Die Vereinten Nationen und der internationale Schutz der Menschenrechte Eine Bestandsaufnahme
Henning Boekle
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Zusammenfassung
Am 10. Dezember dieses Jahres begeht die internationale Gemeinschaft den fünfzigsten Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN). Der Beitrag gibt aus diesem Anlaß einen Überblick über Verfahren und Aktivitäten des VN-Systems im internationalen Menschenrechtsschutz und versucht, ihre Effizienz kritisch zu analysieren. Während die Inklusion des Menschenrechtsschutzes in den Zielkatalog der Weltorganisation eine bahnbrechende Leistung der VN darstellt, stößt die Wirksamkeit der in ihrer Folge errichteten Schutzverfahren weiterhin an enge Grenzen. Die sogenannten „juristischen“ Verfahren, die auf eigenen völkerrechtlichen Verträgen basieren, besitzen die Vorteile klar geregelter Verpflichtungen und Kontrollkompetenzen der unabhängigen Expertenorgane, die unter diesen Verfahren mit der Kontrolle der Verpflichtungseinhaltung durch die Mitgliedstaaten betraut sind. Doch fehlt eine direkte Erzwingbarkeit von Ausschuß-„Urteilen“, so daß deren Umsetzung weitgehend von der freiwilligen Erfüllung durch die betroffenen Regierungen abhängt. Die „politischen“ Verfahren, die auf den vagen Menschenrechtsklauseln der VN-Charta sowie nachgeordneten, völkerrechtlich nicht bindenden Deklarationen und Resolutionen von VN-Organen beruhen, neigen demgegenüber zu einer Tendenz der Politisierung, da unter ihnen aus weisungsgebundenen Regierungsdelegierten bestehende VN-Organe mit der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen beauftragt sind. Zudem mangelt es auch ihnen -vom Sicherheitsrat abgesehen -an der Fähigkeit zur Durchsetzung ihrer Beschlüsse. Neuere Entwicklungen -die Einsetzung eines Hochkommissars für Menschenrechte und der Beschluß, einen internationalen Strafgerichtshof einzurichten -stärken zwar die Fähigkeit der internationalen Gemeinschaft erheblich, auf schwere Menschenrechtsverletzungen zu reagieren. Als vordringlichste Notwendigkeit erscheint es aber, den derzeit verschwindend geringen Anteil der VN-Menschenrechtsinstitutionen am Gesamthaushalt der Weltorganisation zu erhöhen, um die Existenz und Wirksamkeit der bestehenden Systeme und Verfahren nicht zu gefährden.
Am 10. Dezember dieses Jahres begeht die internationale Gemeinschaft den fünfzigsten Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) Diese völkerrechtlich nicht verbindliche Deklaration gab jenen „Menschenrechten und Grundfreiheiten“ einen konkreten Inhalt, zu deren Achtung und Förderung die VN-Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 1 Abs. 3, 55 und 56 der VN-Charta verpflichtet sind. Gleichzeitig wurde sie zum Ausgangspunkt für die weitere Kodifizierung der Menschenrechte in Deklarationen und völkerrechtlichen Verträgen, die heute die Grundlage zahlreicher menschen-rechtlicher Untersuchungs-und Schutzsysteme darstellen, die von den Vereinten Nationen initiiert wurden. Der folgende Beitrag gibt aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte einen Überblick über Verfahren und Aktivitäten des VN-Systems im internationalen Menschenrechtsschutz und versucht, ihre Effizienz kritisch zu analysieren.
I. Strategien des Menschenrechts-schutzes der Vereinten Nationen: „juristische“ versus „politische“ Verfahren
Die Verfahren, die von den VN zum Schutz der Menschenrechte eingerichtet wurden, zerfallen in „juristische“ und „politische“ Verfahren 1. Die Unterschiede zwischen den beiden Verfahrenstypen lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Juristische Verfahren beruhen auf eigenständigen, völkerrechtlich bindenden Verträgen. Die unter ihnen verhandelbare Materie ist in den jeweiligen Vertragstexten verbindlich geregelt.
Die politischen Verfahren hingegen fußen auf den verbindlichen, aber sehr vagen Menschenrechtsklauseln der Charta der Vereinten Nationen sowie den ihr nachgeordneten, völkerrechtlich nicht bindenden Rechtsakten politischer VN-Organe. Die juristischen Verfahren besitzen demnach zwar eine höhere Rechtsverbindlichkeit, sind andererseits aber statisch, weil jede substantielle oder prozedurale Änderung der expliziten Zustimmung aller Mitgliedstaaten bedarf. Bei den „politischen“ Verfahren dagegen sind Änderungen, durch einfachen Beschluß möglich.
Juristische Verfahren sind nur auf jene Staaten anwendbar, die die jeweilige Konvention ratifiziert haben. Demgegenüber sind die politischen Verfahren auf alle Staaten, zumindest aber auf alle VN-Mitglieder anwendbar. Damit können viele Staaten, in denen die häufigsten Menschenrechtsverletzungen begangen werden, nur durch politische Verfahren getroffen werden.
3. Unter den politischen Verfahren sind VN-Organe, die aus weisungsgebundenen Delegierten der Regierungen der VN-Mitgliedstaaten bestehen, mit der Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen betraut. Unter den juristischen Verfahren wird die Untersuchung dagegen von speziellen Ausschüssen geleistet, die aus unabhängigen Experten bestehen und üblicherweise auch keine eigentlichen VN-Organe sind. Die juristischen Verfahren weisen demgemäß eine geringere Tendenz zu Politisierung bei der Behandlung spezifischer Menschenrechtsverletzungen auf. Hinzu kommt, daß die Konventionsausschüsse außer ihren Verfahrensaufgaben kaum weitere Funktionen erfüllen müssen, während VN-Organe neben politischen Verfahren zahlreiche andere Aufga, ben zu leisten haben.
Im folgenden wird zunächst ein Überblick über die bislang bestehenden juristischen Verfahren gegeben. Anschließend werden die von den verschiedenen VN-Organen eingerichteten politischen Verfahren erläutert.
