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Amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus | APuZ 43-44/1998 | bpb.de

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APuZ 43-44/1998 Amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus Konflikt und Kooperation in der Kaspischen Region: Russische Interessenlagen Ökonomische und politische Kooperation im Kaspischen Raum Die Rolle von NATO, EU und OSZE in der Kaspischen Region

Amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus

S. Neil MacFarlane

/ 27 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus steht stark im Zeichen der Förderung der Energiequellen im Kaspischen Becken. Dabei versuchen die USA, unter Beteiligung amerikanischer Konzerne, diese Ressourcen dem Weltmarkt zugänglich zu machen und dadurch eine Diversifizierung der internationalen Energiequellen zu erreichen. Gleichzeitig sollen die neuen Staaten der Region in ihrer unabhängigen Entwicklung unterstützt werden. Dies soll jedoch -wie die Verfolgung der anderen Ziele auch -nicht auf Kosten der Beziehungen zu Rußland gehen. Andererseits ist Washington nach wie vor bemüht, Irans Einfluß möglichst gering zu halten. Diesbezügliche mögliche Änderungen der amerikanischen Politik hängen in großem Maße von den Entwicklungen in Teheran selbst ab. Da auf die amerikanische Politik unterschiedliche Interessen, Werte und Lobby-Gruppen einwirken, gelang es erst in jüngster Zeit, eine einheitlichere Politik zu entwickeln. Aber noch immer ist die US-Politik sich teilweise widersprechenden Anforderungen ausgesetzt. So steht das Ziel, den Markt an kaspischen Ressourcen für amerikanische Firmen zu öffnen und die Unabhängigkeit der jungen Staaten der Region zu unterstützen, tendenziell im Widerspruch zu den ebenfalls angestrebten guten Beziehungen zu Moskau, da dieses die amerikanische Vorgehensweise oft als Einmischung in die eigene Interessensphäre ansieht. Andererseits hat die fortgesetzte Isolationspolitik gegenüber Iran zur Folge, daß Moskaus Position gegenüber den neuen Staaten der Region gestärkt wird. Das US-Ziel der Stärkung der Demokratie in der Region kann mit dem Ziel der Stabilisierung der neuen Staaten kollidieren. Schließlich wirkt sich der Einfluß der armenischen Lobby in den USA hinderlich auf die Beziehungen zum wegen seiner Ölvorräte wichtigen Aserbaidschan aus.

I. Einleitung

Durch das jüngste Interesse an der Entwicklung der Energieressourcen im Kaspischen Meer rückt zunehmend die Rolle der Vereinigten Staaten in Zentralasien und im südlichen Kaukasus ins Rampenlicht der Öffentlichkeit in den USA. Denn amerikanische Energiefirmen sind wichtige Akteure in der Entwicklung dieser Ressourcen: Sie spielen eine wesentliche Rolle in einem der am weitesten entwickelten Konsortien für den Bau von Pipelines -dem Kaspischen Pipeline-Konsortium (CPC), das Öl von Kasachstan um den Nord-rand des Kaspischen Meeres herum nach Novorossiisk transportiert. Amerikanische Firmen sind zudem aktiv an der Planung anderer Routen beteiligt (wie UNOCAL beim Plan des Baues einer Gas-Pipeline quer durch Afghanistan).

In diesem Beitrag sollen zunächst die amerikanischen Interessen in Zentralasien und am Kaspischen Meer untersucht werden. Darüber hinaus geht es um eine Analyse der Entwicklung amerikanischer Politik in dieser Region über einen längeren Zeitraum. Ich vertrete die These, daß sich die amerikanische Politik in der Region schrittweise veränderte, ausgehend von einem mehr oder weniger unstrukturierten Engagement hin zu einer stringenteren Strategie mit Schwerpunkt auf der Entwicklung von Energieressourcen. Dabei spielen drei Probleme im Bereich der Entwicklung dieser Energieressourcen in der Region eine entscheidende Rolle: Das Problem der Beteiligung an Produktionskonsortien, die Frage der internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen am Kaspischen Meer sowie die Pipelineführung.

