Mittelständische Kleinbetriebe in Ostdeutschland: Hoffnungsträger oder Lückenbüßer des Transformationsprozesses?
Klaus Semlinger
/ 19 Minuten zu lesen
Link kopieren
Zusammenfassung
Die ökonomische Transformation Ostdeutschlands begann mit der Entflechtung der Kombinate und einem beispiellosen Gründungsboom. Nachdem der Niedergang der großen, ehemals volkseigenen Betriebe nicht aufzuhalten war, ruhen große Hoffnungen auf den vielen jungen Klein-und Mittelbetrieben. Diese Hoffnungen sind überzogen, wenn man nicht genauer differenziert. Spätestens mit dem Nachlassen der Baukonjunktur ist deutlich geworden, wie stark weite Teile des neuen Mittelstandes noch von einer transfer-bzw. subventionsgestützten Nachfrage abhängig sind. Und dennoch, es gibt sie, die kleinbetrieblichen Hoffnungsträger. In diesem Beitrag wird ein genaueres Profil dieser Gruppe gezeichnet. Basis dafür ist eine ausführliche Befragung ostdeutscher Kleinbetriebe, in der es um die Marktausrichtung, das Leistungsprofil, die Arbeitsbedingungen und Personaleinsatzmuster sowie um das zwischenbetriebliche Kooperationsverhalten ging. Insgesamt stellen diese Pionierunternehmen nur eine kleine Minderheit, aber sie sind letztlich die treibende Kraft eines mittelständisch getragenen Aufschwungs und sollten daher auch als Leitbild einer stärker gezielt ansetzenden Wirtschaftsförderung dienen.
Der Beitrag faßt die Ergebnisse eines Gemeinschaftsprojekts von Martin Brussig, Karin Lohr, Arndt Sorge und Klaus Semlinger zusammen; eine ausführliche und weitergehende Darstellung findet sich in Martin Brussig u. a. (Hrsg.), Kleinbetriebe in den neuen Bundesländern -Bestandsbedingungen und Entwicklungspotentiale, Opladen 1997.
I. Einleitung: Hohe Erwartungen an einen „Neuaufbau von unten“
Die DDR-Wirtschaft war jenseits des Vorrangs der politischen Steuerung weitestgehend zu großen staatlichen Kombinaten oder Genossenschaftsunternehmen zusammengefaßt. Außerhalb dieser zentralistischen Strukturen gab es nur wenige Privatunternehmen, die zudem durch gesetzliche Bestimmungen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten stark eingeengt waren. Bereits mit den ersten Wirtschaftsreformen, das heißt noch vor der Währungsunion am 1. Juli 1990, sind diese Behinderungen aufgehoben worden, und in der Folge wurden massive Unterstützungsprogramme zur Förderung des Existenzgründungsgeschehens aufgelegt, während parallel dazu durch die Treuhandanstalt eine mehr oder minder explizite Entflechtungspolitik erfolgte. Mit anderen Worten: Die Ablösung der sozialistischen Wirtschaftsordnung ist im Grund weniger als Transformation, also als Umbau, denn als grundlegender Neuaufbau angelegt worden, wobei dem kleinbetrieblichen Mittelstand vielfach die Rolle des zentralen Hoffnungsträgers zugeschrieben wurde und verbreitet immer noch zugeschrieben wird.
Diese Sichtweise ist nicht unumstritten: Ohne den Erhalt großbetrieblich gestützter „industrieller Kerne“, so das Gegenargument, haben Kleinbetriebe keine hinreichende Chance, sich in die Wertschöpfungsketten moderner industrieller Produktion einzugliedern; sie sind unter solchen Bedingungen als produzierende oder dienstleistende Kleinunternehmen in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beschnitten. Abgedrängt an die Peripherie des Produktionsgeschehens und eingebunden in die Wertschöpfungsketten allenfalls als leicht zu steuerndes Kapazitäts-und Flexibilitätsreservoir, fungieren sie dann eher als Lückenbüßer der Entwicklung, denen die regionalen Nischen und die wenig rentierlichen Reste einer ansonsten von westdeutschen und internationalen Konzernen übernommenen Betriebslandschaft überlassen bleiben.
Hoffnungsträger oder Lückenbüßer -ein abschließendes Urteil wird angesichts der Heterogenität des Feldes kaum jemals möglich sein. Dennoch soll im folgenden versucht werden, eine differenzierende Zwischenbilanz zu ziehen. Dazu werden die Ergebnisse einer Studie präsentiert, deren Autoren im Auftrag der KSPW (Kommission zur Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern) den Bestandsbedingungen und Entwicklungspotentialen ostdeutscher Kleinbetriebe nachgingen.
