Italiens Rolle in Europa
Italien hat in mehrfacher Hinsicht am europäischen Integrationsprozeß teilgenommen Es gehört nicht nur zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, sondern wurde auch von den USA vor allem aus strategischen Gründen in die OECD aufgenommen. Es war mit De Gaspari und Sforza bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) (1951) und bei den Verhandlungen zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) beteiligt sowie Gründungsmitglied von EURATOM, so daß Italien zwischen 1955 und 1957 -von Messina bis Rom -oft das „zeremonielle Herz“ im europäischen Einigungsprozeß war. Die geopolitische Lage des Landes an den Grenzen zwischen Ost und West sowie zwischen Nord und Süd, die persönlichen und politischen Beziehungen De Gasparis zu Adenauer und Schuman sowie die seinerzeit äußerst günstige Entwicklung des Außenhandels -die auch die zuerst mißtrauischen industriellen Kreise Italiens dazu brachte, die europäische Integration zu unterstützen -waren die Hauptfaktoren, die zur Aufnahme Italiens in die EWG beitrugen.
Neben dieser Position in der Reihe der Gründungsstaaten und der daraus resultierenden Forderung nach Gleichstellung gegenüber Frankreich und Westdeutschland nahm Italien jedoch bald die Rolle des armen Verwandten ein -vor allem daran interessiert, Subsidien für die weniger entwickelten Regionen des Südens zu erhalten (u. a. durch die Schaffung des Sozialfonds und der Europäischen Investitionsbank) sowie Aufschiebungen bei der Umsetzung von Entscheidungen, Übergangszeiten und Ad-hoc-Klauseln verschiedener Art -besonders auf finanzieller und wirtschaftlicher Ebene -zu erreichen. Schon die Römischen Verträge enthielten diesbezüglich ein „Protokoll“, das der italienischen Regierung besondere Ausnahme-regelungen zugestand, um'sich gegen die wirtschaftliche Konkurrenz anderer Länder zu schützen. So hat Italien die Mehrwertsteuer mit drei Jahren Verspätung (1973) gegenüber ihren Partnerländern eingeführt und 1978 bei der Einführung des EWS eine „erweiterte“ Oszillationsbreite von sechs Prozent für die Lira zugestanden bekommen Die mehr oder weniger expliziten Ziele waren: die vollwertige Aufnahme Italiens in die Europäische Gemeinschaft sowie die Zugehörigkeit zum Nordatlantikpakt ferner die Modernisierung des Landes, für die sicherlich auch die Herausforderungen der prosperierenden deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen und damit die Positionierung in einer privilegierten Lage entscheidend war. Hinzu kam -auf der Grundlage einer Einschätzung, die jener ähnelte, die Adenauer für Deutschland getroffen hatte -der fast automatische Verzicht auf jegliche nationalistische oder autarke Wirtschaftspolitik. Während „Europa“ für Italien im Laufe der Jahre zunehmend eine Orientierung geworden ist, die dazu beigetragen hat, die Engpässe der italienischen Politik und Verwaltung umgehen zu können, sind die Unterstützung für den Süden und die mehr oder minder ausgehandelten bzw. tolerierten Nichteinhaltungen von Gemeinschaftsdirektiven ein Weg gewesen, den inneritalienischen Preis dieser Modernisierung geringer zu halten und die Modernisierung damit für die Bevölkerung erträglicher zu machen. Die aufmerksamere Geschichtsschreibung hat in der Europaorientierung denn auch keinen Verzicht bei der Verfolgung „nationaler Interessen“ gesehen, sondern eine Kombination von sozioökonomischen Beweggründen und Strategien des nation-building: ein Herangehen an den Prozeß der europäischen Integration, der langfristig effektiv für ein Land gewesen ist, das nur über eine eher schwache nationale Identität verfügt, keine festen öffentlichen Strukturen aufweist und von Dualismen und tiefen inneren Frakturen geprägt ist
Zu den negativen Auswirkungen dieser Politik kann man u. a. nennen: a) die anscheinende Leichtsinnigkeit, die die Regierungen und Ministerien in Rom an den Tag gelegt haben -d. h.der Mangel an effektiver horizontaler Koordinierung (zwischen den Ministerien) und vertikaler Koordinierung (zwischen Zentrum und Peripherie) -bei der Verteidigung italienischer Interessen in den Brüsseler Verhandlungen über die Landwirtschaft b) die weitgehend zweitrangige Rolle, die mit wenigen Ausnahmen die italienischen Vertreter in den Gemeinschaftsinstitutionen und allgemein im gesamten europäischen Integrationsprozeß eingenommen haben c) die Erwartung, in den Direktorien und engeren Entscheidungsinstanzen -vom G 7-Gipfel bis zur „Kontaktgruppe“ für Ex-Jugoslawien -vertreten zu