II. Der „juristische“ Menschenrechtsschutz
Die VN haben bislang sechs Menschenrechtskonventionen auf den Weg gebracht, die eigene Schutzsysteme beinhalten Diese Systeme können auf drei Verfahrensweisen zurückgreifen: -die Prüfung von Staatenberichten, -die Prüfung von Staatenbeschwerden sowie -die Prüfung von Individualbeschwerden
Automatisch unterworfen sind die jeweiligen Mitgliedstaaten in der Regel nur dem Berichtsverfahren. Die Unterwerfung unter die Staaten-wie die Individualbeschwerde bedarf üblicherweise einer ausdrücklichen Unterwerfungserklärung oder gar des Beitritts zu einem gesonderten Protokoll. Im folgenden werden die sechs bestehenden Konventionen mit Kontrollverfahren und -Organen einzeln vorgestellt 1. Zivilpakt Die Entstehung des Zivilpakts (Konvention über bürgerliche und politische Rechte) und seines Zwillings, des Sozialpakts, spiegelt den menschenrechtspolitischen Wertekonflikt zwischen den westlich-liberalen Staaten und dem kommunistischen Block (sowie der Dritten Welt) wider. Ursprünglich hatten sich die VN die Erstellung nur einer Konvention zum Ziel gesetzt, doch wur-den nach über anderthalb Jahrzehnten zäher Verhandlungen 1966 schließlich zwei getrennte Konventionen verabschiedet, die -nach Erfüllung der festgelegten Beitrittsquoren -erst 1976 in Kraft traten. Angesichts der Entstehungsgeschichte und des normativen Inhalts des Zivilpakts ist es nicht verwunderlich, daß vor allem westliche Staaten ihm frühzeitig beitraten. Eine Ausnahme sind die USA, die ihn zwar 1977 unterzeichneten, doch erst 1992 ratifizierten
Unter dem Zivilpakt wurde ein 18köpfiger Menschenrechtsausschuß (MRA) geschaffen. Gemäß Art. 40 hat er die Berichte zu prüfen, die von allen Staaten ein Jahr nach dem Inkrafttreten der Konvention für sie erstmalig vorgelegt werden müssen, danach auf Aufforderung durch den Ausschuß. Für die Fälligkeit der Folgeberichte hat der MRA als Intervall fünf Jahre festgesetzt, doch hat er seit 1991 auch außerhalb der üblichen Periodizität einige Staaten zur Berichterstattung aufgefordert, wenn er auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam geworden war. Art. 41 sieht vor, daß Staaten eine Unterwerfungserklärung hinsichtlich Staaten-beschwerden abgeben können, was allerdings nur 40 der (Stand 1. Januar 1998) 140 Konventionsmitgliedstaaten getan haben. Die Unterwerfung unter die Individualbeschwerde ist im Zivilpakt selbst nicht vorgesehen, sondern bedarf der Ratifikation des Ersten Fakultativprotokolls zum Zivilpakt (93 Mitglieder zum 1. Januar 1998). Seit 1994 ist auch ein Zweites Fakultativprotokoll zum Zivilpakt in Kraft, das die Abschaffung der Todesstrafe zum Ziel hat. Dieses maßgeblich von der Bundesrepublik auf den Weg gebrachte Instrument hatte am 1. Januar 1998 gerade 31 Mitglieder
Die Prüfung einer Beschwerde durch den MRA dauert meist mehrere Jahre, und die Umsetzung seiner „Urteile“ kann nicht international erzwungen werden, sondern bedarf der freiwilligen Erfüllung durch den betroffenen Staat. Im Vergleich mit den regionalen Systemen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) schneidet der Zivilpakt hinsichtlich seiner Effektivität daher eher schlecht ab. Die Staatenbeschwerde hat sich überhaupt als denkbar ineffektives Instrument erwiesen -sie ist bislang noch nie eingelegt worden. Dennoch kommt dem Zivilpakt positive Bedeutung im Hinblick auf jene Mitgliedstaaten zu, die nicht Mitglieder der effektiveren Regionalsysteme in Europa und Amerika sind. 2. Sozialpakt Der Sozialpakt (Konvention für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte), der zum 1. Januar 1998 137 Mitgliedstaaten hatte, erscheint im Vergleich zum Zivilpakt weniger als eine Menschenrechts- denn als eine Staatenpflichtskonvention. Während der Zivilpakt in Sätzen wie „Jeder Mensch hat dieses oder jenes Recht“ oder „Kein Mensch darf in der Ausübung dieses oder jenes Rechtes beeinträchtigt werden“ formuliert ist, wird der Sozialpakt von der Formel „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, dieses oder jenes Recht bestmöglich zu verwirklichen“ gekennzeichnet -wobei der einschränkende Zusatz „entsprechend ihren Möglichkeiten“ häufig sogar noch hinzutritt. Auch das Schutzsystem des Sozialpakts ist wesentlich schwächer als jenes des Zivilpakts. Er kennt keine Verfahren außer der Berichtspflicht der Mitgliedstaaten, die nach Art. 17 Ziff. 1 innerhalb eines Jahres nach Beitritt zu erfüllen ist. 1988 wurde die Frist für die Vorlage von Erstberichten durch Beschluß des Wirtschafts-und Sozialrats (WSR) auf zwei Jahre verdoppelt und die Periodizität der Folgeberichte auf fünf Jahre festgesetzt. Ein Sonderfall ist die Verfaßtheit des Kontrollorgans. Bis 1987 hat der WSR der VN das „Monitoring“ selbst ausgeübt, erst seitdem gibt es ein Spezialorgan („Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“), das zwar wie der MRA aus 18 unabhängigen Experten besteht, aber formal als Unterorgan des WSR in die VN-Organisationsstruktur eingebunden ist, während alle anderen Ausschüsse eigenständige Organe sind. Für die Effektivität des Sozialpaktes ist diese Besonderheit aber ohne Bedeutung; er verkörpert eines der schwächsten existierenden VN-Schutzsysteme.
Zwar ist gegenwärtig ein (fakultatives) Zusatzprotokoll zum Sozialpakt in Arbeit, welches ein Individualbeschwerdeverfahren (aber kein Staatenbeschwerdeverfahren!)
eröffnen soll. Angesichts der als schwierig einzuschätzenden Justitiabilität der im Sozialpakt niedergelegten Rechte (oder besser: der staatlichen Verpflichtungen) bestehen gegenüber einem solchen Verfahren jedoch Vorbehalte. 3. Anti-Folter-Konvention Die Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung -1984 verabschiedet und 1987 in Kraft getreten -kennt alle drei Verfahrenstypen:
die Berichtspflicht nach Art. 19 (innerhalb eines Jahres nach Beitritt, danach alle vier Jahre und auf Aufforderung durch den Ausschuß), die Staatenbeschwerde nach Art. 21 sowie die Individualbeschwerde nach Art. 22. Beide Beschwerdeverfahren bedürfen einer Unterwerfungserklärung. Von den (zum 5. Dezember 1997) 105 Mitgliedstaaten haben sich 41 der Staatenbeschwerde und 39 der Individualbeschwerde unterworfen
Eine herausragende Bestimmung der Anti-Folter-Konvention stellt ihr Art. 20 dar, der dem Ausschuß die Kompetenz einräumt, neben Petitionen von Betroffenen auch vertrauliche Informationen (einschließlich solcher von Nichtregierungsorganisationen [NGOs]) über systematische Folter in einzelnen Mitgliedstaaten entgegenzunehmen und zu prüfen;
sie hat so den drei üblichen Konventionsverfahren gewissermaßen ein viertes hinzugefügt. Zwar können Staaten gemäß Art. 28 erklären, daß sie diese Kompetenz des Ausschusses bezüglich Informationen, die sie selbst betreffen, nicht anerkennen. Doch macht die Notwendigkeit einer Nichtunterwerfung die Unterwerfung unter dieses Verfahren zur Regel.
Lediglich elf Staaten haben bislang ihre Nichtunterwerfung unter Art. 20 erklärt.
Die Bestimmung des Art. 20 hebt die Anti-Folter-Konvention aus den anderen Konventionssystemen heraus, doch kann für ihre Effektivität für beschwerdeführende Personen dasselbe gelten wie für den Zivilpakt: langwieriges Prüfungsverfahren, die mit Ausschuß-„Urteilen“ ohne Erfüllungsgarantie schließen. Da in Europa seit 1987 mit dem Europäischen Übereinkommen für die Abschaffung der Folter ein effektiveres Verfahren zur Verfügung steht, ist zumindest für die Bürger/innen der Mitgliedstaaten dieser Konvention ein besserer Schutz vor Folter gewährleistet. Außerhalb Europas gilt wie schon für den Zivilpakt, daß die Anti-Folter-Konvention der VN „besser als nichts“ ist. Auch zur Anti-Folter-Konvention ist zudem gegenwärtig ein Fakultativprotokoll in Arbeit, wel-ches gleich dem Protokoll Nr. 2 zur Europäischen Konvention gegen die Folter in jenen Staaten, die ihm beitreten, unangemeldete Kontrollbesuche in Haftanstalten durch einen zehnköpfigen Unterausschuß des Anti-Folter-Komitees ermöglichen soll 4. Konvention gegen Rassendiskriminierung Die Konvention zur Abschaffung aller Formen von Rassendiskriminierung wurde 1965 verabschiedet und trat bereits 1969 in Kraft. Der durch sie geschaffene 18köpfige Expertenausschuß war gewissermaßen das Modell für den MRA unter dem Zivilpakt. Ende Januar 1998 hatte die Konvention 150 Mitgliedstaaten. Auch die Konvention gegen Rassendiskriminierung sieht Staatenberichte, Staatenbeschwerde und Individualbeschwerde vor. Die Berichtspflicht nach Art. 9 ist innerhalb eines Jahres nach Beitritt, danach alle zwei Jahre und auf Aufforderung durch den Ausschuß zu erfüllen. Die Unterwerfung unter die Staatenbeschwerde ist im Gegensatz zu allen anderen Konventionssystemen für alle Mitgliedstaaten obligatorisch. Allerdings ist sie auch unter dieser Konvention noch nie benutzt worden. Die Zulässigkeit der Individualbeschwerde bedarf gemäß Art. 14 der Konvention einer entsprechenden Erklärung des betreffenden Mitgliedstaates.