II. Von der Planwirtschaft zur „Mittelstandsökonomie"
Abbildung 13
Tabelle 2: Erwerbstätigkeit und Selbständigkeit in Deutschland 1955-1996
Tabelle 2: Erwerbstätigkeit und Selbständigkeit in Deutschland 1955-1996
Es gab sie durchaus, die kleingewerbliche und mittelständische Privatwirtschaft in der DDR. Auch wenn sie lange Zeit durch staatliche Reglementierung gezielt zurückgedrängt worden war, so erfolgte doch Mitte der siebziger Jahre eine grundlegende Kehrtwende in der Politik, als man finanzielle Starthilfen und Steuererleichterungen einführte, um dem rückläufigen Bestand an Handwerksbetrieben entgegenzuwirken. Insgesamt dürfte es zum Ende der DDR etwa 140 000 Privat-betriebe gegeben haben. Amtlich ausgewiesen wurde eine Zahl von 185 000 Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen; darüber hinaus beschäftigte die Privatwirtschaft weitere 275 000 abhängig Erwerbstätige, so daß sie insgesamt auf einen Beschäftigungsanteil von fünf Prozent kam. Schwerpunkt der Privatwirtschaft zu DDR-Zeiten war das produzierende Handwerk. Das Handwerk insgesamt, das gleichsam als das Reservat privaten Unternehmertums gelten konnte, war sogar mehrheitlich in Privatunternehmen organisiert, wobei allerdings auch hier die genossenschaftlichen Betriebe für 38 Prozent der Beschäftigung und für 40 Prozent der wirtschaftlichen Leistung standen. Insgesamt zählte man 1989 rund 83 000 private Handwerksbetriebe, deren durchschnittliche Betriebsgröße bei lediglich 3, 2 Beschäftigten lag (Vergleichswert für das westdeutsche Handwerk 1988: 8, 3).
Privates Handwerk zu DDR-Zeiten kann zudem nicht mit marktwirtschaftlichem Unternehmertum gleichgesetzt werden. Einerseits waren die Betriebe durch staatliche Auflagen reglementiert und in das System der staatlichen Planung und Versorgung eingebunden, was ihnen ihre ökonomische Existenz garantierte. Auf der anderen Seite befanden sie sich aufgrund der vielfältigen Versorgungsengpässe insbesondere im Bereich der konsum-nahen Dienstleistungen in einer Situation, die sie vom Wettbewerb um Kundenaufträge weitgehend freistellte, zumal mit einer Handwerksdichte von zuletzt nur rund 5 Betrieben und 26 Handwerks-beschäftigten je 1 000 Einwohner auch die angebotsseitige Konkurrenz vergleichsweise schwach besetzt war (Vergleichswerte für Westdeutschland 1988: 7, 4 bzw. 62). Gerade im Handwerk und im Bereich der sonstigen haushaltsnahen Dienstleistungen bestanden 1989 also besonders günstige Entwicklungschancen für private Kleinbetriebe.
Der Gründungsboom setzte denn auch insbesondere in diesen Bereichen schon mit den ersten Liberalisierungsschritten unmittelbar nach der Wende im Herbst 1989 ein, um dann bereits im Sommer 1990 seinen Höhepunkt zu erreichen. Seitdem ging die Zahl der Gewerbeanmeldungen deutlich zurück, während die Zahl der Liquidationen rapide anwuchs, so daß sich die Überschußquote kontinuierlich dem westdeutschen Vergleichswert annäherte (vgl. die Tabelle 1). Dennoch ist unstrittig, daß der rapide Wandel der ostdeutschen Unterneh31 menslandschaft maßgeblich durch das Gründungsgeschehen bestimmt war. Hierbei wiederum stehen -rein quantitativ betrachtet -die originären Neugründungen im Vordergrund, deren Anteil am Bestand mittelständischer Unternehmen Ende 1994 (rund 475 000) bei gut 70 Prozent gelegen haben dürfte, während der Anteil privatisierter Betriebe und Betriebsteile (inklusive Ausgründungen) auf rund 20 Prozent und die Quote fortgeführter Privatbetriebe, die bis dahin überlebt hatten, auf weniger als 10 Prozent geschätzt werden kann. Bis 1995 war die Seibständigenquote in den neuen Bundesländern schon wieder auf gut 7 Prozent angestiegen (Westdeutschland: fast 10 Prozent; vgl. Tabelle 2). Der Beschäftigungsanteil des kleinbetrieblichen Sektors (bezogen auf die sozialversicherungsptlichtigen Arbeitnehmer) betrug zur gleichen Zeit knapp 57 Prozent, und das private Dienstleistungsgewerbe bot mit rund 2, 5 Milli Der Beschäftigungsanteil des kleinbetrieblichen Sektors (bezogen auf die sozialversicherungsptlichtigen Arbeitnehmer) betrug zur gleichen Zeit knapp 57 Prozent, und das private Dienstleistungsgewerbe bot mit rund 2, 5 Millionen Beschäftigten fast 25 Prozent mehr Arbeitsplätze an als das produzierende Gewerbe insgesamt 1.
Vordergründig hat sich die ostdeutsche Wirtschaft somit schneller zu einer Mittelstands-und Dienstleistungsökonomie entwickelt, als dies erwartet werden konnte. Kritisch betrachtet, steht dahinter jedoch vornehmlich ein Prozeß der fortschreitenden De-Industrialisierung, in dessen bisherigem Verlauf es nicht gelungen ist, den Rückgang industrieller Beschäftigung in den Großunternehmen durch das Gründungsgeschehen und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Dienstleistungsbereich zu kompensieren. Festzuhalten ist aber, daß -zumindest bis 1995 -vor allem das Handwerk florierte und zusätzliche Arbeitsplätze schuf. Mit rund 109 000 Betrieben und gut 1, 2 Millionen Beschäftigten (Handwerkszählung 1995) ist dieser Bereich denn auch zu einem der bedeutendsten Beschäftigungssektoren in Ostdeutschland geworden.
