Trotz der langen Übergangsphase, die im Vertrag von Maastricht für die Einführung der Europäischen Währungsunion (EWÜ) vorgesehen worden ist, besteht in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung noch immer eine deutliche Verunsicherung über die mit der Einführung des Euro zusammenhängenden Fragen. Wird der Euro eine ebenso harte Währung wie die D-Mark werden? Welche Vorteile haben die deutschen Unternehmen und Arbeitnehmer von der Einführung des Euro zu erwarten? Ist damit zu rechnen, daß die Europäische Währungsunion zu ähnlich hohen Transfers führen wird wie die deutsch-deutsche Währungsunion? Welche Risiken ergeben sich daraus, daß das Instrument der Wechselkursanpassung von 1999 an nicht mehr zur Verfügung stehen wird? Kann eine gemeinschaftliche europäische Geldpolitik auch dann funktionieren, wenn es auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird, eine umfassende politische Union in Europa zu installieren?
I. Übersicht
Die lange Übergangsphase, die im Vertrag von Maastricht für die Einführung der Europäischen Währungsunion (EWU) vorgesehen worden ist, geht nun langsam zu Ende. Obwohl seit der Unterzeichnung dieses Abkommens nun schon fast sieben Jahre vergangen sind, besteht zumindest in Teilen der deutschen Bevölkerung noch immer eine deutliche Verunsicherung über die Auswirkungen dieses Regimewechsels. Bei der großen Tragweite, die der Übergang von der D-Mark zu einer europäisch verfaßten Geld-und Währungsordnung bedeutet, ist dies nicht überraschend. Um so wichtiger ist es daher, daß Klarheit zumindest über die zentralen Fragen besteht: Wird der Euro eine ebenso harte Währung wie die D-Mark werden? Welche Vorteile haben die deutschen Unternehmen und Arbeitnehmer von der Einführung des Euro zu erwarten? Ist damit zu rechnen, daß die Europäische Währungsunion zu ähnlich hohen Transfers führen wird wie die deutsch-deutsche Währungsunion? Welche Risiken ergeben sich daraus, daß das Instrument der Wechselkursanpassung von 1999 an nicht mehr zur Verfügung stehen wird? Kann eine gemeinschaftliche europäische Geldpolitik auch dann funktionieren, wenn es auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird, eine umfassende politische Union in Europa zu installieren? Im folgenden soll versucht werden, Antworten hierfür zu entwickeln. Dabei sollen -soweit wie möglich -sehr robuste theoretische Wirkungszusammenhänge verwendet werden, wobei es allerdings in der Natur volkswirtschaftlicher Theoreme liegt, daß alle zukunftsgerichteten Aussagen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind.
II. Wird der Euro so stabil wie die D-Mark?
Abbildung 2
Schaubild 2: Realer Außenwert der D-Mark berechnet auf Lohnstückkostenbasis* (1990 = 100) Quelle: IMF Financial Statistics.
Schaubild 2: Realer Außenwert der D-Mark berechnet auf Lohnstückkostenbasis* (1990 = 100) Quelle: IMF Financial Statistics.
In ihrer fast fünfzigjährigen Geschichte war die D-Mark neben dem Schweizer Franken eine der weltweit stabilsten Währungen. Gleichwohl belief sich der durchschnittliche jährliche Kaufkraftverlust in Deutschland auf immerhin knapp 3 Prozent -mit Spitzenwerten von 7, 0 Prozent im Jahr 1973 und 6, 3 Prozent im Jahr 1981. Einige deutsche Ökonomen vertreten nun die Meinung, daß der Euro diesem Standard nicht gerecht werden kann: „Die Europäische Zentralbank wird -trotz weitgehender Unabhängigkeit -Preisstabilität in Europa nicht durchsetzen, weil es für sie aufgrund unterschiedlicher Interessen der nationalen Entscheidungsträger keinen genügend starken Anreiz gibt, dies zu wollen.“
Aus theoretischer Sicht hängt es vor allem von drei Faktoren ab, wie hoch die Inflationsrate einer bestimmten Währung ausfällt:, der Geldpolitik, der Lohnpolitik und -mit großen Einschränkungen -der Fiskalpolitik.
1. Zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank
Es ist in der Ökonomie heute sicherlich unstrittig, daß Inflation in erster Linie als ein monetäres Phänomen anzusehen ist Es wird also vor allem am geldpolitischen Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen, ob der Euro eine harte oder eine weiche Währung werden wird. Während es nun sicherlich nicht möglich ist, die Entscheidungsprozesse der zukünftigen Mitglieder des EZB-Rates konkret vorherzusagen, bietet die intensive theoretische Diskussion zur Unabhängigkeit der Notenbank eine recht verläßliche Grundlage, um zumindest die große Richtung der EZB Politik zu prognostizieren. In den letzten 25 Jahren hat sich nämlich weltweit ein recht eindeutiger Zusammenhang zwischen dem Grad an Notenbankunabhängigkeit und der Geldwertstabilität gezeigt; d. h. Notenbanken, die ihre Entscheidungen frei von politischer Einflußnahme treffen konnten, waren in der Regel sowohl willens als auch fähig, eine niedrige Inflationsrate anzusteuern. Aus theoretischer Sicht ist dieser Zusammenhang recht einfach zu erklären. Unabhängigkeit einer Notenbank bedeutet vor allem, daß die Regierung keine direkten Anweisungen an die Notenbankleitung geben darf, daß die geldpolitischen Entscheidungsträger für Zeiträume bestellt werden, die länger sind als die nationalen Legislaturperioden, und daß Geldpolitik auch nicht auf indirektem Wege (insbesondere in der Form einer notenbank-finanzierten Staatsverschuldung) von der Regierung unterlaufen werden kann.
Im Ergebnis ist es einer Regierung dann nicht möglich, in die laufende Geldpolitik einzugreifen. Auf längere Sicht steht es den Politikern allerdings durchaus offen, unfähige Notenbanker nicht wiederzuernennen oder auch die Notenbankverfassung zu modifizieren. Für die Verantwortlichen in der Notenbank bedeutet dies, daß sie bei ihren geldpolitischen Entscheidungen grundsätzlich mit einem längerfristigen Zeithorizont zu operieren haben. Es ist aus ihrer Sicht also wenig sinnvoll, eine inflationäre Geldpolitik zu betreiben, deren positive Effekte bekanntlich vor allem kurzfristiger Natur sind, während auf längere Sicht die Nachteile eindeutig überwiegen. Konkret: Für einen Notenbankmanager, der noch eine Amtszeit von z. B. fünf Jahren vor sich hat, besteht so kaum eine Veranlassung, eine kurzfristige Konjunkturstimulierung zu betreiben. Selbst wenn er damit einer gerade regierenden Partei zu Gefallen sein wollte, müßte er damit rechnen, daß diese Partei in fünf Jahren nicht mehr an der Macht ist oder aber daß die Politiker dann die heutige konjunkturelle Unterstützung schon längst vergessen und nur noch die unzureichende Stabilitätspolitik der Notenbank vor Augen haben.
Es liegt also in der Logik der Notenbankunabhängigkeit begründet, daß die Geldpolitik dann unter einer längerfristigen Perspektive geführt wird Damit ist es wenig wahrscheinlich, daß eine unabhängige Notenbank eine rein kurzfristig angelegte inflatorische Geldpolitik betreiben wird, wie man sie in den siebziger Jahren in zahlreichen europäischen Ländern mit politisch abhängigen Notenbanken hat beobachten können.