II. Amerikanische Interessen in Zentralasien und am Kaspischen Meer

Wie bei anderen Staaten ist die Formulierung amerikanischer Interessen ein Ergebnis des Zusammenspiels von systemischen (geopolitischen) und innenpolitischen Faktoren Bei der Formulierung amerikanischer Politik in Zentralasien und dem Transkaukasus spielen mindestens fünf systemische oder „geopolitische“ Erwägungen eine Rolle. 1. Rußland und die neuen unabhängigen Staaten Die geopolitische Komponente amerikanischer Politik richtet sich auf die jungen unabhängigen Staaten Zentralasiens und deren Beziehungen zu Rußland. Rußland hat den Verlust dieser Staaten an seiner südlichen Peripherie immer noch nicht überwunden. Deshalb hat Rußland in Tadschikistan, Aserbaidschan, Georgien, Tschetschenien und Moldawien direkt oder indirekt eingegriffen, um seinen Einfluß zu erhalten oder wiederherzustellen. In der russischen Außenpolitik spielen Energiefragen eine zentrale Rolle. Rußland hat versucht, Vorteile aus seinem Monopol an den bestehenden Exportrouten vom Kaspischen Meer zu ziehen, um Besitzstand und Produktionsoptionen bei der Entwicklung von Energieressourcen zu sichern. Es hat auch versucht, seine Kontrolle über den Export von Energie aus der Region durch die Förderung infrastruktureller Bindungen zu wahren, während es sich der Entwicklung alternativer Routen verweigert. 1 Die Vereinigten Staaten haben sich einerseits lange bemüht, eine unabhängige Entwicklung und die Souveränität der nichtrussischen ehemaligen Sowjetrepubliken zu fördern. Denn sie haben die Integration dieser Staaten in die internationale Gemeinschaft und die internationale Wirtschaft unterstützt, um ihr Abgleiten in eine erneute Abhängigkeit von Rußland zu verhindern. Darin spiegelt sich das grundlegende Interesse, wie es Zbigniew Brzezinski einst ausgedrückt hat, „sicherzustellen, daß keine einzelne Macht die Kontrolle über diesen geopolitischen Raum gewinnt" 2. Andererseits sind gute Beziehungen zu Rußland für die USA noch wichtiger als die Beziehungen zu den neuen unabhängigen Staaten. Um Rußland nicht zu provozieren, ließen die Vereinigten Staaten daher bei ihren Bemühungen um Hilfeleistung für die anderen Republiken, die sich aus dem russischen Einflußbereich befreien wollten, besondere Zurückhaltung walten. Iran und Islam Ein zweiter geopolitischer Aspekt betrifft den Iran. Das Land zeigt beträchtliches Interesse an einer Ausweitung seines Einflusses auf die neuen Republiken Zentralasiens und des Transkaukasus, und zwar sowohl auf diplomatischem Wege, indem es Wirtschaftsverbindungen (einschließlich der Infrastruktur für den Energieexport) fördert, als auch mit Hilfe weniger konventioneller Mittel (durch die Förderung des Islam). Diese Bemühungen sind -verglichen mit früheren Erwartungen -eher ineffektiv und außerdem erstaunlich moderat und pragmatisch. Ein ähnlicher Pragmatismus leitete die iranische Politik bei der Entwicklung der Energieressourcen der Region. Einerseits versuchte der Iran, die Akzeptanz einer Beteiligung iranischer Firmen bei der Entwicklung dieser Ressourcen ebenso zu fördern wie die iranischen Routen für den Export von Öl im Kaspischen Meer über das eigene Territorium in die Türkei und an den Persischen Golf. Angesichts der Tatsache, daß die Reserven im iranischen Sektor des Kaspischen Meeres im Vergleich zu den Vorkommen der anderen Anrainerstaaten wie Aserbaidschan und Kasachstan eher gering eingeschätzt werden, hat sich der Iran andererseits Rußland angeschlossen, als es darum ging, die Anwendung des internationalen Seerechts auf Meeresressourcen im Kaspischen Becken zu verhindern. Die iranische Führung argumentierte, daß es sich um einen See und nicht um ein Meer handele, weshalb die Boden-* schätze darunter gemeinsam ausgebeutet und die Einkünfte daraus gerecht aufgeteilt werden sollten. Trotz der pragmatischen Ausrichtung des iranischen Verhaltens wurde das Land von den USA aus verschiedenen Gründen als regionale Bedrohung angesehen. Die schlechten Beziehungen zwischen beiden Staaten resultieren aus der Geiselnahme amerikanischer Diplomaten 1979/80. Weiterhin glauben die Amerikaner, der Iran exportiere den fundamentalistischen Islam und unterstütze den internationalen Terrorismus. Vor diesem Hintergrund versuchten die USA, den Iran zu isolieren und eine Ausweitung des iranischen Einflusses in der Region zu verhindern. eIn der amerikanischen Außenpolitik spielt das Thema der Nichtverbreitung von Waffen im Hinblick auf den Iran, besonders wenn es um Kernwaffen geht, eine zentrale Rolle. Kasachstan z. B. besaß bei seiner Unabhängigkeit Kernwaffen, weiterhin gab es dort erhebliche Mengen waffenfähigen Urans. Man versuchte damals, die nichtrussischen ehemaligen Sowjetrepubliken dazu zu bewegen, die Kernwaffen auf ihrem Territorium auszuliefern und als Nichtkernwaffenstaaten dem Nichtverbreitungsvertrag beizutreten. Ebenso berechtigt waren die Sorgen hinsichtlich möglicher Schlupflöcher, durch die nukleares Material, wenn nicht gar die Waffen selbst, in den Iran gelangen könnten. 3. Verbündete der USA Die drittte strategische Achse amerikanischer Politik betrifft die verbündeten Staaten. Vor allem richtet diese Politik ein Augenmerk auf die Türkei, die durch eine lang andauernde militärische und politische Zusammenarbeit mit den USA eng verbunden ist und deshalb von diesen als stratgegische Trumpfkarte betrachtet wird. Teilweise auch in Reaktion auf die Weigerung der Europäischen Union, eine Mitgliedschaft der Türkei ernsthaft ins Auge zu fassen, erneuerten die Türken ihre Bemühungen, ihre ethnische und kulturelle Nähe zur zentralasiatischen Region zu nutzen und am gesamten Südrand der ehemaligen Sowjetunion ihren Einfluß auszubauen. Die Türkei war und ist für die USA eine akzeptable Alternative gegenüber dem Iran. Folglich liegt es im amerikanischen Interesse, die türkischen Ambitionen in der Region zu stärken.

Die zweite Dimension stellt in diesem Zusammenhang Europa dar. Das Interesse europäischer Staaten und Firmen an den wirtschaftlichen Entwicklungspotentialen Zentralasiens wächst stetig. DieEuropäische Union wie auch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sind am Fortschritt des Umbaus der Wirtschaft und der Entwicklung der Infrastruktur der Region beteiligt. Da beide, die USA und Europa, entschlossen sind, diese Region in den euro-atlantischen Wirtschaftsraum zu integrieren, und zudem gemeinsame Interessen an der Nutzung weiterer Öl-und Erdgasquellen haben, ist das Potential für Interessenkonflikte eher gering. Dagegen behauptet Shireen Hunter: „Im Bereich von Wirtschaft und Handel, insbesondere was den Zugang zu Exportmärkten und die Energie-und Mineralressourcen der Region angeht, stehen die Interessen einzelner westlicher Länder eher im Wettbewerb miteinander, als daß sie sich ergänzen." Darüber hinaus bestehen in der Iran-Frage erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den europäischen Staaten und den USA. Die USA wollten mit den Iran-Libyen-Sanktionen (ILSA) auch außerhalb ihres Territoriums die Wirtschaftsbeziehungen zum Iran beschränken. Dadurch laufen europäische und auch andere Firmen, die mit dem Iran Geschäfte machen, Gefahr, daß die Vereinigten Staaten Vergeltung üben. Die Europäer haben sich einzeln wie auch als Gemeinschaft diesem Versuch einer extraterritorialen Anwendung amerikanischer Gesetze widersetzt. Für die USA liegt die Gefahr vor allem darin, daß eine überzogene Anwendung amerikanischen Rechts gegen europäische Firmen die europäisch-amerikanischen Beziehungen in einer ganzen Reihe von Themen beeinträchtigen könnte. 4. Internationale Energieversorgung Hier zeigt sich ein vierter Argumentationsstrang. Die Vereinigten Staaten, wie auch andere Industriestaaten, sind zunehmend von Energieimporten abhängig; das gilt besonders für die am Persischen Golf konzentrierten Energiereserven. Trotz beträchtlichen Erfolges bei der Erforschung und Entwicklung weiterer Quellen wird diese Abhängigkeit wahrscheinlich im nächsten Jahrhundert noch zunehmen. Und das 'Problem wird durch die Folgen der Industrialisierung in Asien für den Energiemarkt noch verschärft. Obwohl die Krise der asiatischen Volkswirtschaften in den Jahren 1997/98 die Schätzungen des asiatischen Energie-bedarfs in Frage stellen, gibt es anscheinend wenig Grund, daran zu zweifeln, daß die asiatische Wirtschaft sich wieder erholt. Ebenso steht es außer Frage, daß der Status Asiens als Energieimportregion sich in den nächsten Jahrzehnten dramatisch erhöhen wird Die zunehmende Konzentration auf den Persischen Golf birgt jedoch zwei Probleme. Erstens verleiht sie einer kleinen Gruppe von Produzenten ein nicht akzeptables Maß an Marktmacht. Zweitens könnte die Region instabil werden, was die Energieversorgung unterbrechen würde. In Verbindung mit wachsendem Nachfrage-druck schafft dies ein starkes wirtschaftliches Interesse an der Diversifizierung potentieller Energiequellen.

