Schaffung eines Fonds zur Stabilisierung der regionalen Währungen wäre durchaus denkbar. Bisher aber haben sich die Regierungen der ASEAN mehr mit Fragen des Freihandels und der Liberalisierung von Investitionen beschäftigt; der Lösung des Problems gegenseitiger Währungsstabilisierung sind sie nicht nähergekommen

Japan hat aggressiv auf die Vorwürfe reagiert, nicht ausreichend zur Lösung der Asienkrise beigetragen zu haben, und in der Tat sieht die bisherige Hilfe Japans eindrucksvoll aus. 1. Der traditionelle Partner: Thailand Für Thailand wurden vier Milliarden US-Dollar über den International Monetary Fond (IMF) auf bilateraler Basis zur Verfügung gestellt, keine Hilfe seitens der USA und der EU, wie japanische Quellen vermerken Nach Mitteilung des thailändischen Finanzministers wird die staatliche japanische Exim-Bank 1998/99 weitere Yen-Kredite im Wert von zirka 600 Millionen US-Dollar ausreichen, um die thailändischen Exporte zu stärken. Die Kredite werden durch die Exim-Bank in Zusammenarbeit mit kommerziellen thailändischen Banken verteilt. Der thailändische Finanzminister hatte sich bei seinem Besuch in Tokyo 1998 auch bemüht, japanische Banken dazu zu bewegen, die Rückzahlung von dem Privatsektor Thailands gewährten Krediten zu stunden; die Auslandsschulden Thailands belaufen sich auf 72 Milliarden US-Dollar, rund die Hälfte davon werden von japanischen Banken gehalten. Die thailändische Regierung hatte weiter versucht. die japanische Seite dazu zu bringen, Dollar-Kredite in Yen-Kredite umzuwandeln; dies würde die Kosten für thailändische Schuldner deutlich reduzieren, denn Yen-Kredite werden niedriger verzinst. Die schwere Wahlniederlage Ryutaro Hashimotos (s. u.) war für Thailand ein harter Schlag, die Ernennung Keizo Obuchis zu seinem Nachfolger eine bittere Enttäuschung. Der neue japanische Regierungschef traf seine Kollegen aus der ASEAN erstmals auf einem informellen Treffen der ARF-Mitglieder (ASEAN Regional Forum); die Pläne, die er zur Belebung der japanischen Wirtschaft vorlegte, überzeugten die ASEAN-Führung nicht. Der traditionelle Partner Japans, das Königreich Thailand, das schon seit der Jahrhundertwende gute Kontakte zu Japan pflegt, war in seiner Kritik vielleicht am unverblümtesten: Der Sprecher des thailändischen Außenministeriums bezeichnete Obuchi als einen Politiker, der im „bürokratischen System“ Japans groß geworden sei, und äußerte Zweifel, ob Obuchi grundlegende Refor-men werde durchsetzen können. Alle ARF-Mitgliedstaaten drängten Japan, die eigene Krise in den Griff zu bekommen 2. Japan im Zwiespalt: Die ASEAN und das Militärregime in Myanmar (Birma)

Die grundsätzlich positive Haltung der meisten ASEAN-Staaten gegenüber Myanmar belastet die japanische Südostasien-Politik immer von neuem. Japan fand sich gegenüber der burmesischen Militärregierung des SLORC (State Law and Order Restoration Council) in einer heiklen Lage: Einerseits warf (und wirft) die japanische Regierung den Generälen in Rangoon/Yangon immer wieder Menschenrechtsverletzungen vor -insbesondere mit Blick auf die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi andererseits muß sie akzeptieren, daß die Mehrheit der ASEAN-Staaten eine Mitgliedschaft Myanmars zumindest nicht kategorisch ablehnte. Japan unterstützte die Bemühungen der ASEAN um einen kritischen Dialog mit den Militärs in Myanmar, aber es konnte 1997 seine Wirtschaftshilfe für das Land noch nicht wieder in vollem Umfang aufnehmen, weil damit gegen die Vergaberichtlinien für ODA-Leistungen (nicht an Länder mit Menschenrechtsverletzungen) verstoßen würde.

