Am 6. Juli 1948 -der seit langem schwelende Konflikt zwischen der UdSSR und den Westmächten spitzte sich mit der Blockade der Westsektoren Berlins damals dramatisch zu -ereignete sich in Ost-Berlin etwas Merkwürdiges. Auf der achten Sitzung des Verfassungsausschusses des (Ost-) Deutschen Volksrats erinnerte der Vertreter der Ost-CDU, Georg Dertinger, in der Generaldebatte die Ausschußmitglieder an die Sowjetverfassung von 1936: „Damals hat Stalin deutlich zum Ausdruck gebracht, daß eine Verfassung kein Programm ist, sondern daß sie im Gegenteil von dem sprechen soll, was gegenwärtig ist, daß die Verfassung das Gegenwärtige und nicht das Künftige zum Ausdruck zu bringen hat.“ Daraus leitete Dertinger das herausfordernde Bekenntnis ab: „Ich selber möchte mich der Auffassung von Stalin anschließen. Es ist meines Erachtens die Aufgabe unserer Verfassung, nach dreijährigem Interim einen ruhigen Status zu schaffen und die Entwicklung auf ein solides Fundament zu stellen.“
Damit brachte ein Christdemokrat den zum Stalinisten konvertierten Sozialdemokraten Otto Grotewohl, der den Vorsitz dieses Verfassungsausschusses übernommen hatte, in arge Bedrängnis. Um die seit dem Sommer 1945 begonnene antifaschistisch-demokratische Umwälzung fortzusetzen, sah sich der Parteivorsitzende der SED gezwungen, sich behutsam von Stalin zu distanzieren: „Die Anwendung des Stalinschen Prinzips . . . würde für uns bedeuten, einen Zustand festzulegen, den wir einfach nicht anerkennen dürfen und nicht anerkennen können.“ Der frühere Sozialdemokrat und Verwaltungsfachmann, der brandenburgische Ministerpräsident Karl Steinhoff, fühlte sich dadurch offenbar herausgefordert, als er erklärte: „Es genügt nicht, nur ein Programm dessen, was wir uns unter einer richtigen Verfassung vorstellen, in die Verfassung hineinzubringen, sondern wir müssen . . . einen Status stabilisieren, der nicht da ist, der aber in dem Moment, wo die Verfassung in Kraft tritt, als konkreter Rechtzustand da sein wird.“ Um richtig verstanden zu werden, griff Steinhoff das zentralste aller möglichen Beispiele heraus: „In den grundlegenden Fragen der Enteignung dös Großgrundbesitzes und Enteignung der Kriegs-und Naziverbrecher sagen wir im Verfassungsentwurf nicht: sie werden enteignet, um dann etwa hinzuzusetzen: ein Reichsgesetz führt diesen Artikel aus (er würde nie zur Ausführung kommen, wie es auch bei der Weimarer Verfassung war), sondern: sie sind enteignet, so daß mit Annahme der Verfassung bereits effektiv der Rechtszustand besteht, daß sie enteignet sind und die Polizei hingehen und sie heraussetzen kann -nicht daß man erst auf eine künftige Reichsgesetzgebung wartet und es ihr überläßt, wie sie diesen programmatischen Artikel der neuen Verfassung auswertet.“
Diese Episode erhellt nicht nur die Ziele des „Verfassungskampfs“, den die SED seit Herbst 1946 führte (Verteidigung und Ausbau der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung), sondern sie kennzeichnet auch die Eigenart der ostdeutschen Verfassungsdebatte, die Unaufrichtigkeit und den Mangel an Kritik. Für die Einheitspartei waren Verfassungsfragen primär Machtfragen Tatsächlich kennzeichnete das Auftreten der SED in der ostdeutschen Verfassungsdiskussion ihre schon 1946 gewonnene Machtposition; ebenso war die Nachgiebigkeit der Ost-CDU und der LDPD in fast allen Verfassungsfragen Ausdruck ihrer Machtlosigkeit.
In dem bis Mai 1949 andauernden Prozeß der DDR-Verfassungsgebung lassen sich drei Stationen erkennen: Erstens die „Grundrechte“ -Deklaration der SED am 22. September 1946, der zwei Monate später ein vollständig ausgearbeiteter Verfassungsentwurf dieser Partei folgte; zweitens die Annahme der ostdeutschen Länderverfassungen in den fünf Landtagen der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zwischen Dezember 1946 und Februar 1947; drittens die Verkündung der Richtlinien für die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik durch den Deutschen Volksrat am 3. August 1948, der im November ein „Grundgesetz“ -Entwurf für eben diese Republik folgte. Die Bestätigung der Verfassung am 19. März 1949 durch den Deutschen Volksrat, die am 30. Mai durch den Deutschen Volkskongreß wiederholt wurde, blieb ein formaler Akt.
Dieser hier vorzustellende Prozeß der ostdeutschen Verfassungsgebung -die sich formell niemals auf einen ostdeutschen Teilstaat bezog -erscheint rückblickend als durchaus zielstrebiger Weg zur Gründung der DDR. Dabei lassen sich aul der Grundlage ostdeutscher und sowjetischer Quellen Kontinuitäten und bisher wenig beachtete Aspekte erkennen.
I Der Kampf um die Initiative. Der Verfassungsentwurf der SED vom 14. November 1946
Am 3. März 1946 traf der Staatsrechtler Karl Polak zusammen mit Frau und Tochter in Berlin ein. Zwölfeinhalb Jahre Exil in Moskau und Taschkent lagen hinter ihm. Seit dem Kriegsende hatte er sich intensiv um die Rückkehr nach Deutschland bemüht. Als parteiloser Jurist war er in der Sowjetunion trotz seiner kommunistischen Überzeugungen isoliert von der nach Moskau emigrierten KPD-Führung geblieben. Dies hatte ihn möglicherweise vor Gefängnis, Lager oder Erschießung bewahrt Er konnte den Aufenthalt in der UdSSR nutzen, sich intensiv mit Verfassungsfragen zu beschäftigen Seine Ablehnung der Ideen von Carl Schmitt führten ihn zu einer positiven Neubewertung der Weimarer Verfassung Polak erkannte sie als ersten Versuch an, ein demokratisches Staatswesen in Deutschland zu errichten Die Weimarer Verfassung habe den „Boden für die geistige und organisatorische Bewältigung der heute brennenden Fragen vorbereitet und schon weitgehend bestellt“ Mit dieser Sichtweise eröffneten sich im Rahmen des Volksfrontkonzepts, das die Programmatik der KPD am Ende des Zweiten Weltkrieges bestimmte, Chancen für eine Zusammenarbeit mit den anderen in der SBZ zugelassenen Parteien. In der Aufhebung der Gewaltenteilung durch die vermeintliche Herstellung der Volkssouveränität in Form der Parlamentsherrschaft erkannte er ein geeignetes Mittel, die vollständige Zerschlagung der bürgerlichen Gesellschaft zu verfolgen, ohne dieses Ziel offen proklamieren zu müssen.