sein, ohne sich jedoch an deren Entstehen beteiligt zu haben; d) die Ineffizienz bei der Verwendung der Fonds, für deren Einrichtung man sich eingesetzt hatte; eine Ineffizienz, die zum Teil auf zentrale wie lokale Nachlässigkeiten zurückzuführen war, aber zum Teil auch dazu diente, um Kontrollen durch die Kommission zu vermeiden e) schließlich, damit zusammenhängend, die noch immer weitgehende administrative Nichterfüllung und die großen Betrügereien auf Kosten der Gemeinschaft die nicht im Einklang stehen mit dem traditionellen „euro-enthusiastischen“ Eigenbild des Landes Andererseits hat Italien aber immer wieder eine Vermittlungs-und Anregungsrolle innerhalb der EG gespielt. Italien hat stets die Politik des Strukturausgleichs unterstützt und ebenso die Erweiterungen der Gemeinschaft -z. B. durch andere Mittelmeerländer auch wenn dadurch unmittelbare eigene Interessen gefährdet waren. Es hat sich von Anfang an für die freie Zirkulation der Arbeitskräfte innerhalb des Gemeinsamen Marktes eingesetzt Und obwohl es immer in ersten Momenten den atlantischen „Kreis“ vorgezogen hat -und daher vor allem die französischen Versuche boykottierte, die Gemeinschaft als autonome Kraft gegenüber den Vereinigten Staaten zu profilieren hat es immer, wenigstens in Worten, die Entwicklung der politisch-institutionellen Integration unterstützt, auch wenn andere Mitglieder sich zurückhaltender zeigten. Das weitgehend „niedrige Profil“ dieser Politik -welches auch immer die inneren Beweggründe dafür gewesen sein mögen -hat auch positive Effekte gehabt, indem es dem Land erlaubte, an beiden westlichen Gemeinschaften (der atlantischen und europäischen) „teilzunehmen“ und an deren Vorteilen zu partizipieren, ohne daß die Bürger einen zu hohen Preis dafür zahlen mußten Auch nach der Anfangsphase 1951/57 hat Italien zudem bei zwei Gelegenheiten eine wichtige Rolle gespielt: vom Anfang der achtziger Jahre bis zur Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1985, das die erfolgreiche Eingliederung von Spanien und Portugal gebracht sowie die Voraussetzungen für die Einheitliche Europäische Akte geschaffen hat; und bei der nächsten Präsidentschaft -kontroverser, aber auch schwieriger -des zweiten Halbjahrs 1990, die die Grundlagen für den zukünftigen Vertrag von Maastricht gelegt hat.
Zwischen Maastricht und dem Euro
Das Ende des Kalten Krieges hat zunächst die strategische Bedeutung Italiens vermindert, während die politische und finanzielle Krise („Tangentopoli“) seit 1992 erst seine Verhandlungsposition geschwächt und dann selbst seine operative Fähigkeit unterminiert hat. Diese politische Marginalisierung des Landes in Europa ist auch nicht durch den Wahlsieg einer Gruppe von politischen Kräften im März 1994 behoben worden, die das Ziel hatten, die Stimme eines „neuen“ Italiens mit größerer Stärke vorzutragen, die in Europa jedoch ohne „familiäre“ parteipolitische Bindungen und Traditionen sowie ohne spezifische europäische Erfahrung waren Das Verhalten der Regierung Berlusconi -nicht immer linear und kohärent -in seiner extrem kurzen Erfahrung der Leitung der politischen Geschäfte (Mai -Dezember 1994) hat ein eher geringeres Interesse der neuen Mehrheit für die europäische Integration gezeigt. Die Kürzungen, die am Staatshaushalt mit dem Haushaltsgesetz für 1995 vorgenommen wurden, schienen mehr auf die Einwirkung der internationalen Institutionen und Märkte zurückzuführen zu sein als auf eine explizite Strategie, die öffentlichen Finan-zen im Hinblick auf die Einheitswährung zu sanieren. Vor diesem Hintergrund der durch die Abwertung der Lira bedingten positiven Handelsbilanz hat die Regierung Berlusconi den Wiedereintritt der italienischen Währung in das EWS hintangestellt. Auf diese Weise befriedigte sie jene Unternehmer-kreise (kleine und mittlere Unternehmen sowie große öffentliche), die von dem durch die „schwache“ Lira ausgelösten Exportboom profitierten oder die mit Mißtrauen auf eine Integration schauten, die zu viele Kontrollen mit sich bringen würde. Und selbst die beleidigten Reaktionen des Palazzo Chigi auf das Dokument der CDU/CSU, die im September 1994 den Vorschlag eines Kern-europa lancierte, von dem Italien ausgeschlossen blieb, erschienen mehr als eine Pflichtübung, die mehr für den inneren Gebrauch gedacht war (und nicht sehr verschieden war von früheren Aufschreien wegen angeblichen Ausschlusses von anderen Direktorien), denn als Ausdruck der Über-zeugung, schon bald dazugehören zu können und zu wollen.