Deshalb sägte der ehemalige japanische Regierungschef Hashimoto während seiner ASEAN-Reise 1997 hinsichtlich der Aufnahme Myanmars in die ASEAN in Indonesien seinem Gesprächspartner Suharto, die Mitgliedschaft Myanmars dürfe nicht „Unterdrückung“ in dem Land verdecken, vielmehr sollte das Aufnahmeverfahren so ablaufen, daß die innere Situation Myanmar verbessert wird. Grundsätzlich aber unterstütze Japan sowohl die Aufnahme Myanmars als auch die von Kambodscha und Laos. Suharto versicherte, daß die ASEAN bei der Aufnahme Myanmars die Weltmeinung berücksichtigen werde;

Myanmar könnte von den Erfahrungen Indonesiens profitieren, meinte der damalige indonesische Präsident Vor zehn Jahren hatte Japan nach den Massakern der burmesischen Militärführung an prodemokratischen Demonstranten die Wirtschaftshilfe an Rangoon eingefroren, im August 1998 hatte es den Anschein, als wolle die japanische Regierung diese Hilfe wieder aufnehmen. Beobachter in der Region, aber auch die US-Führung sind überzeugt, daß Japan im möglichen Dialog mit der Militärführung in Myanmar eine Schlüsselrolle zukommt. Der internationale Druck auf die Militärs in Rangoon/Yangon kann nur wirkungsvoll fortgesetzt werden, wenn Japan sich an diesen Druckmaßnahmen beteiligt. Nur unter japanischem Druck könnten die Generäle schließlich bereit sein, mit der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi konstruktive Verhandlungen zu führen. Offiziell hat Japan bisher nur „humanitäre“ Hilfe an Burma geleistet, es gab jedoch Irritationen unter Verfechtern demokratischer Entwicklungen in Burma, als Tokyo unter diese humanitäre Hilfe auch finanzielle Unterstützung für Reparaturarbeiten am Flughafen von Rangoon rechnete. Bisher ist die japanische Regierung meist den Vorgaben aus Washington gefolgt, es gibt jedoch starke Wirtschaftsinteressen in Tokyo, die Druck auf die Regierung ausüben, nicht mehr der US-Linie zu folgen, sondern Geld nach Burma zu pumpen

Das japanische Außenministerium hat die Vollmitgliedschaft von Myanmar, Laos und Kambodscha in der ASEAN begrüßt; zugleich wurde betont, daß Japan die Demokratisierung in Myanmar „ermutigen“ wolle. Japan werde es aber nicht dulden, wenn Myanmar die ASEAN-Mitgliedschaft nutze, um die Unterdrückung seines Volkes zu vertuschen. Der damalige Ministerpräsident Hashimoto warnte, daß Japan darauf achten werde, daß Myanmar die Mitgliedschaft nicht als Sanktionierung der Sünden der Militärregierung wertet. Anders als die USA und die EU hat Japan Boykottmaßnahmen abgelehnt und stets einen Dialog zwischen dem SLORC (seit November 1997 umbenannt in State Peace and Development Council SPDC]) und der National League for Democracy von Aung San Suu Kyi befürwortet. Japan will sich nach Auskunft des Außenministeriums für bessere Beziehungen zwischen den USA und Myanmar einsetzen

Die japanische Regierung hat Myanmar in Aussicht gestellt, die Entwicklungshilfe (ODA) wieder aufzunehmen, wenn erkennbare Fortschritte bei der Demokratisierung festgestellt werden. Japan hatte im September 1988 die ODA-Hilfe ausgesetzt, nachdem der SLORC die Macht übernommen hatte. Im Februar 1989 wurden die Zahlungen für laufende Projekte wieder aufgenommen, aber neue Wirtschaftshilfe wurde nicht gewährt. Die Botschaft über die mögliche Wiederaufnahme der ODA-Hilfe wurde den burmesischen Gene-rälen als Wunsch des Regierungschefs Hashimoto vom Leiter der Abteilung für außenpolitische Fragen im Büro des japanischen Ministerpräsidenten überbracht. Inzwischen hat sich die japanische Regierung bereit erklärt, Myanmar zwei Milliarden Yen als Umschuldungshilfe zu gewähren, nachdem Myanmar im Mai 1997 einen Kredit von zwei Milliarden Yen zurückgezahlt hatte 3. Japan und das „Familienunternehmen Suharto": Verstärkte Hilfe für Indonesien Innerhalb des Jahreszeitraums 1997/98 erlebten die ASEAN-Staaten, Indonesien und Japan tief-greifende Umbrüche: Indonesiens Präsident Suharto trat zurück, die indonesische Wirtschaftskrise verschärfte sich dramatisch, und in Japan trat eine neue Regierung ihr Amt an. Noch 1997 hatte der damalige japanische Regierungschef Hashimoto fünf ASEAN-Länder besucht. Zwei problematische Themenkreise standen im Mittelpunkt der Unterredungen Hashimotos mit dem indonesischen Präsidenten Suharto: das indonesische „Nationalauto“ und die Aufnahme Myanmars in die ASEAN, die von Suharto zusammen mit Malaysias Regierungschef Mahathir nachdrücklich betrieben wurde. Das Myanmar-Problem wurde zwischen 1997 und 1998 weitgehend im Sinne der ASEAN-Staaten von Japan behandelt; die übrigen Probleme besonders mit Indonesien wurden durch die Abdankung Suhartos gelöst bzw. in den Hintergrund gedrängt.