Insgesamt ist die Konvention gegen Rassendiskriminierung mit Blick auf ihre Beschwerdeverfahren als nicht allzu wirkungsvolles völkervertragsrechtliches Instrument des Menschenrechtsschutzes zu bewerten. Wichtige verfahrensmäßige Fortschritte der jüngeren Zeit stellen jedoch die Aufnahme von Verhandlungen gegen Staaten dar, die ihrer Berichtspflicht nicht nachgekommen sind oder in denen der Ausschuß (u. a. auf Grundlage von NGO-Informationen) dringlichen Handlungsbedarf feststellt. 5. Frauenrechtskonvention Die 1979 verabschiedete und 1981 in Kraft getretene Konvention zur Abschaffung der Diskriminierung der Frau verpflichtet in Art. 18 die derzeit (Ende Januar 1998) 161 Mitgliedstaaten zur Erstellung von Berichten innerhalb eines Jahres nach Beitritt sowie danach alle vier Jahre und auf Aufforderung durch den Konventionsausschuß. Beschwerdemöglichkeiten sind weder für Staaten noch Individuen vorgesehen. Dies macht sie trotz ihres späten Verabschiedungsdatums zu einem der schwächsten der globalen Menschenrechtsschutz
Systeme. Daran hat auch die 1993 eingeführte Neuerung wenig geändert, nach welcher der Ausschuß angesichts von Informationen über schwere Verletzungen der Konvention gelegentlich Staaten zu Berichten außerhalb der Periodizität auffordert. 6. Kinderrechtskonvention Die Konvention über die Rechte des Kindes wurde 1989 verabschiedet und trat 1990 in Kraft. Sie listet nicht die Rechte von Kindern auf, sondern die Maßnahmen, die Staaten zum Schutz von Kindern treffen sollen (z. B. gegen Kinderarbeit, Prostitution usw.). Immerhin weist diese Konvention die bei weitem größte Mitgliedschaft aller VN-Menschenrechtsvertragssysteme auf: Zum 30. November 1997 waren ihr 191 Staaten beigetreten
Auch die Kinderrechtskonvention hat einen Ausschuß ins Leben gerufen, der aus zehn Experten besteht. Nach Art. 44 unterliegen die Mitgliedstaaten einer Berichtspflicht, die innerhalb zweier Jahre nach Beitritt erstmalig und danach alle fünf Jahre zu erfüllen ist. Weitere Kontrollverfahren gibt es nicht, so daß auch die Kinderrechtskonvention ein schwaches völkervertragsrechtliches Instrument des Menschenrechtsschutzes darstellt. Zwar sind gegenwärtig zwei Ergänzungsprotokolle in Arbeit. Eines widmet sich der Problematik von Kindern in bewaffneten Konflikten und legt fest, daß Jugendliche unter einem (gegenwärtig noch nicht einvernehmlich festgesetzten) Mindestalter für die Streitkräfte der Mitgliedstaaten weder durch Zwang noch freiwillig rekrutiert werden dürfen. Das zweite Protokoll soll Kinderhandel und Kinderprostitution wirksamer bekämpfen. Das erstgenannte Protokoll könnte -wenn der entsprechende, in der das Protokoll erarbeitenden Arbeitsgruppe aber noch nicht allgemein anerkannte Vorschlag sich durchsetzt -immerhin die Möglichkeit vorsehen, daß der Konventionausschuß „verläßliche Informationen“ über Verletzungen des Protokolls prüfen kann. Das zweite Protokoll sieht dagegen lediglich gesetzgeberische Maßnahmen der Mitgliedstaaten vor. Eine entscheidende Stärkung der verfahrensmäßigen Kompetenzen des Kinderrechtsausschusses ist durch die Protokolle daher nicht zu erwarten Schaubild: 12
Zusammenfassende Beurteilung der VN-Konventionssysteme Gegenüber dem „politischen“ Menschenrechts-schutz durch VN-Organe hat der „juristische“ Schutz durch Konventionssysteme den Vorteil, daß Menschenrechtskonventionen verbindliches Völkervertragsrecht verkörpern, während dies zwar für die VN-Charta, nicht aber für die diversen Erklärungen und Resolutionen gilt, auf welchen die politischen Verfahren fußen. Die Kompetenzen der Vertragsausschüsse sind in den Konventionen selbst festgelegt und daher wesentlich unstrittiger als jene der politischen Organe. Die Konventionsverfahren, die auf VN-Initiative eingerichtet wurden, sind aber durchweg schwächer als die regionalen Systeme in Europa und Amerika, unter denen Menschenrechts-Gerichtshöfe bindende Entscheidungen produzieren können Die Konventionsausschüsse können -sofern und soweit ihnen die Kompetenz zur Prüfung von Individualbeschwerden überhaupt zusteht -nur die Erfüllung vertraglicher Pflichten verlangen und
Verletzungen feststellen; bei Nichtbefolgung ihrer Beschlüsse durch einen Mitgliedstaat können sie lediglich ihre Kritik an diesem wiederholen bzw. verschärfen.
Im Hinblick auf die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen stehen bei den juristischen Verfahren Einzelfälle im Vordergrund. Von der Staatenbeschwerde, die am ehesten als Instrument gegen systematische Menschenrechtsverletzungen geeignet wäre, wurde bislang unter keiner der globalen Konventionen je Gebrauch gemacht Das einzige in allen Konventionssystemen obligatorische Verfahren -jenes der Berichtsprüfung -ist kaum als geeignetes Instrument gegen Menschenrechtsverletzungen anzusehen, denn Regierungen geben solche Verletzungen natürlich nicht freiwillig zu, und manche Länder kommen ihrer Berichts-pflicht überhaupt nicht oder mit mehrjähriger Verspätung nach Lediglich der Ausschuß gegen Folter, der auf Grundlage von Informationen selbst die Initiative ergreifen kann, besitzt so ein durch die Konvention selbst legitimiertes Instrument zur Reaktion auf massive Menschenrechtsverlet-zungen. Andere Ausschüsse (v. a.der MRA und der Ausschuß gegen Rassendiskriminierung) haben in den letzten Jahren zwar „emergency procedures^ eingeführt, doch bestehen diese in der Regel aus wenig mehr als der Nachfrage nach Sonderberichten von den betreffenden Regierungen.
Für die Auseinandersetzung der Weltgemeinschaft mit massiven Menschenrechtsverletzungen bieten Menschenrechtskonventionen folglich insgesamt kein geeignetes Instrumentarium, insbesondere solange nicht, wie ihre Mitgliedschaft nur Teile, nicht aber die ganze Staatenwelt einschließt. Immerhin haben seit dem Ende des Ost-West-Konflikts alle Konventionssysteme zahlreiche neue Mitglieder gefunden. Die Primärwirkung der Konventionssysteme liegt letztlich eher in der Stabilisierung der Menschenrechtslage in den Mitgliedstaaten und in der Prävention akuter Menschenrechtsverletzungen als in deren Bekämpfung.
III. Der „politische“ Menschen-rechtsschutz
1. Die Menschenrechtskommission und Unter-kommission Die Menschenrechtskommission (MRK) wurde 1946 als „funktionale Kommission“ des WSR gemäß Art. 68 der VN-Charta ins Leben gerufen. Als Nichtplenarorgan unterliegt ihre Zusammensetzung dem „Prinzip der gerechten geographischen Verteilung“. Ihre derzeit 53 Sitze werden nach einem festgelegten Proporz unter den „Regionalgruppen“ so aufgeteilt, daß die Gruppe der „Westeuropäischen und anderen Staaten“ (alle vor 1989 nichtkommunistischen europäischen Staaten sowie USA, Kanada, Australien und Neuseeland) zehn Sitze, die der „Osteuropäischen Staaten“ (die vor 1989 kommunistischen europäischen Staaten) fünf Sitze, jene der lateinamerikanischen Staaten (einschließlich Kuba und Karibik) elf Sitze, die der afrikanischen Staaten fünfzehn Sitze und jene der asiatischen Staaten zwölf Sitze erhalten.