Das Energiepotential am Kaspischen Meer sollte aber auch nicht überschätzt werden. Wenn es die Produktionsspitze erreicht, könnte es einen Einfluß auf dem Weltmarkt haben, der etwa dem des Öls aus der Nordsee entspricht. Dennoch ist es eine der sehr wenigen vielversprechenden Regionen zur Ausbeutung von Erdöl und Erdgas. Darüber hinaus herrschen in dieser Region liberalere Bedingungen für multinationale Unternehmensbeteiligungen bei der Energiegewinnung als in den besser ausgebauten Produktionsgebieten Saudi-Arabiens. In dem Maße, in dem die USA die wachsende Abhängigkeit des Weltenergiemarkts vom Nahen Osten verringern möchten, steigt ihr Interesse daran, die Entwicklung einer unabhängigen Energiequelle zu stützen und die effektive Belieferung der Weltmärkte zu sichern. So stellte Wallace Hays jüngst fest: „Die kaspische Region ist für die Vereinigten Staaten wichtig, weil es sich um die wahrscheinlich letzten noch nicht angezapften Ölreserven in der Welt handelt und sie den USA die seltene Chance bietet, die Weltölversorgung zu diversifizieren. Darum könnte die Region des Kaspischen Meeres eines der wichtigsten Gebiete amerikanischer Außenpolitik werden.“

In diesem Zusammenhang haben die USA ein ernsthaftes Interesse an einer Lösung der Konflikte im Transkaukasus und an der Verhütung von Konflikten in der gesamten Kaspischen Region Die andauernden regionalen Konflikte im Kaukasus erleichtern es Rußland, die Politik in dieser Region in seinem Sinne zu beeinflussen und bedrohengleichzeitig eine geordnete Entwicklung des Energiesektors. Das erklärt die zentrale Rolle der Vereinigten Staaten im Bereich der Vermittlung und diplomatischen Beilegung von Konflikten. Ebenso fördern die USA politische und wirtschaftliche Reformen, da diese als wichtiger Beitrag zur Konfliktvermeidung angesehen werden.

Neben den geopolitischen Interessen, die die amerikanische Außenpolitik im kaspischen Raum beeinflussen, soll in einem weiteren Schritt die amerikanische Innenpolitik und die politische Kultur der USA untersucht werden, da auch diese zu einem nicht unerheblichen Teil die US-Außenpolitik mitbestimmen. 5. Liberale Werte Allgemein bilden Werte und Interessen ein Gegensatzpaar, wenn sie für die Außenpolitik eingesetzt werden sollen. Diese Feststellung trifft zumindest im amerikanischen Fall nicht zu, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens werden Interessen durch normative Erwägungen gemildert. Zwar ist es richtig, daß die Außenpolitik eines Staates sich in gewisser Weise nach den jeweiligen geopolitischen Realitäten richten sollte -d. h. danach, wo sich dieser Staat in der internationalen Kräftekonstellation befindet. Doch wird diese Realität auch von Wahrnehmungsstrukturen beeinflußt, die von normativen Erwägungen geprägt werden, im amerikanischen Fall vom Liberalismus

Zweitens -und insbesondere im Hinblick auf die USA -wird oft argumentiert, daß ein Land nicht lange eine Politik verfolgen könne, die von seinen nationalen Werten abweiche, weil sonst über kurz oder lang die öffentliche Unterstützung abbrökkele. Das könnte beispielsweise im Vietnamkrieg der Fall gewesen sein. Mit anderen Worten: Werte erzwingen in gewisser Weise eine effektive Wahl der Politik, während ein Handeln, das von der Werteorientierung der amerikanischen Kultur abweicht, per definitionem gegen das nationale Interesse gerichtet ist, weil es dem außenpolitischen Prozeß seine Legitimation entzieht.

Drittens -und kritischer betrachtet -sind Werte Machtinstrumente. Wie Gramsci schon vor langer Zeit aufzeigte, verstärkt ein Staat in dem Maße seine Macht, wie er andere davon überzeugen kann, sein Wertesystem zu übernehmen. In diesem Sinne ist die Verbreitung homogener Werte ein wichtiges Element der „kooptiven Macht“ -„der Fähigkeit einer Nation, eine Situation so zu strukturieren, daß andere Nationen Präferenzen entwikkeln oder deren Interessen sich im Einklang mit denen des eigenen Landes befinden“

Schließlich wird auch oft argumentiert, die Ausbreitung des ökonomischen Liberalismus und der Demokratie liege im amerikanischen Interesse. Denn Demokratien sind weniger kriegerisch und tragen nur in Ausnahmefällen zu internationaler Instabilität bei Ebenso fördert -nach Adam Smith -die Wirtschaft ausschließlich Konflikte um knappe Ressourcen. Offenheit und freier Handel, so wird behauptet, verringern diese mögliche Quelle der Instabilität; die Ausweitung eines offenen liberalen Handelssystems gibt den Beteiligten ein Interesse an politischer Stabilität. Gerade im Falle des Kaspischen Meeres haben liberale Werte den amerikanischen Annäherungsversuchen an die Staaten der Region einen recht starken reformistischen Elan gegeben, vor allem in Richtung Demokratisierung und Marktreform. 6. Armenische bzw. aserbaidschanische Interessengruppen in den USA Mit einer wichtigen Ausnahme, die noch angesprochen wird, spielt das Thema Kaspisches Meer in der amerikanischen Innenpolitik eine untergeordnete Rolle. Die USA hatten keine historischen Bindungen an diese Region in der Zeit der Sowjetunion. In der Sowjet-Ära gab es nur wenig Gelegenheit, amerikanische Interessen in der Region zu entwickeln. Aus diesem Grund fanden die neuen Staaten Zentralasiens und des Transkaukasus im Zuge ihrer Unabhängigkeit wenig Resonanz in der amerikanischen innenpolitischen Debatte.