Gegenüber dem damaligen Präsidenten Suharto versicherte Hashimoto, daß seine Regierung keine offiziellen Kontakte mit dem Führer der Unabhängigkeitsbewegung für Ost-Timor und Nobelpreisträger Jose Ramos-Horta habe, man „verstünde in Japan die indonesische Position“. Zugleich aber beeilte sich die japanische Seite zu betonen, daß die Regierung in Tokyo die Annexion Ost-Timors durch Indonesien nicht anerkenne. Ein Sprecher des japanischen Außenministeriums betonte jedoch, die japanische Regierung werde mit dem Problem in dem Bewußtsein umgehen, daß Ost-Timor gegenwärtig unter indonesischer Verwaltungskontrolle sei. Weder Regierungschef Hashimoto noch Außenminister Ikeda würden mit Ramos-Horta Zusammentreffen. Hinsichtlich des indonesischen „Nationalautos“ drängte Hashimoto den indonesischen Präsidenten, diesen Wagen nur im Einklang mit den WTO-Richtlinien zu produzieren, die jetzigen Produktionsbedingungen seien diskriminierend gegenüber anderen Anbietern. Das „Nationalauto“ dürfte der Vergangenheit angehören: Die Produktion dieses Kleinwagens, der gegenüber ausländischen (i. a. japanischen) Fahrzeugen steuerlich massiv begünstigt werden sollte, ist untrennbar mit der Familie Suharto verbunden: Das einzige Unternehmen, das ihn fertigen sollte, gehörte einem Sohn Suhartos. Die südkoreanische Partnerfirma KIA ist in großen finanziellen Schwierigkeiten.

Auch in Indonesien gibt es ehemalige sogenannte „Trösterinnen“, Zwangsprostituierte der kaiserlichen japanischen Armee. Die „Asiatische Friedensstiftung für Frauen“, die Entschädigungen für koreanische und philippinische Zwangsprostituierte auszahlen wird, soll sich nach den Vorstellungen der japanischen Regierung auch um die indonesischen Opfer kümmern. Es ist geplant, in den kommenden zehn Jahren Wohlfahrtseinrichtungen für alte Frauen einzurichten, die unter der japanischen Armee gelitten haben. In Ost-und Zentral-Java, Nord-Sumatra, Ost-Sulawesi und an anderen Regionen sollen Einrichtungen für jeweils zehn Frauen entstehen, die von der Stiftung errichtet und unterhalten werden sollen. Da die indonesische Regierung angegeben hatte, daß es schwierig sei, individuelle Ansprüche zu verifizieren, fließen die Mittel jetzt in diese Einrichtungen, wo ganze Gruppen betreut werden können