Ursprünglich bestand die Hauptaufgabe der MRK im „standard-setting“, welches auch heute noch einen wichtigen Platz auf ihrer Agenda einnimmt Dagegen stellte sie 1947 fest, sie habe „no power to take any action in regard to any com-plaints concerning human rights“ (WSR-Resolution 75 [V] [1947]). Bis in die sechziger Jahre hielt die MRK an dieser „no power“ -Doktrin fest, dann aber wuchs das Drängen der Dritten Welt auf Maßnahmen gegen Kolonialismus (v. a. die portugiesische Kolonialpolitik in Angola, Mosambik und Guinea-Bissau) und Rassismus (die Apartheid in Südafrika und die Rassenpolitik der weißen Minderheitsregierung im früheren Rhodesien). 1967 schließlich wurde der MRK durch WSR-Resolution 1235 die Kompetenz übertragen, „schwere Menschenrechtsverletzungen“ in spezifischen Ländern öffentlich zu untersuchen. Bis heute führt die MRK unter diesem Mandat öffentliche Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch Hatte sie ihre Aufmerksamkeit anfänglich auf die Kolonialismus-Rassismus-Problematik beschränkt und lediglich seit 1968 auch die israelische Besatzungspolitik im Nahen Osten behandelt, so fand seit 1975, als Chile und Zypern -untersucht wurden, eine stetige Ausweitung des sogenannten „ 1235-Verfahrens“ statt. Bis heute wurden unter dem Mandat von WSR-Resolution 1235 seit 1967 rund 40 Länder auf ihre Menschenrechtssituation hin von der MRK untersucht Weitere Ländersituationen behandelt die MRK unter der Rubrik der Hilfsdienste und technischen Zusammenarbeit im Bereich der Menschenrechte. Im Unterschied zur Behandlung unter dem 1235-Verfahren bedarf sie hierfür jedoch der Zustimmung der betroffenen Regierung; die Menschenrechtssituationen, die Gegenstand von Hilfsdiensten und technischer Zusammenarbeit sind, sind dementsprechend meist weniger gravierend 1979 begann die MRK zudem mit der öffentlichen Untersuchung bestimmter Typen von Menschenrechtsverletzungen ohne geographische Beschränkung (thematische Verfahren). Die übliche Form der Behandlung von Verletzungen besteht für länder-wie themenspezifische Untersuchungen in der Schaffung spezieller „fact finding“ -Mechanismen (Sonderberichterstatter, Arbeitsgruppen o. ä.) Hatten die „thematischen“ Sonderberichterstatter und Arbeitsgruppen früher auf die Namensnennung von Ländern, mit denen sie sich befaßten, verzichtet, so enthalten ihre Berichte heute ausführliche Informationen über Beschwerden aus und Missionen in einzelnen Ländern sowie über ihre Kommunikation mit bestimmten Regierungen. Die thematischen Verfahren spielen daher auch für länderspezifische Untersuchungen der MRK eine große Rolle.
Da die MRK aus weisungsgebundenen Regierungsdelegierten besteht und die allermeisten Resolutionsentwürfe zu länderspezifischen Menschenrechtsverletzungen von diesen (einzeln oder in Gruppen wie z. B.der EU) lanciert werden, besitzt das 1235-Verfahren faktisch den Charakter eines Staatenbeschwerdeverfahrens. Daher waren und sind die 1235-Vorgänge in der MRK häufig stark von Politisierung und Interessenpolitik gekennzeichnet. Auch die Politik mancher westlicher Länder war nicht immer über jeden Zweifel erhaben. Die USA etwa haben bis heute an ihrer (häufig von keiner anderen Delegation unterstützten) Ablehnung von Verurteilungen Israels (die freilich von der MRK-Mehrheit auch allzu emsig betrieben werden) festgehalten und in der Reagan-Ära der achtziger Jahre auch rechtsautoritäre lateinamerikanische Regime trotz deren Menschenrechtsverletzungen in Schutz genommen. Andere westliche Staaten -zumal die Niederlande, Kanada und die skandinavischen Länder -haben im Zusammenhang mit dem 1235-Verfahren dagegen meist eine konstruktive, aktive und balancierte Politik betrieben
Seit 1970 verfügt die MRK in Form des-1503-Verfahrens (gleichfalls benannt nach der WSR-Resolution, durch die es eingerichtet wurde) über ein zweites Prüfungsverfahren. Im Unterschied zum 1235-Verfahren ist dieses Verfahren vertraulich. Allerdings hat sich seit 1978 die Praxis etabliert, daß der bzw. die MRK-Vorsitzende nach Abschluß der geschlossenen 1503-Treffen der MRK die Länder benennt, die Gegenstand von Untersuchungen waren. Befassungen mit Menschenrechtsverletzungen unter dem 1503-Verfahren beruhen auf Petitionen Betroffener. Dieses Verfahren ähnelt demnach einem Individualbeschwerdeverfahren. Doch wird die Kompetenz der MRK unter dem 1503-Verfahren auf solche „Fälle“ beschränkt, die ein „beständiges und systematisches Muster von Menschenrechtsverletzungen“ erkennen lassen, was seine Tauglichkeit für Petitionen einzelner stark einschränkt, da nicht nur die Menschenrechtsverletzung im Einzelfall nachzuweisen ist, sondern auch die Tatsache, daß es sich um ein solches „Muster“ handelt
Das „Screening'" eingehender Beschwerden unter dem 1503-Verfahren ist eine der zentralen Aufgaben der Unterkommission für Verhinderung von Diskriminierung und Minderheitenschutz, die der MRK untergeordnet Sie -ist. besteht obwohl ein VN-Organ -nicht aus Regierungsdelegierten, sondern aus 26 unabhängigen Experten, die wiederum nach einem festgelegten Regionalgruppenschlüssel für vier Jahre von der MRK gewählt werden. Trotz ihrer formellen Unabhängigkeit vertreten zahlreiche Mitglieder der Unterkommission jedoch mehr oder minder offen die Linie der Regierung ihres Landes, von der sie auch zur Wahl nominiert werden. Die Unter-kommission führt auch selbst öffentliche Untersuchungen schwerer Menschenrechtsverletzungen durch und hat der MRK selbst schon Initiativen unter dem 1235-Verfahren vorgelegt. Um eine Doppelung ihrer Aktivitäten und jener der MRK zu vermeiden, konzentriert sich die Unterkommission heute auf Menschenrechtsverletzungen, die nicht Gegenstand des 1235-Verfahrens der MRK sind, wobei sie für Entscheidungen über konfliktträchtige länderspezifische Resolutionen häufig auf geheime Abstimmungen zurückgreift Die Unterkommission unterhält auch eigene Sonderberichterstatter und Arbeitsgruppen zu Themen, die nicht Gegenstand solcher Mechanismen der MRK sind. Neben ihrer Befassung mit Menschenrechtsverletzungen, die einen erheblichen Teil ihrer vierwöchigen Jahres-sitzungen in Anspruch nehmen, ist auch sie mit der Weiterentwicklung des menschenrechtlichen Normensystems befaßt.