Im Frühjahr 1946 standen jedoch nicht Verfassungsfragen auf der politischen Agenda der KPD, sondern der Aufbau einer „neuen Justiz“. Polak wurde -formal noch parteilos -als Leiter der Rechtsabteilung beim ZK dieser Partei eingesetzt Es blieb der Initiative Polaks überlassen, die Verfassungsdiskussion in den Westzonen Deutschlands zu verfolgen. Die am 3. April 1946 in Stuttgart auf Antrag Kurt Schumachers verabschiedete gemeinsame Erklärung von „Parteiführern aus der britischen und amerikanischen Zone“, die eine nach amerikanischem Vorbild föderalistisch organisierte deutsche Zentralregierung forderte, blieb Polak nicht unbekannt. Alarmiert haben dürfte ihn die Rede Kurt Schumachers auf dem Parteitag der Sozialdemokratie in Hannover, in der der neugewählte Parteivorsitzende einen gesamtdeutschen Führungsanspruch der SPD erhoben und Unterschiede zwischen „proletarischer“ und „bürgerlicher Demokratie“ bestritten hatte
Unter diesen Umständen machte sich Polak an die Arbeit, für die SED einen Verfassungsentwurf auszuarbeiten Schon Ende Juli 1946 konnte er ihn der Parteiführung vorstellen. Am 10. August 1946 wurde die Verwaltung des politischen Beraters der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) durch ein Schreiben Walter Ulbrichts überrascht. Das Mitglied der SED-Führung übermittelte damit den Entwurf der Verfassung für eine „Demokratische Republik Deutschland“, den er gemeinsam mit Pieck, Grotewohl und Rechner studiert und bestätigt hatte. Ulbricht informierte die sowjetische Stelle über die Absicht, diesen Entwurf so schnell wie möglich ins Zentralsekretariat einzubringen und zu veröffentlichen Die SED brachte damit als erste deutsche Partei ihren gesamtnationalen Gestaltungswillen zum Ausdruck. Der Verfassungsentwurf war Teil einer umfassenderen Initiative, für die Ulbricht am Vorabend der im September anstehenden Gemeindewahlen in der SBZ um sowjetische Zustimmung warb. Schon drei Tage zuvor hatte Ulbricht den Entwurf einer Erklärung des Parteivorstands der SED „Für die Bildung einer einheitlichen deutschen Staatsregierung“ übermittelt. Die SED bot sich darin an, „den Auftrag zur Bildung einer einheitlichen deutschen Staatsregierung zu übernehmen und eine Regierung des Blocks der antifaschistischen Parteien und Gewerkschaften“ zu bilden. Eine von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands geleitete Regierung biete die beste Garantie für die Durchführung der demokratischen Bodenreform in ganz Deutschland, für die Übereignung der Betriebe der Kriegs-und Naziverbrecher in die Hände des Volkes, für die demokratische Neugestaltung des deutschen Erziehungs-und Bildungswesens sowie für den Aufbau einer gesicherten antifaschistisch-demokratischen Republik, die den Frieden und die Sicherheit der anderen Völker nicht mehr bedrohe
Was bezweckten die Einheitssozialisten mit dieser Initiative, und warum lehnten die sowjetischen Stellen einen solchen Vorstoß zunächst ab? Eindeutige Antworten lassen sich darauf bisher nicht geben. Angesichts der deutschen Parteienkonstellation -insbesondere der fundamentalen Gegnerschaft zwischen der von Kurt Schumacher geführten SPD und der SED -, aber auch im Hinblick auf die Beziehungen zwischen den Besatzungsmächten war mit einem positiven Echo auf einen derart weitgehenden Aufruf nicht zu rechnen. Doch Mitarbeiter der SMAD blieben auch gegenüber der SED mißtrauisch. Sie sahen in der Forderung nach Bildung einer gesamtdeutschen Regie-rung eine Mißachtung der in der SBZ erreichten wirtschaftlichen und politischen Errungenschaften Der Politische Berater verweigerte seine Zustimmung, obwohl das für die Parteien zuständige Mitglied des Militärrats der SMAD, Generalleutnant Bokov, bereits eingewilligt hatte.
Gemeinsam mit der Erklärung wurde auch der Verfassungsentwurf durch sowjetische Stellen blockiert Am 11. September mußte Ulbricht die SMAD-Führung erneut drängen: „Wir halten es für notwendig, die Kampagne zu den Wahlen für die Landtage mit einer Erklärung des Zentralvorstands der SED zur Einheit Deutschlands und zu den Grundrechten des deutschen Volkes zu eröffnen und unmittelbar danach den Verfassungsentwurf für die Provinzen und Länder in die Block-ausschüsse zu geben und damit für die allgemeine Diskussion freizugeben.“ Damit könne man besser als nur mit Kritik Einfluß auf die Verfassungsentwicklung in den Westzonen nehmen
Mit seinem Drängen konnte Ulbricht diesmal einen Teilerfolg erzielen. Am 22. September 1946 wurde ohne Beschlußfassung im dafür zuständigen Zentralsekretariat der Einheitspartei eine Erklärung zu den „Grundrechten des deutschen Volkes“ veröffentlicht Ihr war der Alarmruf vorangestellt: „Das deutsche Volk kann nicht leben ohne die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands.“ Trotzdem legte sich die SED im Hinblick auf die künftige Verfassung auf Grundforderungen fest, die die deutsche Einheit in Frage stellten, da sie mit den übrigen Parteien über die Zonengrenzen hinweg nicht konsensfähig waren. Die Aufhebung der Gewaltenteilung wurde ebenso gefordert wie die Verankerung sozialer Grundrechte und die Umgestaltung der Wirtschaftsordnung in Deutschland. Darüber hinaus sollten die bereits in der SBZ erzielten Ergebnisse der antifaschistisch demokratischen Umwälzung in der Verfassung verankert werden.
Die von der SED erwartete lebhafte Aussprache entzündete sich nicht. Eine Erklärung dafür suchte der Rektor der Berliner Universität, Johannes Stroux, in dem fehlenden Zukunftsvertrauen der Deutschen Um eine Diskussion dennoch in Gang zu bringen, griff der wahrscheinliche Verfasser der „Grundrechte“, „Dr. Karl R“, selber zur Feder. Im Neuen Deutschland sparte er nicht mit Lob. Er bezeichnete die „Grundrechte“ als „das bisher fortschrittlichste Dokument, das je in deutscher Sprache zu dieser Grundfrage unserer staatlichen Existenz gedruckt wurde.“ Es sei so vollendet demokratisch, daß jeder Deutsche, gleich welcher Partei, es akzeptieren könne. Werner Bruschke, ein Bezirkspräsident, der offenbar der SED nahestand, warnte im Zusammenhang mit den „Grundrechten“ vorauseilend vor Kompromissen mit dem Westen
Selbst im Zentralsekretariat -dem späteren Politbüro der SED -blieb eine Diskussion zu den „Grundrechten“ aus. Sie wurden in einem konspirativen Kreis, außerhalb der legalen Parteigremien, abgestimmt. Erst im Zusammenhang mit der Vorlage des vollständig ausgearbeiteten Verfassungsentwurfs der SED Mitte November äußerte sich der Parteivorsitzende Otto Grotewohl zu den ursprünglichen Absichten: „Wir haben den Standpunkt vertreten, daß die Diskussion über diese Grundforderungen (die , Grundrechte 4, J. L.) die Grundlage für die Entwicklung der Verfassungsfrage sein sollte. Uns hatte vorgeschwebt, diese Diskussion so zu steigern, daß eventuell daraus ein interzonaler Kongreß erwachsen könnte, der etwa in Berlin zusammentreten und über die Gestaltung der >Grundrechteentscheiden könnte, die dann der Weltöffentlichkeit als Willensausdruck des deutschen Volkes unterbreitet werden sollten. Durch den Gang der Ereignisse auf internationalem Gebiet ist eine Weiterentwicklung dieser Diskussion heute nicht mehr möglich; denn wir sind angesichts der Gefahren, die bei der Verfassungsbildung von anderer Seite drohen, gezwungen, wenn wir nicht überspielt werden wollen, nunmehr von uns aus mit einem selbständigen geschlossenen Verfassungsentwurf vor die Öffentlichkeit zu treten.“ Wie sich im weiteren Verlauf zeigen sollte, hatte Grotewohl weniger die internationale als die innerzonale Entwicklung im Blick.