Die bilaterale Hilfe Japans für Indonesien erreichte schon unmittelbar nach Ausbruch der Krise eine Höhe von fünf Milliarden US-Dollar; nach japanischen Angaben trugen die USA eine Milliarde US-Dollar zur Krisenbewältigung bei, die EU nichts (zweifellos ein japanischer Rechentrick). Nach Angaben des Außenministeriums in Tokyo wird die japanische Regierung Indonesien im Haushaltsjahr 1998 (bis 31. März 1999) 187 Milliarden Yen (1, 3 Milliarden US-Dollar) an ODA-Krediten zur Verfügung stellen. Eine erste Tranche „weicher“ Kredite im Volumen von 150 Milliarden Yen wird ausreichen, um die indonesische Zahlungsbilanz zu stützen. Die japanische Seite machte diese Angaben anläßlich einer Tagung der Consultative Group on Indonesia in Paris, die von der Weltbank organisiert worden war. Sämtliche weichen Kredite sind dazu bestimmt, die indonesische Devisenknappheit zu bewältigen, normalerweise waren japanische ODA-Leistungen an Indonesien für Infrastruktur-projekte wie Kraftwerke und Straßenbau bestimmt. Die indonesische Regierung wird die Yen-Kredite nutzen, um Rupiah aufzukaufen und mit diesen Mitteln Projekte durchführen, die Arbeitsplätze schaffen und damit die Gesellschaft stabilisieren. 20 Milliarden Yen der Kreditlinie werden eingesetzt, um die Transportkosten für Reislieferungen von 500000 Tonnen zu begleichen; Japan stellt den Reis als „Leihmenge“ zur Verfügung, um die Versorgung der indonesischen Bevölkerung sicherzustellen Die japanische Regierung wird Indonesien weitere 10, 99 Milliarden Yen (79, 6 Millionen US-Dollar) als nichtrückzahlbare Hilfe zum Kauf von Reis zur Verfügung stellen. Indonesiens Regierung wird die Mittel einsetzen, um in Japan zusätzlich 500 000 Tonnen Reis zu kaufen, die erste Lieferung traf im August in Indonesien ein. Darüber hinaus stellt Japan weitere 100000 Tonnen Reis im Rahmen eines Nahrungshilfeprogramms von 1995 zur Verfügung. Mitten in den finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten Indonesiens wurde das Land auch von einer lang anhaltenden Dürreperiode getroffen, die zu umfangreichen Ernteausfällen führte 4. Zwischen Selbstbewußtsein und neuen Krisenängsten: Japan und Malaysia Innerhalb nur eines Jahres schwankten auch die Beziehungen Japans zu Malaysia und die gegenseitige Einschätzung von einem Extrem zum anderen: Malaysias Regierungschef Mahathir konnte auf ein scheinbar erfolgreiches Entwicklungsmodell verweisen, das nicht zuletzt durch japanisches Engagement zustande gekommen war; aus malaysischer Sicht waren Japan und Malaysia zu überzeugenden Modellen einer asiatischen Entwicklung geworden, die scheinbar ohne westliche Werte auskam. Mahathir wurde zum schärfsten Kritiker angeblicher westlicher Dekadenz und vermeintlicher Versuche westlicher Industrieländer, die Konkurrenzkraft asiatischer Länder durch Forderungen nach sozialen Rechten, Umweltschutz u. ä. zu schwächen. Japan hatte 1997 das neue Selbstbewußtsein der ASEAN-Länder durchaus akzeptiert, die erste Auslandsreise des damals gerade gewählten japanischen Regierungschefs Ryutaro Hashimoto führte ihn nach Südostasien, frühere japanische Regierungschefs hatten fast ausnahmslos ihre erste Auslandsreise und „Antrittsbesuche“ in die USA geführt. Es ging der japanischen Regierung darum, den Dialog mit den ASEAN zu intensivieren; dazu sollten regelmäßige Konsultationen geführt werden. Von allen ASEAN-Staaten, die Hashimoto besuchte, war Malaysia vielleicht am ehesten bereit, den regelmäßigen Gesprächen der Regierungschefs zuzustimmen, die Hashimoto vorgeschlagen hatte, zumindest signalisierte Regierungschef Mahathir dieses. Das erste Treffen sollte nach malaysischer Auffassung in Kuala Lumpur im Herbst 1997 stattfinden. Auch separate Gespräche Japans und der ASEAN mit China und Südkorea befürwortete der malaysische Außenminister, gemeinsame Projekte wie die Eisenbahnverbindung zwischen Singapur und Kunming oder die Entwicklung des Mekong-Beckens wären angemessene Themen Trotz seiner grundsätzlichen Zustimmung zu ASEAN-Japan-Gipfeltreffen vermied es Mahathir, die Zustimmung deutlich auszusprechen.

Bei dem Besuch des japanischen Regierungschefs 1997 kamen Hashimoto und Mahathir überein, gemeinsame Anstrengungen für den Wiederaufbau Bosnien-Herzegowinas zu unternehmen. Der japanische Regierungschef hob besonders die Leistungen Malaysias bei der UN-Friedenstruppe für Bosnien hervor, auch lobte Hashimoto den malaysischen Beitrag für die KEDO (Korean Energy Development Organization), die zwei Leichtwasser-Reaktoren in Nordkorea bauen soll. Mahathir seinerseits drängte Japan, in der G-7-Gruppe darauf hinzuwirken, daß die weniger entwickelten Länder ein größeres Mitspracherecht in Fragen des internationalen Handels erhalten; Japan habe hier in der Vergangenheit nicht genug getan.

Ein gutes Jahr später ist von der malaysischen Euphorie nicht viel geblieben, das Land steckt wie alle anderen asiatischen Staaten (mit Einschränkungen auch China) tief in der Finanz-und Wirtschaftskrise, und für Malaysia liegt der Schlüssel zur Überwindung der Krise bei Japan. In Japan aber hat inzwischen die Regierung gewechselt; Hashimoto mußte nach einer schweren Wahl-schlappe zurücktreten, sein Nachfolger Keizo Obuchi stellt vorerst binnenwirtschaftliche Probleme in den Vordergrund seiner Regierungsarbeit. Mahathir zeigte sich betroffen von der Wahl-niederlage Hashimotos; auf der Tagung des ASEAN Regional Forum (ARF) in Manila (im Juli 1998) gab er seiner Hoffnung Ausdruck, daß auch der neue japanische Regierungschef Obuchi die Reformanstrengungen zur wirtschaftlichen Erholung Japans fortsetzen werde