Im Gegensatz zu den anderen, höhergestellten VN-Organen haben in der MRK und Unterkommission NGOs, die mit Konsultativstatus beim WSR akkreditiert sind, die Möglichkeit, offiziell an den Sitzungen teilzunehmen. Drei Kategorien des Konsultativstatus sind zu unterscheiden: NGOs mit allgemeinem Konsultativstatus haben die weitestgehenden Rechte bis hin zum Vorschlag von Tagesordnungspunkten; dieser Status ist jedoch solchen Organisationen wie dem Weltkirchenrat oder dem Internationalen Gewerkschaftsverband Vorbehalten, deren Tätigkeit sich nicht auf einen spezifischen Gegenstand innerhalb des wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Politikbereichs beschränkt. Aufgrund ihrer Spezialisierung genießen „große“ Menschenrechts-NGOs wie Amnesty International speziellen Konsultativstatus. Sie haben wie Organisationen mit allgemeinem Konsultativstatus das Recht, Dokumente vorzulegen und mündliche Stellungnahmen abzugeben. NGOs der dritten Kategorie, des sogenannten „Registers“, können zwar an den Sitzungen teilnehmen, dürfen schriftliche und mündliche Stellungnahmen aber nur auf Einladung abgeben Stimmrecht in den beiden Organen haben NGOs natürlich nicht, so daß ihr Einfluß auf einzelne Entscheidungen sich auf die Ausübung von Druck auf die stimmberechtigten Regierungsdelegierten beschränkt. Durch ihre Offenheit für die konsultative Teilnahme von NGOs stellen MRK und Unterkommission nichtsdestoweniger einen wichtigen „access poinG für Menschenrechtsorganisationen dar.
Eine Bewertung der spezifischen Arbeit von MRK und Unterkommission muß wiederum ihre Ohnmacht konstatieren, Beschlüssen Nachdruck zu verleihen. Dies gilt insbesondere für das 1503-Verfahren, da der MRK und der Unterkommission hier nicht einmal das Druckmittel der Öffentlichkeit zu Gebote steht. Allerdings können „renitente“ Regierungen zum Gegenstand des öffentlichen 1235-Verfahrens gemacht werden, das zweifellos eine Druckwirkung auf betroffene Regierungen entfalten kann. In der länderspezifischen MRK-Tätigkeit war nach dem Ende des Kalten Krieges eine deutlich gestiegene Konsensfähigkeit feststellbar. In jüngster Vergangenheit scheint die Entwicklung im Zuge eines „Schulterschlusses“ zwischen autoritären Regimen verschiedenster ideologischer Ausrichtung wieder in die Gegenrichtung zu verlaufen, und der Umstand, daß die allermeisten behandelten Länder der Dritten Welt angehören, stößt auf wachsenden Widerstand In den letzten Jahren haben sich auch Debatten über das Verfahren als solches entsponnen, in deren Verlauf manche Regierungen sogar seine Abschaffung forderten. 2. Die Generalversammlung Die Generalversammlung (GV) ist das Plenarorgan der VN, in dem alle Mitgliedstaaten mit je einer Stimme vertreten sind. Sie ist das VN-Organ mit der umfassendsten Aufgabenstellung und auch für Menschenrechtsfragen zuständig, zu denen sie gemäß Art. 13 der VN-Charta „Empfehlungen“ abgeben kann. Sie hat die einschlägigen Menschenrechtsdeklarationen verkündet und Konventionstexte verabschiedet. Auch die Schaffung des Amtes des Hochkommissars für Menschenrechte wurde Ende 1993 von der GV beschlossen, die jährlich auch die Berichte von MRK und WSR sowie von den Konventionsausschüssen erhält.
Im Gegensatz zu MRK und WSR hatte die GV bereits in den vierziger Jahren die Behandlung schwerer Menschenrechtsverletzungen aufgenommen (z. B. in den kommunistischen Ländern und Südafrika). Heute befaßt sie sich regelmäßig mit den länderspezifischen und thematischen Verfahren, die auch Gegenstand des 1235-Verfahrens der MRK sind, was aufgrund der zeitlichen Lage ihrer Jahressitzungen zwischen den Sitzungen der MRK der Beobachtung von Menschenrechtssituationen durch VN-Organe Kontinuität verleiht. Gelegentlich war es auch die GV, die sich zuerst eines Falles von Menschenrechtsverletzungen annahm und die MRK zur weiteren Untersuchung aufforderte. Nach der Schaffung des 1235-Verfahrens hat sie jedoch nur selten unabhängig von der MRK Maßnahmen zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzung ergriffen, so beispielsweise Ende der sechziger Jahre mit der Schaffung einer „Arbeitsgruppe für israelische Praktiken in den besetzten Gebieten“. Statt dessen bedient sich auch die GV der MRK-Sonderberichterstatter, von denen sie häufig eigene Berichte erhält. Ein Verfahren für die Behandlung vertraulicher Petitionen kennt die GV nicht, und oft sind Menschenrechtsfragen auch nur ein Aspekt unter anderen, wenn sie sich mit der Lage in einem bestimmten Land auseinander-setzt.
Die GV verfügt über sechs Hauptausschüsse, von denen der dritte (für „humanitäre Angelegenheiten“) für Menschenrechtsfragen zuständig ist und -zusammen mit der MRK -auch eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung von Deklarationen und Konventionen spielt. Der Dritte Hauptausschuß arbeitet in der Regel die Texte von GV-Resolutionen zu Menschenrechtsfragen aus. Fragen im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker fallen in den Zuständigkeitsbereich des Vierten Hauptausschusses, während sämtliche Haushaltsfragen einschließlich jener von menschenrechtlicher Bedeutung Sache des Fünften Hauptausschusses sind.
Aufgrund ihres weit umfassenderen Aufgabengebietes und ihrer weit geringeren Spezialisierung kann der Menschenrechtsarbeit der GV sicher nicht dieselbe Qualität wie jener der MRK zugesprochen werden Ihr stärkstes Druckmittel ist ebenfalls „nur“ die Schaffung von Öffentlichkeit, da sie ihre Beschlüsse nicht durchsetzen kann. Nachteilig für die Tätigkeit der GV im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsverletzungen ist, daß hier -im Unterschied zu MRK und Unter-kommission -Menschenrechts-Nichtregierungsorganisationen lediglich informell, d. h. durch Informationsaustausch mit und „lobbying“ von einzelnen Delegationen, auf die Vorgänge in der GV Einfluß nehmen können. Der Grad der ideologisch-politischen Aufladung in ihrer Behandlung von Menschenrechtsverletzungen wurde von Beobachtern immer höher als jener in der MRK eingestuft doch ist auch ihre Arbeit nach dem Ende des Ost-West-Konflikts von sinkender Politisierung gekennzeichnet gewesen. Allerdings scheinen auch im VN-Plenarorgan die Konflikte zwischen einer Koalition autoritärer Regime und der demokratischen Welt sich in jüngster Zeit zuzuspitzen. 3. Der Sicherheitsrat Der Sicherheitsrat (SR) ist das einzige VN-Organ, das unter Kapitel VII der VN-Charta verbindliche Beschlüsse fassen kann, um die Wahrung des Welt-friedens zu ermöglichen. Für die menschenrechts-politische Funktion des SR heißt dies, daß er gegen Menschenrechtsverletzungen nur dann vorgehen kann, wenn diese nach seiner Auffassung eine Gefährdung des Weltfriedens darstellen. Der Präzedenzfall einer SR-Maßnahme unter Kapitel VII gegen Menschenrechtsverletzungen war die Verhängung eines Wirtschaftsembargos gegen die weiße Minderheitsregierung im damaligen Rhodesien 1968. 1977 folgte ein Waffenembargo gegen das südafrikanische Apartheid-Regime. Danach ist es erst in den neunziger Jahren wieder zu SR-Maßnahmen unter Kapitel VII gegen Menschenrechtsverletzungen gekommen. 1991 wurden im Nordirak Schutzzonen für die vom Regime Saddam Husseins verfolgten Kurden eingerichtet. Einen ähnlichen Versuch unternahmen die VN auch in Bosnien, wo die erklärten „Schutzzonen“ jedoch 1995 der serbischen Aggression zum Opfer fielen, was tausendfaches Morden zur Folge hatte. Auch die vom SR autorisierten Interventionen in Somalia, Haiti und Ruanda waren menschenrechtspolitisch motiviert
Auch wenn die Ausweitung des SR-Einsatzes gegen Menschenrechtsverletzungen als Zeichen einer Abkehr von der traditionellen Souveränitätsdoktrin aus menschenrechtlicher Perspektive grundsätzlich zu begrüßen ist, scheint der SR bei seinen Aktivitäten mit zweierlei Maß zu messen. Maßnahmen gegen mächtige Staaten sind kaum zu erwarten. Zum Präzedenzfall militärischer Intervention gegen Menschenrechtsverletzungen -der Errichtung von Schutzzonen für Kurden im Irak -wäre es wohl kaum gekommen, wäre ihm nicht der Krieg um Kuwait vorausgegangen. Doch nicht nur Widersprüchlichkeiten und politische Konflikte haben die vorübergehende Inflation SR-legitimierter Interventionen gegen Menschenrechtsverletzungen abebben lassen, sondern auch die negativen Erfahrungen in Bosnien und Somalia. Derzeit ist nicht absehbar, ob, wann und gegen wen der SR wieder aus Menschenrechtsmotiven heraus zu Maßnahmen unter Kapitel VII greifen wird.