Die Ausnahme war der Konflikt um Berg-Karabach und die damit zusammenhängenden Spannungen zwischen Aserbaidschan und Armenien. Hier wurde die amerikanische Politik in hohem Maße von einer starken und gut organisierten armenischen Lobby beeinflußt. Die Tatsache, daß ein Großteil der armenisch-amerikanischen Bevölkerung sich in Schlüsselstaaten wie Kalifornien konzentrierte, übte entscheidenden Einfluß sowohl auf die Wahlen zum Kongreß als auch auf die Präsidentschaftswahlen aus. Aus der Sicht der armenisch-amerikanischen Diaspora stand der Karabach-Konflikt im Kontext einer seit langem bestehenden Antipathie gegen die Türken, der Erinnerungen an die Massenmorde an Armeniern Anfang dieses Jahrhunderts und der Sorge um das Überleben und die Entwicklung eines unabhängigen Armenien. Für diese Lobby war Karabach ein zentrales Thema. Diese stark und asymmetrisch motivierte armenische Gruppe konnte somit die wesentlichen Linien amerikanischer Politik im Transkaukasus definieren. Dies zeigte sich daran, daß in der ersten Amtszeit von Präsident Clinton Armenien zum Empfänger der zweithöchsten Summen an Entwicklungshilfe pro Kopf (nach Israel) wurde, während die Verwendung öffentlicher Mittel für Aserbaidschan nach Abschnitt 907 des Freedom Support Act erheblich beschnitten wurden. Diese gesetzliche Regelung verhindert die Anwendung amerikanischer Entwicklungshilfegelder für aserbaidschanische Projekte, von denen die dortige Regierung profitieren könnte. Die Folge war, daß die amerikanische Hilfe für Aserbaidschan Mitte der neunziger Jahre weniger als ein Zehntel der vergleichbaren Hilfe für Armenien betrug Das gilt so lange, bis die Regierung von Aserbaidschan nach Ansicht des US-Präsidenten erkennbare Maßnahmen ergreift, um alle Blockaden und andere Gewaltmaßnahmen gegen Armenien und Berg-Karabach zu beenden, und dies dem Kongreß mitteilt. Dieses Ungleichgewicht in der amerikanischen Politik hatte negative Auswirkungen auf die Entwicklung der amerikanischaserbaidschanischen Beziehungen.

Kurz nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken waren die amerikanischen Interessen an den Energieressourcen im Kaspischen Meer noch wenig substantiell, mit Ausnahme des Engagements des Ölmultis Chevron im Tengiz-Projekt in Kasachstan. Entsprechend blieb die Rolle der Unternehmen in der Definition amerikanischer Außenpolitik gegenüber Zentralasien und dem Transkaukasus marginal. Das Geschäftsinteresse in der Region war gering, da sie in bezug auf Investitionsmöglichkeiten allgemein als instabil und wenig vielversprechend eingeschätzt wurde. Als das Interesse amerikanischer Energieunternehmen am kaspischen Öl und Gas mit der Zeit wuchs, entwickelte sich ein Interessenkonflikt in der amerikanischen Regierung in bezug auf Aserbaidschan. Zu den erwähnten strategischen Interessen an einem Zugang zu den kaspischen Ölreserven gesellte sich immer stärker auch das Interesse von Unternehmen, die sich Anteile an der Produktion und Infrastruktur in diesem Land sichern wollten. Die mögliche Streckenführung von Ölexporten aus dem zentralasiatischen Raum über das Kaspische Meer und durch Aserbaidschan in die Türkei verstärkte das Interesse von Unternehmen an Aserbaidschan noch weiter. Das Ergebnis war eine immer deutlichere Schwächung der armenisch-amerikanischen Lobby in der Politik gegenüber Aserbaidschan und eine schrittweise Lockerung der Beschränkungen amerikanischer Finanzhilfen für dieses Land. Dies wurde begleitet von einer offensichtlicheren Stärkung der bilateralen Beziehungen, wofür der Besuch des aserbaidschanischen Präsidenten Aliev in den USA im Jahr 1997 beispielhaft ist. 7. Systemische und innenpolitische Widersprüche Wie bisher ersichtlich wurde, bestand die amerikanische Politik in Zentralasien und im Transkaukasus aus einer komplexen Mischung von systemischen (geopolitischen) und innenpolitischen Faktoren. Diese Faktoren sind nicht einheitlich. So gibt es zwischen den politischen Determinanten erhebliche Spannungen. Auch die innenpolitischen Faktoren, die auf die amerikanische Politik in der Region wirken, zielen in verschiedene Richtungen. Beide -systemische und innenpolitische Faktoren -führen zu erheblichen Widersprüchen in der amerikanischen Außenpolitik.

Rußland nimmt die westliche und besonders die amerikanische Durchdringung der Region als Erosion seiner eigenen Position wahr. Das amerikanische Interesse an einem sicheren und ungehinderten Zugang zu den Energieressourcen des Kaspischen Meeres kollidiert mit dem Interesse an stabilen Beziehungen zu Rußland. Denn die russischen Politiker haben erkannt, daß die Kontrolle über die Energieexportrouten ein wichtiger Faktor ihres Einflusses in der Region ist. Eine Diversifizierung der Routen (die dem amerikanischen Interesse entgegenkäme) würde diesen Einfluß unterlaufen.

Die anti-iranische Grundhaltung amerikanischer Politik steht ebenfalls in einem erheblichen Spannungsverhältnis zur Konsolidierung der Unabhän7 gigkeit der Region. Die amerikanische Ablehnung wirtschaftlicher Beziehungen zum Iran oder zum Bau von Transportrouten durch dieses Land hat die Fortdauer der Abhängigkeit der neuen Staaten von Rußland zur Folge und stützt damit den russischen Einfluß auf diese Staaten. Die Isolierung des Iran in der Region dient somit Rußlands Hegemonialvorstellungen Die amerikanische Politik gegenüber Iran ist darüber hinaus eine Quelle steter Spannungen mit den Verbündeten in Europa, wenn es um diese Region geht.

Was die Spannungen zwischen der innenpolitischen und der geopolitischen Ebene angeht, genügen drei Beispiele. Liberale Werte stehen für die Ausübung von Druck auf die autoritären Regime der Region. Diesem Anspruch steht jedoch das Bemühen entgegen, die Unabhängigkeit der Regierungen von Rußland zu fördern. Außerdem könnten die Werte hinderlich sein, wenn es darum geht, die Staaten zur Zurückhaltung gegenüber dem Iran zu bewegen. Darüber hinaus bereitet die Forderung nach Demokratisierung Schwierigkeiten im Hinblick auf die amerikanische Angst vor einer Ausbreitung des islamischen Radikalismus.

Die säkularen autoritären Führungen der Kaspischen Region waren bisher ein offensichtlich effektives Bollwerk gegen die Ausbreitung des fundamentalistischen Islam. Druck auf diese Regierungen auszuüben, damit sie sich demokratischen Prozessen öffnen, könnte heißen, daß man damit auch der Ausbreitung des politischen Islam die Tür öffnet. Wie u. a. Paul Goble aufgezeigt hat, könnte allerdings die weitere Unterdrückung der Opposition die Legitimation der Regime in Frage stellen und die Anziehungskraft des Islam als Alternative zum säkularen Autoritarismus stärken -vielleicht hat dies schon das Beispiel des Iran selbst gezeigt

Der innenpolitische Druck der armenischen Lobby auf die amerikanische Politik steht im Widerspruch zu den amerikanischen Interessen in der Region, also auch der Sicherstellung des Zugangs zu den aserbaidschanischen Energieressourcen und der Vermarktung der Initiative für einen transkaspischen Korridor. Die amerikanischaserbaidschanischen Beziehungen wurden erheblich beeinträchigt durch die nach aserbaidschanischer Lesart diskriminierende Politik der USA gegenüber dem zentralasiatischen Land.