Im Unterschied zu anderen von der Krise betroffenen Länder in Südostasien hat sich Malaysia gegen Unterstützung durch den IMF entschieden, denn bei Gesprächen im Rahmen des informellen ASEAN-Treffens in Kuala Lumpur (im Dezember 1997) hatte Japans damaliger Regierungschef Ryutaro Hashimoto seinen malaysischen Amtskollegen Mahathir deutlich gemacht, daß Hilfsmaßnahmen des IMF nicht ohne Bedingungen anlaufen könnten. Im Gegensatz zu Mahathir, der IMF-Auflagen als Verletzung der nationalen Souveränität seines Staates ansieht, betonte Hashimoto, daß es keine Hilfspakete ohne solche harte Auflagen geben könne, die nötigen Gelder aus den USA und Europa würden einfach nicht fließen, wenn es keine Einigung zwischen dem IMF und jenen Ländern gebe, die Hilfe brauchten. Der malaysische Regierungschef hatte auf eine japanische Intervention gegen die harschen IMF-Auflagen gehofft, die u. a. Steuererhöhungen, hohe Zinsen und Haushaltskürzungen vorsehen; Japan ist zweitgrößter Einzahler in den IMF. Mahathir verwies dabei auf die bisher angeblich ausgebliebene Wirkung der IMF-Maßnahmen. Hashimoto dagegen drängte seinen malaysischen Partner, strikt die Rahmen-richtlinien des sogenannten „Manila Framework“ vom November 1997 einzuhalten, das gegenseitige Finanzhilfen zwischen den ASEAN-Staaten und anderen asiatischen Nationen vorsieht. Zu diesem Zweck war ein Fonds eingerichtet worden, aus dem zusätzlich zu IMF-Mitteln Finanzhilfen bereitgestellt werden können. Das Manila Framework war auf dem APEC-Treffen in Vancouver (1997) formell beschlossen worden

Mahathir ist ein Politiker, der sich in Japan großer Beliebtheit erfreut; das gilt nicht zuletzt für japanische Spitzenpolitiker. Um so betroffener reagierte die japanische Regierung auf die Maßnahmen Mahathirs zur Sanierung der malaysischen Wirtschaft: Der energische Reformer, Finanzminister Anwar Ibrahim (auch designierter Nachfolger Mahathirs), mußte seinen Posten räumen, als Nachfolger wurde sein Vorgänger und enger Vertrauter von Mahathir, Daim Zainuddin, gehandelt. Dieser Wechsel steht für ein Konzept, das diametral den Empfehlungen Hashimotos entgegensteht, denen auch der neue Regierungschef Obuchi verpflichtet ist: Anwar Ibrahim hatte auf Marktwirtschaft, Liberalisierung der Kapitalmärkte, straffe Zinskontrollen und eine rigorose Sparpolitik im Staatshaushalt gesetzt. Vor etwas über einem Jahr hatte die malaysische Regierung die Bindung an den US-Dollar aufgehoben, im September 1998 fuhr Mahathir die Maßnahmen zurück: Der malaysische Ringgit wurde auf einen Wechselkurs von 3, 8 Ringgit/1 US-Dollar festgelegt, zugleich wurde eine strikte Devisenkontrolle eingeführt. Der malaysischen Wirtschaft fehlen frische Kapitalzuströme, angesichts der dirigistischen neuen Maßnahmen werden die japanischen Banken (wie auch andere westliche Banken) kaum dazu bereit sein, neue kommerzielle Kredite zur Verfügung zu stellen In der verarbeitenden Industrie sollten einige Lockerungen in den Eigentums-und Verfügungsrechten eintreten. So sollten sogenannten Nicht-Bumiputra (d. h. Chinesen oder Japaner) Anteile von Bumiputra-Unternehmen aufkaufen dürfen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind; ausgenommen davon blieben „strategische Industrien“, darunter die Automobil-Industrie und damit der Bereich, an dem japanische Unternehmen das größte Interesse hätten. Grundlage der malaysischen Reformpläne war ein Papier des National Economic Action Council (NEAC), das von seinem damaligen Leiter Daim Zainuddin vorgelegt wurde .