IV. Sekretariat, Menschenrechts-zentrum und Hochkommissar für Menschenrechte
Insofern die menschenrechtspolitischen Fachbürokratien, die die VN in ihrem eigenen Organisationsapparat eingerichtet haben, auf der VN-Charta (Art. 97 ff.) und nachfolgend auf einfachen Beschlüssen (ggf. per einfacher Mehrheitsentscheidung) der GV gründen, ähneln sie den politischen Verfahren des Menschenrechtsschutzes. Ein großer Teil der Tätigkeit der VN-Beamten, die mit Menschenrechtsfragen befaßt sind, besteht lediglich in der Erfüllung der von den politischen Organen gestellten Aufträge (z. B. Berichte des Generalsekretärs), und viele Regierungen versuchen auch, die Arbeit eigener, im VN-Beamtendienst stehender Staatsangehöriger im Sinne ihrer Politik zu manipulieren. Doch sind Angehörige des Sekretariats und des 1993 geschaffenen Büros des VN-Hochkommissarsfür Menschenrechte als „international civil service“ niemandem verpflichtet als den VN selbst -unabhängig davon, aus welchem Land sie kommen. Der Umstand, daß die VN-Aktivitäten im Menschenrechtsbereich mehr oder minder in Eigenverantwortung der Weltorganisation vollzogen werden, rechtfertigt ihre gesonderte Behandlung.
Noch in den vierziger Jahren wurde in Genf die Menschenrechtsabteilung der VN als Einheit des Sekretariats geschaffen. 1982 wurde sie institutionell aufgewertet und in Menschenrechtszentrum umbenannt Eine neuerliche institutionelle Stärkung wurde durch die Einrichtung des Amtes eines VN-Hochkommissars für Menschenrechte (HKMR) bewirkt. Die Schaffung dieses Postens war jahrzehntelang von westlichen und auch einigen nichtwestlichen Staaten wieder und wieder gefordert worden, doch hatten MRK und GV die Behandlung stets ergebnislos vertagt. Erst nachdem die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz 1993 in ihrem Abschlußdokument einen HKMR gefordert hatte, beschloß die GV im Dezember desselben Jahres dessen Einsetzung. Im Frühjahr 1994 ernannte Generalsekretär Boutros-Ghali den Ständigen Botschafter Ekuadors bei den VN, Jose Ayala Lasso, zum ersten Inhaber dieses neuen Postens. Ihm folgte im September 1997 die frühere irische Präsidentin Mary Robinson nach. Im gleichen Monat wurde das VN-Menschenrechtszentrum in das Büro des HKMR integriert. Diese neue Organisationsstruktur wurde zum Februar 1998 wirksam, als mit dem Venezolaner Enrique ter Horst auch ein stellvertretender HKMR eingesetzt wurde.
Die Resolution der GV 48/141 vom 20. Dezember 1993, durch die die Einsetzung des HKMR beschlossen wurde, legt auch sein Mandat fest. Im einzelnen können folgende Aufgabenbereiche unterschieden werden: -Krisenmanagemenf. Diese Funktion hatte der HKMR erstmals im Zusammenhang mit dem Völkermord in Ruanda zu erfüllen. In ihrem Rahmen reiste er selbst dorthin, rief die MRK zu ihrer zweiten Sondersitzung (24. -25. Mai 1994) zusammen und regte die Ernennung eines Sonderberichterstatters für Ruanda an.
Gleichfalls im Zusammenhang mit Krisenmanagement stehen Feldmissionen und Einrich-tungen von Menschenrechtsbüros in derzeit 15 Ländern, darunter Angola, Bosnien-Herzegowina, Gaza, Georgien, Kongo und Kolumbien Die neue Hochkommissarin Mary Robinson hat jüngst die Einrichtung einer solchen Institution in der unruhegeschüttelten jugoslawischen Region Kosovo angeregt. -Prävention/Frühwarnung: Um die bislang weitgehend reaktive VN-Menschenrechtspolitik durch präventive Maßnahmen zu ergänzen, wurde dieses Mandat explizit formuliert. In diesem Zusammenhang nimmt der HKMR z. B.
Verbindung mit VN-Friedensmissionen auf und ist über eine „Menschenrechts-Hotline“ über Bedrohungen oder Verletzungen der Menschenrechte überall in der Welt informierbar. -Hilfe für Staaten im Übergangsprozeß: Seit dem Ende des Kalten Krieges hat in vielen Staaten der Welt ein Transformationsprozeß hin zu mehr Demokratie begonnen, und manche von ihnen haben hierfür den HKMR um beratende Hilfe gebeten. Im vergangenen Jahr erhielten nicht weniger als 18 Staaten solche Unterstützung, darunter Armenien, Kambodscha, Liberia, Südafrika, Sri Lanka und Uganda. -Recht auf Entwicklung: Die Abschlußerklärung der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz von 1993, die die Schaffung des HKMR einforderte, bestätigte -erstmalig mit der Zustimmung aller westlichen Staaten -auch das von der GV schon 1986 verkündete Recht auf Entwicklung und stellte fest, daß Demokratie, Entwicklung und die Achtung der Menschenrechte sich gegenseitig bedingen. Der HKMR hat insbesondere auf die Notwendigkeit der politischen und sozioökonomischen Teilnahme der Menschen am Entwicklungsprozeß hingewiesen. Zur Aufgabenerfüllung bei der Verwirklichung des Rechtes auf Entwicklung wurde die Zusammenarbeit zwischen dem HKMR-Büro und den Wirtschafts-und Entwicklungsorganisationen der VN, insbesondere dem VN-Entwicklungsprogramm (UNDP) und den regionalen Wirtschaftskommissionen, verstärkt. -Förderung elementarer Rechte: In diese Kategorie fällt z. B. die Verwirklichung des Nichtdiskriminierungsgebotes und die besondere Förderung von Frauen und Kindern sowie ethnischer und religiöser Minderheiten. -Koordination und Rationalisierung: Die vielfältigen Aktivitäten verschiedenster VN-Organe bedürfen dringend der Einbindung in ein kohärenteres Aktionsnetz, um Aufgabendopplungen und Konkurrenz zu vermeiden. Zu diesem Zweck wird dem HKMR gewissermaßen ein „Supervisionsmandat“ erteilt. Der HKMR ist nicht nur in die Exekutivausschüsse des Sekretariats für Frieden und Sicherheit, Wirtschaftsund Sozialfragen und Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäres, sondern auch in die sogenannte „Senior Management Group“ eingebunden und nimmt gelegentlich auch an den Sitzungen des Verwaltungsausschusses für Koordination (Administrative Committee on Coordination, ACC) teil, dem bei der institutionellen VN-Reform für die Koordination der Aktivitäten der VN-Spezialorgane zentrale Bedeutung zukommt.
