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Beschäftigungspolitisch erfolgreiche Länder. Lehren für die Bundesrepublik Deutschland? | APuZ 34-35/1998 | bpb.de

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APuZ 34-35/1998 Beschäftigungspolitisch erfolgreiche Länder. Lehren für die Bundesrepublik Deutschland? Soziale Sicherung im europäischen Vergleich Zwischen Moralität und Eigeninteresse. Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in internationaler Perspektive

Beschäftigungspolitisch erfolgreiche Länder. Lehren für die Bundesrepublik Deutschland?

Heinz Werner

/ 20 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In den USA, Großbritannien, den Niederlanden und Dänemark verlief die Beschäftigungsentwicklung, zumindest in den letzten Jahren, erheblich günstiger als in Deutschland. Die Ländererfahrungen zeigen, daß es eine gewisse Vielfalt der Wege zu mehr Beschäftigung, jedoch keine Patentrezepte gibt, die man einfach kopieren kann. Der Blick über die Grenzen läßt aber Gemeinsamkeiten für einen beschäftigungspolitischen Erfolg erkennen. So war ein gesamtwirtschaftlicher Ansatz wichtig für den Erfolg am Arbeitsmarkt. Die Erfahrung lehrt: Reformen müssen umfassend koordiniert und abgestimmt sein, zum Beispiel mit der Fiskal-und Sozialpolitik. Isolierte Teilreformen bringen auch nur Teilerfolge. Für Investitionen und Verbrauch ist jeweils ein günstiger Rahmen geschaffen worden, zum Beispiel durch die Fiskalpolitik und die Geldpolitik, ferner mit der Steuerpolitik, zum Beispiel durch die Senkung der direkten Steuern und stärkere Betonung der indirekten Steuern. Moderate Lohnsteigerungen und dezentralisierte Systeme der Lohnfindung haben in allen betrachteten Ländern den Beschäftigungsaufbau gefördert. Auch in den stark tarifvertraglich geprägten Arbeitsmärkten der Niederlande und Dänemarks sind zunehmend Flexibilisierungsmöglichkeiten, z. B.der Arbeitszeiten, in die Tarifverträge eingeführt worden. Weiterhin haben niedrige Lohnnebenkosten die Kosten der Beschäftigung der Arbeitskräfte verringert.

I. Was ist beschäftigungspolitisch erfolgreich?

Abbildung 1: Arbeitslosenquoten in ausgewählten Industrieländern 1983-1997 (in Prozent) Quellen: OECD; Eurostat.

Im gängigen Verständnis wird ein Land für beschäftigungspolitisch erfolgreich gehalten, wenn die Arbeitslosigkeit nachhaltig sinkt oder bereits niedrig ist und wenn die Beschäftigung kontinuierlich ansteigt oder die Beschäftigungsquote schon ein hohes Niveau erreicht hat. Dabei ist allerdings einiges zu hinterfragen: Stellt die gegebene Arbeitslosenquote unter Hochkonjunkturbedingungen bereits die Vollbeschäftigungsquote dar? Handelt es sich um strukturelle oder konjunkturelle Arbeitslosigkeit? Strukturelle Arbeitslosigkeit ist definiert als der Anteil an Arbeitslosen, der auch in einem wirtschaftlichen Aufschwung keine Beschäftigung findet und deshalb über makroökonomische Politiken nicht direkt beeinflußt werden kann Es handelt sich also in großem Maße um schwer vermittelbare Personen. Strukturelle Arbeitslosigkeit ist beschäftigungspolitisch schwieriger zu beseitigen als konjunkturelle Arbeitslosigkeit und wäre bei einem Ländervergleich negativer zu bewerten

Abbildung 3c: Großbritannien: Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1990) und zivile Erwerbstätige 1983-1996 (Index 1983 = 100) Quelle: OECD

Auch bei der Beschäftigungs-bzw. Erwerbsquote stellen sich Fragen: Was ist eine hohe Beschäftigungsquote? Ist überhaupt eine möglichst hohe Erwerbsquote anzustreben? Warum sollen möglichst viele Personen beschäftigt sein? Oder genügt es, hochproduktive Tätigkeiten für eine geringere Anzahl von Personen, als beschäftigungspolitisch möglich ist, zu haben, die dann mit ihren hohen Löhnen die beruflich Inaktiven mittragen? Um welche Art von Beschäftigungen handelt es sich: Voll-zeit-oderTeilzeitbeschäftigungen, dauerhaft oder befristet? Wird die Beschäftigung beispielsweise nach Personen gezählt, kann sich ein irreführendes Bild ergeben, wenn die Teilzeitquoten sehr verschieden sind und sich sehr unterschiedlich entwikkelt haben. Eine Möglichkeit, die Beschäftigung für Vergleichszwecke besser gegenüberstellen zu können, bestünde darin, vom Arbeitsvolumen auszugehen, etwa von der Summe der jährlich geleisteten Arbeitszeiten aller Beschäftigten. Weiterhin ist zu fragen: Kann man von seiner Arbeit den Lebensunterhalt bestreiten? Oder besteht für viele Erwerbstätige die Gefahr der Armut bei Arbeit (working poor)?

Abbildung 3 d: Niederlande: Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1990) und zivile Erwerbstätige 1983-1996 (Index 1983 = 100) Quellen: OECD; Centraal Bureau voor de Statistiek.