Entscheidend für die Stablität des Euro ist dabei, daß die Verfassung der EZB, wie sie in den Artikeln 105 bis 109 b des Vertrags von Maastricht fixiert worden ist, allen theoretischen Ansprüchen an eine stabilitätsorientierte Notenbankverfassung uneingeschränkt genügt Im Vergleich zum Bundesbankgesetz weist die Währungsordnung der EZB sogar deutliche Vorzüge auf: Als Bestandteil des EG-Vertrages können die dafür einschlägigen Bestimmungen nur dann geändert werden, wenn eine solche Modifikation von allen 15 EU-Ländern ratifiziert wird. Das Statut der EZB besitzt damit gleichsam Verfassungsrang. Das Bundesbankgesetz kann demgegenüber jederzeit durch eine einfache Gesetzesänderung angepaßt werden. Auch die Zielformulierung ist für die EZB deutlicher als für die Bundesbank. Während die EZB eindeutig auf das Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist, spricht das Bundesbankgesetz nur von der Aufgabe, „die Währung zu sichern“ (Artikel 3).
Alles in allem ist aufgrund der hohen Unabhängigkeit der EZB davon auszugehen, daß ihre Entscheidungsträger in gleicher Weise wie die Mitglieder des Zentralbankrates der Bundesbank bestrebt sein werden, ihre Entscheidungen unter einem längerfristigen Zeithorizont zu treffen. Damit ist es wenig wahrscheinlich, daß die Inflationsrate in Deutschland von 1999 an systematisch höher sein wird, als dies in den letzten 50 Jahren der Fall gewesen ist. Die Erfahrung mit der Deutschen Bundesbank verdeutlicht aber auch, daß man von der EZB nun nicht eine durchschnittliche Inflationsrate von Null erwarten sollte. Zum einen zeigen viele Studien, daß es wegen statistischer Probleme durchaus angemessen ist, auch eine Inflationsrate von rund zwei Prozent noch mit „Geldwertstabilität“ gleichzusetzen Zum anderen kann es im Fall gravierender Angebotsschocks, wie z. B. den Ölkrisen der frühen siebziger und achtziger Jahre, durchaus sinnvoll sein, nicht unmittelbar zu einer stabilitätskonformen Infla tionsrate zurückzukehren. Die Bundesbank hat daher in solchen Phasen mit dem Konzept eines „unvermeidlichen Preisanstiegs“ operiert
2. Zum Einfluß der Lohnpolitik
In der aktuellen Debatte wird häufig übersehen, daß der Lohnpolitik eine wichtige Bedeutung für die Geldwertstabilität zukommt. Bei einer zurückhaltenden Lohnpolitik sind die Preisauftriebstendenzen grundsätzlich gering. Die Notenbank kann sich dann darauf verlegen, eine eher passive Haltung einzunehmen. In Phasen mit aggressiven Verteilungskämpfen und einem daraus resultierenden Kosten-und Inflationsdruck kann eine unabhängige Notenbank zwar ebenfalls Geldwertstabilität durchsetzen, sie muß dafür aber nicht unerhebliche Einbußen beim Output und der Beschäftigung hinnehmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die deutsche Geldpolitik in den Phasen der beiden Ölkrisen. Umgekehrt zeigt die Erfahrung aus dieser Zeit auch, daß es vor allem Länder mit abhängigen Notenbanken und starken Verteilungskämpfen gewesen sind, die besonders unter der Inflation zu leiden hatten Für die EZB ergibt sich daraus ein recht positiver Ausblick. Schon jetzt ist deutlich zu erkennen, daß der Einfluß der Gewerkschaften und damit auch die Streikaktivitäten in ganz Europa erheblich zurückgegangen sind. Bei der hohen Arbeitslosigkeit in allen EU-Ländern und dem eher noch steigenden Wettbewerbsdruck durch Niedriglohnländer in Osteuropa und Asien ist auf absehbare Zeit nicht damit zu rechnen, daß es in den EWU-Ländern zu ähnlichen Verteilungskämpfen kommen wird wie in den siebziger Jahren. In den Anfangsjahren der EZB dürfte also kaum mit größeren Belastungen durch die Lohn-politik zu rechnen sein. Es ist daher auch kaum wahrscheinlich, daß die EZB unmittelbar mit der politisch schwierigen Aufgabe konfrontiert werden wird, eine Kosteninflation mittels einer Rezession brechen zu müssen.