Schließlich haben auch die Unnachgiebigkeit bei den bilateralen Verhandlungen mit Slowenien -verursacht durch den Druck der von Alleanza Nazionale und der Lega Nord unterstützten italienischen Vertriebenenorganisationen und in der Drohung eines Vetos gegen die Assoziierung von Slowenien gipfelnd -sowie der von der Regierung in Brüssel geleistete Widerstand beim Thema der Milchquoten unter den Partnern den Eindruck verstärkt, daß Italien seine Haltung in europäischen Fragen geändert habe. Diese Änderung, die oft dem angeblich „euroskeptischen“ Außenminister Antonio Martino zugeschrieben wurde, betraf allerdings vor allem den Stil und das taktische Verhalten der Regierung in Rom. Diese forschere Haltung -auch wenn sie durch den Vorsatz motiviert war, eine Änderung gegenüber der Tradition anzuzeigen -stand jedoch auf wackeligen Beinen und basierte auf einer recht eingeschränkten Sicht des „nationalen Interesses“: ein kontroverser Begriff, der gerade damals in den Mittelpunkt des öffentlichen Diskurses gebracht wurde
Die „technische“ Regierung, die dem Kabinett Berlusconi nachfolgte und von Lamberto Dini geleitet wurde (Januar 1995 -April 1996), hat das Verdienst, die italienische Europapolitik wieder berechenbarer gemacht zu haben. Anläßlich der parlamentarischen Debatte im Dezember 1995, kurz vor Beginn der italienischen EU-Ratspräsidentschaft, konnte man sogar eine Art parteipolitischer Konvergenz feststellen -die dann im Rahmen des Wahlkampfes, der das ganze Halbjahr beeinflußt hat, in den Hintergrund getreten ist.
Die vorgezogenen Wahlen vom 16. April 1996 haben zuerst die Regierung Dini geschwächt -der u. a. „technische“ Minister aus beiden sich gegenüberstehenden Lagern (dem Polo und dem Ulivo')
angehörten -und dann der neuen Mehrheit zu wenig Zeit gelassen, um der italienischen Präsidentschaft noch eine präzise Richtung zu geben. Dem ist hinzuzufügen, daß das italienische Präsidentschafts-Halbjahr mehrere Wochen durch den politisch-institutionellen Boykott der Londoner Regierung behindert wurde, als Vergeltung gegen den Importstopp britischen Rindfleischs. Trotz dieser sowohl internen als auch externen Schwierigkeiten hat die italienische Präsidentschaft die Eröffnung der Regierungskonferenz über die Revision des Vertrages von Maastricht (im März 1996 in Turin) erreicht, den Ehrgeiz Italiens bestätigend, das „zeremonielle Herz“ von Europa zu repräsentieren; dann kurz vor dem Europäischen Rat (im Juni 1996 in Florenz) hat es eine vorläufige Lösung des Streites zum Thema BSE zwischen London und seinen Partnern sowie eine dauerhaftere Lösung beim bilateralen Streit zwischen Rom und Ljubljana gefunden, die den Weg zum Assoziationsabkommen Sloweniens mit der EU geöffnet hat. Die italienisch-slowenische Entspannung ist seitens der neuen Regierung unter Romano Prodi auch mit dem Ziel angestrebt worden, ein Signal größerer Offenheit zu setzen, gerade im Hinblick auf die jüngste Vergangenheit.
Die neue, „bunte“ Mehrheit, die aus den Wahlen vom April 1996 hervorgegangen war -die von Rifondazione Comunista unterstützte Ulivo-Koalition hatte gegenüber den italienischen Bürgern das Versprechen gegeben, „Italien nach Europa (zurück) zubringen“. In einem gewissen Sinne ist -neben der Frontstellung zum Polo von Berlusconi -„Europa“ der hauptsächliche, wenn nicht der einzige politische und programmatische Zusammenhalt der Mehrheit gewesen, und ist es weiterhin. Zudem bedeutet „Europa“ in der italienischen Öffentlichkeit vor allem Währungsunion; die Aufmerksamkeit der neuen Regierung hat sich deshalb schon bald auf die Modi und die Tempi einer zukünftigen Erfüllung der Maastrichtkriterien gerichtet. Die Möglichkeit einer Aufnahme Italiens in die erste Gruppe der Teilnehmer am Euro erschien jedoch damals noch fast ausgeschlossen. Wenn die NATO -nach der berühmten Definition, die ihr erster Generalsekretär Lord Ismay gegeben hatte -entstanden war, um „the Russians out of Europe, the Americans in, and the Germans down“ zu halten, könnte man analoger-weise behaupten, daß die Währungsunion zu diesem Zeitpunkt gedacht war, um „the Italians out, the Germans in, and the British down“ zu halten. Die Krise des EWS im September 1992 verstärkte diesen Eindruck und bestrafte Italien zusätzlich für seine „Hybris“, an der engeren Bandbreite teilnehmen zu wollen, ohne vorher seine öffentlichen Finanzen in Ordnung gebracht zu haben.
Innerhalb und außerhalb des Landes hielt man es damals allenfalls für möglich, daß Italien zu einem späteren Zeitpunkt als dem 1. Januar 1999 der Euro-Gruppe beitreten werde, so wie es sich schon bisher oft mit einer „ausgehandelten Verspätung“ an den wichtigen politischen Entscheidungen der Gemeinschaft beteiligt hatte. Selbst innerhalb der neuen Regierung wurden Überlegungen dieser Art angestellt, die sowohl auf den Zahlen der nationalen Buchhaltung basierten als auch auf einer möglicherweise geringen Verschiebung (für alle) der dritten Phase der Währungsunion.