Im vorliegenden Aufsatz wollen wir pragmatisch vorgehen und einige Länder herausgreifen, deren Arbeitslosigkeit von einem vergleichsweise hohen Niveau in der Vergangenheit in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist und deren Beschäftigung zugleich angestiegen ist. Exemplarisch sind dies die Länder USA, Dänemark, Großbritannien und die Niederlande. Folgende Fragen stellen sich: Wie veränderten sich Höhe und Struktur der Arbeitslosigkeit und der Beschäftigung? Wie ist der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung? Welche Erklärungen lassen sich finden für den beschäftigungspolitischen Erfolg? In welchen Bereichen lohnt es sich, Lehren für die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zu ziehen?

II. Arbeitslosigkeit

Abbildung 2: Beschäftigungsentwicklung in ausgewählten Industrieländern 1983-1997 (Index 1983 = 100) Quellen: OECD; Eurostat; Centraal Bureau voor de Statistiek.

Die Abbildung 1 zeigt die Arbeitslosenquote für die vier einbezogenen Länder und für Deutschland. Es ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei den EU-Ländern um die Angaben von Eurostat (Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften) handelt und nicht um die Zahl der bei den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen. Die Zahlen von Eurostat sind für Vergleichszwecke vorzuziehen. Sie beruhen auf einer vergleichbaren Basis, nämlich einer repräsentativen Befragung von Haushal3 ten anhand eines standardisierten Fragebogens. Eine ähnliche Erhebung findet auch in den USA statt, so daß für die fünf Länder ein gewisses Maß an Vergleichbarkeit gegeben ist.

Abbildung 3 e: USA: Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1990) und zivile Erwerbstätige 1983-1996 (Index 1983 = 100) Quellen: OECD; US Department of Labor.

Im Falle Deutschlands ist eine weitere Anmerkung angebracht: Ab 1991 handelt es sich um die Arbeitslosenquote für Gesamtdeutschland, also einschließlich der neuen Bundesländer, da Eurostat keine nach Ost-und Westdeutschland getrennten Quoten mehr ausweist. Die zeitliche Vergleichbarkeit ist für Deutschland damit nicht ganz gewährleistet. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit seit 1990 wäre für Westdeutschland nicht so steil wie in der Abbildung 1 dargestellt. Trotzdem wäre nach wie vor ein Ansteigen der Arbeitslosenquote auch für Westdeutschland zu konstatieren -im Gegensatz zur Abnahme in den hier betrachteten vier anderen Ländern

Abbildung 4 a: Wachstumsraten 1984-1996 des BIP (in Preisen von 1990) und der zivilen Erwerbstätigen in den USA (in Prozent) Quellen: US Department of Labor: Employment and Earnings, January 1997; OECD (1997): National Accounts, Vol. I, 1960-1965; OECD (1997): Economic Outlook No. 61, June 1997.

Zur Struktur der Arbeitslosigkeit ist zu sagen, daß überall die Geringqualifizierten überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Auch die Arbeitslosigkeit für Jugendliche oder ethnische Minderheiten liegt über dem Durchschnitt. In den europäischen Ländern ist der Anteil der Langzeit-arbeitslosen (mindestens ein Jahr arbeitslos) nach wie vor sehr hoch. Er liegt zwischen rund 30 Prozent in Dänemark und fast 50 Prozent in den Niederlanden. Trotz guter Konjunkturlage in beiden Ländern profitieren die jeweiligen Arbeitslosen-gruppen davon in unterschiedlichem Ausmaß. Für die schwer vermittelbaren Erwerbslosen werden auch nach wie vor erhebliche arbeitsmarktpolitische Anstrengungen erforderlich sein. Etwas anders sieht die Situation in den USA aus: Während auch hier Geringqualifizierte, Jugendliche und ethnische Minderheiten stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind, entsprechen die Arbeitslosenquoten der Älteren dem Durchschnitt (nicht so in den europäischen Ländern) und der Anteil der Langzeitarbeitslosigkeit liegt bei etwa 10 Prozent. Dies hängt sicher mit den niedrigen Lohnersatzleistungen (z. B. Arbeitslosengeld) bei der Arbeitslosigkeit zusammen und deren kurzer Dauer. Damit wird ein Zwang zur Aufnahme einer even-tuell auch schlechter bezahlten Beschäftigung ausgeübt, da sonstige Sozialtransfers entweder gering sind oder nicht existieren

III. Beschäftigung

Tabelle 1: Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Arbeitslosenquote in Dänemark, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden und den USA (in Prozent) Quelle: Europäische Kommission (1998): Frühjahrsvorausschätzung.

1. Übersicht Eine erste Übersicht zur Entwicklung der Beschäftigung zeigt Abbildung 2. Die mit Abstand höchsten und kontinuierlichsten Zunahmen der Beschäftigung verzeichnen die USA und die Niederlande. Für die Bundesrepublik Deutschland trat ab 1992 ein Knick in der Beschäftigungsentwicklung ein. Ähnliche Trendbrüche gab es einige Jahre früher auch bei Großbritannien und Dänemark, diese kehrten sich aber inzwischen wieder um. So ist Deutschland mittlerweile das einzige Land in der Europäischen Union, in dem die Beschäftigung weiter zurückging.

Abbildung 4 b: Wachstumsraten 1984-1996 des BIP (in Preisen von 1990) und der zivilen Erwerbstätigen in Deutschland (West) (in Prozent) Quellen: Eurostat (1996): Beschäftigung und Arbeitslosigkeit 1980-1994; OECD (1996): National Accounts, Vol. 1, 1960-1994; 1995 und 1996 LAB.

Liegt die unterschiedliche Entwicklung der Beschäftigung am unterschiedlichen Wirtschaftswachstum? Einen ersten Überblick zu Wirtschaftswachstum (Bruttoinlandsprodukt: BIP), Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in den hier betrachteten Ländern gibt Tabelle 1.