III. Veränderungen amerikanischer Politik gegenüber nichtdemokratischen Staaten

Angesichts all dieser Faktoren und Widersprüche, die auf den verschiedenen politischen Ebenen ins Spiel kommen, erstaunt es nicht, daß ein französischer Beobachter jüngst kommentierte, die amerikanische Politik in der Region folge „anscheinend keiner Strategie“ Dennoch scheinen sich die Ziele der USA zunehmend auf die Konsolidierung der Unabhängigkeit der Region und der Sicherstellung der dortigen Ressourcen im amerikanischen Interesse zu konzentrieren. Parallel dazu muß von einem Bedeutungsverlust Rußlands gesprochen werden, ebenso wie von einer Schwächung der armenisch-amerikanischen Lobby und der demokratischen Werte als Einengung der Energiepolitik.

Als die Staaten der Region unabhängig wurden, hatten die USA keine diplomatischen Vertretungen und keinerlei direkte Erfahrung mit diplomatischen Beziehungen in der Kaspischen Region. Sie waren nicht auf den Wandel vorbereitet, weil sie versucht hatten, die Reform der Sowjetunion zu unterstützen. Deshalb lehnten sie die separatistischen Tendenzen innerhalb der Sowjetunion ab.

Die grundlegenden strategischen Erwägungen in der Phase des Wandels betrafen drei Fragen. Erstens ging es um die Beziehungen zu Rußland und zweitens um die Beziehungen zu den neuen unabhängigen Staaten. Rußland hatte in der Anfangsphase seiner Eigenstaatlichkeit die liberale, internationalistische Sichtweise der Gorbatschow-Jahre beibehalten und schien, wie die USA offensichtlich hofften, eine stabilisierende Rolle in dieser kaum bekannten, instabilen Region zu spielen. In der Tat war die Sorge um die Aufrechterhaltung der Stabilität ein Schlüsselfaktor in der amerikanischen Ambivalenz hinsichtlich der Auflösung der Sowjetunion Folgerichtig unterstützten die Vereinigten Staaten die russischen Versuche der Konfliktlösung in Tadschikistan, Georgien und Aserbaidschan, oder sie schwiegen überhaupt dazu Diese Politik wurde durch eine zweite grundsätzliche Zielsetzung der frühen neunziger Jahre unterstützt: die Eindämmung des Iran und des Islam. Allgemein war man der Ansicht, daß Instabilität in der Kaspischen Region diesen Kräften in die Hände spielen und damit amerikanischen Interessen schaden würde. Dies stand im Zusammenhang mit dem dritten Faktor: der Sorge hinsichtlich ererbter Nuklearkapazitäten in den neuen Staaten (vor allem in Kasachstan). Es galt, die Waffen aus der Region abzuziehen und dafür zu sorgen, daß Kasachstan sich an den Nichtverbreitungsvertrag hielt.

Diese strategischen Erwägungen hinsichtlich der Formulierung amerikanischer Außenpolitik waren von einer Reihe innenpolitischer Faktoren begleitet. Der erste war die oben schon diskutierte Karabach-Frage. Der zweite war die Förderung von Demokratie und liberaler Reform. Die Frühzeit amerikanischen Engagements war charakterisiert von weitgehend unterschiedslosen Bekehrungsversuchen, ungeachtet der negativen Auswirkungen, die solche Aktivitäten auf die vielen amtierenden Regime der Region hatten. Dies führte zu sehr schlechten Beziehungen zu den eher autoritären Regimen der Region (u. a. Turkmenistan, Usbekistan) und verschärfte die Spannungen mit Kasachstan, dessen Präsident Nasarbajew die USA 1993 aufrief, sie sollten aufhören, ihm Vorlesungen über Demokratie zu halten Ein weiterer wertebezogener Aspekt amerikanischer Politik der ersten Jahre war die Bereitstellung großer Summen für humanitäre Hilfen in Georgien, Aserbaidschan, Armenien und Tadschikistan. Wirtschaftlichen Fragen wurde dagegen wenig Bedeutung beigemessen. Die amerikanische Politik war in dieser Zeit vor allem reaktiv und in sich unschlüssig.

Dagegen hofierten die EISA 1997 aktiv autoritäre Regime der Region (darunter Turkmenistan, Aserbaidschan, Usbekistan und Kasachstan) und vergaßen dabei anscheinend ihre demokratischen Ziele. Wie ein Kommentator mit Blick auf Turkmenistan sagte, schienen die offiziellen amerikanischen Äußerungen der Besorgnis um die Menschenrechtssituation in Turkmenistan „wenig mehr als Formalien zu sein, von denen sich nur wenige in der Ölindustrie täuschen lassen. Die USA stehen nicht kurz davor, ihre Geschäfte mit Ländern abzubrechen, nur weil diese von autoritären Regimen regiert werden.“

Weiterhin engagierten sich amerikanische Regierungsbehörden (speziell die Gesellschaft für Überseeinvestitionen, OPIC und die Exlm-Bank) immer stärker im Kaspischen Raum und besonders in den genannten Staaten.

Die USA setzten sich auch nicht mehr vorbehaltlos für die armenischen Ziele in Karabach ein. Das zeigte sich beispielsweise in den Lissabon-Dokumenten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) von 1996, in denen die USA sich einer Deklaration aller OSZE-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Armeniens) anschlossen und die Entschlossenheit der Organisation mittrugen, die territoriale Integrität Aserbaidschans zu schützen. Auch die Beschränkung öffentlicher Mittel zur Unterstützung Aserbaidschans wurde gelockert, was einige Beobachter zu der Vorhersage bewog, die Politik der Diskriminierung gegenüber diesem Land werde aufgegeben Regierungsvertreter forderten immer deutlicher eine Aufhebung von Absatz 907 des Freedom Support Act, der rechtlichen Basis für die Diskriminierung Aserbaidschans

Nach einigen Jahren, in denen man der Russischen Föderation die Führung bei der Vermittlung in den zivilen Konflikten der Region überlassen hatte, beteiligten sich die USA sehr viel aktiver an der Unterstützung der Konfliktlösungsprozesse in Abchasien. Auch im Falle von Karabach, wo sie Anfang 1997 erfolgreich einen Sitz als Ko-Vorsitz der Minsk-Gruppe beanspruchten, begannen die USA eine ehrgeizige, umfassende Lösung des Konflikts voranzutreiben. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, entwickelten die USA dabei zunehmend kohärente Perspektiven hinsichtlich der regionalen Wirtschaft, vor allem im Bereich der Energie. Im Gegensatz dazu gab es offiziell keine Veränderung in der Haltung gegenüber dem Iran. Obwohl Sprecher der Regierung die Hoffnung äußerten, daß die Wahl von Präsident Khatami im Jahre 1997 positive Veränderungen in den amerikanisch-iranischen Beziehungen mit sich bringen könnte und Außenministerin Albright und Präsident Clinton ihr Interesse an einer Verbesserung der Beziehungen zum Ausdruck brachten, sind amerikanische Politikstrategen bisher nicht davon überzeugt, daß die Gruppe der Reformer in Iran ihren Einfluß gegenüber religiös-konservativen Gruppen erhöhen kann. Sie vertreten auch weiterhin die Meinung, daß der Iran -bevor irgendeine merkliche Änderung in der Politik der USA eintreten könne -seine Unterstützung für „staatlichen Terrorismus“, seine Bemühungen, Massenvernichtungswaffen zu beschaffen, sowie seine Opposition gegen den Friedensprozeß im Nahen Osten aufgeben müsse