Die Begegnung, die Ministerpräsident Prodi mit dem neuen spanischen Ministerpräsidenten Jose Maria Aznar in Valencia im September 1996 hatte, brachte die Entwicklung jedoch ins Rollen. Prodi und seine Entourage, die in der Überzeugung nach Valencia gekommen waren, mit den Spaniern eine gemeinsame Position zum Euro finden zu können, mußten feststellen, daß Madrid auf jeden Fall entschlossen war, zur ersten Teilnehmergruppe zu gehören -mit oder ohne Rom. Die Aussicht, als einziges Land unter den Gründungsmitgliedern, unter den großen EU-Staaten sowie unter den „lateinischen“ Ländern von der Währungsunion ausgeschlossen zu werden, hat die Regierung sofort zu einer Revision der Haushaltspläne und zu einer strengen Haushaltspolitik veranlaßt. Dabei konnte sie auf Fundamenten aufbauen, die in den Jahren zuvor von den Kabinetten Amato, Ciampi und Dini gelegt worden waren: insbesondere a) auf das Abkommen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern aus dem Jahre 1993 (das verhindert hatte, daß die Abwertung der Lira zu inflationären Tendenzen führte), b) auf die Rentenreform von 1995 (die die Pensionsausgaben mittelfristig begrenzt hatte) und c) auf den primären Haushaltsüberschuß (d. h. vor Abzug der Zinslasten), den Italien bereits seit 1994 aufwies und der -obwohl er noch keinen signifikanten Beitrag zur Verringerung der Schulden geleistet hat -inzwischen etwa vier bis fünf Prozent beträgt.
Gegenüber früheren Regierungen konnte die Regierung Prodi jedoch auf eine stabilere parlamentarische Mehrheit bauen, obwohl die Verhandlungen mit Rifondazione Comunista nicht immer einfach gewesen sind (und wenigstens in einem Fall, im Oktober 1997, fast zu einer schweren politischen Krise geführt hätten, die erst mit dem Kompromiß über die 35-Stundenwoche überwunden wurde). Prodi konnte auch von einer günstigeren internationalen Konjunktur und allgemein geringeren Inflations-und Zinsraten in Europa profitieren, die die Konvergenzbemühungen Italiens wesentlich erleichtert haben. Schließlich ist die Regierung indirekt durch die nicht immer überzeugenden Leistungen anderer Partner begünstigt worden, deren gelegentlicher Rückgriff auf (formal legitime) buchhalterische Kniffe zur Erfüllung des Maastrichter Defizitkriteriums die Vorwürfe „kreativer Buchhaltung“ vor allem gegenüber Rom relativierte. Italien ist somit im November 1996 in das EWS zurückgekehrt -bei einer Umtauschrate von 990 Lire für eine DM -und hat auf diese Weise ein weiteres wesentliches Maastrichter Kriterium erfüllt. Anfang Mai ist Italien endgültig in die Gruppe der elf EU-Länder aufgenommen worden, die ab dem 1. Januar 1999 die Währungsunion eingehen werden.
Eine erhebliche Anstrengung ist damit von Erfolg gekrönt worden, der letztendlich auf die Unterstützung durch die öffentliche Meinung in Italien zurückzuführen ist. Sie hat es den aufeinanderfolgenden Regierungen erlaubt, den Bürgern eine steuerliche Belastung (man denke an die soge-nannte „Eurosteuer“) zuzumuten, wie es in der Union kaum Vergleichbares gegeben hat
Über den Euro hinaus
Es ist inzwischen offensichtlich, daß der atlantische „Kreis“ für Italien allmählich die einstige zentrale Bedeutung verliert, auch innenpolitisch. Und es ist ebenso offensichtlich, daß sowohl wirtschaftlich als auch politisch sowie vom Standpunkt der Modernisierung des Landes aus gesehen das „nationale Interesse“ Italiens heute vor allem in Europa liegt: Die Teilnahme am Euro und andere gemeinsame politische Ziele sind noch weniger als früher eine Frage des Status oder des „Dabeiseins“. In die Europäische Gemeinschaft/Union ging in den vergangenen zehn Jahren mehr als die Hälfte des italienischen Außenhandels. Die EU -Italien ist seit einiger Zeit Nettobeitragszahler -ist und wird immer mehr der Ort sein, wo die Regeln festgelegt werden, an die sich alle Spieler halten müssen. Und wenn die großen italienischen Konzerne schon jetzt verstärkt in die kommerziellen und finanziellen Verflechtungen des europäischen Kontinents eingebunden sind, ist es inzwischen auch für die kleinen und mittleren Exportunternehmen unabdingbar geworden, sich mit der Dimension des Gemeinsamen Marktes auseinanderzusetzen, um ein Niveau der Qualität und Spezialisierung zu erreichen, das es ihnen erlaubt, global wettbewerbsfähig zu sein Die Herausforderung ist noch größer für die italienischen Banken und Versicherungsgesellschaften, die wesentlich weniger gut ausgerüstet und weniger effizient im Vergleich mit ihren europäischen Konkurrenten sind und deshalb verstärkt fusionieren, sich reorganisieren müssen oder Übernahmen aus dem Ausland ausgesetzt sind.