Acht Jahre nach der politischen und ökonomischen Wende kann in Ostdeutschland von einem sich selbst tragenden wirtschaftlichen Aufschwung noch immer keine Rede sein. Mittlerweile mehren sich zudem die Anzeichen dafür, daß auch der neue Mittelstand in weiten Bereichen noch keineswegs als konsolidiert angesehen werden kann und auch heute noch vielfach von der Aufrechterhaltung einer durch öffentliche Transfers und Steuervergünstigungen gestützten Nachfrage abhängig ist. Dies gilt nicht zuletzt für weite Teile des Handwerks, zumal die Handwerksdichte mittlerweile sogar geringfügig über der in den alten Bundesländern liegt 2. Insgesamt wird damit deutlich, daß es sich bei der gängigen Rede vom ostdeutschen Mittelstand als wirtschafts-und beschäftigungspolitischem Hoffnungsträger um eine viel zu euphorische Verallgemeinerung handelt. Nachfolgend soll ein differenzierteres Bild gezeichnet werden.
III. Der Mittelstand als Vorreiter, Troß und Nachhut der ökonomischen Transformation
Im weiteren soll die Basis statistischer Aggregat-aussagen verlassen werden. Statt dessen geht es darum, aus der Vielfalt einzelbetrieblicher Problemlagen und Entwicklungspfade vor dem Hintergrund unterschiedlicher Entstehungsgeschichten, Handlungsbedingungen und Handlungsorientierungen eine Reihe von Grundmustern herauszufiltern, die eine bessere Einschätzung der betrieblichen Entwicklungspotentiale erlauben. Grundlage der Ausführungen ist eine empirische Erhebung, die in Form von halbstandardisierten Interviews in 124 ostdeutschen Kleinbetrieben im Frühjahr 1995 sowie 12 vertiefender Fallstudien im Frühjahr 1996 durchgeführt worden ist. Die Untersuchung konzentrierte sich auf selbständige Kleinunternehmen aus dem produzierenden Gewerbe und dem Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen mit 5 bis 99 Beschäftigten. Durch die Branchen-auswahl sollten vor allem solche Betriebe erfaßt werden, deren Absatzhorizont potentiell über den kleinregionalen Markt hinausreicht, so daß sie tendenziell als Impulsgeber für die (regionale) Wirtschaftsentwicklung dienen könnten; zum anderen sollte durch die vorgegebene Mindestgröße der Belegschaft eine gewisse Betriebsförmigkeit sichergestellt werden. Weite Teile des Gründungsgeschehens, das einen Schwerpunkt in kleinstbetrieblichen Gründungen im Bereich der haushalts-orientierten Dienstleistungen hatte, sind damit absichtsvoll von der Untersuchung ausgenommen worden. Um schließlich unterschiedliche regionale Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, wurden Betriebe im Ostteil Berlins, in der ländlich geprägten Region Eberswalde und im altindustriellen Verdichtungsraum Chemnitz/Zwickau/Annaberg befragt. 1. Arbeit und Beschäftigung Von einem einheitlichen Muster betrieblicher Lohn-und Leistungspolitik kann (auch) in ostdeutschen Kleinbetrieben nicht die Rede sein. Allerdings lassen sich gewisse Grundformen identifizieren, wenn man die Betriebe nach der Modernität der Arbeitsanforderungen einerseits und nach den personalpolitischen Flexibilitätserfordernissen andererseits unterscheidet. Die entsprechende Analyse führt dabei zu zwei Hauptgruppen von Betrieben, die sich in jeweils zwei Untergruppen aufgliedern: Zur ersten Hauptgruppe zählen solche Betriebe, die vornehmlich auf eher intrinsische Motivationen setzen, das heißt auf die Eigen-motivation der Mitarbeiter und auf Motivationsmechanismen des sozialen Zusammenhalts, wobei die eine Teilgruppe (a) mehr vom Bild der „Notgemeinschaft“ geprägt wird und ein „kohäsiv“ zu nennendes, also den betrieblichen Zusammenhalt betonendes Personaleinsatzmuster aufweist, während die andere Teilgruppe (b) eher eine „Teamkultur“ pflegt und einem „integrativen“, mehr kooperativ angelegten, Personaleinsatzmuster folgt. Betriebe der zweiten Hauptgruppe bauen demgegenüber mehr auf extrinsische Motivationen, das heißt auf den hierarchischen Einsatz positiver oder negativer Sanktionen (zum Beispiel Prämien und Entlassungsdrohungen); hier ist zu unterscheiden zwischen Betrieben, die ihre Personalpolitik eher „kontrollorientiert“ angelegt haben (c), und solchen, die mehr auf die Wirkung positiver Anreize setzen (d). a) In den Betrieben mit kohäsivem Personaleinsatzmuster (39 Prozent der Untersuchungsstichprobe) herrschen traditionelle Arbeitsanforderungen bei klar definierbaren und -definierten Aufgabenstellungen und vergleichsweise geringem Flexibilitäts-und Qualifikationsbedarf vor. Anzutreffen ist dieses Muster vornehmlich in geschrumpften privatisierten Industriebetrieben, aber auch unter kleineren Neugründungen im Baugewerbe. Die Arbeitsbedingungen sind im Durchschnitt eher unattraktiv, und die Entlohnung ist vergleichsweise schlecht. Personalpolitik im eigentlichen Sinne findet nicht statt bzw. kommt mit wenigen einfachen Maßnahmen aus. Möglich scheint dies den betreffenden Betrieben, weil es unter den gegebenen Bedingungen an Arbeitskräften der benötigten Qualifikation nicht mangelt und die Leistungssteuerung über den impliziten oder expliziten Appell an den Zusammenhalt einer Betriebsgemeinschaft funktioniert, zu der es für die meisten Beschäftigten keine Alternative gibt. b) Bei den Betrieben mit integrativem Personaleinsatzmuster (19 Prozent) sind die Qualifikationsanforderungen dagegen ausgesprochen hoch, die Tätigkeiten sind in ihrem Profil anspruchsvoll und modern; Flexibilitätserfordernisse ergeben sich hier weniger aus mengenmäßigen Nachfrage-schwankungen denn aus den qualitativen Anforderungen besonderer Kundenwünsche. Zu finden ist dieses Personaleinsatzmuster vor allem bei entwicklungsorientierten