Noch vor dieser Sitzung des Parteivorstands der SED begannen auch der Politische Berater der SMAD, Vladimir Semenovic Semenov, und der Chef der Deutschlandabteilung des sowjetischen Außenministeriums, Andrej Andreevic Smirnov, auf die Veröffentlichung des vollständigen Verfassungsentwurfs zu drängen. Gegenüber dem stellvertretenden sowjetischen Außenminister Vysinskij übernahmen sie die Argumentation Ulbrichts und Grotewohls. Ergänzend verwiesen sie darauf, daß eine rechtzeitige Veröffentlichung des Entwurfs im Zusammenhang mit der Erörterung der deutschen Frage im Rat der Außenminister vorteilhaft sein könnte Als noch immer keine formelle Erlaubnis aus Moskau kam, verfaßten der Chef der SMAD, Sokolovskij, und Semenov eine gemeinsame Vorlage für Stalin und Molotov, in der sie den Verfassungsentwurf der SED erläuterten. Ziel sei es, diesen Entwurf, der die in der SBZ durchgeführten sozialen Reformen verfassungsmäßig fixiere, den föderalistischen Plänen der Alliierten entgegenzustellen, die Deutschland in einen „Staatenbund“ verwandeln wollten. Um eine schnelle Entscheidung herbeizuführen, verwiesen Sokolovskij und Semenov darauf, daß die Alliierten in Kürze ihren Entwurf einer deutschen Verfassung fertigstellen würden. In diesem Zusammenhang verlangten die beiden Vertreter der SMAD eine stärkere Betonung der Rechte der Länder, einen ausdrücklichen Schutz des Privateigentums und die Würdigung der Privatinitiative für die Entwicklung der Wirtschaft. Dessen ungeachtet sollten jedoch die vorgenommenen Enteignungen festgeschrieben werden
Die Zustimmung aus Moskau ließ noch immer auf sich warten. Erst am 16. November 1946 konnte das Neue Deutschland den vollständigen Verfassungsentwurf veröffentlichen. In der Präambel wurde erstmals die demokratische Volksrepublik als Ziel verkündet. Nur auf dieser Basis könne die Einheit der Nation gewährleistet werden. Auch die Forderung nach „umfassender Wirtschaftsplanung für eine zweckmäßige Ausnutzung aller Möglichkeiten der Wirtschaft“ (§ 22) war hinzugekom-men Die diesbezüglichen Verfassungsbestimmungen erläuterte Jürgen Kuczyinski wenig später: „Wirtschaftsplanung, wie sie der Verfassungsentwurf der SED vorsieht . .. (hat) eine Reihe von Voraussetzungen, die so unerläßlich sind, daß sie gewissermaßen mit dem Begriff der Planung untrennbar verbunden sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören vor allem: die Entfernung derjenigen, die ein Interesse am Fortbestand der bisherigen Wirtschaftsformen, an der Anarchie der Wirtschaft zugunsten einer kleinen Anzahl von Monopolisten und Junkern haben einerseits, und die Übernahme der Planung durch Vertreter des Volkes, dessen Interessen ja die Planung bestimmen sollen, andererseits. Das heißt, ohne die Entmachtung der Junker und Monopolisten ist jede Wirtschaftsplanung unmöglich.“ Auch Albert Norden bekräftigte diesen Zusammenhang: „Wer heute von Demokratie redet und darin nicht ausdrücklich einschließt die Vernichtung der Monopole wie Truste, Konzerne, Kartelle und Syndikate, dieser Werkzeuge finanzkapitalistischer Diktatur, sowie die Aufteilung des Großgrundbesitzes, dieser Basis aristokratischer Vorherrschaft auf dem flachen Land, und schließlich die Über-führung der Boden-und nutzbaren Naturkräfte ins Volkseigentum ... ist im besten Falle ein Schwätzer und in jedem Fall ein Helfer der finanzkapitalistischen Gewalten.“ Heinrich Mann jubelte dem SED-Verfassungsentwurf aus dem fernen Amerika zu: „So behandelt man eine Verfassung, wenn das Zeitalter nach verwirklichtem Sozialismus drängt, nach einer -nur sozialistisch erreichbaren -Demokratie, einer richtigen Bewertung des Lebens, und die ist jetzt sozialistisch.“ Mit der Aufhebung der Gewaltenteilung schmelze der „entscheidende Vorsprung einer kapitalistischen Klasse, die übrigens verschwindet, sobald der Grundbesitz aufgeteilt, die Grundstoffe der Wirtschaft, mitsamt den Banken, öffentlicher Besitz werden“
Obwohl Grotewohl nicht müde wurde, die Gemeinsamkeiten des SED-Entwurfs und der Weimarer Verfassung zu betonen, bestanden fundamentale Unterschiede Einer betraf die Aufhe bung der Gewaltenteilung. Zu diesem Punkt agitierte Karl Polak im Neuen Deutschland: „Die Entmachtung der Reaktion und der volksfeindlichen Elemente erfordert, daß nicht nur die Gesetzgebung, sondern in gleicher Weise auch die Ausführung der Gesetze in Verwaltung und Justiz in die Hand des Volkes übergeht.“ Mit Entschiedenheit wandte sich Polak auch gegen einen „Staatsgerichtshof“, denn ein solches Verfassungsgericht zu errichten hieße, sich unter die bestehende Ordnung zu beugen: „Wir müssen in den Massen den Mut erwecken, die Entwicklung vorwärts zu treiben, wir müssen die Massen in ihrem Willen zur Neugestaltung des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens an den Staat heranführen.“ Ein noch grundsätzlicherer Unterschied zur Weimarer Verfassung resultierte aus den in den vorangegangenen achtzehn Monaten in der SBZ herbeigeführten gesellschaftlichen Veränderungen. Die SED schrieb die Enteignung des Großgrundbesitzes, der Großbanken und eines großen Teils der Industrieunternehmen im Zuge der Bestrafung der Kriegs-und Naziverbrecher in ihrem Verfassungsentwurf fest. Lehren aus der Weimarer Verfassung wurden durch die SED nur dort gezogen, wo sie ihrer eigenen Zielsetzung entsprachen. Forderungen nach einer Verankerung des Rechts auf Widerstand gegen eine gesetzwidrig handelnde Staatsgewalt oder zur Kriegsdienstverweigerung, die nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches in Teilen der Öffentlichkeit deutlich artikuliert wurden, fanden keinen Eingang in den Verfassungsentwurf.