Hashimoto kündigte am Rande des informellen ASEAN-Treffens in Kuala Lumpur 1997 auch ein rein japanisches Paket von Hilfsmaßnahmen für die ASEAN-Staaten im Wert von 18, 5 Milliarden US-Dollar an. Die Hilfsmaßnahmen umfassen eine neue Kreditlinie für Exportversicherungen sowie „niedrigst“ verzinste Kredite für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte wie z. B. Straßen zwischen zwei oder mehr ASEAN-Ländern. Weiter sollen in den kommenden fünf Jahren 20000 Bürger der ASEAN nach Japan zu Ausbildungsmaßnahmen eingeladen werden. Als weiteres Ziel soll die Wettbewerbsfähigkeit der Klein-und Mittelbetriebe in der ASEAN gefördert werden. Im einzelnen sagte der japanische Regierungschef folgende Maßnahmen zu: -Unterstützung im internationalen Kontext bei der Implementierung der IMF-Hilfsmaßnahmen sowie Unterstützung in IMF und Weltbank, um den ASEAN-Staäten bei der Regulierung und Kontrolle des Finanzsektors zur Seite zu stehen; -Verstärkung des Dialogs zwischen Japan und den ASEAN-Staaten mit Blick auf makroökonomische Fragen, Probleme der Devisen-und Finanzmärkte sowie über bilaterale technische Kooperation; -Verabschiedung eines Japan-ASEAN-Programms zur Heranbildung von Fachleuten (20000 Trainees in fünf Jahren); -Einrichtung einer Kreditlinie zur Exportversicherung im Wert von 18, 5 Milliarden US-Dollar; -Gründung von intraregionalen Industrieverbänden der Klein-und Mittelindustrie, um gemeinsam die Konkurrenzfähigkeit dieses Sektors zu steigern und die Exporte zu erhöhen mit den Schwerpunkten Komponenten und Bauteile;

-Hilfe für Südkorea in Höhe von 14, 5 Milliarden US-Dollar, davon 3, 3 Milliarden US-Dollar aus Japan, 5 Milliarden aus den USA und 6, 25 Milliarden aus der EU;

-Zusätzliche Kreditlinien Eindrucksvoller waren die Maßnahmen, die Japan bereits 1997 für die notleidenden Wirtschaften seiner asiatischen Nachbarn ergriff: Die Handelsversicherungen für Geschäfte ohne Letter-of-Credit (L/C) wurden für Indonesien, Thailand und Südkorea auf insgesamt 13 Milliarden US-Dollar ausgeweitet, die Kreditlinie für Auslandsinvestitionen in Indonesien und Thailand wurde auf je eine Milliarde US-Dollar erweitert. Weiter wurden für das Haushaltsjahr 1997 aus dem sogenannten FLIP (Fiscal Loan and Investment Program, eine Art Zusatzhaushalt) umgerechnet 2, 5 Milliarden US-Dollar Zusatzkredite für Investitionen in der Region bereitgestellt. Die japanische Regierung stellte auch sogenannten Zweistufenkredite in Höhe von 600 Millionen US-Dollar für Thailand und eine Milliarde US-Dollar für Indonesien zur Verfügung, die von den Regierungen beider Länder an örtliche Banken weitergereicht wurden, die ihrerseits daraus Kredite für Klein-und Mittelbetriebe bereitstellten. Indonesien wurde zum Haupt-empfängerland humanitärer Hilfe: Japan stellte 580 Millionen US-Dollar (70 Milliarden Yen) für soziale Sicherungsmaßnahmen, Arbeitslosenhilfe und die Entwicklung von Fortbildungsmaßnahmen zur Verfügung. 30 Millionen US-Dollar flossen als Soforthilfe für Nahrungsmittelbeschaffung und andere Notmaßnahmen nach Indonesien.

V. Folgen für Japan

Die Maßnahmen der japanischen Regierung zur Ankurbelung der Binnennachfrage scheinen dringend überfällig; nur ein Nachfrageschub in Japan selbst kann wirklich zur Erholung in den Nachbar-ländern beitragen, denn sie sind auf Exporte angewiesen und Japan wäre ein „natürlicher“ Markt. Auf den ersten Blick sind die 16 Trillionen Yen (120 Milliarden US-Dollar), die Japans Regierung als Stimulus aufwenden will, eine höchst eindrucksvolle Summe; aber diese Mittel konzentrieren sich auf öffentliche Arbeiten, z. B. Bauvorhaben im Infrastrukturbereich, sie schließen jedoch keine steuerwirksamen Maßnahmen ein, d. h., Japans Verbraucher profitieren kaum von dem Maßnahmenpaket, ihre Kaufkraft wird nicht gesteigert. Auch die Maßnahmen im öffentlichen Sektor können nur greifen, wenn die japanische Regierung effektive Deregulierungsmaßnahmen einleitet, damit bürokratische Engpässe und konkurrenzfeindliche Geschäftspraktiken aufgebrochen werden. Es wären Japans Verbraucher, die durch verstärkten Konsum -unter Ausnutzung endlich günstiger Preise -die Exporte aus Japans Nachbarländern steigern könnten. Bisher aber haben die Maßnahmen der japanischen Regierung keine Wirkung gezeigt: Die japanische Wirtschaft bleibt in der Krise, die Banken ächzen unter „faulen“ Krediten, der Yen bleibt weiterhin schwach und schmälert so die Wettbewerbsfähigkeit zahlreicher Produkte aus der Region. Die malaysische Wirtschaft erhielt 1997 einen Schlag durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern, was den privaten Konsum in einem ersten Schub drosselte, dann sackten die Exporte in die Krisenländer Asiens ab (immerhin exportiert Japan zweieinhalbmal soviel dorthin wie die USA und Europa), und in den ersten drei Monaten 1998 sank die Industrieproduktionjahresbereinigt um sechs Prozent, für 1998 wird erstmals ein Minuswachstum erwartet. Weitere Unternehmen dürften zusammenbrechen, die Furcht vor Arbeitslosigkeit wird zunehmen und damit verbunden der private Konsum noch weiter sinken. Die OECD schätzt, daß Japans Wirtschaft 1998 um 0, 3 Prozent kontrahieren wird, aber selbst eine handfeste Rezession dürfte kaum unmittelbare Einflüsse auf die Wirtschaften der USA und Europas haben, so die optimistische Perspektive