produktionsnahen Dienstleistungsbetrieben und Betrieben des verarbeitenden Gewerbes mit technisch anspruchsvollen Produkten; typischerweise handelt es sich zumeist um kleinere Neu-und Ausgründungen. Die Leistungssteuerung erfolgt hier über die hohe Identifikation der Beschäftigten mit ihrer jeweiligen Arbeitsaufgabe und dem Unternehmen insgesamt. Wenn man so will, herrscht in diesen Betrieben so etwas wie ein kollektiver Gründergeist; die Rekrutierung der Beschäftigten erfolgt entsprechend sorgfältig. c) Die Betriebe mit kontrollintensivem Personaleinsatzmuster (23 Prozent) unterliegen demgegenüber hohen Flexibilitätsanforderungen, die stärker als anderswo eine rasche Anpassung des verfügbaren Arbeitszeitvolumens erfordern, während die Arbeitsaufgaben selbst mehrheitlich wenig anspruchsvoll sind. Ein derartiges Muster findet sich in den größeren Kleinbetrieben des verarbeitenden Gewerbes mit deutlicher hierarchischer Differenzierung und hohem Anteil gleichförmiger, sich häufig wiederholender Teilarbeiten an automatisierten Anlagen. Vergleichsweise oft handelt es sich bei den Betrieben dieses Musters um Privatisierungen; nicht wenige stehen in hartem Preis-wettbewerb und unter hohem Kostendruck. Der vornehmlich quantitative Flexibilitätsbedarf wird in diesen Betrieben typischerweise über den häufigen Wechsel von Einstellungen und Entlassungen sowie durch den Einsatz befristet Beschäftigter und von Leiharbeitern bedient; die Leistungssteuerung knüpft hieran an, indem sie mit entsprechenden Beschäftigungssanktionen droht, was wiederum möglich ist, weil über den externen Arbeitsmarkt vergleichsweise einfach Ersatz gefunden werden kann. d) Bei den Betrieben mit anreizorientiertem Personaleinsatzmuster schließlich (19 Prozent) fallen sowohl hohe Flexibilitätsanforderungen als auch vergleichsweise hohe Qualitäts-und Qualifikationsansprüche auf. Eine schwerpunktmäßige Zuordnung zu einer bestimmten Branche oder einem speziellen Entstehungshintergrund ist hier nicht möglich; in der Tendenz handelt es sich auch hier eher um größere Kleinbetriebe (50 bis 100
Beschäftigte). Das in diesen Betrieben vorherrschend anzutreffende Muster der Lohn-und Leistungspolitik scheint noch am ehesten bewußt auf die (übergeordnete) betriebliche Produkt-und Absatzstrategie abgestimmt und nach unterschiedlichen Beschäftigtengruppen differenziert zu sein. Finanzielle Anreize, zum Teil aber auch intrinsische Motivationen, sind dabei ebenso wichtig wie Leistungskontrollen und materielle Sanktionsmechanismen. Die betrieblichen Sozialbeziehungen weisen großbetriebliche Züge auf; kooperative Elemente, wie Information und Mitsprachemöglichkeiten für die Beschäftigten, spielen eine gewichtige Rolle, und neben einer sorgfältigen Personalauswahl wird auch auf die bedarfsgerechte Weiterbildung der Mitarbeiter geachtet.
Bei aller Unterschiedlichkeit der in ostdeutschen Kleinbetrieben anzutreffenden Lohn-und Leistungspolitik scheint somit doch zumindest eines klar: Wo atypische Beschäftigungsformen vorkommen, sind sie in der Regel nicht allein auf akute wirtschaftliche Schwierigkeiten des betreffenden Betriebes zurückzuführen, denn sie sind -unabhängig von der wirtschaftlichen Situation -vornehmlich in solchen Betrieben zu finden, in denen die Art der anfallenden Tätigkeiten solche Formen der Beschäftigung nahelegen und erlauben. 2. Leistungsverflechtung und Kooperationsengagement Mitentscheidend für die weitere Entwicklung der vielen neuen Kleinbetriebe wird es sein, wie schnell es ihnen gelingt, ein tragfähiges Netz zwischenbetrieblicher Liefer-und Leistungsverflechtungen aufzubauen. Wie sich nun zeigt, ist es einem Großteil der bestehenden Betriebe offenbar gelungen, alte Beziehungen aufrechtzuerhalten oder vergleichsweise rasch neue Kontakte aufzubauen: Gut jeder zweite befragte Betrieb machte mehr als die Hälfte seines Umsatzes mit einigen wenigen Hauptkunden, mit denen er schon (wieder) länger als zwei Jahre im Geschäft war. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß diese Geschäftskontakte bereits ausreichend sind, die notwendige Auslastung und das erhoffte Wachstum zu gewährleisten. Im Gegenteil: Nicht selten gibt die hohe Bindung an nur wenige Kunden wohl eher Anlaß zu Zweifeln an der Nachhaltigkeit der Marktetablierung der betreffenden Betriebe. Hinzu kommt, daß sich die Lieferverflechtungen -wie allgemein bekannt und beklagt -weitgehend auf das Gebiet der neuen Bundesländer beschränken, wobei sich gleichzeitig eine gemeinhin weniger beachtete qualitative Asymmetrie zeigt: So wird nicht nur von den Betrieben anteilig weniger aus der Region bzw.dem übrigen Gebiet der neuen Bundesländer bezogen, als dorthin geliefert wird; vielmehr scheint sich -wie Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen -vor allem der qualitativ anspruchsvollere Teil der betrieblichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen noch immer vornehmlich an auswärtige Anbieter zu richten, während ostdeutsche Betriebe in westdeutschem oder ausländischem Besitz sogar ganz allgemein vornehmlich auf entsprechende Leistungen der Muttergesellschaft oder auf deren angestammte Lieferanten zurückgreifen. Der Aufbau der ostdeutschen Wirtschaft leidet also nicht nur darunter, daß es den Betrieben in ihrer großen Mehrzahl noch immer nicht richtig gelungen ist, sich als Partner in den überregionalen Leistungsverbund einzugliedern, sondern auch darunter, daß die bislang aufgebauten und gerade für eine mittelständische Wirtschaft so wichtigen innerregionalen Leistungsverflechtungen qualitativ nur wenig Entwicklungschancen bieten.