Um eine nationale Diskussion über den von ihr als erste aller deutschen Parteien vorgelegten vollständigen Entwurf zu „entfesseln“, wurde nichts dem Zufall überlassen. Das SED-Papier wurde an Parteien und Landesregierungen, aber auch an Einzelpersönlichkeiten in allen Teilen Deutschlands mit der Bitte um Stellungnahme verschickt. Als Fernziel schwebte Grotewohl eine Volksabstimmung vor Auch andere Mitglieder der Führung der SED teilten diese Zielvorstellung: „Wir müssen .. . zuerst den offenen Meinungsaustausch vom (sic!) ganzen Volk herbeiführen.“ Im Anschluß daran sollten drei Grundfragen zur Volksabstimmung gestellt werden: erstens das Verbot der Konzerne, die Auflösung des Großgrundbesitzes; zweitens die Abschaffung der Gewaltenteilung und drittens die Einheit Deutschlands mit dezentralisierter Verwaltung Walter Ulbricht äußerte den Wunsch, mittels des Verfassungsentwurfs eine Verständigung zwischen den demokratischen Kräften in allen Teilen Deutschlands herbeizuführen und eine große antifaschistisch-demokratische Bewegung über alle Zonengrenzen hinweg zu schaffen. Das wichtigste sei, „daß vor allem die Kräfte der Arbeiterschaft, das heißt die Sozialistische Einheitspartei, die Sozialdemokratische Partei und die Kommunistische Partei Deutschlands, über die Zonengrenzen hinweg zu einer Verständigung kommen“
Das blieb eine Illusion. Reale Chancen für eine gesamtdeutsche Verfassungsdiskussion waren im Herbst 1946 nicht mehr gegeben Dennoch gin gen zahlreiche Reaktionen auf den Verfassungsentwurf der SED ein, darunter auch ausführliche Stellungnahmen. Kurz, aber freundlich antwortete Konrad Adenauer. Der spätere Kanzler der Bundesrepublik bedankte sich am 13. Januar auf einem Kopfbogen des Zonenausschusses der Christlich Demokratischen Union der britischen Zone für die Übersendung des Entwurfs. Zwar begrüßte Adenauer ausdrücklich die Möglichkeit der Diskussion, ließ jedoch seine Einwände durch die Bemerkung erkennen, der breite Notizrand des Entwurfs sei „sehr zweckmäßig“
II. Die Verankerung der Ergebnisse der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung in den Verfassungen der SBZ-Länder
Die Absicht, die Verfassungsdiskussion zu einer gesamtdeutschen Volksabstimmung zu steigern, ließ die SED schon am Jahresende 1947 fallen. Anton Plenikowski -ein aus der katholischen Jugendbewegung hervorgegangener Kommunist mit starker Neigung zur Dogmatik -betonte bereits zu diesem Zeitpunkt den Unterschied zwischen „unserer volksdemokratischen Entwicklung und den Wegen, die man im Westen gegangen ist und weiter gehen will“. Daran knüpfte der erst wenige Monate zuvor aus dem schwedischen Exil zurückgekehrte Danziger Kommunist Gedanken zur deutschen Einheit: „Es ist doch nicht anzunehmen, daß es eine Wirtschaftseinheit geben kann, wenn man nicht energisch den Kampf um die Konzerne und die Säuberung des Wirtschaftsapparates durchführt.“ Die „Übereignung lebenswichtiger Betriebe, der Großbanken“ in allen Teilen Deutschlands müsse dabei das Ziel sein
Für nüchternere Machtpolitiker blieb das ein Fernziel. Sie drängten darauf, zunächst die vordringlichen Aufgaben zu lösen. Nach der Wahl der Landtage und der Bildung demokratisch legitimierter Landesregierungen stand die Ausarbeitung von Landesverfassungen auch in der Ostzone auf der politischen Tagesordnung. Diese hatte Ulbricht bereits in seinem Schreiben an Sokolovskij vom 11. September 1946 fest im Blick Auch Semenov verwies, als er auf die Veröffentlichung des Verfassungsentwurfs der SED drängte, auf die notwendige Ausarbeitung der Länderverfassungen. Darüber hinaus hatte der Politische Berater die Vorteile einer Bestätigung durch die Landtage betont. Man bekäme dadurch ein reales Gegengewicht gegen die föderalen Verfassungen der Westländer: „Das wird entscheidende Bedeutung für den Moment besitzen, da eine Verfassung für ganz Deutschland angenommen wird.“
Gemeinsam trieben SED und SMAD zur Eile, um ihren Verfassungsentwurf möglichst unverändert in Form von Länderverfassungen in Kraft zu setzen. Der Versuch des Vorsitzenden der Ost-CDU, Jakob Kaiser, durch Einberufung des zentralen Blocks der antifaschistischen Parteien dies zu verhindern, blieb erfolglos Zwar befaßte sich dieses Gremium auf vier Sitzungen an der Jahreswende 1946/47 mit den Länderverfassungen, jedoch ohne die Verfassungsgebung in den Ländern der SBZ wesentlich zu beeinflussen Am 28. Februar 1947, als der sächsische Landtag als letzter der fünf Landtage in der SBZ die Landesverfassung beschloß wurde die verfassungspolitische Teilung Deutschlands vorläufig festgeschrieben. Es kennzeichnet die Eigenart des politischen Klimas in der sowjetischen Zone, daß dieser im Rückblick einschneidend erscheinende Schritt nicht nur ohne Kampfabstimmung mit den in allen Landtagen der SBZ noch stark vertretenen bürgerlichen Parteien, sondern sogar mit deren Zustimmung zustande kam. Dies wertete Ulbricht, der in den ostdeutschen Landesverfassungen bereits die künftige Volksdemokratie verankert sah, als einen Beleg für die in ganz Deutschland bestehenden Möglichkeiten: „Man kann mit gutem Recht sagen, daß diese volksdemokratische Ordnung den besonderen Entwicklungsbedingungen Deutschlands entspricht ... Der Hauptgarant für die Entwicklung einer solchen volksdemokratischen Ordnung ist die einige Arbeiterklasse, deren Organisation in der sowjetisch besetzten Zone die Sozialistische Einheitspartei ist.“
Mit der Bestätigung der Länderverfassungen wurde die seit September, des Vorjahres von der SED entfachte Verfassungsdiskussion vom Vorstand dieser Partei abgebrochen Alle wesentlichen Prinzipien waren formuliert und durch die Landtage in Kraft gesetzt. Karl Polak -der weiterhin an der Bearbeitung und agitatorischen Begründung des Verfassungsentwurfs beteiligt blieb -trat wieder in den Hintergrund. Es regten sich in der SED-Führung Zweifel an dem Nutzen einer Verfassungsdiskussion. „Wir sind nicht berechtigt, eine theoretische Verfassungsdiskussion zu betreiben, sondern jeder hat in seinem Kreis alles zu tun, um die Diskussion über die entscheidenden Lebensprobleme zu betreiben“, notierte Plenikowski Ende Februar 1947 und stellte nicht ohne Bitterkeit fest: „Überall waren Demokraten vor den Demokratien da, bei uns immer umgekehrt.“