Tabelle 2: Komponenten des Beschäftigungswachstums auf der Angebotsseite/Demographische Entwicklung und Erwerbsverhalten (Veränderungen 1983-1995, in Prozent) Quellen: OECD; Eurostat; Centraal Bureau voor de Statistiek; eigene Berechnungen.

Man sieht, daß Deutschland bis Anfang der neunziger Jahre gar nicht so schlecht dastand. In den achtziger und den frühen neunziger Jahren lagen die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts über dem EU-Durchschnitt. Erst ab 1994 verschlechterte sich die Situation in Deutschland, während sich in den anderen Ländern die Wirtschafts-und Arbeitsmarktsituation verbesserte. Für Deutschland wird eine Annäherung an das Wirtschaftswachstum der EU erst für 1999 erwartet. Eine Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (als Indikator des Wirtschaftswachstums) und der Beschäftigung darzustellen, ist mit den Abbildungen 3 a bis 3e gegeben. Sie illustrieren, daß nur in Deutschland die Beschäftigung weiter zurückgeht und daß sich die Schere zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Deutschland besonders weit öffnet. Anders ausgedrückt kann man auch sagen, daß zum Beispiel in den USA oder in den Niederlanden bei einem ähnlichen Wirtschaftswachstum die Beschäftigung weit stärker gestiegen ist als in Deutschland. Für die Niederlande ist dabei zu beachten, daß dies zum großen Teil auf die enorme Zunahme der Teilzeitbeschäftigung zurückgeführt werden kann. Das in Deutschland seit 1993 weiter anziehende Wirtschaftswachstum bei zugleich sinkender Beschäftigung deutet auch auf eine Zunahme der Produktivität hin. Darauf wird noch später eingegangen.

Tabelle 3: Komponenten des Beschäftigungswachstums auf der Nachfrageseite/Wirtschaftswachstum (Veränderungen 1983-1995, in Prozent) Quellen: OECD; Eurostat; Centraal Bureau voor de Statistiek; eigene Berechnungen.

Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung kann ausgedrückt werden durch die Beschäftigungsintensität: Wie verändert sich die Beschäftigung, wenn sich das BIP zum Beispiel um ein Prozent erhöht (oder verringert)?

Graphisch kann dieser Zusammenhang wie in Abbildung 4 a und 4 b dargestellt werden. In den Abbildungen werden die jährlichen Veränderungen der Beschäftigung den jährlichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes gegenübergestellt. Die eingezeichnete Regressionsgerade gibt diesen Zusammenhang plastisch wieder. Die Steigung der Gerade ist ein Hinweis auf die Beschäftigungsintensität des Wirtschaftswachstums. Im Falle der USA genügt ein geringeres Wirtschaftswachstum, um die Beschäftigung zum Beispiel um ein Prozent steigen zu lassen. Interessant ist auch der Schnittpunkt der Geraden mit der x-Achse. Dieser stellt die sogenannte Beschäftigungsschwelle -ab welchem Wirtschaftswachstum die Beschäftigung ansteigt -dar. Im Falle der USA liegt dieser Schnittpunkt nahe dem Nullpunkt. Dort genügt also bereits ein geringes Wirtschaftswachstum, um die Beschäftigung zunehmen zu lassen. Im Falle Deutschlands liegt die Beschäftigungsschwelle nahe zwei Prozent BIP-Wachstum. Betrachtet man nur die letzten Jahre, kann man feststellen, daß sich diese Schwelle noch weiter nach oben -in Richtung eines höheren Wirtschaftswachstums -verschoben hat. Es ist also ein noch höheres BIP-Wachstum notwendig, um die Beschäftigung wieder ansteigen zu lassen

Um die Unterschiede bzw. die Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern herauszuarbeiten, werden im folgenden Kapitel die Komponenten des Beschäftigungswachstums dargestellt. Dabei wird einmal von der Angebotsseite (Demographie) des Arbeitsmarktes ausgegangen und in einem zweiten Ansatz von der Nachfrageseite (Wirtschaftswachstum). 2. Der Arbeitsmarkt -die Angebotsseite Die demographische Entwicklung beeinflußt das Arbeitskräfteangebot über das Bevölkerungswachstum und das Erwerbsverhalten. Die demographisch orientierten Komponenten des Beschäftigungswachstums lassen sich folgendermaßen darstellen:

ET = Bev x EQ x BQ ET = Zahl der Erwerbstätigen Bev = Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter EQ = Erwerbsquote = EP/Bev wobei EP = Zahl der Erwerbspersonen (Erwerbstätige + Arbeitslose)

BQ = Beschäftigungsquote = ET/EP Näherungsweise kann dieser Zusammenhang in Wachstumsraten ausgedrückt werden. Dadurch kann der Beitrag der einzelnen Komponenten sichtbar gemacht und ein Vergleich zwischen den Ländern vorgenommen werden. Dabei soll darauf hingewiesen werden, daß es sich um eine Aufspaltung handelt, die noch nichts über die Ursachen aussagt. Berechnet man für obige Relation die prozentualen Veränderungen für die Zeit von 1983 bis 1995, dann ergeben sich folgende Werte:

Aus der Tabelle 2 lassen sich Gemeinsamkeiten und Divergenzen zwischen den Ländern erkennen. Sie bedürfen vielfach noch einer Kommentierung, da hinter den jeweiligen Größen unterschiedliche Wirkungszusammenhänge stehen können und deshalb zum Beispiel eine gleiche prozentuale Veränderung, je nach Land, anders zustande kommen kann. Wie bereits aus Abbildung 2 ersichtlich, weisen die Niederlande und die USA die höchsten Steigerungen der Erwerbstätigkeit aus. Für die Niederlande hängt dies zum großen Teil mit der fast explosionsartigen Zunahme der Teilzeitbeschäftigung -um mehr als 30 Prozent seit 1973 -zusammen. Diese wird in großem Maße von Frauen ergriffen. Da in den Niederlanden die Erwerbsquote der Frauen relativ niedrig war, bestand ein erheblicher Nachholbedarf. Der Anstieg der Erwerbsquote um fast 10 Prozentpunkte in den Niederlanden zwischen 1983 und 1995 ist auf die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen zurückzuführen. Allerdings spielt bei den Niederlanden auch die Zunahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter eine wesentliche Rolle, die nur in den USA eine noch größere Veränderung erfuhr. Beide Länder zeichnen sich durch ihre relativ „junge“ Bevölkerung aus, was sich auch in der Steigerung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter niederschlägt. In den USA hängt dies auch mit der starken Zuwanderung zusammen. Jedes Jahr wandern 800 000 bis eine Million Menschen zu. Diese Zuwanderung spielt im betrachteten Zeitraum auch für Deutschland eine wesentliche Rolle und erklärt, warum bei uns trotz „alter“ Bevölkerung die Anzahl der Personen im erwerbsfähigen Alter immerhin auch um über sechs Prozent zugenommen hat. Für die übrigen drei europäischen Länder spielte die Zuwanderung während des einbezogenen Zeitraums keine so große Rolle. Ins Auge fällt auch der Rückgang der Erwerbsquote in Dänemark. Nun hat Dänemark mit 81 Prozent bereits die höchste Erwerbsquote aller EU-Länder, und diese kann nicht beliebig weiter steigen. Der geringfügige Rückgang der Quote um 1, 9 Prozent erklärt sich aus dem früheren Ruhestand und zum anderen aus der längeren Ausbildungsdauer. Die Unterschiede in den Beschäftigungsquoten -der dritten Komponente des Beschäftigungswachstums in Tabelle 2 -hängen mit der Veränderung der Arbeitslosigkeit zusammen Es gelang in anderen Ländern, insbesondere in den USA, im Zuge der Arbeitsplatzschaffung auch die Beschäftigungsquote zu erhöhen und analog die Arbeitslosenquote zu senken. 3. Der Arbeitsmarkt -die Nachfrageseite Die gesamtwirtschaftlichen Bestimmungsfaktoren auf der Nachfrageseite des Arbeitsmarktes lassen sich aus einer anderen Gleichung ablesen, in der das Sozialprodukt (Wirtschaftswachstum) in die Komponenten Stundenproduktivität, Jahresarbeitszeit und Erwerbstätige aufgespalten wird:

Y = et X Jaz X Ap Y = BIP ET = Erwerbstätige JAZ = durchschnittliche Jahresarbeitszeit je Erwerbstätigen in Stunden AP = Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigenstunde Näherungsweise läßt sich dies für’ den Zeitraum 1983-1995 in Wachstumsraten ausdrücken:

Bei der Beschäftigungszunahme liegen die USA und die Niederlande weit vorne. Ist dies auf ein höheres Wirtschaftswachstum zurückzuführen? Im betrachteten Zeitraum sind die Unterschiede nicht so groß, daß das Wirtschaftswachstum die starke Zunahme der Erwerbstätigkeit erklären könnte. Dies zeigte sich bereits aus der Tabelle 1 und den Abbildungen 3 a-3 e. Erst in den letzten Jahren war in den anderen Ländern die Wirtschaftslage deutlich besser als in Deutschland. Diese hatte auch einen positiven Einfluß auf die Beschäftigungsentwicklung. Wie die Tabelle 3 zeigt, gibt es große Unterschiede in der Entwicklung der Jahresarbeitszeiten der hier betrachteten fünf Länder. In Großbritannien und den USA sind die durchschnittlichen Jahresarbeitszeiten gestiegen, während diese in den kontinentaleuropäischen Ländern zurückgegangen sind. In den Niederlanden hängt dies -wie oben schon formuliert -eng mit der Zunahme der Teilzeit zusammen, aber auch mit einer generellen Verkürzung der (Vollzeit-) Arbeitszeit. Die Niederlande liegen mit einem Teilzeitanteil von 38 Prozent (1996) weit an der Spitze aller Industriestaaten (zum Vergleich Deutschland: 16 Prozent). Mehr als 60 Prozent aller erwerbstätigen Frauen und rund ein Sechstel aller Männer sind teilzeitbeschäftigt. Diese Entwicklung wurde begünstigt durch die dynamische Entwicklung im Dienstleistungssektor (mit einem Beschäftigungsanteil von 73, 5 Prozent) und den Nachholbedarf bei der Frauenerwerbstätigkeit, die in den Niederlanden relativ niedrig war. In Deutschland ist der Rückgang der Jahresarbeitszeit nur zu einem kleinen Teil auf die Ausweitung der Teilzeit zurückzuführen. Wichtiger war die allgemeine Reduzierung der Arbeitszeiten.