Doch wachsen die Anzeichen für Widersprüche in der Praxis amerikanischer Politik gegenüber dem Iran, wenn es um das Kaspische Meer geht. Trotz der oben erwähnten offiziellen Haltung hat die Regierung keine Sanktionen gegen europäische Firmen verhängt, die im Energiesektor Geschäfte mit den Iranern machen, wie z. B. Total Auch haben sie einer Vertiefung der turkmenisch-iranischen Exportbeziehungen keine nennenswerten Hindernisse in den Weg gelegt Auf die Frage, welche Haltung die USA hinsichtlich des Engagements von Shell bei Studien über den Bau einer Pipeline in diesem Zusammenhang einnehme, äußerte ein höherer Beamter, dies sei die Angelegenheit des Ölkonzerns.

Worauf ist dieser Wandel der US-Politik zurückzuführen? Zunächst sind es die Veränderungen in der russischen Politik wie auch in der russischen Präsenz in der Region. Das wachsende Selbstbewußtsein Rußlands in der Region von 1993 bis 1995 und die klare Absicht, die Region und ihre Ressourcen zu kontrollieren, stellte die frühere stillschweigende Anlehnung an Rußland als stabilisierende Kraft auf regionaler Ebene in Frage. Dabei stellte sich die Frage, ob es überhaupt ein Risiko sei, wenn die USA sich zu einer eigenständigeren Position in der Kaspischen Region entschieden. Veränderungen in der russischen Politik begünstigten somit eine entschiedenere amerikanische Rolle bei der Verteidigung der Unabhängigkeit der neuen Staaten der Region. Hinzu kommt die Schwächung der russischen Machtposition.

Selbst wenn Rußland die Hegemonie in der Region ausüben möchte, ist es derzeit dazu nicht in der Lage. Das russische Militär zeigte in der Tschetschenien-Krise erhebliche Schwächen. Die Haushaltskrise hat Rußland veranlaßt, die in der Region stationierten Streitkräfte zu reduzieren. Dies verringert die potentiellen Risiken für eine aktivere amerikanische diplomatische und ökonomische Tätigkeit in der Region.

Ein weiterer Faktor ist der Lernprozeß, der im Zusammenhang mit der amerikanischen Politik gegenüber dieser Region zu beobachten war. Viele der Gründe des amerikanischen Drängens auf einen raschen demokratischen Wandel in der Region haben nicht lange überzeugen können. Heute kann man die Schwierigkeiten eines demokratischen Umbaus in machtpolitisch schwachen Staaten besser einschätzen. Es wuchs die Erkenntnis, daß eine rasche Demokratisierung beträchtliche Gefahren für neu entstandene Staaten mit sich bringt 26, und dementsprechend wuchs der Druck auf die Schaffung von Kapazitäten für langfristigere Evolutionsprozesse anstatt eines sofortigen Umbaus zu einer vollfunktionstüchtigen Demokratie.

Noch wichtiger war jedoch die wachsende Einsicht in die Potentiale der Energiegewinnung in der Region. Anders als andere Elemente, die in der amerikanischen Politik einem Wandel unterliegen, verbindet der Energiebereich wichtige strategische Interessen (d. h. das Streben nach einer Diversifizierung der Ölquellen über den Persischen Golf hinaus) mit zentralen innenpolitischen Interessen (also dem Engagement amerikanischer Unterneh-men bei der Entwicklung des Energiesektors im Kaspischen Raum). Das erklärt weitgehend die wachsende Dominanz der Energiefrage in der amerikanischen Politik bezüglich dieser Region.

IV. Die amerikanische Energiepolitik im Kaspischen Raum

Die energiepolitischen Hauptziele der USA im Kaspischen Raum sind:

1. Sicherstellung der raschen Entwicklung dieser Reserven und der Integration der wachsenden Energieproduktion aus dieser Region in den Weltmarkt; 2. Erleichterung amerikanischer Beteiligungen an der regionalen Energieentwicklung;

3. Begrenzung der iranischen Beteiligung an der Produktion und -wichtiger noch -Beschränkung des Transports von Energie aus kaspischen Quellen durch dn Iran;

4. Sicherstellung der weiteren Entwicklung, so daß die Unabhängigkeit der neuen Energieproduzenten und anderer Staaten an der südlichen Peripherie der ehemaligen Sowjetunion gefestigt wird; 5. Erreichung der genannten Ziele ohne ernsthafte Beschädigung der Beziehungen zur Russischen Föderation.