Positiv zu bemerken ist demgegenüber, daß nahezu zwei Drittel (64 Prozent) der befragten Betriebe neben ihren normalen Geschäftsbeziehungen in unternehmensübergreifenden Kooperationsbeziehungen engagiert sind. Nach den Jahren planwirtschaftlicher Gängelung ist es keineswegs selbstverständlich, daß ostdeutsche Kleinbetriebe offenbar stärker in Kooperationsnetzwerken eingebunden sind als Kleinbetriebe in Westdeutschland. Daß sich darin eine gleichsam umweltoffenere Verhaltensorientierung vor allem ostdeutscher Betriebsinhaber widerspiegelt, deutet sich darin an, daß vor allem solche Betriebe mit anderen Unternehmen kooperieren, die sich mehrheitlich im Besitz ostdeutscher Eigentümer befinden. Andererseits spielen dabei aber offenkundig auch die persönlichen und institutioneilen Anknüpfungsmöglichkeiten eine Rolle: So kooperieren insbesondere diejenigen Kleinunternehmen, die bereits zu DDR-Zeiten als Betrieb oder Betriebsteil existiert haben und die nach ihrer Privatisierung von ehemaligen Betriebsangehörigen fortgeführt werden; Betriebe in westdeutschem (Konzern-) Besitz arbeiten demgegenüber vornehmlich mit anderen Betrieben innerhalb des eigenen Unternehmensverbundes zusammen, oder sie kooperieren in den alten Netzwerken der Muttergesellschaft, kaum jedoch im engeren regionalen Umfeld. Wie bei den Lieferverflechtungen ist also auch mit Blick auf die Kooperationsnetzwerke festzuhalten, daß die Übernahme eines Betriebes durch einen westdeutschen oder auslän35 dischen Eigner nicht selten gleichsam zu einer regionalen Entwurzelung der betreffenden Betriebe geführt hat, so daß die mit der Betriebsübernahme erfolgte Einbindung in die angestammten Liefer-und Leistungsverflechtungen der auswärtigen Eigner in der Regel ohne große Ausstrahlung auf die übrige regionale Wirtschaft bleibt.
Nur wenige ostdeutsche Betriebe nutzen Kooperation allerdings tatsächlich auch als strategisches Instrument der Unternehmens-und Marktentwicklung. Für die große Mehrheit der Betriebe hat diese eher beiläufigen Gelegenheitscharakter oder sie wird nur sehr zögerlich auf ein enges Feld begrenzt, ohne ihre Potentiale wirklich auszuloten und auszuschöpfen. Immerhin rund ein Drittel der Kooperationsbetriebe (oder rund 20 Prozent der Stichprobe) zeigen jedoch ein durchaus ambitioniert zu nennendes Kooperationsmuster, das heißt, sie haben aktiv und gezielt nach geeigneten Kooperationspartnern gesucht, sie arbeiten mit vergleichsweise vielen Partnern zusammen, und zwar nicht nur aus dem engeren regionalen Umfeld, und relativ häufig geht es in diesen Kooperationen um die gemeinschaftliche Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. 3. Kleinbetriebliche Handlungsfähigkeit Gemeinhin wird Kleinbetrieben ein im Vergleich zu größeren Unternehmen begrenzterer Handlungs-und Entscheidungsspielraum zugesprochen. Überleben und Piosperität, so die verbreitete Auffassung, sichern sie sich weniger durch langfristig angelegtes strategisches Handeln als vielmehr durch die hochflexible Anpassung an die sich ändernden Markterfordernisse. Tatsächlich ist jedoch kein Betrieb gänzlich frei in der Wahl seines Weges zum wirtschaftlichen Erfolg; bei aller Flexibilität unterliegen auch Kleinbetriebe einer gewissen „Pfadabhängigkeit“ der Entwicklung, das heißt, sie sind in ihren Handlungsmöglichkeiten durch ihre Traditionen, überkommenen Ressourcenausstattungen und spezifischen Umfeldbedingungen beschränkt. Durch diese Beschränkung erfolgt nun allerdings keine eindeutige Festlegung; es verbleiben Freiräume, die dem jeweiligen betrieblichen Management durchaus strategische Weichenstellungen erlauben. Im Rahmen der hier referierten Untersuchung verdichteten sich die unterschiedlichen Gemengelagen aus betrieblicher Vorprägung, aktuellen Rahmenbedingungen und Managementhandeln zu drei typischen Handlungsmustern. a) So zeichnet sich eine Gruppe der untersuchten Betriebe (36 Prozent) durch ein wenig innovatives, wenngleich vergleichsweise breites Leistungsspektrum aus. Sie arbeiten nachfrageorientiert, das heißt, sie passen ihr Produktprogramm bzw. Leistungsprofil sehr variabel an veränderte Nachfragewünsche an. Betriebe dieses Typs sind gezielt in Marktbereiche hinein gegründet oder durch entsprechende Reorganisation neu positioniert worden, wo unmittelbar nach der politischen Wende ein offenkundiger Nachholbedarf sowohl auf der Nachfrage-als auch auf der Angebotsseite bestanden hat: insbesondere im Baugewerbe, im Handwerk und wohl auch in dem hier nicht näher untersuchten