Aber auch in anderen strategischen Bereichen -Transport-und Kommunikationswesen, Forschungs-, Energie-und Umweltsektor -ist die strikt nationale Dimension weitgehend überholt. Ebenso machen es die institutioneile Unionsstruktur und das immer kompliziertere politische System für das „System Italien“ unmöglich, den Herausforderungen der wettbewerblichen Integration auszuweichen. Selbst Politiken, die bis vor kurzem als exklusive Domäne der einzelnen Staaten angesehen wurden -wie die Überwachung der Grenzen oder der Kampf gegen die organisierte Kriminalität scheinen jetzt, auch vor dem Hintergrund des gemeinsamen Binnenmarktes, immer weniger effektiv durchführbar ohne eine stärkere transnationale Kooperation.
Hier ist vor allem auf das hinzuweisen, was im Rahmen des sogenannten dritten „Pfeilers“ der Europäischen Union (Justiz und Inneres) und insbesondere der Schengener Konvention geschehen ist. In diesem Fall hat Italien nicht zu den Erstländern gehört, die das Abkommen (1985) bzw. die Konvention (Juni 1990) unterschrieben haben. Rom ist dem Protokoll im November 1990 beigetreten, und das Parlament hat es erst im September 1993 ratifiziert. Was die Umsetzung angeht, zeichnet sie sich durch zwei getrennte, aber zusammenhängende Entwicklungen aus: auf der einen Seite die Anpassung der italienischen Verwaltung und Gesetzgebung an die Voraussetzungen, auch technologischer Art, die die Konvention vorsieht; auf der anderen Seite das ständige Aufstocken der Anforderungen (Anforderungen, die teilweise über die schriftlichen Vereinbarungen hinausgingen und die Regierung in Rom in einigen Fällen zu Protesten veranlaßten). Schließlich ist Italien im Oktober 1997 dem Schengener Informationssystem beigetreten. Gleichzeitig wurden die Grenzkontrollen an den Flughäfen abgeschafft; die Kontrollen an den Landes-und maritimen Grenzen sind -u. a. auch in Erwartung des griechischen Beitritts zum Schengener Abkommen -im März 1998 aufgehoben worden.
Insgesamt hat es sich um einen weiteren Fall von „ausgehandelter Verspätung“ gehandelt, der jedoch zwei Dinge verdeutlichte: daß unter den veränderten heutigen Bedingungen die Verspätung einen höheren -auch politischen -Preis hat als in der Vergangenheit und daß die Herausforderungen, die an die internen bürokratischen Strukturen gestellt werden, sehr komplex, aber ohne glaubwürdige Alternativen sind. Auch die Krise, die durch die halbillegale Landung einiger hundert kurdischer Flüchtlinge an der apulischen Küste hervorgerufen wurde, hat dies gezeigt, denn sie hat ein Licht darauf geworfen, daß es noch einige „Fenster“ gibt -nicht so sehr an den physischen Grenzen des Landes (humanitäre Gründe und das internationale Recht machten eine vorläufige Aufnahme der Flüchtlinge auf jeden Fall unvermeidlich) als in der italienischen Gesetzgebung bezüglich der Ausweisung von Flüchtlingen im Rahmen der Schengener Asylnormen (und der späteren Dubliner Konvention) Auch in diesem Fall hat sich Rom für die europäische Dimension und für die Zusammenarbeit mit seinen Partnern entschieden: Italien beschleunigt die Modernisierung seiner inneren Strukturen und die Konvergenz mit den Nonnen seine Nachbarländer.
Zwischen USA und Europa
Auch in der Außenpolitik und insbesondere in der Sicherheitspolitik -der zweite „Pfeiler“ des Maastrichter Abkommens -scheint Italien heute dem europäischen „Kreis“ eine zunehmende Bedeutung gegenüber dem atlantischen „Kreis“ beizumessen. Sicherlich bleibt die Haltung Italiens die, nie zwischen den Vereinigten Staaten und Europa wählen zu müssen. Das Mißtrauen, das Rom in der Vergangenheit gegenüber dem deutsch-französischen Eurocorps und anderen französisch-deutschen Initiativen an den Tag gelegt hat, hat seine Ursache in der Furcht, daß die atlantische Solidarität und die besondere Lage Italiens im politisch-militärischen Aufbau der NATO gefährdet werden könnte. Einige jüngste Zeichen deuten darauf hin, daß Iahen bereit ist -natürlich komplementär und nicht als Alternative zum Atlantischen Bündnis -, stärker mit den europäischen Partnern zusammenzuarbeiten: In diese Richtung gehen seine Beteiligung an multinationalen Einsatzkräften sowie die alpine italienisch-ungarisch-slowenische Brigade und die zunehmende Beteiligung der italienischen Industrie in den Konsortien des Rüstungssektors. In die gleiche Richtung geht auch die militärische Verantwortung, die in Bosnien übernommen wurde im Rahmen von IFOR/SFOR sowie in Albanien im Rahmen der „Operation Alba“, d. h.der Friedensmission, die im Frühling/Sommer 1997 unter dem Mandat von UNO und OSZE von einem multinationalen Korps durchgeführt wurde, das im wesentlichen aus Soldaten des europäischen Mittelmeerraums bestand und von Italien als „lead nation“ koordiniert und geleitet wurde. „Alba“ wird von den italienischen Behörden als ein mögliches Modell für die angestrebte „europäische Sicherheits-und Verteidigungsidentität“ innerhalb der NATO angesehen, obwohl sie von einer Koalition von Freiwilligen und ohne jegliches institutionelles (europäisches oder atlantisches) „Dach“ durchgeführt worden ist. Außerdem war diese Erfahrung der erste (gelungene) Versuch einer aktiven und nicht nur -wie so oft in der Vergangenheit -reaktiven Politik angesichts internationaler Krisen, die allerdings auch zu Spannungen in der Regierungsmehrheit geführt hat
Diese vorsichtige, graduelle Kurskorrektur kommt offensichtlich auch deswegen zustande, weil Italien heute keine Verteidigungsprob\eme hat, d. h., es ist keinen Bedrohungen in einem traditionellen Sinn ausgesetzt. Es hat hingegen Sicherheitsprobieme, die von den möglichen Auswirkungen der Migrationsströme aus dem Süden und dem Osten bis hin zur organisierten Kriminalität reichen; von der Instabilität des near abroad bis zum Schutz eigener Wirtschafts-und Handelsinteressen. Hinzu kommen die zunehmende Verringerung der verfügbaren Haushaltsressourcen und die noch durchzuführende Neuorganisation des gesamten Verteidigungssektors.