Mit dem HKMR haben die VN einen wichtigen Schritt unternommen, die operative Umsetzung ihrer menschenrechtspolitischen Programme dem Zugriff der Staatenwelt zu entziehen und die Unabhängigkeit des VN-Engagements im Menschenrechtsbereich zu stärken. Von besonderer Bedeutung ist das weitgefaßte Initiativrecht des HKMR, sich aktiv für die volle Verwirklichung der Menschenrechte einzusetzen, zu diesem Zweck in Dialog mit den Regierungen der VN-Mitgliedstaaten zu treten und Empfehlungen an die politischen VN-Organe zu richten. Gleichwohl bleibt die Beschlußfassungshoheit über menschenrechtspolitische Maßnahmen in der Hand der politischen VN-Organe und damit bei ihren Mitgliedstaaten. Die operativen Maßnahmen des Büros des HKMR und in zunehmendem Maße die gesamte VN-Tätigkeit im Menschenrechtsbereich -einschließlich der konventionsgestützten Schutzsysteme, die gleichfalls aus dem Anteil des HKMR-Büros am VN-Budget finanziert werden -leiden zudem unter ihrer schlechten finanziellen Ausstattung Nicht einmal 1, 7 Prozent des regulären VN-Budgets fließen gegenwärtig in den Menschenrechtsbereich. Erhöhungen sind zwar wiederholt angemahnt worden, aber bis heute nicht eingetreten. Auch der HKMR wird letztlich keine maßgebliche Stärkung der VN-Maßnahmen im Menschenrechtsbereich bewirken können, wenn sein Etat nicht aufgestockt wird. Die freiwilligen Fonds, die von den VN zur Unterstützung der Menschenrechtsarbeit geschaffen wurden, vermögen hier allein kaum Abhilfe zu schaffen
V. Der internationale Strafgerichtshof
Schon in der Gründungsphase der Weltorganisation wurde die Errichtung eines Weltgerichtes diskutiert, vor welches die Verantwortlichen für schwerste Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestellt werden sollten, doch blieben diese Überlegungen folgenlos. Zum Präzedenzfall internationaler Strafgerichtsbarkeit wurde die Einrichtung von Kriegsverbrechertribunalen in Nürnberg und Tokio nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Diese Präzedenzfälle sollten lange ohne Nachfolger bleiben. Erst als Anfang der neunziger Jahre in vielen Teilen der Welt ethnopolitische Konflikte ungeheurer Brutalität ausbrachen, griff die Staatengemeinschaft wieder auf das Mittel von Straftribunalen mit zeitlich und geographisch beschränkter Rechtsprechungskompetenz zurück. 1993 beschloß der Sicherheitsrat die Einsetzung eines Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien mit Sitz in Den Haag. Ein Jahr später folgte eine ähnliche Institution mit Sitz in Arusha (Tansania), die die Schuldigen der furchtbaren Massaker des Jahres 1994 verfolgen sollte, bei denen in Ruanda mindestens eine halbe Million Menschen umgekommen waren.
Seit den achtziger Jahren hatte auch die Diskussion über die Errichtung eines in seiner Jurisdiktion räumlich und zeitlich unbeschränkten internationalen Strafgerichtes wieder an Intensität gewonnen. Im Auftrag der GV erarbeitete die Völkerrechtskommission der VN einen Weltstrafrechtskodex, den sie 1990 abschloß und der GV übermittelte. Schon ein Jahr zuvor hatte die GV die Völkerrechtskommission beauftragt, die Frage der Errichtung eines Weltstrafgerichtshofes zu behandeln, und sie hielt das Thema in den folgenden Jahren auf der Tagesordnung. Vor der Einrichtung des Arusha-Tribunals war überlegt worden, die Jurisdiktion für Ruanda gleichfalls dem schon für Ex-Jugoslawien eingerichteten Haager Tribunal zu überantworten, und einige Stimmen forderten sogar eine Perpetuierung des Haager Tribunals und die Gewährung globaler und zeitlich unbeschränkter Jurisdiktion. Doch die Mehrheit der Staatengemeinschaft stand der Einsetzung eines Weltstrafgerichtes mit umfassendem Mandat durch Sicherheitsratsbeschluß ablehnend gegenüber. Schließlich beschritt man den Weg des Völkervertragsrechtes: Am 17. Juli dieses Jahres verabschiedete eine von den VN einberufene Regierungskonferenz in Rom das Statut für einen Weltstrafgerichtshof, das von der Völkerrechtskommission sowie vom Vorbereitungsausschuß der Konferenz ausgearbeitet worden war
Das Statut sieht einen Gerichtshof mit drei Kammern (je eine für Ermittlung, Vorverfahren und Hauptverfahren) vor, der eine automatische Rechtsprechungskompetenz über Verbrechen des Völkermordes, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und kriegerische Aggression haben soll. Die Rechtsprechungskompetenz mit Blick auf Kriegsverbrechen kann von einem dem Statut beitretenden Staat jedoch per Erklärung ausgeschlossen werden. Alle Staaten, die das Statut ratifiziert haben, sind zur Zusammenarbeit mit dem Weltstrafgerichtshof verpflichtet. Das Gericht soll Haftstrafen -auch lebenslänglich -und Vermögensstrafen verhängen können. Der ursprüngliche Entwurf hatte auch die Möglichkeit der Verhängung der Todesstrafe vorgesehen; dieser Passus war im Zuge der Abschlußverhandlungen jedoch wieder herausgenommen worden. Allerdings stellt das Statut es seinen Mitgliedstaaten frei, bei Verfahren in den Strafsachen, die das Statut umfaßt, vor nationalen Gerichtshöfen das Strafmaß durch diese autonom -entsprechend dem jeweiligen nationalen Strafrecht -festsetzen zu lassen. Im Verhältnis zwischen der nationalen Strafverfolgung und jener des Weltgerichtes hat erstere grundsätzlich Vorrang; nur wenn ein Staat sich als unfähig oder unwillig zur Strafverfolgung erweist, soll der Gerichtshof tätig werden. Immerhin kann seine Ermittlungsbehörde selbst die Initiative ergreifen und Untersuchungen einleiten. Die Jurisdiktion des Gerichts bezieht sich aber generell nur auf solche Verbrechen, die entweder innerhalb eines Mitgliedstaates des Statuts oder von einem Staatsbürger eines Mitgliedstaates verübt wurden.
Neben der eigenen Aufnahme von Untersuchungen durch die Ermittlungsbehörde sieht das Statut vor, daß seine Mitgliedstaaten Fälle vor das Welt-strafgericht bringen können. Eine besondere Rolle kommt hierbei dem Sicherheitsrat zu. Er kann gleichfalls Fälle an das Gericht überweisen, kann umgekehrt aber auch Ermittlungen in Fällen, mit denen er selbst befaßt ist, für zwei Jahre blockieren. Trotz dieser diversen „Hintertüren", die vor allem die ständigen Sicherheitsratsmitglieder mit Vetorecht privilegieren, war es in Rom nicht möglich gewesen, die Zustimmung aller Delegationen zum Statut zu erreichen. Insgesamt sieben Staaten -darunter mit den USA und China zwei der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates -stimmten gegen die Annahme des Statuts, zwanzig weitere enthielten sich der Stimme. Angesichts der keinesfalls ungeteilten Unterstützung, die das Weltgericht bei den mächtigsten Staaten der Welt genießt, erscheint es fraglich, ob es je ein wirksames Instrument der Weltgemeinschaft im Kampf gegen schwerste Menschenrechtsverletzungen bilden kann. Bevor das Statut in Kraft treten und der Weltstrafgerichtshof eingerichtet werden kann, muß aber ohnehin erst das mit sechzig Staaten sehr hoch gesteckte Ratifikationsquorum erreicht werden. Experten schätzen, daß dies bis zu fünf Jahre dauern kann
Mit dem Beschluß über die Errichtung des Weltstrafgerichtshofes haben die VN dennoch ein neues Kapitel im internationalen Kampf gegen schwere Menschenrechtsverletzungen aufgeschlagen. Mit einem Weltmenschenrechtsgerichtshof, der von vielen westlichen Staaten -auch der Bundesrepublik -über Jahre wiederholt angeregt worden war, hat der neue Haager Gerichtshof allerdings nur wenig zu tun. Die Jurisdiktion dieses Gerichtshofes erstreckt sich nur auf allerschwerste Fälle von Menschenrechtsverletzungen, und sein Mandat besteht vor allem in der strafrechtlichen Aburteilung der Täter. Ein Weltmenschenrechtsgerichtshof hätte dagegen Jurisdiktion über die gesamte völkerrechtlich vorhandene menschen-rechtliche Materie und hätte vor allem die Aufgabe, den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Regreß zu verschaffen. Ein individuelles Klagerecht kennt der Weltstrafgerichtshof gar nicht; Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen können lediglich als Zeugen geladen werden und -so der Gerichtshof dies verfügt -Kompensation erhalten. Aus menschenrechtlicher Perspektive wäre ein mit umfassender Kompetenz ausgestatteter Menschenrechtsgerichtshof, der für individuelle Beschwerdeführende zugänglich wäre, dem Weltstrafgerichtshof sicher vorzuziehen gewesen. Dennoch könnte der Weltstrafgerichtshof, wenn er denn erst zustandegekommen ist, eine mehr als nur symbolische Rolle im internationalen Kampf gegen die schwersten Menschenrechtsverletzungen spielen -vorausgesetzt, daß er nicht durch die Politik mächtiger, ihm ablehnend gegenüberstehender Staaten gebremst wird.