Bereich der haushaltsorientierten Dienstleistungen. Die meisten dieser Betriebe konnten in der Vergangenheit expandieren -Umsatz und Beschäftigung nahmen zu -, die Mehrzahl ist dabei jedoch mit bis zu 20 Beschäftigten sehr klein geblieben. Probleme ergaben sich bislang vornehmlich durch nicht vorhersehbare quantitative Auftragsschwankungen, die -in Verbindung mit der verbreiteten Eigenkapitalschwäche -mitunter auch schon zu gravierenden Existenzgefährdungen geführt haben. Heute, wo die Konkurrenz deutlich zugenommen hat, können sich viele Betriebe dieses Typs auf mehr oder minder gefestigte Marktkontakte bzw. einen gewissen Bekanntheitsgrad stützen. Aufgrund ihres wenig festgelegten Leistungsprofils und ihrer hohen Anpassungsfähigkeit an wechselnde Auftragslagen können sie als offener Betriebstypus bezeichnet werden, der sich vornehmlich über seine Flexibilität im Wettbewerb zu behaupten sucht. b) Im Unterschied dazu fällt bei der zweiten Gruppe (29 Prozent) ein zwar ebenfalls wenig innovatives, dafür aber scharf profiliertes und vergleichsweise starres Leistungsprogramm auf. Diese Betriebe sind mehr oder weniger stark darauf angewiesen, daß für ihr jeweiliges Leistungsangebot eine ausreichende Nachfrage besteht: Obgleich es sich bei ihnen zumeist um größere Kleinbetriebe (mit 50 bis 100 Beschäftigten) handelt, verfügen sie kaum über ausreichende Ressourcen, um ihr Produktspektrum zu verändern und neue Märkte zu erschließen. Häufig als Privatisierungen aus größeren Betrieben hervorgegangen, litten sie in der Anfangsphase nicht selten unter ihrem „Erbe“ an veralteter Technik und eingefahrenen Organisationsstrukturen; gleichzeitig standen sie von Anfang an unter starkem Wettbewerbsdruck und vor erheblichen Marktzugangsbarrieren. Auch nach der Privatisierung hatten viele Betriebe dieses Typs daher noch enorme Rückgänge bei Umsatz und Beschäftigung zu verkraften, die zum Teil jedoch auch auf gezielte „Rückbaumaßnahmen“ zurückgingen, mit denen versucht wurde, das jeweilige Unternehmen auf seine produktive Substanz zu reduzieren. Die dabei zunächst angestrebte „Grundsanierung“ zielte vornehmlich auf eine Verbesserung der Produktivität durch Rationalisierung; eine Modernisierung des Leistungsprogramms fand dagegen allenfalls in begrenztem Umfang statt. Die meisten Betriebe dieses Typs litten denn auch zur Zeit der Befragung trotz drastischer Schrumpfung noch immer an Überkapazitäten und einem Personalüberhang. Wegen des Festhaltens an ihrem überkommenen Leistungsangebot, das sie weniger durch Marktbeobachtung als durch kostenorientierte Rationalisierung vergleichsweise eng profiliert haben, lassen sich diese Unternehmen als determinierte Betriebe bezeichnen, die ihre Chance vornehmlich im Preiswettbewerb suchen. c) Bei der dritten Gruppe schließlich (30 Prozent) handelt es sich um Betriebe, die im Unterschied zu den „offenen“ Betrieben ebenfalls über ein spezifisches Leistungsangebot verfügen, das aber -im Unterschied zu den „determinierten“ Betrieben -stark innovativ geprägt ist. Diese Betriebe setzen nicht auf eine bestehende Nachfrage, sondern sie sind aktiv darum bemüht, für ihre Produkte und Dienstleistungen, die entweder gänzlich neu sind oder aber zumindest im jeweiligen regionalen Umfeld oder Branchenkontext eine gewisse Alleinstellung für sich reklamieren können, einen Markt zu schaffen. Betriebe dieses Typs agieren also eher angebotsorientiert. Entstanden sind sie vor allem auf dem Wege von Ausgründungen wissensbasierter Betriebsteile, oder sie gingen aus abgewickelten Wissenschaftseinrichtungen hervor, deren Mitarbeiter die Möglichkeit sahen, sich mit ihrem technisch-methodischen Wissen selbständig zu machen. Auch hier gab es also keine „Stunde Null“. Neugründungen dieser Art konnten in der Regel auf eine vorhandene innovative Produktidee und das entwickelte Know-how der Gründer aufbauen, während in den entsprechenden Aus-gründungen die übernommenen Traditionen und Ressourcen vorteilhaft für die betriebliche Modernisierung und Neuausrichtung genutzt werden konnten; wo dies nicht der Fall war, ist in diesen Betrieben radikal mit ihnen gebrochen worden. Betriebe dieses Typs starteten mit kleiner Belegschaft (bis 20 Mitarbeiter) und konnten in der Folge mehrheitlich expandieren. Weil sie eher angebotsorientiert vorgehen und aktiv versuchen, dem Markt mit eigenständigem Produktprofil ihren Stempel aufzudrücken, können sie in Abgrenzung zu den beiden eher reaktiv agierenden Typen als prägende Betriebe klassifiziert werden.