Wie wenig ernst es der SMAD und die SED mit der Verfassungsdiskussion meinten, zeigte sich im Laufe des Jahres 1947 in Berlin, wo die SED im Gefolge der Oktoberwahlen des vorangegangenen Jahres in eine isolierte Minderheitenposition geraten war. Das Neue Deutschland begründete die Ablehnung des sowjetischen Stadtkommandanten von Berlin, Kotikov, mit Vertretern anderer Parteien Verfassungsfragen zu besprechen, mit der Volksstimmung. Delegationen von fünfundvierzig Berliner Betrieben hätten vor der Berliner Stadtverordnetenversammlung eine sofortige Einstellung der Diskussion über allgemeine Verfassungsfragen gefordert. Kotikov selbst bezeichnete die Verfassungskontroverse als „Verfassungsrummel“
III. Ersatzparlament und Scheinverfassung. Die Volkskongreßbewegung und die Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik
Am Vorabend der Moskauer Konferenz des Rats der Außenminister entschied sich die SED für eine neue Kampagne. Der Parteivorstand forderte am 1. März 1947 einen Volksentscheid für die Einheit Deutschlands. Von der Verfassung war vorerst nicht mehr die Rede, doch blieben die Ziele die gleichen: „Restlose Säuberung der Verwaltung und des Wirtschaftsapparates von Naziaktivisten und Kriegsverbrechern! Demokratische Bodenreform durch entschädigungslose Enteignung des Großgrundbesitzes mit über 100 Hektar und Zuteilung des Bodens an landarme Bauern, Landarbeiter und Umsiedler! Entschädigungslose Enteignung der Kriegs-und Naziverbrecher und Überführung der Großbanken, aller Konzern-, Syndikats-, Kartell-und Trustbetriebe in öffentliches Eigentum!“ Die bürgerlichen Parteien in der SBZ gerieten durch diesen neuen Schachzug der Einheitspartei in Zugzwang. Vor dem Vorstand der Ost-CDU erklärte Jakob Kaiser Mitte März 1947, „daß ein Volksentscheid im Sinne der SED von uns nicht mitgemacht werden könne“. Er räumte aber ein, daß die Öffentlichkeit von den Christdemokraten eine Initiative erwarte. Es müßten Maßnahmen in die Wege geleitet werden, „die eine politische Vertretung des Gesamtvolkes als Ziel haben“ Kaiser forderte eine Nationale Repräsentation.
Obwohl die SED ähnliches proklamiert hatte und der Vorschlag Kaisers den Überlegungen nahe-kam, die etwa zur selben Zeit durch Molotov auf der Moskauer Tagung des Rats der Außenminister entwickelt wurden, schloß sich die SMAD am 20. März 1947 französischen Protesten gegen Kaisers Plan an Eine deutsche Parteienvertretung {Nationale Repräsentation) als Partner der Alliierten für künftige Friedensvertragsverhandlungen wurde damit schon kurz nach ihrer Verkündung in Frage gestellt. Sie wurde jedoch nicht gänzlich verworfen, die SED hielt sich diese Option noch offen. Am 24. September 1947 verkündete eine Entschließung des zweiten Parteitags: „Die Verantwortung für die Einheit Deutschlands tragen die vom Volke gebildeten demokratischen Parteien, die sich zu einer gesamtdeutschen Beratung gemeinsam mit den Ländervertretungen zusammenfinden müssen, um den Willen des deutschen Volkes zum Ausdruck zu bringen. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands wird jeden brauchbaren Vorschlag zur Schaffung einer gesamtdeutschen Vertretung unterstützen.“
Für eine Initiative der SED in dieser Richtung fehlte allerdings die sowjetische Zustimmung. Noch am 13. November 1947 verabschiedete der Parteivorstand der SED ein „Manifest an das deutsche Volk“ zur bevorstehenden Londoner Tagung des Rats der Außenminister. Darin wurden zwar „alle deutschen demokratischen Parteien, Gewerkschaften und andere Massenorganisationen“ aufgerufen, sich zusammenzufinden doch war weder von einer Nationalen Repräsentation, noch von einem Volkskongreß die Rede. Erst 13 Tage später -der Rat der Außenminister war inzwischen zu seiner fünften Tagung in London zusammengetreten -forderte die SED die Einberufung eines Volkskongresses für Einheit und gerechten Frieden Dem vorausgegangen war eine Sitzung des Zentralen Blockausschusses am 24. November 1947, auf der Kaiser ausdrücklich von einer solchen Initiative abgeraten hatte, weil sie nicht die notwendige Unterstützung der westlichen Parteien finden würde
Der Volkskongreß diente entgegen seiner Titulatur nicht deutschland-, sondern innenpolitischen Zwecken, die in den Verhältnissen in der SBZ begründet lagen. Der Konflikt zwischen SMAD und Jakob Kaiser spitzte sich Ende 1947 zu. Die sowjetische Besatzungsmacht bereitete eine Kampagne gegen den Vorsitzenden der ostdeutschen Christdemokraten vor. Sergej Tjul’panov, der für die Beobachtung der Parteientwicklung in der SBZ verantwortliche SMAD-Offizier, pries die Einberufung eines Deutschen Volksrats. Ein solcher Kongreß könne „uns dazu dienen, die Landesorganisationen der CDU Kaiser und seiner Politik gegenüberzustellen“ Kurze Zeit später steigerte sich das Interesse Tjul'panovs am Volkskongreß noch. Die neue Einrichtung wurde nun das „Hauptmittel zur Sicherung des Erfolgs der Kampagne gegen Kaiser“ Darüber hinaus schwebte Tjul’panov vor, den Volkskongreß zu einer „Nationalen Front“ in der sowjetischen Zone weiterzuentwickeln, die alle Parteien und Massenorganisationen unter Führung der SED zusammenschließen würde
Bereits am Wochenende des 6. und 7. Dezember 1947 war es soweit, der Volkskongreß trat zusammen. Inwieweit er als ständiges Gremium gedacht war oder als einmalige Veranstaltung, wußten nicht einmal die Veranstalter selbst. Erst am 9. Dezember gab das Neue Deutschland die Bildung eines ständigen Kongreßausschusses bekannt, der sich am 12. Dezember als ständiges Sekretariat konstituierte und seinen Sitz im ehemaligen Luftfahrtministerium in der Leipziger Straße 5-7 nahm. Erst jetzt, nachdem der Volkskongreß unter Führung der SED ins Leben gerufen war, erinnerte sich die SMAD wieder an die Verfassungsfrage. Am 21. Dezember 1947 unterbreiteten Sokolovskij und Semenov einen Vorschlag zur Bildung eines auf die SBZ beschränkten „Deutschen Konsultativrats“ Dieses Gremium sollte entsprechend den Vorschlägen der demokratischen Öffentlichkeit den Entwurf einer provisorischen Verfassung für eine (Gesamt-) Deutsche Demokratische Republik ausarbeiten Doch die Verbindung zwischen diesem „Konsultativrat“ und dem Deutschen Volkskongreß blieb noch unklar.