Es gibt aber auch eine ausgesprochen negative Perzeption: Nicht nur die Länder der asiatischen Region haben sich für eine exportinduzierte Entwicklungsstrategie entschieden, auch Staaten in Mittel-und Südamerika setzen auf diesen Weg. Durch den fortgesetzten japanischen Konsumverzicht bzw. die stagnierende Investitionstätigkeit bleiben für diese Exporte aus industrialisierenden Staaten nur die USA als „buyer of last resort“ da auch Europa mit Wachstumsschwierigkeiten zu kämpfen hat und die Mitgliedsländer der EU nach neuen Exportmärkten außerhalb der Union suchen müssen. Für die USA bedeutet dieser Andrang von Exporten eine weitere Steigerung des Defizits in der Bilanz der laufenden Posten um cirka 50 bis 100 Milliarden US-Dollar, schätzt der IMF; bereits 1997 hatten die USA ein Defizit von 178 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen. Amerikanische Erzeuger werden große Schwierigkeiten bekommen, um sich gegen diese Konkurrenz durchzusetzen, langsameres Wachstum, weniger US-Exporte in wichtige Märkte werden Unternehmensgewinne drücken und negative Einflüsse auf die Aktienmärkte haben. Die Auflösung japanischer Portfolio-Investitionen durch die Banken des Landes dürfte diesen Druck noch erhöhen. Angesichts des hohen Defizits in der Bilanz der laufenden Posten könnte es zu einer Schwächung des US-Dollars kommen, der private Konsum und die Investitionsbereitschaft amerikanischer Unternehmen würden sinken, die USA könnten in eine Rezession gleiten und die übrige Welt mitziehen. Deshalb: „The fate of Japan’s economy is no longer a matter only for Japanese or even for Japanese and Americans. Somehow persuading Japanese leaders to do the heart transplant of deregulation and decartelization as swell as the blood transfusion of fiscal Stimulation is of the utmost importance to the entire world.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Kagami Mitsuhiro, „Ajia saisei, Nippon shudö de“ (Wiederbelebung in Asien -eine Führungsrolle für Japan), in: Nihon keizai shimbun vom 19. August 1997.

  2. Vgl. „Teiryü ni aru ’en„gen“ doru’no chiseigaku“ (Geopolitik in der Strömung von Yen, Yuan und Dollar), in: Ekonomisuto vom 23. September 1997, S. 46-49 (zit. fortan: Geopolitik).

  3. Vgl. M. Kagami (Anm. 1). Aus japanischer Sicht hat die thailändische Währungskrise viele Gemeinsamkeiten mit der mexikanischen Krise von 1994: Die Währungen beider Länder waren zu stark geworden, diese Erstarkung wiederum führte zu einem wachsenden Defizit in der Bilanz der laufenden Posten, das durch Zustrom kurzfristigen Kapitals überdeckt wurde. In beiden Ländern löste die Liberalisierung der Kapital-und Wertpapiermärkte eine Welle von ausländischem Kapital aus; ein „emerging market“ wurde geschaffen, dessen Unausgereiftheit spekulative Angriffe ermöglichte; die Folge war ein noch größeres Chaos. Der direkte Auslöser der Mexiko-Krise aber war das Urteil der Märkte, daß Mexiko nicht in der Lage sein würde, die riesigen Mengen von kurzfristigen Regierungsanleihen in US-Dollars zu bedienen, die Mexiko aufgelegt hatte. Mit anderen Worten: Es handelte sich um ein Versagen der mexikanischen Regierung. In Thailand dagegen wurde die Krise durch eine spekulative „Blase“ ausgelöst, die aus dem Zustrom umfangreicher privater Mittel über die Offshore-Märkte in Sektoren wie Immobilien entstand. In dieser Hinsicht ähnelt die thailändische Krise verblüffend dem Platzen der japanischen „bubble economy“.