IV. Ausblick: Hoffnung auf Pionierbetriebe
Die Restrukturierung der DDR-Wirtschaft in Hinblick auf die Unternehmensgrößenverteilung verdient angesichts ihrer Radikalität und ihres Tempos durchaus das Prädikat „revolutionär“. Gleichzeitig ist zu beobachten, daß sich die frühen Gründungen nicht nur durch eine höhere Überlebensquote, sondern auch durch eine prosperierendere Entwicklung auszeichnen. Offenbar hat hier 1990/91 so etwas wie ein „Startfenster“ kleinbetrieblicher Wirtschaftsentwicklung bestanden, das sich mittlerweile -„bis auf den üblichen Spalt“ -wieder geschlossen hat. Verwunderlich ist dies -zumindest im nachhinein -nicht: Zum einen gab es hier ein gleichsam aufgestautes Gründerpotential, zum anderen weite Bereiche unbefriedigter Nachfrage insbesondere im Handwerk und im Dienstleistungsbereich, die Kleinbetrieben ein weites Betätigungsfeld eröffneten. Inzwischen scheint jedoch der Gründungsstau weitestgehend aufgelöst und ein gewisses Sättigungsniveau erreicht zu sein. In diesem Sinne kehrt Normalität ein, und es gilt, einen Rückschlag zu vermeiden -ein Anknüpfen an die quantitative Dynamik der ersten „Wendejahre“ ist demgegenüber unrealistisch.
Die überwiegende Mehrzahl der im Rahmen der hier referierten Studie befragten Kleinbetriebe konnte in der Vergangenheit ein Umsatzwachstum verzeichnen, gut die Hälfte der Betriebe erwirtschaftete zum Befragungszeitpunkt 1995 einen Überschuß, und bei ebenfalls der Hälfte war bis dahin auch die Beschäftigungsentwicklung positiv. Andererseits hatte mehr als die Hälfte der untersuchten Betriebe in diesem Zeitraum zumindest einmal eine existenzbedrohende Krisensituation durchlebt, und in der Stichprobe insgesamt war die Beschäftigungsentwicklung seit der Wende in ihrer Summe negativ. Bei kaum einem Betrieb konnte zum Zeitpunkt der Befragung von einer abgeschlossenen Konsolidierung bzw. von einer nachhaltig gesicherten Etablierung am Markt gesprochen werden. Um so schwerer fallen Aussagen über die Zukunft. Dennoch lassen sich einige „bedingte Prognosen“ aufstellen, die sich an den unterschiedlichen Kontextbedingungen der Betriebe, vor allem aber an den Unterschieden in der betrieblichen Handlungsfähigkeit und Strategie-orientierung festmachen lassen. Hier läßt sich dann auch zu der Frage Stellung beziehen, ob Kleinbetriebe zu Recht die Hoffnungsträger des Transformationsprozesses sind oder ob sie eher die Rolle des Lückenbüßers einnehmen.
Wenig überraschend ist, daß sich dabei eine pauschalisierende Antwort verbietet. Die größte Skepsis ist offenkundig in Hinblick auf die Betriebe des determinierten Typs angezeigt: Ohne die finanzielle Kraft für eine grundlegende Erneuerung sowie ohne eine Managementvision zur Profilierung und Markterschließung dürften viele dieser Betriebe mit ihren austauschbaren Produkten einen auf Dauer hoffnungslosen Kampf im Preiswettbewerb führen, den sie ohne grundlegenden Strategiewechsel wohl spätestens dann verloren haben werden, wenn die Wirtschaftsgrenzen gegenüber den sich zunehmend konsolidierenden Staaten Mittel-und Osteuropas fallen. Kleinbetriebe dieses Typs können zwar, wenn sie über etablierte Produkte und Kundenbeziehungen verfügen, durchaus eine rentierliche Marktnische besetzen. Bei der Mehrzahl der erfaßten Unternehmen dieses Typs fehlen jedoch diese Voraussetzungen, und ohne Zugang zu den eingespielten Lieferbeziehungen großer Abnehmer dürfte die Mehrzahl von ihnen die mindestoptimale Betriebsgröße verfehlen -ein Nachteil, den sie nur kurzzeitig durch geringe Renditen und niedrige Löhne ausgleichen können. Kleinbetriebe dieses Typs sind daher wohl mehrheitlich eher zu den Lücken-büßern des Transformationsprozesses zu zählen, die in ihrer Nische allenfalls ein Reservat auf Zeit gefunden haben.