VI. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
Eine abschließende Bewertung der Leistungen der VN für den internationalen Menschenrechtsschutz muß zunächst herausstellen, welch bahnbrechender Schritt die Inklusion der Menschenrechtsförderung in die zentrale Zielsetzung der Weltorganisation gewesen ist. Wir stünden heute womöglich immer noch auf dem völkerrechtlichen Stand der Vorkriegszeit, hätten die VN der internationalen Förderung der Menschenrechte nicht eine völkerrechtliche Legitimitätsbasis verschafft und in den folgenden Jahrzehnten durch ihre politischen Entscheidungen und operativen Tätigkeiten gefestigt. Heute kann die Norm, daß die internationale Gemeinschaft das Recht oder sogar die Pflicht hat, sich zum Schutz der Menschenrechte in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen, als weitestgehend unstrittig gelten -auch wenn die „Schwelle“, ab der internationales Einschreiten erlaubt oder gar gefordert ist, umstritten bleibt Auch die Stiftung eines menschenrechtlichen Normenkataloges in Gestalt der unzähligen Deklarationen und Konventionen, die seit 1945 verabschiedet wurden, stellt zweifellos eine Leistung der VN für den internationalen Menschenrechtsschutz dar, die -entgegen manchen kulturrelativistischen Einwänden oder Kritik an der Proliferation von Menschenrechtsnormen -zumindest im überwiegenden Teil der Welt einen weitgehenden menschenrechtlichen Normenkonsens hat entstehen lassen. Die Errichtung konventionsgestützter -also „juristischer“-Menschenrechts-Schutzsysteme stellt gleichfalls eine große Leistung dar, auch wenn ihre Wirkung wohl eher in der Prävention schwerer Menschenrechtsverletzungen als in deren gezielter Bekämpfung liegt und die Konventionssysteme von ihrer universellen Ratifikation, die die VN als Ziel verkündet haben, noch weit entfernt sind.
Gerade jene Regierungen, die die schlimmsten Menschenrechtsverletzungen begehen, haben meist wenig Interesse daran, sich konventionsgestützten Schutzsystemen zu unterwerfen, so daß ihre Menschenrechtsverletzungen in der Regel nur durch die politischen Verfahren behandelt werden können. In diesen Verfahren zeigt sich -auch wenn ihre Errichtung ihrerseits einen erheblichen Fortschritt darstellt und die Legitimität internationalen Eingreifens für den Schutz der Menschenrechte untermauert hat -das fortdauernde Problem. daß internationale Menschenrechtsfragen weiterhin weitgehend Sache der Staaten sind und diese ihre Politik auf internationaler Ebene weniger an menschenrechtlicher Moralität als an politischen Nützlichkeitserwägungen ausrichten, was zu den erwähnten Problemen von Politisierung und Selektivität beim internationalen Vorgehen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen unter den politischen Verfahren führt.
Das Initiativrecht, das dem HKMR sowie der Anklagebehörde des Weltstrafgerichtshofes hinsichtlich der Aufnahme der Behandlung schwerer Menschenrechtsverletzungen eingeräumt wurde, vermag diesen Mißstand kaum zu lindern. Ersterer bedarf der Unterstützung der Mitgliedstaaten der „politischen“ VN-Organe, bei denen weiterhin die Beschlußhoheit über VN-Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen ruht. Letzterer kann aufgrund seines eng umrissenen Mandates sich nur der allerschwersten Fälle von Menschenrechtsverletzungen annehmen, und auch dies nur dann, wenn entweder der Herkunftsstaat des Angeklagten oder das Land, in welchem eine zu verhandelnde Straftat im Sinne des Gerichtshofs-statuts begangen worden ist, dem Statut beigetreten ist und wenn der SR dem Weltgericht die Befassung mit einem konkreten Fall nicht unter Hinweis auf seine eigene Tätigkeit in derselben Sache untersagt.
Für die absehbare Zukunft wird das Vorgehen gegen Menschenrechtsverletzungen daher weiterhin ganz überwiegend der Mittel der Politik im allgemeinen und der politischen Schutzverfahren der VN im besonderen bedürfen. Angesichts des Fehlens von Zwangsmöglichkeiten, über die einzig und allein der SR verfügt, ist und bleibt die Sammlung von Informationen und deren Verbreitung zum Zweck der Schaffung von Öffentlichkeit hierbei die wirksamste Waffe der VN. Hier ist nicht nur das System der sogenannten „Spezialverfahren“ -die diversen Sonderberichterstatter, Arbeitsgruppen usw. zu Ländersituationen ebenso wie zu bestimmten Typen von Menschenrechtsverletzungen -als Leistung der VN hervorzuheben, sondern insbesondere auch das Konsultativarrangement mit NGOs, welches zu einer komplementären Ergänzung von VN und NGOs im Bereich der Menschenrechte geführt hat Bislang ist die Teilnahmemöglichkeit von NGOs jedoch nur für den Wirtschafts-und Sozialbereich der VN -im Menschenrechtsbereich also für MRK und Unter-kommission -formal geregelt. Wünschenswert wäre nicht nur die Einbeziehung von NGOs in die menschenrechtspolitische Arbeit von GV und SR, sondern insbesondere auch die stärkere formale Öffnung der juristischen Verfahren für die Teilnahme von NGOs.
Was die VN-Menschenrechtspolitik derzeit jedoch wohl am allermeisten braucht, ist schlicht und einfach mehr Geld. Mit dem Haushaltsanteil von knapp 1, 7 Prozent, welche die VN für das HKMR-Büro gegenwärtig bereitstellen, ist nicht nur eine Ausweitung operativer Tätigkeiten der VN im Menschenrechtsbereich undenkbar, sondern es erscheint selbst die Aufrechterhaltung der heute bestehenden Systeme und Verfahren höchst unsicher. Die teilweise erheblichen zeitlichen Rückstände, die die Konventionsausschüsse bei der Prüfung von Berichten wie Beschwerden aufgehäuft haben, sind nicht zuletzt eine Folge fehlender Mit-tel. Angesichts des hohen Status der Menschenrechtsförderung in der Zielsetzung der VN erscheint die derzeitige Haushaltssituation schlichtweg unangebracht. Es wäre eine Katastrophe, würden die VN -oder vielmehr ihre Mitgliedstaaten in der haushaltskompetenten GV und deren Fünftem Ausschuß -das bisher im Gebiet des internationalen Menschenrechtsschutzes Erreichte durch ihre restriktive Budgetpolitik gegenüber dem HKMR-Büro und der Vielfalt der von diesem zu betreuenden Tätigkeiten und Verfahren leichtfertig aufs Spiel setzen.
Henning Boekle, M. A., geb. 1966; wissenschaftlicher Angestellter an der Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Tübingen. Veröffentlichungen u. a.: Western States, the UN Commission on Human Rights, and the , 1235 Procedure": The , Question of Bias 1 Revisited, in: Netherlands Quarterly of Human Rights, (1995) 13.
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