Bei der Produktivitätsentwicklung ergeben sich ebenfalls erhebliche Unterschiede von Land zu Land. Deutschland nimmt eine Spitzenposition ein. Dies hängt u. a. auch mit der Wirtschaftsstruktur zusammen. In Deutschland spielt der Verarbeitende Sektor mit einem Beschäftigungsanteil von 35 Prozent (1996) eine wesentlich größere Rolle als in den anderen Ländern wie in Dänemark mit 26 Prozent, den Niederlanden mit 23 Prozent oder den Vereinigten Staaten mit 24 Prozent. Im Verarbeitenden Sektor ist die Produktivität in der Regel höher als bei den Dienstleistungen. Dies gilt besonders für ein exportorientiertes Land wie Deutschland, welches dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist. In Großbritannien und den USA wird das Wirtschaftswachstum weit weniger vom Produktivitätsfortschritt getragen als in den drei anderen Ländern. Für den Arbeitsmarkt heißt dies, daß -unter sonst gleichen Bedingungen -mehr Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die Kehrseite ist, daß ein niedriges Produktivitätswachstum nicht ohne Einfluß auf die Lohnsteigerungen bleibt. Nach Angaben der OECD liegt Westdeutschland bei den Lohnsteigerungen der vergangenen fünf Jahre an der Spitze, an letzter Stelle liegen die USA, die drei anderen Länder Dänemark, Großbritannien und die Niederlande dazwischen

IV. Mehr Beschäftigung durch größere Lohnspreizung?

Abbildung 3 a: Dänemark: Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1990) und zivile Erwerbstätige 1983-1996 (Index 1983 = 100) Quellen: OECD; Eurostat.

Die ausschließliche Betrachtung der durchschnittlichen Lohnsteigerung kann zu irreführenden Schlüssen verleiten. Wichtig ist auch die Spreizung der Löhne und deren Entwicklung im Zeitablauf. Da dies ein wichtiges Element in der gegenwärtigen beschäftigungspolitischen Diskussion ist, soll hier darauf eingegangen werden.

Bei den Lohndisparitäten unterscheiden sich wieder die kontinentaleuropäischen Länder von den zwei angelsächsischen Ländern. Sowohl in den USA als auch in Großbritannien war die Lohn-spreizung nach unten und nach oben erheblich größer, und sie hat im Zeitablauf noch zugenommen Mit anderen Worten, es gibt sowohl mehr Beschäftigte, die wenig verdienen, als auch mehr Personen mit höherem Einkommen. Die oft gehörte Behauptung, daß das Beschäftigungswachstum in den USA nur durch schlecht bezahlte Arbeit (bad jobs) zustande kommt, läßt sich so nicht bestätigen. Allerdings ist auch nicht zu übersehen, daß die Kehrseite des amerikanischen „Beschäftigungswunders“ Armut bei Arbeit (working poor) bedeuten kann. In vielen Bereichen werden weit unterdurchschnittliche Löhne gezahlt, die die Arbeitnehmer akzeptieren müssen, da das sehr lückenhafte Sozialsystem vielfach keine Sozialtransfers gewährt Damit besteht ein Zwang zur Aufnahme einer Beschäftigung, notfalls auch einer schlecht bezahlten. Allerdings gibt es dort derartige Arbeitsplätze, während diese Einfacharbeitsplätze bei uns vielfach wegrationalisiert wurden.

Die Entwicklung zu größeren Lohndisparitäten ging einher mit einer steigenden Zahl von Haushalten, deren Einkommen unterhalb der staatlich fixierten Armutsgrenze liegt. 1982 betrug die Zahl der betroffenen Amerikaner 34, 4 Millionen. Bis 1993 stieg sie auf den bisherigen Maximalwert von 39, 3 Millionen an. Dies entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von 15, 1 Prozent. Darunter fallen ein Drittel Kinder. Neuere Daten zeigten, daß die Realeinkommen mit sich verbessernder Wirtschaftslage wieder steigen und daß der Anteil der Amerikaner mit Einkommen unterhalb der Armutsgrenze seit 1994 erstmals wieder langsam zurückgeht. Ob dies eine dauerhafte Trendumkehr bedeutet, bleibt abzuwarten. Die Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie lag 1996 bei etwa 16000 Dollar jährlich.

Dem Problem Armut bei Arbeit widmet sich seit kurzem auch zunehmend die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), eine Organisation, die eher marktwirtschaftlich orientiert ist. Die OECD sieht die Gefahr der sozialen Ausgrenzung und den Verlust des sozialen Zusammenhaltes

Bei der Beurteilung der Lohndisparitäten sind noch zwei Bemerkungen angebracht:

Erstens:

Die Unterschiede bleiben weniger kraß, wenn es einem großen Teil der working poor gelingt, von dem niedrigen Lohnniveau im Laufe der Zeit aufzusteigen. Leider ist dies in den USA nur in begrenztem Umfang der Fall. Zwar gehören zu den Niedriglohnbeziehern zum Beispiel viele Jugendliche, die nur vorübergehend jobben, aber nach Untersuchungen der OECD befinden sich circa zwei Fünftel aller Geringverdiener nach sechs Jahren immer noch im'unteren Lohnsegment

Zweitens:

Der Lohn stellt nur eine Form des Einkommens dar. Werden Löhne über Transfereinkommen aufgebessert, dann verbessert sich auch die wirtschaftliche Situation der betroffenen Arbeitnehmer. Selbst in den USA geschieht dies in gewissen Grenzen durch Sozialtransfers. Aus deutscher Sicht interessant ist weiterhin die „Earned Income Tax Credit“ (EITC), eine Art negativer Einkommensteuer, die es in den USA seit 1975 gibt: Geringverdiener brauchen bis zu einer bestimmten Lohnobergrenze nicht nur keine Steuer zu bezahlen, sondern erhalten auch einen Einkommenszuschuß Überlegungen, Konsequenzen aus der amerikanischen Lohnspreizung für Deutschland zu ziehen, münden in einem Dilemma: Sollen etwa auch bei uns die oberen Einkommen „leistungsgerecht“, das heißt überproportional wachsen? In dem Umfang, wie auch in Deutschland Menschen gezwungen würden, zu Niedriglöhnen zu arbeiten, könnte eine ähnliche Entwicklung wie in den USA eingeleitet werden: eine Arbeitsplatzdynamik, die zahlenmäßig beeindruckend ist, aber um den Preis einer einkommensmäßig auseinanderdriftenden Gesellschaft. Die Situation in Deutschland unterscheidet sich jedoch von der der USA insofern, als ein erheblich größerer Teil der Beschäftigten noch im Verarbeitenden Sektor beschäftigt ist (35 Prozent gegenüber 24 Prozent). Dieser Bereich unterliegt zudem noch stark der Außen-konkurrenz. Hier den technischen Fortschritt zu bremsen und den „zu hohen“ Produktivitätssteigerungen entgegenzuwirken würde Produkt-und Prozeßinnovationen behindern und die qualitative Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern, ohne die preisliche Wettbewerbsfähigkeit dauerhaft zu verbessern Im Zuge der Globalisierung und des Hinzukommens neuer Konkurrenten aus den mittel-und osteuropäischen Staaten verstärkt sich der Konkurrenzdruck weiter.

Dieser Wettbewerb findet oft auf stagnierenden Märkten statt, zum Beispiel bei langlebigen Konsumgütern, mit denen Haushalte bei steigendem Wohlstand zunehmend versorgt sind Die Preis-elastizität der Nachfrage -die relative Änderung der Menge bei einer kleinen Änderung des Preises -nach diesen Gütern ist gering. Bei stagnierenden Märkten bleiben kurz-und mittelfristig nur zwei Möglichkeiten, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben: entweder der Weg der Steigerung der Produktivität durch Prozeßinnovationen (Rationalisierung, Verbesserung der Arbeitsorganisation) oder der Senkung der Löhne. Eine dritte, mittel-bis längerfristige Möglichkeit besteht nach Eileen Appelbaum und Ronald Schettkat darin, neue innovative Produkte auf den Markt zu bringen, die entsprechend preiselastisch sind. Sie argumentieren folgendermaßen: Die Preiselastizität der Nachfrage ist abhängig vom Reifegrad der Produkte und deren Marktdurchdringung. Produkte, die bereits eine weite Verbreitung erreicht haben (alte Produkte), können auch bei sinkenden Preisen nur noch mäßig ihren Absatz ausdehnen, ihre Nachfrage ist preisunelastisch. Neue, innovative Produkte stoßen dagegen definitionsgemäß auf einen ungesättigten Markt, der sich bei entsprechender Preisentwicklung schnell ausweiten kann. Die Nachfrage nach diesen Produkten ist preiselastisch. Bei entsprechender Preisgestaltung und Nachfrage können hier hohe Löhne gezahlt und die Beschäftigung sogar ausgeweitet werden.

Allerdings sagen die Autoren selbst, daß damit keine Bewältigung der beschäftigungspolitischen Probleme zu erwarten ist. Als weitere Möglichkeit wird deshalb vorgeschlagen, die Industriegesellschaft in eine Dienstleistungsgesellschaft zu überführen In den USA ist dies mit Hilfe der Lohndifferenzierung erfolgt, mit all den problematischen Auswirkungen des Entstehens von working poor. Schettkat schlägt deshalb vor, in bestimmten Fällen Dienstleistungen über Subventionen marktfähig zu machen, damit die in diesen Sektoren Beschäftigten keine Armutslöhne beziehen Insbesondere bei den privaten Dienstleistungen wird noch ein Beschäftigungspotential im Vergleich zu den USA vermutet.

V. Fazit

Abbildung 3 b: Deutschland (West): Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1990) und zivile Erwerbstätige 1983-1996 (Index 1983 = 100) Quelle: OECD: Eurostat

Was läßt sich nun aus der Arbeitsmarktanalyse der beschäftigungspolitisch erfolgreichen Länder ableiten? Als erstes kann festgehalten werden, daß es eine Vielfalt der Wege zu mehr Beschäftigung gibt. Die Zerlegung des Beschäftigungs-und Wirtschaftswachstums in seine Komponenten hat dies bereits offengelegt. Noch deutlicher würde diese Vielfalt, wenn man auch nach den Unterschieden der Arbeitsmarktverfassung (institutionelle Regelungen, Systeme der Lohnfindung) oder dem Umfang der Arbeitsmarktpolitik fragt. Eine derartige Betrachtung würde jedoch den Rahmen des vorliegenden Aufsatzes sprengen. Die Erkenntnisse daraus gehen jedoch in die weiter unten gemachten Aussagen zum Erfolg der Beschäftigungspolitik ein Bei den hier betrachteten vier Ländern stehen sich zwei Konzeptionen gegenüber: die marktwirtschaftliche Orientierung der USA und Großbritanniens und das korporatistische, auf Konsens ausgerichtete Modell der kontinentaleuropäischen Staaten Niederlande und Dänemark. Im ersten Fall spielen die Gewerkschaften keine große Rolle bei der Lohnfindung, die Lohnspreizung ist hoch, der Kündigungsschutz wenig ausgeprägt, Arbeitsverträge werden überwiegend auf betrieblicher oder individueller Ebene ausgehandelt, und die Flexibilität des Arbeitsmarktes ist deshalb hoch.