Was die gemeinsame Außenpolitik betrifft, hat Italien -im Gegensatz zu anderen Partnern -immer eine Verstärkung erst der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) und dann der vom Maastrichter Vertrag eingeführten Gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik (GASP) begrüßt und gefördert. In dem Maße,'in dem die EPZ nicht mit der traditionellen atlantischen Ausrichtung Italiens in Konflikt geriet, war sie ein nützlicher multilateraler Rahmen für die autonomeren Positionen, die Italien -zusammen mit anderen europäischen Partnern -bezüglich Fragen wie dem Nahostkonflikt, der Lage in Zentralamerika oder der Apartheid in Südafrika einnahm. Rom hat auch nie besondere Probleme mit der gemeinsamen Außenhandelspolitik gehabt, wenn es um die Beziehungen zu China oder die Wirtschaftsbeziehungen zu Ländern wie Iran, Irak, Libyen oder Kuba ging: In all diesen Fällen ist das gemeinsame Interesse der Mitgliedstaaten immer stark und effektiv gewesen (wie u. a. die Auseinandersetzungen um das Helms-Burton-Gesetz mit den Vereinigten Staaten gezeigt haben). Die europäische Politik des „kritischen Dialogs“ mit Staaten wie dem Iran entsprach zudem einer traditionellen Inklination der italienischen Politik.
Italien hat das Entstehen der GASP schon seit seiner Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 1990 aktiv gefördert, als der damalige Außenminister Gianni de Michelis sogar soweit ging, für Europa einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu fordern. Die Situation nach dem Maastrichter Vertrag entsprach jedoch einerseits institutionell nicht den Erwartungen von Rom und hat andererseits anscheinend zu einer „Renationalisierung“ der Außenpolitik der Partner geführt, die nicht nur die GASP selbst gefährdete, sondern auch zu Entscheidungsmechanismen führte, von denen Italien ausgeschlossen zu werden drohte: exemplarisch in diesem Sinne die Geschehnisse um das ehemalige Jugoslawien Daher das Insistieren auf eine Reform der Gemeinschaftsinstitutionen -vor, während und nach der intergouvernementalen Konferenz (1996/97), deren Ergebnisse als unzureichend empfunden wurden aber auch die Aufmerksamkeit, mit der Italien versucht, in den existierenden oder zukünftigen engeren Entscheidungsinstanzen zu bleiben (bzw. in sie zurückzukehren) oder zu vermeiden, daß Formen der „Flexibilität“ innerhalb der EU eingeführt wurden, die das Land ausschließen oder diskriminieren könnten.