Nach dem Scheitern der Londoner Tagung des Rats der Außenminister stellte sich für die UdSSR immer zwingender die Frage der Perspektive für die SBZ. Vertreter der SMAD (Sokolovskij und Semenov) drängten, unterstützt vom sowjetischen Außenministerium (Smirnov), die Kompetenzen der zonalen deutschen Verwaltungen zu stärken. Der im Juni 1947 gebildeten Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) sollten Weisungsbefugnisse gegenüber den Ländern erteilt werden. Ein von Semenov ausgearbeiteter Vorschlag zur Reorganisation der DWK wurde am 8. Januar 1948 vom Politbüro der Allunionspartei der sowjetischen Kommunisten bestätigt Nicht behandelt wurde ein weiterer Vorschlag Semenovs. Er zielte auf die Weiterentwicklung des Volkskongresses zu einem Vertretungsorgan der „demokratischen Öffentlichkeit“ Deutschlands.
Unzufriedenheit bestand in Moskau vor allem hinsichtlich der sozialen und politischen Zusammensetzung des ersten Volkskongresses. Der Anteil der Arbeiter und insbesondere der Bauern wurde als viel zu gering angesehen. Unter den 2215 Delegierten dominierten Angestellte (921) und Angehörige freier Berufe (423). Nur acht Bauern waren vertreten Die unzureichende Vertretung von Arbeitern und Bauern war offensichtlich ein Grund, einen zweiten Volkskongreß einzuberufen. Als Termin dafür wurde der 18. März 1948, der 100. Jahrestag der Berliner März-Revolution, gewählt. Schon im Januar stimmten SED und SMAD Pläne ab, auf diesem Kongreß ein ständiges Organ mit 300 bis 400 Mitgliedern „wählen“ zu lassen. Der spätere Name dieses Organs Deutscher Volks-rat war noch nicht gefunden. Die Namensgebung schwankte zwischen „Demokratische Versammlung Deutschlands“ und „Nationalrat Deutschlands“. Im sowjetischen Außenministerium wurde noch eine dritte Variante erwogen. Dort wollte Smirnov das ständige Organ umständlich als „Demokratische Volksversammlung Deutschlands“ bezeichnen. Noch bevor die Benennung des ständigen Vertretungsorgans entschieden war, stand für die Organisatoren auf sowjetischer und deutscher Seite fest, daß Vertreter der demokratischen Arbeiterparteien (sic!), der Gewerkschaften und der demokratischen Organisationen den größten Teil der Delegierten des zweiten deutschen Volkskongresses und seines Vertretungsorgans bilden müßten Als der Deutsche Volksrat schließlich am 18. März 1948 bestätigt wurde, standen die Proportionen seiner Zusammensetzung schon im voraus fest. Von den 400 Mitgliedern kamen 300 aus der SBZ und 100. die namentlich nicht genannt wurden, aus den Westzonen. Von 399 der 400 Delegierten konnte die Zugehörigkeit bestimmt werden. Auch ohne die Vertreter der Massenorganisationen (110) und Parteilosen (24) hatten sich SED und KPD (85 + 52) die Mehrheit gegenüber CDU, LDPD und SPD gesichert (52 + 52 + 24). Dieses auf dem Weisungswege fixierte Ungleichgewicht widerspiegelte sich noch extremer im Präsidium, wo die SED über elf. die beiden bürgerlichen Parteien jedoch nur über zusammen sechs Stimmen verfügten. Um dieser Ungleichheit entgegenzuwirken, verlangten CDU und LDPD die Anwendung des Blockprinzips, das heißt die einstimmige Beschlußfassung. die ihnen ein Vetorecht gewährt hätte. Die SED ließ sich auf eine solche Zusicherung nicht ein. bemühte sich in der Praxis aber dennoch um Einstimmigkeit.
Die bürgerlichen Parteien wollten den Volksrat auf den „Kampf um die Einheit Deutschlands und einen gerechten Frieden“ beschränken. Auch darauf ließ sich die SED nicht ein. Es wurden acht ständige Kommissionen mit je 31 Mitgliedern gebildet, darunter eine unter Leitung Grotewohls zur Ausarbeitung der Verfassung und ein Wirtschaftsausschuß unter Leitung Walter Ulbrichts, in dem seit dem Sommer 1948 der Zweijahrplan für die SBZ .. beraten“ wurde. Im Unterschied zur späteren Volkskammer, die am 7. Oktober 1949 aus der Umbenennung des Deutschen Volksrats hervorging. zeichnete sich dieses Gremium noch durch schwache Sitzungsdisziplin aus. Ein SMAD-Bericht beklagte, daß in der Regel nicht mehr als 50 Prozent der Mitglieder anwesend waren. Auch in anderen Bereichen herrschte auf sowjetischer Seite Unzufriedenheit über den Bewußtseinsgrad der Mitglieder des Volksrats, die sich über ihre weitere Arbeit im unklaren seien
Als sich der Verfassungsausschuß des Volksrats am 15. April auf seiner ersten Sitzung konstituierte. war dies dem Neuen Deutschland keine Meldung wert Nur eine Woche später lehnte die SED in der Berliner Stadtverordnetenversammlung die Berliner Verfassung mit der Begründung ab. diese sei „nicht geeignet, die notwendige tiefgreifende Umgestaltung unseres staatlichen Lebens und die Entwicklung der Demokratie zu fördern, da sie die Durchsetzung des Volkswillens verhindert“ -Im Ostberliner Verfassungsausschuß bemühte sich Grotewohl zur gleichen Zeit darum, jede Kampfabstimmung zu vermeiden und alle Beschlüsse als Ergebnis von Kompromissen erscheinen zu lassen, die alle Seiten zufriedenstellten Während schrittweise die Blockade der Westsektoren Berlins errichtet und in West-und Ostdeutschland die beiden Währungsreformen durchgeführt wurden, standen abstrakte Verfassungsprobleme monatelang auf der Tagesordnung des Ostberliner Ausschusses. Die Richtlinien für die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik, die am 3. August verabschiedet wurden, waren dagegen nur kurzer Erörterung wert Sie wiederholten, diesmal auch im Namen der „bürgerlichen“ Parteien, jene Grundbestimmungen des vorangegangenen SED-Entwurfs aus dem Jahre 1946, die die Fixierung der Enteignungen und Wirtschaftsplanung, aber auch soziale Rechte vorgesehen hatten Grotewohl kamen Zweifel, ob diese auf die sowjetzonalen Verhältnisse zugeschnittenen Verfassungsbestimmungen für ein gesamtdeutsches Dokument zweckmäßig seien. Er fragte den Ausschuß. „ob wir in einer Verfassung für ganz Deutschland das hier verankerte Prinzip eines öffentlichen Wirtschaftsplanes aufnehmen dürfen ... Den realen Verhältnissen für Gesamtdeutsch-land entspricht... diese Formulierung nicht." Dertinger (CDU) ließ solche Zweifel nicht gelten Unverändert forderte der Entwurf der Verfassung: „Zur Sicherung der Lebensgrundlagen und Sicherung des Wohlstandes seiner Bürger stellt der Staat durch die gesetzgebenden Organe, unter unmittelbarer Mitwirkung seiner Bürger, den öffentlichen Wirtschaftsplan auf. Die Überwachung seiner Durchführung ist die Aufgabe der Volksvertretungen.“ (Art. 15)