Weitaus unbestimmter erscheinen demgegenüber die Perspektiven der Betriebe des offenen Typs: Diese Betriebe schwimmen mit der Nachfrage -sie bekommen Auftrieb, wenn die Nachfrage wächst; ebenso leicht werden sie jedoch auch in den Sog einer allgemein nachlassenden Nachfrage gerissen. Prekär ist diese Abhängigkeit vom Nachfragetrend vor allem in Ostdeutschland, wo viele dieser Betriebe in einen aufgestauten Nachholbedarf hinein gegründet worden sind, der sich bei weiter anhaltender wirtschaftlicher Schwäche nur solange nachfragewirksam auflöst, wie die transfergestützte Kaufkraft dafür ausreicht. Typischerweise handelt es sich bei der Mehrzahl dieser Betriebe in der Stichprobe um konsumnahe Anbieter und um Unternehmen des Baugewerbes, das seinen frühen Entwicklungsboom einer Nachfrage verdankte, die hochgradig subventioniert war oder unmittelbar auf die öffentliche Hand zurückging. Mit anderen Worten: Die weiteren Entwicklungsperspektiven dieses Betriebstyps dürften wesentlich von der Aufrechterhaltung der gestützten Nachfrage oder von den Konsolidie37 rungsfortschritten der ostdeutschen Wirtschaft abhängig sein. Zu letzterem können die Betriebe dieses Typs aber nur indirekte Beiträge leisten, etwa wenn sie als flexible Zulieferer oder Service-anbieter in den Wertschöpfungsverbund überregional konkurrierender Produktions-oder Dienstleistungsunternehmen eingebunden werden -in dieser Option sind sie jedoch abhängig von anderen, so daß auch diese Gruppe kaum zu den eigentlichen Hoffnungsträgern zu rechnen ist.
Diese Rolle ist am ehesten den Betrieben des prägenden Typs zuzuschreiben, und zwar nicht nur aufgrund ihrer bisherigen Entwicklung und ihres vornehmlich auf Firmenkunden ausgerichteten Angebotsprofils, sondern auch weil sie mit ihrer Strategieorientierung und ihrer wenn auch begrenzten Ressourcenausstattung selbst aktiv auf die Schaffung eines Marktes für ihr Leistungsprogramm drängen. Doch auch die Beiträge dieser Teilgruppe zum wirtschaftlichen Neuaufbau dürfen nicht überschätzt werden: Viele von ihnen haben sich mit ihrer Produktidee festgelegt; gelingt es ihnen nicht, sich damit in überschaubarer, das heißt angesichts der geringen Eigenkapitaldecke in relativ kurzer Zeit nachhaltig auf dem Markt zu etablieren, so bleibt kaum Kraft für einen zweiten Versuch. Die noch immer schwache industrielle Basis, die seit der Entflechtung der Kombinate geringe Ausstattung der ostdeutschen Wirtschaft mit Headquarter-Funktionen und die immer noch nur schwach entwickelten regionalen Lieferverflechtungen insbesondere im Bereich höherwertiger Produkte und Dienstleistungen machen jedoch auch diesen Betrieben selbst bei nachgewiesener Leistungsfähigkeit den Marktzugang nicht leicht.
Angesichts dieser Situation wird der Entwicklungsbeitrag des kleinbetrieblichen Sektors zum wirtschaftlichen Neuaufbau in Ostdeutschland weniger von der Dynamik des weiteren Gründungsgeschehens abhängen als vielmehr von der Wachstumsstärke der schon bestehenden Jungunternehmen. Dabei wird man nicht an alle Betriebe die gleichen Erwartungen richten können; am ehesten noch sind nachhaltige Entwicklungsbeiträge, wie gesagt, von den Kleinunternehmen des prägenden Typs mit ihrem innovativen, nachfragestimulierenden Angebotsinitiativen zu erwarten. In Anbetracht der einzelbetrieblich notwendigerweise begrenzten Kompetenz-und Ressourcenausstattung von Kleinbetrieben dürften sich dabei wiederum vor allem solche Betriebe als wettbewerbsstark erweisen, die ihre Handlungs-und Entwicklungsspielräume im spezialisierten, wissensbasierten Leistungswettbewerb suchen, dabei gezielt auf unternehmensübergreifende Kooperation als strategische Entwicklungsoption zurückgreifen und einen entsprechenden Stil auch innerhalb ihres Unternehmens, das heißt in ihrer Leistungs-und Entgeltpolitik, pflegen. Die eigentlichen Hoffnungsträger unter den ostdeutschen Kleinbetrieben sind damit jene, die sich gleichzeitig durch eine (struktur) prägende Handlungsfähigkeit und Strategieorientierung, durch ein integratives Personaleinsatzmuster und durch ein ambitioniertes Kooperationsverhalten auszeichnen. In der Untersuchungsstichprobe -an deren spezifisch eingegrenzte Betriebsauswahl hier nochmals zu erinnern ist -traf dies auf immerhin jeden elften Betrieb zu. Es ist dieser Typus von Kleinbetrieb, der -nicht nur in den neuen Bundesländern -zum Leitbild einer nachhaltigeren Kleinbetriebs-und Gründungsförderung gemacht werden sollte.
Klaus Semlinger, Dr. rer. oec., geb. 1953; Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (FHTW); Arbeitsschwerpunkte: Kleinbetriebs-und Kooperationsforschung, Arbeitsmarkt-und Regionalpolitik.
Ihre Meinung ist uns wichtig!
Wir laden Sie zu einer kurzen Befragung zu unserem Internetauftritt ein. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um uns bei der Verbesserung unserer Website zu helfen. Ihre Angaben sind anonym.