Dieser Ansatz, der sowohl von genuinen demokratischen Überzeugungen als auch von kleinlicheren Befürchtungen inspiriert ist, war für die italienische Diplomatie in den Verhandlungen, die zum Vertrag von Amsterdam führten, bestimmend findet sich aber auch in der Position wieder, die Rom bezüglich der Reform des UN-Sicherheitsrates seit 1992 eingenommen hat. Hier spielt Italien zum einen eine durchaus positive Rolle mit seinen spezifischen Reformvorschlägen -Einführung einer neuen Kategorie von zehn halb ständigen, also rotierenden Mitgliedern, ohne die Position der jetzigen ständigen Mitglieder zu ändern -, und zum anderen eine negative Rolle, indem es vor allem versucht, die Erweiterung der ständigen Sitze nur um Deutschland und Japan zu verhindern. In beiden Ländern wird das Geschehen oft als eine Auseinandersetzung zwischen Italien und Deutschland dargestellt. Es zeigt hingegen deutlich die politischen Schwierigkeiten, in denen sich Rom seit einigen Jahren befindet. Um beim Beispiel der UNO zu bleiben -aber sicherlich haben hier auch die Probleme, die mit der Kontakt-gruppe und der Währungsunion verbunden sind, ihre Bedeutung Mit der Entscheidung für einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat u. a. für Deutschland wäre Italien der einzige große Staat der EU (zusammen mit Spanien) und das einzige Mitglied der G 7 (zusammen mit Kanada), das dauerhaft aus dem Direktorium par excellence ausgeschlossen wäre, obwohl es ein Bruttosozialprodukt hat, das mit dem Frankreichs und Großbritanniens vergleichbar ist. Deshalb auch die wiederholten Versuche, die einflußreiche italienische Lobby jenseits des Atlantiks zu mobilisieren, um auf die amerikanische Regierung Druck auszuüben, wie auch die teilweise arg polemischen Töne, die gegenüber Deutschland vernommen werden
Über Europa hinaus
Daß der europäische „Kreis“ Priorität gewonnen hat, bedeutet nicht, daß die internationalen Optionen Italiens vor allem von einer geopolitischen Vision bestimmt wären. Die „geopolitische“ Interpretation, die seit neuestem auch in der italienischen politisch-kulturellen Debatte wieder aufgegriffen wird (z. B. in der Zeitschrift Limes), ist bei weitem nicht die einzig gültige bei der Definition der Prioritäten jeglicher Außenpolitik, einschließlich der italienischen. Es gibt auch die Geschichte, die zum Beispiel Rom dazu gebracht hat, sich in Gebieten zu engagieren, die von einem strikt geographischen Standpunkt aus sicherlich keine italienische Präsenz rechtfertigen würden (wie bei der Entsendung von Truppen nach Somalia), bzw. es mit großer Aufmerksamkeit zu tun in Gebieten, die zur italienischen „Interessensphäre“ gehören (wie das ehemalige Jugoslawien oder Albanien). Es gibt außerdem ein Kriterium zur Festlegung von Prioritäten, das weder geopolitisch, noch historisch ist, sondern das sich als Übernahme von Verantwortung und Prestigegewinn darstellt, ohne dabei notwendigerweise ausschließlich ein Vorrecht der Regierung zu sein, wie die jüngsten italienischen Aktivitäten in Mozambique gezeigt haben Schließlich gibt es ein allgemeineres Kriterium der Wahrung der internationalen Stabilität und gemeinsamer globaler Interessen wie der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt. Es ist ein ethisches Kriterium, das jedoch politisch relevant ist, da es heute sehr schwierig erscheint, spezifische Interessen zu verfolgen, wenn der globale Kontext destabilisiert und ohne ein System von einzuhaltenden Verhaltensregeln ist.
Die zunehmende Bedeutung, die Italien den multinationalen Initiativen und Instanzen beimißt, entspricht dieser Vision und dem Bedürfnis zur Rationalisierung von Interventionen und der Optimierung der knapper werdenden Ressourcen Das bedeutet jedoch nicht, daß es nicht Gebiete oder Sektoren gibt, in denen Rom eigene Interessen verfolgt und verteidigt. Schon früher hat es hier autonome Initiativen Roms gegeben, wenn auch oft nicht durchgehend und manchmal zaghaft. Dies trifft in erster Linie auf die italienische „Diaspora“ in anderen Ländern zu, die die politische und wirtschaftliche Aufmerksamkeit rechtfertigt, die Italien zum Beispiel einigen lateinamerikanischen Ländern entgegenbringt (Argentinien, Venezuela). Es gilt jedoch besonders für den Mittelmeerraum und für Mittel-und Osteuropa.
Im ersten Fall findet die rhetorische Emphase von Politik und Institutionen keine Entsprechung im konkreten Einsatz und der Präsenz des Landes in diesem Gebiet. Sicherlich hat Italien immer darüber gewacht, daß ein Gleichgewicht der Gemeinschaft in Richtung Süden bestehen blieb, besonders seit die Erweiterungen vor allem in Richtung Norden und Osten erfolgen. Die „Einfrierung“ der Kandidatur von Malta (von Rom unterstützt) und der Ausschluß der Türkei von der Liste der unmittelbaren EU-Kandidaten -ein Ausschluß, dem sich Rom widersetzt hat auch angesichts der möglichen Zyperns auf die Kandidatur -haben die mediterrane Karte stark geschwächt. Allgemein erscheint jedoch der italienische Aktivismus weit hinter den erklärten Ansprüchen zurückzubleiben, die Rom vor einigen Jahren dazu gebracht hatten, eine Konferenz für Sicherheit und Kooperation im Mittelmeerraum (KSKM) zu initiieren, die auf dem Modell der KSZE basierte. Heute ist es eher Spanien, das der stärkste Vertreter der mediterranen Sache ist, sowohl innerhalb als außerhalb der europäischen Institutionen. Von italienischer Seite gibt es eine Verpflichtung zum Schutz von Investitionen und Energielieferungen (Libyen, Algerien), zur Stabilisierung besonders naher Länder (Tunesien) und zur Begrenzung von möglicher Massenmigration. Aber es fehlt eine organische und kohärente Politik für diesen Raum; ferner die Mittel, die den Zielen angemessen waren
Das Gegenteil gilt für Mittel-und Osteuropa, insbesondere für die Donauregion. Wenn auch der offizielle Enthusiasmus über die Erweiterungsaussichten der EU nach Osten eher verhalten ist -so daß die italienische Haltung zur Integration der mitteleuropäischen Länder oft als überwiegend widerstrebend beurteilt wird -, sind die realen wirtschaftlichen Interessen wie die diplomatischen Initiativen immer stärker dorthin ausgerichtet. Schon seit Jahren ist Italien (nach Deutschland) der zweite Investor und Handelspartner in dieser Region. In Kroatien, der Slowakei und Ungarn ist die italienische wirtschaftliche Präsenz sehr stark. Die Regierung in Rom, aber ebenso die Regionen und die lokalen Behörden im Nordosten Italiens sind dabei, einige transnationale Projekte im Infrastruktur-und Energiebereich zu realisieren (z. B. eine Verkehrsverbindung von Triest nach Kiew via Ljubljana/Budapest).