In den Anfang August 1948 verabschiedeten Verfassungsrichtlinien wurden die bereits in den ersten SED-Entwürfen von 1946 enthaltenen Einschränkungen der Verfassungsrechte für National-Sozialisten und Militaristen ausgedehnt An markanter Stelle wurde der Begriff Boykotthetze eingeführt, der in der deutschen Verfassungsgeschichte einmalig blieb Im Verfassungsentwurf (Art. 6) wurde dieser Begriff zwar ausführlicher erläutert, blieb aber immer noch auf all jene anwendbar, die es ablehnten, sich mit dem neuen Regime zu arrangieren: „(2) Boykotthetze gegen demokratische Organisationen, Mordhetze gegen demokratische Politiker, Bekundung von Glaubens-, Rassen-, Völkerhaß, militaristische sowie Kriegspropaganda und alle sonstigen Handlungen, die sich gegen die Gleichberechtigung richten, sind Verbrechen im Sinne des Strafgesetzbuches. (3) Wer wegen Begehung eines solchen Verbrechens bestraft ist, kann weder im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben tätig sein. Er verliert das Recht zu wählen und gewählt zu werden.“ Im endgültigen Verfassungstext wurde dem Absatz (2) noch ein Satz hinzugefügt, der indirekt den allumfassenden, weil ideologisch interpretationsfähigen Charakter dieser Klausel bestätigte: „Ausübung demokratischer Rechte im Sinne der Verfassung ist keine Boykotthetze“! Die Art und Weise ihrer Plazierung im Verfassungsentwurf -an der Spitze der „Rechte des Bürgers“, jedoch nicht als eigenständiger Artikel, sondern schamhaft versteckt im Gleichheitsgrundsatz (!) -deutet darauf hin, daß er nicht organisch aus der Verfassungsgebung hervorging, sondern erst in letzter Minute dem schon fertigen Entwurf aufgepfropft wurde.
Die Furcht vor der Boykotthetze resultierte aus dem Bewußtsein der Schwäche, die sowohl bei den ostdeutschen Verfassungsgebern als auch bei ihren sowjetischen Kontrolleuren vorhanden war. Beide waren sich der ständigen Gefährdung ihrer Macht-Position bewußt. Auch noch 1948 berichteten sowjetische Stellen über die Wankelmütigkeit der ostdeutschen Bevölkerung: „Die Mehrheit der Bevölkerung versteht nicht die Rolle der demokratischen Kräfte im Kampf um die Einheit. Die Mehrheit glaubt nicht an den Erfolg des Kampfes um die Einheit, glaubt überhaupt nicht an die Möglichkeit der Einheit, glaubt, die Teilung Deutschlands sei eine vollendete Tatsache und äußert die Meinung, daß man die >Zone aufbauem solle, ohne sich jedoch für die notwendige Schaffung einer Zonenregierung, Ministerien u. ä. auszusprechen.“ Im Frühjahr 1948 zeigte sich auch Ulbricht verbittert über die „äußerst schwierige“ Lage der SBZ. In einem Gespräch mit einem Mitarbeiter des Politischen Beraters verwies er auf die unsichere Lebensmittelversorgung und die neuerlichen Demontagen. Die UdSSR müsse wissen, was sie eigentlich wolle. „Errichten wir die Diktatur des Proletariats, dann werden alle Dinge klar und einfach“, erklärte Ulbricht. „Doch dürfe dann nicht gefordert werden, daß wir Demokratie spielen und parlamentarische Wählen durchführen.“
Die Tätigkeit des Parlamentarischen Rats verfolgte der Volksrat mit fieberhafter Aufmerksamkeit Das fand in dem im Oktober vorgelegten Verfassungsentwurf allerdings nur spärlichen Niederschlag. Sein Artikel 95 sah wahrscheinlich im Anschluß an die westdeutsche Diskussion ein konstruktives Mißtrauensvotum vor, blieb aber in sich widersprüchlich. Einerseits bestimmte er, ein „Mißtrauensantrag kommt nur zur Abstimmung, wenn gleichzeitig mit ihm der neue Ministerpräsident und die von ihm zu befolgenden Grundsätze der Politik vorgeschlagen werden“. Um abschließend festzulegen: „Wird der neuen Regierung das Mißtrauen ausgesprochen, so gilt die Volkskammer als aufgelöst.“
Erst am Vorabend des erneuten Zusammentritts des Volksrats, der den im Verfassungsausschuß erarbeiteten Entwurf am 22. Oktober 1948 bestätigen und zur öffentlichen Diskussion freigeben sollte, wurde Stalin durch den sowjetischen Außenminister Bericht erstattet. Von ihm wurde der Entwurf als „prinzipiell“ annehmbar beurteilt. Ursprünglich wollte Molotov aus Artikel 5 den Satz „Kein Bürger darf an kriegerischen Handlungen teilnehmen, die der Unterdrückung eines Volkes dienen“ streichen lassen. Doch unter Hinweis auf Bedenken Otto Grotewohls riet Molotov davon ab, derartige Änderungen durch die SED zu beantragen. Grotewohl hatte darauf hingewiesen, daß, wenn irgendwelche Änderungen von seiten der Einheitspartei vorgeschlagen würden, dies Änderungswünsche von seiten der bürgerlichen Parteien hervorrufen könnte. Das aber war unerwünscht. Die Korrektur sollte daher erst im Ergebnis der öffentlichen Diskussion des Verfassungsentwurfs vorgenommen werden
Wie nicht anders zu erwarten, nahmen die anwesenden Mitglieder des Volksrats am 22. Oktober 1948 den Verfassungsentwurf einstimmig an und gaben ihn zur öffentlichen Diskussion frei. Der Verfassungstext wurde jedoch erst neun Tage später im Neuen Deutschland veröffentlicht was -wie am Beginn der ostdeutschen Verfassungsdiskussion 1946 -auf die bis dahin fehlende Zustimmung aus Moskau hindeutet. Die Diskussion, die schon vor der Verabschiedung des Entwurfs vorbereitet wurde, kam nicht in dem erwarteten Umfang zustande Im Januar 1949 fordertp der Sekretär des Verfassungsausschusses: „Es muß uns durch unsere Propaganda gelingen, die Massen zur kritischen Teilnahme und Mitwirkung beim Verfassungsentwurf zu bewegen. Es ist aber darauf zu achten, daß in dem betreffenden Monat nicht etwa eine Kampagne des FDGB oder der SED läuft, damit beide Kampagnen sich nicht überkreuzen.“ Doch wieder änderten sich die Planungen. Schon im Februar verkündete Grotewohl die quantitativen Ergebnisse der Verfassungsdiskussion um kurz darauf die „Diskussion“ abzubrechen und den Verfassungsentwurf an das Präsidium des Volksrats zu übergeben. Der Vorsitzende des Verfassungsausschusses erklärte dabei, daß trotz zahlreicher Vorschläge keine Veranlassung bestanden habe, grundsätzliche Abänderungen vorzunehmen. An die deutsche Öffentlichkeit gewandt, fügte der Vorsitzende der SED hinzu: „Der Bonner Entwurf habe dem Verfassungsausschuß keine Anregungen geben können, zumal es sich hier nicht um ein deutsches Gesetzgebungswerk. sondern um eine Auftragsgesetzgebung der westlichen Besatzungsmächte handele . . . Demgegenüber sei der Verfassungsentwurf des Deutschen Volksrats ohne jede Beeinflussung durch die Besatzungsmacht und in freier öffentlicher Diskussion als eine Gemeinschaftsarbeit der sachkundigen Vertreter aller Parteien und Organisationen ausgearbeitet worden.“