Das zweite Länderpaar ist gekennzeichnet durch einen hohen Organisationsgrad der Gewerkschaften, geringe Lohnspreizung und hohe Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, die sich auch in hohen Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld) niederschlagen. Trotzdem erreichen beide Länder ein hohes Maß an Flexibilität: die Niederlande über die große Verbreitung der Teilzeitarbeit, Dänemark wegen des geringen Kündigungsschutzes und der Möglichkeit, auf Arbeitslose auch Druck auszuüben, eine Beschäftigung aufzunehmen oder an einer Bildungsmaßnahme teilzunehmen. Gesellschaftlich akzeptiert wird dieser Zwang zur Flexibilisierung, weil die Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit nach wie vor sehr hoch sind.

Diese Bemerkungen sollen zeigen, daß es keine Patentrezepte in dem Sinn geben kann, daß man „Modelle“ (Systeme) kopiert. Jedes Land hat seinen eigenen historisch-traditionellen Hintergrund und eine andere gesellschaftliche Werteskala, aus denen heraus Veränderungen entwickelt werden müssen. Trotzdem zeigt der Blick über die Grenzen gewisse Gemeinsamkeiten für einen beschäftigungspolitischen Erfolg, die im folgenden aufgeführt sind: -Ein umfassender, gesamtwirtschaftlicher Anreiz war wichtig für den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt. Die Erfahrung zeigt, daß Reformen koordiniert und zum Beispiel mit der Fiskal-und Sozialpolitik abgestimmt werden müssen. Isolierte Teilreformen bringen bestenfalls auch nur Teilerfolge. -Für Investitionen und Verbrauch ist jeweils ein günstiger Rahmen geschaffen worden, zum Beispiel durch eine vorübergehend defizitäre Fiskalpolitik und eine expansive Geldpolitik, ferner in der Steuergestaltung, zum Beispiel durch Senkung der direkten Steuern und stärkere Betonung der indirekten Steuern. -Die Produkt-und Dienstleistungsmärkte wurden liberalisiert. Als Beispiel wäre Großbritannien zu nennen, welches in den achtziger und neunziger Jahren die Privatisierung vorantrieb. Ein Problem ist dabei, daß in der Regel zunächst ein erheblicher Rückgang der Beschäftigung durch Freisetzung eintritt. -Dezentralisierte Systeme der Lohnfindung können regionalen und betrieblichen Gegebenheiten besser Rechnung tragen. In den marktwirtschaftlich orientierten Ländern ist dies inhärent, da Arbeitsverträge vielfach individuell oder auf Betriebsebene ausgehandelt werden. Auch in den stark tarifvertraglich geprägten Arbeitsmärkten der Niederlande und Dänemarks sind zunehmend Flexibilisierungsmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeitszeit oder Entlohnung in den Tarifvereinbarungen eingeführt worden, um auf die lokalen/betrieblichen Bedürfnisse eingehen zu können. -Moderate Lohnsteigerungen haben in den betrachteten Ländern den Beschäftigungsaufbau begünstigt.

-Durch niedrige Lohnnebenkosten konnten die Kosten der Arbeitskräfte verringert werden. Dies kann Konsequenzen für die soziale Sicherheit haben, denn niedrige Beiträge haben auch niedrige Ansprüche zur Folge. Oder das Sozialsystem muß teilweise oder ganz über Steuern finanziert werden, wie zum Beispiel in Dänemark.

-Ein gewisses Maß an Lohnspreizung ist notwendig, wobei die Unterschiede zwischen den hier betrachteten Ländern beachtlich sind. Dabei ist zu bedenken, daß sich kleinere Länder mit relativ homogenen Strukturen eine relativ geringe Lohn-disparität leisten können. Größere Länder mit erheblichen regionalen, wirtschaftsstrukturellen und Bildungsunterschieden, wie die USA oder Großbritannien, weisen eine erhebliche Lohn-spreizung auf. Diese hat in den beiden Ländern sicherlich zur Zunahme der Beschäftigung beigetragen. Allerdings kann sich beim Niedriglohn das Problem der Armut trotz Beschäftigung ergeben (working poor). -Kennzeichnend sind schließlich noch unterschiedliche Schwerpunkte in der Arbeitsmarktpolitik. In den marktwirtschaftlich orientierten Ländern USA und Großbritannien spielt die Arbeitsmarktpolitik -einschließlich der Lohnersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit -keine große Rolle. Dadurch entsteht ein Druck zur Arbeitsauf13 nähme, auch in niedrig entlohnte Arbeit. Demgegenüber geben unter den OECD-Ländern Dänemark und die Niederlande vergleichweise viel für die Arbeitsmarktpolitik aus. Wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, daß etwa zwei Drittel der Aus-gaben auf sog. passive Maßnahmen entfallen, vor allem auf Unterstützungszahlungen bei Arbeitslosigkeit. Es wird aber ein gewisser Druck ausgeübt, eine Arbeit aufzunehmen oder eine Qualifizierungsmaßnahme zu beginnen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. OECD, The jobs study -evidence and explanations, Paris 1994, S. 66.

  2. Leider gibt es kein direktes Maß der strukturellen Arbeitslosigkeit. Eine Möglichkeit stellt die Ermittlung der sog. „inflationsneutralen Arbeitslosenrate“ dar. Diese wird errechnet anhand von ökonometrischen Modellen, deren Gleichungssysteme die Wirtschafts-und Arbeitsmarkt-zusammenhänge abbilden. Über Simulationsrechnungen wird ermittelt, wie hoch die Arbeitslosigkeit ist, ab der eine weitere Konjunkturbelebung die Arbeitslosigkeit nicht weiter abbauen, sondern die Inflation nach oben treiben würde.