Nach der Aussöhnung im Jahre 1996 hat Italien zuerst den möglichen Beitritt von Slowenien in die NATO explizit unterstützt -der zwar vom Atlantischen Rat in Madrid im Juli 1997 abgelehnt wurde, jedoch sicherlich in einem Jahr in Washington wieder auf den Tisch gebracht werden wird -und dann die Aufnahme des Landes für die Beitritts-verhandlungen zur EU befürwortet. Die privilegierten Beziehungen seit zu Ljubljana sind kurzem durch die Formalisierung einer Art „Dreierbundes“, der Budapest einschließt, erweitert worden (wahrscheinlich in Erwartung, daß sich auch die politische Lage in der Slowakei normalisiert). Ebenso ist die Mitteleuropäische Initiative (MEI) nunmehr endgültig institutionalisiert worden. Der Sitz des Sekretariats ist jetzt Triest. Vor Jahren aus dem Verbund „Alpen -Adria“ geboren, durch die Initiative von De Michelis erweitert zuerst zur „Quadragonale" (1989) -zu der Italien, Österreich, Ungarn und Jugoslawien gehörten -und dann zur „Pentagonale“ (unter Einschluß Polens), war sie zunächst durch den Ausbruch der Jugoslawienkrise gestrandet, um schließlich als MEI neu zu entstehen, die sich allmählich bis an die Grenzen Rußlands ausgedehnt hat.
Italien nimmt heute eine spezifische Rolle in den mittelost-und südosteuropäischen Staaten ein und leistet auch politisch-diplomatisch einen wachsenden Beitrag zur privatwirtschaftlichen Durchdringung und -trotz der gelegentlichen Rivalitäten mit Deutschland und besonders Österreich -zur allgemeinen Stabilisierung der Region. Obwohl es übertrieben scheint, von einer römischen „Ostpolitik“ zu sprechen -wie es die italienische Presse tut gibt es keinen Zweifel, daß Italien in der Donauregion eine moderne außenpolitische Initiative ergreift -und dies komplementär und nicht alternativ zur europäischen Priorität.
Über das Jahr 2000 hinaus
Nachdem das Hauptziel (der Beitritt zur Europäischen Währungsunion) erreicht ist, besteht die neue Herausforderung für Italien jetzt darin -außer der Reform des Sozialstaats, die auch für andere Partner eine Herausforderung darstellt -, seine staatlichen Strukturen den Bedürfnissen des Marktes und der einheitlichen Währung anzupassen. In der konzertierten Leitung von Außen-, Wirtschafts-und Geldpolitik hat Italien insgesamt eine Leistung und Kompetenz gezeigt, die denen anderer Länder nicht nachstehen
In anderen Bereichen der Verwaltung ist die Bilanz deutlich schlechter. Abgesehen von den bereits erwähnten Schwierigkeiten mit dem Schengener Abkommen reicht ein Blick auf den Brüsseler Strukturfonds, von dem Italien seit Jahren Unterstützungen erhält, ohne sie zügig und effektiv zu verwenden, so daß es nicht geringe passive Residuen angesammelt hat. Es hat Koordinationsprobleme gegeben zwischen Ministerien, (vor allem süditalienischen) Regionen, Gemeinden und lokalen Politikern, aber es hat auch allgemein die Fähigkeit -und vielleicht der Wille -gefehlt, sich zeitlich zu engagieren und Pläne, konkrete Projekte und glaubwürdige Ausgabenplanungen vorzuschlagen. Angesichts der dauerhaften Kürzungen im nationalen öffentlichen Haushalt hat die Nichtverwendung von Gemeinschaftsmitteln die weniger entwickelten Gebiete auch um wichtige Ressourcen gebracht: Ressourcen, die im nächsten Haushaltsplan der Gemeinschaft wieder geringer sein werden -der ganze Regionen wie Sardinien und Apulien von den EU-Hilfen ausschließen könnte -und sich durch den Beitritt der mittelosteuropäischen Länder weiter verringern werden.
Auch dies sind Herausforderungen für das „System Italien“, bei denen sich zeigen wird, ob es insgesamt fähig ist, in der immer engeren Europäischen Union zu wachsen, an der es sich mit all seinen Kräften und legitimerweise beteiligt hat.