  4. Vgl. Geopolitik (Anm. 2), S. 47.

  5. Vgl. Misperception and Truth about Economies of Asia and Japan, Press Release, Ministry of Foreign Affairs in Japan vom 17. April 1998 (zit. fortan: Misperception). Es bleibt natürlich das Problem, daß die meisten Warenströme, die diesen Trend ausgelöst haben, zu einem erheblichen Teil aus „intracompany-trade“ bestehen, die keinen eigentlichen Wertschöpfungsprozeß einschließen.

  6. Vgl. ebd., S. 4.

  7. Vgl. ebd., S. 7.

  8. Vgl. ebd., S. 9.

  9. Vgl. Nikkei Weekly vom 3. August 1998.

  10. Vgl. Asian Wall Street Journal (AWSJ) vom 16. Dezember 1997; Xinhua News Agency (XNA) vom 21. Dezember 1997.

  11. Vgl. AWSJ vom 13. August 1998.

  12. Vgl. ebd. vom 3. Juni 1997.

  13. Vgl. ebd. vom 9. Juni 1997.

  14. Die drei japanischen Unternehmen waren Sanyo Seminconductor (Thailand) Co., TDK (Thailand) Co. und Honda Cars Manufacturing (Thailand) Co. Die Beschwerde kam fünf Monate, nachdem Arbeiter das Werk von Sanyo Universal Electric PCL niedergebrannt hatten. Die Ausschreitungen begannen, als Sanyo den Jahresbonus von 5, 75 Monatslöhnen auf vier Monatslöhne gekürzt hatte. Im Frühjahr 1996 war es in einem Montagewerk für Motorräder von Suzuki zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen; Arbeiter verlangten Lohnerhöhungen und bessere Arbeitsbedingungen, es kam zu Sachschäden, und 150 japanische Manager wurden einige Tage gefangengehalten. Beide Zwischenfälle haben in Japan das Vertrauen in harmonische Arbeitsbeziehungen in Thailand beschädigt. Vgl. ebd. vom 28. Mai 1997.

  15. Vgl, Nikkei Weekly vom 3. August 1998.

  16. Vgl. Misperception (Anm. 5), S. 7.

  17. Vgl. M. Kagami (Anm. 1).

  18. Vgl. Misperception (Anm. 5), S. 14.

  19. Vgl. Kyodo News Agency (Kyodo, engl.) vom 26. Juli 1998, in: Summaries of World Broadcast (SWB) vom 28. Juli 1998.

  20. Vgl. Asahi shimbun vom 11. Januar 1997; Nikkei Weekly vom 11. Januar 1997.

  21. Vgl. South China Morning Post vom 5. August 1998.

  22. Vgl. Kyodo vom 31. Mai 97, in: SWB vom 2. Juni 1997.

  23. Vgl. International Herald Tribune vom 15. Juni 1997; Kyodo vom 12. Juni 1997, in: SWB vom 14. Juni 1997; TV Myanmar, burm., vom 2. Juni 1997, in: SWB vom 11. Juni 1997.

  24. Vgl. Asahi shimbun vom 12. Januar 1997.

  25. Vgl. Nikkei Weekly (Anm. T 5).

  26. Vgl. AWSJ vom 24. Juni 1998.

  27. Vgl. International Herald Tribune vom 24. Januar 1997.

  28. Vgl. XNA vom 14. Juli 1998.

  29. Vgl. Kyodo vom 15. Dezember 1997, in: SWB vom 16. Dezember 1997.

  30. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 5. /6. September 1998.

  31. Vgl. Nikkei Weekly vom 27. Juli 1998.

  32. Vgl. Kyodo vom 16. Dezember 1997, in: SWB vom 18. Dezember 1997.

  33. Vgl. „If Japan should crash“, in: The Economist vom 11. April 1998, S. 9.

  34. Clyde Prestowitz, „Going Down With Japan“, in: Far Eastern Economic Review vom 16. April 1998, S. 15.

  35. Ebd.

Weitere Inhalte

Manfred Pohl, Dr. phil., geb. 1943; Studium der Japanologie, Politologie, Sinologie und Geschichte in Hamburg und Kyoto; 1976-1994 wissenschaftlicher Referent am Institut für Asienkunde Hamburg; seit 1994 o. Professor für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft des modernen Japan an der Universität Hamburg. Veröffentlichungen u. a.: Japan, München 19963; (Hrsg.) Länderkunde Japan, Stuttgart 1986; (Hrsg. zus. mit Hans-Jürgen Mayer) Länderbericht Japan, Bonn 1998.