  3. Man kann die Arbeitslosenquote nach Eurostat für Westdeutschland grob schätzen, wenn man unterstellt, daß die Relationen Arbeitslosenquoten Westdeutschland und Ostdeutschland zur Gesamtarbeitslosigkeit für die Registriertenzahlen und für die Quoten von Eurostat gleich sind. Unter dieser Hypothese erhält man eine Arbeitslosenquote für Westdeutschland für 1996 nach Eurostat von etwa 7, 7 Prozent. Dies würde fast dem Wert für Großbritannien in diesem Jahr entsprechen, aber immer noch eine erhebliche Steigerung seit 1990 bedeuten. Weiterhin ist zu bedenken, daß die Arbeitslosigkeit in Großbritannien inzwischen weiter gesunken ist, während sie bei uns noch zugenommen hat. Allerdings geht die registrierte Arbeitslosigkeit 1998 in Westdeutschland erstmals leicht zurück.

  4. Als besonders problematisch erweist sich der Kranken-Versicherungsschutz. Da in den USA die meisten Arbeitnehmer durch die Beschäftigung über das Unternehmen gegen Krankheit versichert sind, fällt dieser Schutz bei Entlassung weg. Er wird auch nicht über die Arbeitslosenversicherung -wie bei uns -weiter gewährt.

  5. Dies ist für Deutschland eine Änderung des langfristigen Trends. Die Beschäftigungsschwelle ist bis auf die letzten Jahre eher zurückgegangen.

  6. Der Anstieg der Beschäftigungsquoten -hier verstanden als der beschäftigte Teil der Erwerbspersonen -ist auf die Verringerung der Arbeitslosigkeit zurückzuführen.

  7. Vgl. OECD, Employment Outlook, Paris 1997, S. 7.

  8. Vgl. OECD, Employment Outlook, Paris 1996, S. 62.

  9. So beträgt die Arbeitslosenunterstützung je nach Bundesstaat nur einen Bruchteil des vorhergehenden Nettolohnes (ca. 20-40 Prozent) und wird nur für maximal 26 Wochen gezahlt. Kritisch ist die Situation auch beim Krankenversicherungsschutz: Dieser ist bei Arbeitslosigkeit keineswegs automatisch gewährleistet. Da die Krankenversicherung vielfach über den Arbeitgeber erfolgt, ist der Arbeitnehmer bei Verlust des Arbeitsplatzes gedrängt, möglichst schnell wieder eine Beschäftigung mit Krankenversicherungsschutz zu finden.

  10. Siehe hierzu die Jahresberichte „Employment Outlook“ der letzten Jahre.

  11. Das unterste Lohnsegment geht bis zu 0, 65 des Medianverdienstes. Frauen und Geringqualifizierte tragen das höchste Risiko, im untersten Lohnsegment zu verbleiben. Vgl. OECD (Anm. 7), S. 39. Auch eine Untersuchung des US Bureau of Labor Statistics kommt auf eine hohe Persistenz der Armut bei den betroffenen Personengruppen; siehe Maya Federman u. a., What does it mean to be poor in America, in: Monthly Labor Review, 119 (1996) 5.

  12. Dieses Programm ist in den letzten Jahren stark ausgebaut worden. Man schätzt, daß sich damit für 1996 das Jahreseinkommen von rund 18 Millionen Haushalten um durchschnittlich 1 400 US-Dollar im Jahr erhöht hat. Vgl. Council of Economic Advisers, Economic report of the President, 1997, S. 186. Siehe auch Heinz Werner, Die Arbeitsmarkt-entwicklung in den USA -Lehren für uns?, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, (1997) 3, S. 599.

  13. Vgl. Ronald Schettkat, Das Beschäftigungsproblem der Industriegesellschaften, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 26/96, S. 32.

  14. Vgl. ebd., S. 32 ff.

  15. Vgl. Eileen Appelbaum/Ronald Schettkat, Das Ende der Vollbeschäftigung? Zur Wirtschaftsentwicklung in Industrieländern, in: Wirtschaftsdienst, (1994) 4, S. 193 ff., und R. Schettkat, ebd., S. 25 ff.

  16. Vgl. R. Schettkat, ebd., S. 33.

  17. Die Subvention kann beim Konsum ansetzen, d. h., es werden zunächst kostendeckende Preise verlangt, die dann z. B. durch steuerliche Absetzbarkeit oder durch Gutscheine vermindert werden. Für die Subvention der Produktion gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die aus einer negativen Einkommensteuer für die Beschäftigten oder einer Reduktion von Steuern und Abgaben bestehen können (vgl. R. Schettkat, ebd., S. 34 f.).

  18. Diese Bereiche sind aufgegriffen in den vier IAB-Kurzberichten zum Arbeitsmarkt in den USA, DK, GB und den Niederlanden, die 1997 und 1998 erschienen sind. Sie sind im Internet unter Externer Link: http://www.iab.de zu finden und dort zum Download abrufbar. Für die USA ist eine ausführliche Darstellung erschienen in: Heinz Werner, Die Arbeitsmarktentwicklung in den USA -Lehren für uns?, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, (1997) 3, S. 585 ff.

Weitere Inhalte

Heinz Werner, Diplomvolkswirt, Dr. phil., geb. 1941; wissenschaftlicher Direktor im Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit Nürnberg; Mitarbeit u. a. bei der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (ECE) in Genf, der Europäischen Kommission in Brüssel, der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris, dem Internationalen Arbeitsamt (ILO) in Genf; gutachterliche Tätigkeiten bei einer Reihe internationaler Organisationen wie Europäische Kommission, ILO, Europarat, OECD. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Arbeitskräftewanderungen, Beschäftigungspolitik und internationalen Arbeitsmarktvergleichen.