Dabei kommt folgenden Bereichen eine zentrale Bedeutung zu: der Beteiligung an der Ölförderung, dem Seerecht für das Kaspische Meer und den Pipeline-Routen. 1. Ölförderung Obwohl die USA sich um eine maximale Beteiligung amerikanischer Unternehmen bemühen, vertreten das Energie-und Außenministerium im Bereich der Ölförderung die Ansicht größerer amerikanischer Firmen, daß große und geographisch verteilte Konsortien ein angemessenes Mittel für die Verteilung der Investitionsrisiken in einer instabilen Region sind. Das bezieht sich ganz bewußt auch auf die russische Beteiligung. Rußland einen Anteil an der Förderung einzuräumen könnte die Gefahr einer Einmischung des Landes in die Entwicklung und Vermarktung der Energieressourcen der Region verringern. Wie Energieminister Pena sagte: „Wir begrüßen die Beteiligung russischer Firmen an der Entwicklung im kaspischen Raum . . . Rußland wird sowohl als Energieproduzent als auch als Transitland ein wichtiger Akteur bei der Entwicklung der kaspischen Region sein.“ Diese Offenheit gilt jedoch nicht für iranische Beteiligte. Die USA bestanden darauf, daß die iranische nationale Ölgesellschaft aus dem ersten größeren Vertrag mit Aserbaidschan (AIOC) ausgeschlossen wurde. Iran wurde von den Aserbaidschanern mit einem beträchtlichen Anteil (zehn Prozent) an den Shah-Deniz-Lagerstätten entschädigt. 2. Das Seerecht Was die rechtliche Aufteilung der unterseeischen Ressourcen des Kaspischen Meeres betrifft, spalten sich die Anrainerstaaten in zwei Lager. Ruß-land hatte dabei die eindeutigste Position zugunsten einer kollektiven Lösung des Problems. Iran sprach sich ebenfalls für eine gemeinsame Kontrolle der Ausbeutung von Off-shore-Ressourcen aus. Eine Lösung, nach der das Becken in Zonen nationaler Zuständigkeit aufgeteilt würde, wäre für den Iran mit den meisten Verlusten verbunden. Aserbaidschan ist der offensichtliche Nutznießer und dauerhafte Befürworter einer Aufteilung in nationale Zonen, während Turkmenistan und Kasachstan zwischen beiden Polen schwanken. Die USA „unterstützen massiv“ die Bewegung hin zu einer sektoralen Aufteilung der unterseeischen Ressourcen des Kaspischen Beckens und stellen sich damit auf die Seite Aserbaidschans und gegen Rußland und den Iran. 3. Pipelines Die Bedeutung von günstigen Transportwegen des Kaspischen Öls für die USA kommt in einem Autoaufkleber zum Ausdruck, der sich in Texas großer Beliebtheit erfreut: „Glück -das sind viele Pipelines“. Die Regierung unterstützt -ausgenommen die Routen, die durch den Iran führen -jede Alternative zu den bestehenden Pipelines, die kommerziell sinnvoll ist. Aus der Sicht Washingtons spricht das Volumen der Ressourcen für eine Vielfalt der Pipeline-Verbindungen Dem Ziel folgend, einerseits den Energietransit von Iran fernzuhalten und die Routen über Rußland hinaus zu diversifizieren, trat man mit besonderem Nachdruck für die Ost-West-Route von Aserbaidschan durch Georgien und die Türkei bis zum Mittelmeerhafen Ceyhan ein Die Ceyhan-Route hat aus amerikanischer Sicht weitere Vorteile, weil sie Umweltrisiken verringert, die mit dem Export des kaspischen Öls durch den Bosporus und die Dardanellen verbunden sind Die Regierung Clinton unterstützt aus drei Gründen auch die Erforschung von Möglichkeiten transkaspischer Öl-und Gas-pipelines. Zunächst würde das Ausmaß der turkmenischen und kasachischen Abhängigkeit von iranischen Exportrouten verringert. Daneben würde der russische Einfluß auf den Energiesektor der Region abgebaut, und die Möglichkeit des Transports zusätzlicher Mengen würde den kommerziellen Nutzen der Ceyhan-Route steigern. Mit diesen Überlegungen fördern die USA eine entsprechende Studie mit 750 000 US-Dollar. Hier muß betont werden, daß die USA -auch wenn sie das russische Monopol bei der Kontrolle der Exportrouten brechen wollen -nicht generell gegen Exportrouten durch Rußland sind. Sie haben beispielsweise private amerikanische Beteiligungen an der Linie des kaspischen Pipeline-Konsortiums von Kasachstan nach Novorossiisk unterstützt, ebenso wie den Wiederaufbau der Verbindung Baku-Novorossiisk für die frühen aserbaidschanischen Lieferungen. Außerdem haben sie Rußland aufgefordert, sich an der Ost-West-Linie zu beteiligen

V. Schlußfolgerungen und Aussichten

Zusammenfassend ist festzustellen, daß eine Konsolidierung der amerikanischen Politik in bezug auf die Region augenfällig ist, insbesondere was den Bereich Energie betrifft. Die Vereinigten Staaten agieren konzertierter und strategischer als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die früheren Widersprüche zwischen Interessen und Politik sind weitgehend überwunden. Zwei wichtige Ausnahmen sind das anhaltende Bemühen um eine Isolierung des Iran trotz der Schwierigkeiten, die dies in anderen Bereichen amerikanischer Politik mit sich bringt, sowie die weiterhin bedeutsame Rolle heimischer Interessengruppen, die die Politik gegenüber Armenien und Aserbaidschan beeinflussen. Im ersten Falle scheint es eine schrittweise Hinwendung zu einer Normalisierung der Beziehungen zum Iran zu geben. Die weitere Entwicklung ist nun auch vom Iran und seiner Reaktion auf die amerikanische Politik abhängig. Es bleibt weiterhin unsicher, ob die Regierung sich auf die Kooperation des Kongresses verlassen kann, falls es zu entscheidenden Veränderungen in der Politik gegenüber dem Iran kommen sollte.

Im Falle Armenien-Aserbaidschan behalten die Interessengruppen ihren Einfluß, auch wenn es Anzeichen dafür gibt, daß ihre Wirkung auf die amerikanische Politik in der Region schwächer wird. Daran erinnerte beispielsweise die Entscheidung des Kongresses, mehrere Millionen Dollar aus Mitteln des USAID für Hilfe an Berg-Karabach zur Verfügung zu stellen, ein Programm, das über Eriwan (!) verwaltet werden soll. Diese Entscheidung birgt erheblichen Konfliktstoff für die Beziehungen zwischen Washington und Baku.

Zwei weitere Unsicherheitsfaktoren könnten die amerikanische Politik in der Region langfristig beeinträchtigen. Die amerikanische Regionalpolitik stützt sich auf enge und positive Beziehungen mit bestehenden Staaten in der Region sowie auf die Annahme, daß diese stabil bleiben werden. Doch kann diese Annahme, wie an anderer Stelle aufgezeigt nur mit erheblichen Bedenken aufrechterhalten werden. Denn die gesamte politische Strategie in der Region könnte unter neuen Ausbrüchen von Gewalt leiden. Der Erfolg der Strategie hängt ebenso davon ab, ob es den USA gelingt, Rußland zu kooptieren und es zu veranlassen, einen Rückgang seines geopolitischen Einflusses gegen einen höheren ökonomischen Profit einzutauschen. Angesichts der wenig berechenbaren russischen Außenpolitik wie auch der instabilen Machtstrukturen in Rußland gibt es offensichtlich auch hier erhebliche Risiken.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Übersetzung aus dem Englischen: Martina Boden, Winsen/Aller.

  2. Zbigniew Brzezinski, The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives, New York 1977, S. 148. '

  3. Shireen Hunter, Central Asia since Independence, Washington. D. C. 1996, S. 151.

  4. Die US-Energiebehörde schätzt, daß die Abhängigkeit der USA von Ölimporten von 40 Prozent 1994 auf 60 Prozent im Jahr 2010 anwachsen wird. Zwei Drittel der letzteren werden aus dem Persischen Golf kommen. Vgl. Nuzhet Cem Orekli, U. S. Foreign Policy towards Energy Development, in: Türkistan vom 1. März 1998.

  5. Wallace Hays, The U. S. Congress and the Caspian, in: Caspian Crossroads, (Winter 1998) III, S. 8.

  6. Vgl. Jan Kalicki (Berater im US-Handelsministerium und Ombudsman der Energieverwaltung und Handelszusammenarbeit mit den neuen unabhängigen Staaten), Prosperity, Partnership and Pipelines, in: USIA vom 26. Mai 1998.