Am 5. März 1949 kündigte das Neue Deutschland die Beschlußfassung zur Verfassung durch den Deutschen Volkskongreß für den 18. /19. März an Diese Meldung war jedoch schon nicht mehr zutreffend. Bereits am Vortage hatte Wilhelm Pieck im Präsidium des Deutschen Volksrats erklärt, daß es „wahrscheinlich“ notwendig sei, eine Neuwahl der Delegierten des Volkskongresses vorzunehmen, „schon weil wir nur dadurch das Interesse in den Orten und Kreisen erwecken können“ Für die Vorbereitung dieser Wahlen, die erstmals nach dem Prinzip der Einheitsliste -anstelle konkurrierender Listen der Parteien -durchgeführt werden sollten, brauchte man allerdings Zeit. So wurde nicht der große Volkskongreß, sondern der kleinere Volksrat einberufen. Er „hieß“ am 19. März um 14. 32 Uhr den Verfassungsentwurf einstimmig „gut“ Unter lautem Beifall attackierte Grotewohl bei dieser Gelegenheit erneut die „koloniale Gewaltpolitik“ in Westdeutschland. Dessen Verfassung werde nicht von langer Dauer sein. Das Volk werde sie „mit einem einzigen kühnen Hieb zerreißen und sie den westlichen Alliierten und ihren heute gar zu gutgläubigen deutschen Helfern als einen wertlosen Fetzen Papier vor die Füße werfen“
Nachdem der dritte Volkskongreß am 15. /16. Mai 1949 gewählt worden war nahm er die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik als antifaschistisch-demokratisches Grundgesetz für ganz Deutschland mit „allen gegen eine Stimme“ (!) an und brachte ein dreifaches Hoch auf die Verfassung aus Bei realistischer Betrachtung der weit-und deutschlandpolitischen Gegebenheiten -die Blockade der Westsektoren Berlins war von der UdSSR gerade aufgehoben und damit faktisch die Anwesenheit der Westmächte in dieser Stadt anerkannt worden -konnte kein Mitglied des Volkskongresses davon ausgehen, daß die neue Verfassung in absehbarer Zeit für ganz Deutschland in Kraft gesetzt werden würde. Öffentlich konnte und wollte sich das der Volkskongreß nicht eingestehen. Die revolutionäre Umgestaltung nicht nur in der Sowjetischen Besatzungszone sollte ertrotzt werden. Grotewohl fand keinen Widerspruch, als er in der vereinnahmenden „Wir“ -Form erklärte: „Und nun lädt man uns gar ein, uns dem Bonner , Grundgesetz anzuschließen . . . Wir können solchen Vorschlag nicht ernst nehmen. Er stellt nichts als einen Versuch dar, die deutsche Bevölkerung in die Irre zu führen. . . Die Arbeit des parlamentarischen Rates'wird in die deutsche Geschichte als eines ihrer traurigsten Kapitel eingehen.“ Am 7. Oktober 1949 stimmten die Mitglieder des Deutschen Volksrats über die Inkraftsetzung der Verfassung der DDR ab. „Als Einstimmigkeit festgestellt wurde, erhoben sich die Abgeordneten von ihren Plätzen und brachen in stürmischen Beifall aus.“ Die Deutsche Demokratische Republik war gegründet.
IV. Resümee
Herwig Roggemann hat recht. Es wäre unrichtig, die Verfassung der DDR „allein als Folge von , Sowjetisierungsbestrebungen 4 zu begreifen“ Der unmittelbare Anteil sowjetischer Vertreter an der Ausarbeitung des Verfassungstexts war -soweit bisher feststellbar -gering. Einzelne Elemente sozialistischer Staatsgestaltung fanden die Verfassungsgeber in Ostdeutschland „schon in der Weimarer Verfassung von 1919 vorformuliert“ In anderen Elementen knüpfte die Verfassung kontinuierlich an die Programmatik der deutschen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts und die Erfahrungen der KPD in der Weimarer Republik an Sie schrieb fest, was zuvor nicht erreicht worden war. Gestützt von der sowjetischen Besat zungsmacht hatte die SED das Recht und die Macht errungen, das staatliche und wirtschaftliche Ganze selbst zu gestalten (da bzw. solange sich ihre Ziele mit denen der Besatzungsmacht deckten). Die ohne Verfassungsgrundlage bereits bis zum Sommer 1946 vollzogenen tiefgreifenden Veränderungen im wirtschaftlichen und sozialen Leben der SBZ bildeten die Basis für die Verfassungsgebung. Die seit 1946 vorgelegten Verfassungsentwürfe und die 1949 in Kraft gesetzte Verfassung der DDR spiegelten diese veränderten Verhältnisse wider. Dagegen finden sich in der ostdeutschen Verfassungsdiskussion keine Hinweise, daß Stalin eine parlamentarische Demokratie für ganz Deutschland anstrebte Zwischen Stalin, der SMAD und der SED bestand Einmütigkeit darin, an den in der SBZ erreichten Ergebnissen der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung festzuhalten.
Die radikalen Verfassungsforderungen der SED entsprangen keineswegs dem Eifer einzelner. In der KPD/SED, die beide -trotz undemokratischer Organisation -auf dem Prinzip freiwilliger Mitgliedschaft basierten, sammelte sich jene Minderheit der ostdeutschen Bevölkerung, die eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft anstrebte. Im Kontext der internationalen und zonalen Gegebenheiten war die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik sowohl Resultat einer in sich widersprüchlichen sowjetischen Nachkriegspolitik als auch Ergebnis einer deutschen Revolution, die nach 1945 auf das Gebiet östlich der Demarkationslinie beschränkt blieb und deren Eigenart es war, das Reizwort Revolution tunlichst zu vermeiden. Seit dem Frühjahr 1945 führte jeder Widerstand gegen die von den Kommunisten bzw. Einheitssozialisten durchgeführten revolutionären Aktionen zum Konflikt mit der Besatzungsmacht. Aus dieser Lage resultierten Resignation und Anpassung nicht nur seitens der bürgerlichen Parteien, sondern auch vieler Sozialdemokraten in der Einheitspartei. Statt um einen demokratischen Verfassungsentwurf zu kämpfen, wurde innerhalb des gegebenen Verfassungsrahmens nach Freiräumen gesucht. Das Ergebnis war jene eigenartige Einstimmigkeit, die die ostdeutsche Verfassungsgebung seit 1946 kennzeichnete.