  7. Vgl. hierzu N. C. Orekli (Anm. 4).

  8. Vgl. hierzu Louis Hartz, The Liberal Tradition in America, New York 1955.

  9. Joseph Nye, Bound to Lead: The Changing Nature of American Power, New York 1990. S. 191.

  10. Vgl. Michael Doyle, Kant, Liberal Legacies, and Foreign Affairs, in: Michael Brown u. a. (Hrsg.), Debating the Democratic Peace, Cambridge, MA. 1997, S. 3-57.

  11. Hays stellt fest, daß die armenischen Lobby-Gruppen in Kalifornien, New Jersey, New York und Illinois Einfluß ausüben konnten, was zusammen „nahezu die Hälfte der gesamten Wählerstimmen umfaßt, die für die Präsidentschaftswahlen erforderlich waren“. Vgl. W. Hays (Anm. 5), S. 8.

  12. Armenien erhielt zwischen 1992 und 1996 mehr als 600 Mio. US-Dollar an Hilfe, Aserbaidschan im gleichen Zeitraum dagegen nur 80 Mio. Vgl. Rajan Menon, Treacherous Terrain: The Political and Security Dimensions of Energy Caspian Seattle, Development in the Seazone, WA 1998, S. 33.

  13. Eine eingehendere Diskussion dieses Punktes und seiner Folgen bei S. Neil MacFarlane/Larry Minear, Humanitarian Action and Politics: The Case of Nagorno-Karabach, Providence, RI 1997, S. 51-55, 74-78.

  14. Für eine ähnliche Analyse vgl. S. Hunter (Anm. 3), S. 161.

  15. Vgl. Paul Goble, Ten Issues in Search of a Policy: America’s Failed Approach to the Post-Soviet States, in: Current History, XCII (October 1993), S. 576.

  16. Semih Vaner, La Caspienne: Enjeu pour L’Azerbaidjan, et L’Azerbaidjan comme Enjeu, in: Cahiers D’Etudes sur la Mediterannee Orientale et le Monde Turco-Iranienne, (1997) 23, S. 164.

  17. Vgl. Martha Brill Olcott, Central Asia’s New States, Washington. D. C. 1996, S. 176.

  18. Im Falle Georgiens akzeptierten die USA eine russische Friedenstruppe für Abchasien, indem sie für die Resolution 937 (1994) des UN-Sicherheitsrates stimmten, die eine Stationierung russischer Truppen legitimierte. Im Falle des Karabach-Konflikts äußerten amerikanische Unterhändler 1995 in Interviews gegenüber dem Autor, daß angesichts der asymmetrisch starken Interessen Rußlands am Verlauf des Konflikts und in der Region im allgemeinen es unausweichlich sei, daß Rußland die Führung bei der Vermittlung übernehme.

  19. Ein Bericht über diese Phase bei S. Hunter (Anm. 3), S. 162f. Im Falle Kasachstans wurden örtliche Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die von der amerikanischen Regierung finanziert wurden und sich in der Förderung von Demokratie engagierten, von kasachischen Behörden verfolgt. Berichten zufolge drohte der Chef der USAID daraufhin, die amerikanische Unterstützung zu beenden, wenn Kasachstan diese Organisationen nicht frei agieren lasse.

  20. Joseph Lelyveld. Turkmenistan: Niyzov Poised for First Visit to the White House, in: Radio Free Europe/Radio Liberty vom 24. Februar 1998.

  21. Vgl. W. Hays (Anm. 5), S. 10.

  22. Vgl. z. B. Strobe Talbott (stellvertretender Außenminister), A Farewell to Flashman: American Policy in the Caucasus and Central Asia, eine Rede vor dem Institut für Zentralasien an der Johns Hopkins School of Advanced International Study vom 21. Juli 1997. 1

  23. Vgl. Jan Kalicki, U. S. Perspectives on Bringing Regional Energy to and through Turkey. Rede vor der Jahreskonferenz des American Turkish Council vom 26. Februar 1998 in Washington.

  24. Im Mai 1998 verzichtete die Regierung auf ILSA-Sanktionen gegen drei Firmen, darunter Total, die sich an der Entwicklung südlich von Pars in Iran beteiligten, obwohl amerikanische Politiker klargemacht hatten, daß dies nicht als Anzeichen eines Wandels in der amerikanischen Haltung hinsichtlich der Isolation Irans gesehen werden solle. Vgl. Frederico Pena, Rede auf der Konferenz „Kreuzwege der Welt“ vom 27. Mai 1998 in Washington.

  25. Die turkmenische Regierung hat mit dem Iran über ein Öl-Tausch-Geschäft verhandelt. Danach sollten 14 Mio. Tonnen Petroleum pro Jahr in iranische Raffinerien transportiert werden. Im Gegenzug sollten die Iraner die gleiche Menge aus Häfen am Golf exportieren, wobei Turkmenistan die Erlöse erhielte. Das hätte den Bau von 350 Kilometern Pipeline von der iranischen Küste am Kaspischen Meer nach Teheran zur Folge. Es gibt auch Pläne, eine größere Pipeline von Turkmenistan an den Golf zu bauen. Präsident Niyazov hat angekündigt, den Gasexport nach Iran 1999 von vier Milliarden Kubikmetern auf zwölf Milliarden Kubikmeter durch eine Pipeline, die 1997 eröffnet wurde, zu steigern.

  26. F. Pena (Anm. 24).

  27. Vgl. J. Kalicki (Anm. 23).

  28. Vgl. Robert Lyle, U. S. Wants Multiple Pipelines for Caspian Oil, in: Radio Free Europe/Radio Liberty vom 11. März 1998. Zu Iran vgl. J. Kalicki, ebd.

  29. Vgl. Michael Lelyveld, Turkmenistan: Business with Iran Runs Counter to U. S. Policy, in: Radio Free Europe/Radio Liberty vom 10. März 1998; R. Lyle (Anm. 29) und die Bemerkungen von Botschafter Richard Morningstar (Sonder-berater des Präsidenten zur Unterstützung unabhängig gewordener Staaten), Konferenz „Kreuzwege der Welt“, 28. Mai 1998 in Washington DC (USIA 1998).

  30. Vgl. J. Kalicki (Anm. 23).

  31. Vgl. F. Pena (Anm. 24).

  32. Vgl. S. Neil MacFarlane, Democratization and Regional Security in the Southern Caucasus, in: Government and Opposition, XXXII (Sommer 1997) 3.

Weitere Inhalte

S. Neil MacFarlane, Ph. D., geb. 1953; Studium der Internationalen Beziehungen in Oxford; Professor an der Universität von Virginia und der Queen’s Universität in Kingston/Ontario; seit 1996 Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Oxford, St. Anne’s College, und Direktor des Zentums für Internationale Studien ebenda. Zahlreiche Monographien und Artikel in Fachzeitschriften zu Fragen der russischen Außenpolitik, Sicherheitsfragen in Zentralasien und dem Kaukasus sowie internationalen Organisationen.