3. Die Rolle der Fiskalpolitik
Die Bedeutung der Fiskalpolitik für die Geldwert-stabilität wird in der derzeitigen politischen Diskussion weithin überschätzt. Es trifft zwar zu, daß alle großen Inflationen auf eine exzessive Ausgabenpolitik des Staates zurückzuführen sind. Dabei wird aber übersehen, daß dies zugleich voraussetzt, daß die Staatsdefizite von der Notenbank finanziert werden. Genau dessen waren sich die Autoren des Vertrages von Maastricht bewußt. Deshalb haben sie in Artikel 104 jegliche Kreditgewährung der EZB (sowie der nationalen Notenbanken) an öffentliche Schuldner in den EU-Ländern ausdrücklich untersagt. Unter diesen Bedingungen sind die Staaten also gezwungen, ihre Defizite stets über den Kapitalmarkt und das Bankensystem zu finanzieren. Ein Zusammenhang zwischen den Staatsdefiziten und dem Geldangebot der EZB ist daher grundsätzlich nicht gegeben. Es ist folglich aus theoretischer Sicht überhaupt nicht nachzuvollziehen, wenn einige deutsche Politiker die Härte des Euro davon bestimmt sehen, ob die Haushaltsdefizite im Jahr 1997 über oder unter der völlig willkürlich gesetzten Marge von 3, 0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen So hat z. B. Deutschland im Jahr 1996 eine -auch für deutsche Verhältnisse -sehr niedrige Inflationsrate von 1, 5 Prozent erreichen können, obwohl das Defizit rund einen halben Prozentpunkt über dem Schwellenwert von 3, 0 Prozent lag. Der sehr geringe Einfluß der Neuverschuldung auf die Inflationsrate zeigt sich auch bei internationalen Querschnitts-und Längsschnittsanalysen
Ganz offensichtlich ist es in der Öffentlichkeit noch nicht hinlänglich deutlich geworden, daß sich die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Fiskalpolitik mit dem Vertrag von Maastricht grundlegend gewandelt hat. Bei einer politisch abhängigen nationalen Notenbank bedeuteten hohe Staatsdefizite in der Tat ein hohes Inflationsrisiko: Der Staat finanzierte sich entweder unmittelbar bei der Notenbank, oder die Regierung nutzte die politisch abhängige Geldpolitik, um ihre ausstehenden Staatsschulden inflatorisch zu entwerten.
Da es in solchen Ländern zudem auch noch umfangreiche Kapitalverkehrskontrollen gab, blieb den Privaten oft keine andere Wahl, als eine solche Behandlung zähneknirschend zu tolerieren. Mit dem Vertrag von Maastricht, der jegliche Kapitalverkehrskontrollen innerhalb der Gemeinschaft ausschließt, wird das traditionelle Inflationsrisiko einer überhöhten Staatsverschuldung in ein Insolvenzrisiko transformiert. Wenn also die Haushalts-politik in einzelnen EU-Ländern Anlaß zur Sorge geben sollte, dann nur deshalb, weil sich daraus eine Situation entwickeln könnte, die zur Insolvenz eines Mitgliedstaates führt. Nachteilig hierbei wäre allein, daß nunmehr die anderen Länder für diese Schulden -zumindest teilweise -einstehen müßten um die Stabilität des betreffenden nationalen Finanzmarktes zu sichern. Problematisch ist eine hohe Staatsverschuldung heute also wegen ihrer innergemeinschaftlichen Verteilungswirkungen, nicht aber wegen ihrer inflationären Impulse.
Mit dem Stabilitäts-und Wachstumspakt wurde ein Versuch unternommen, solche Prozesse von Anfang an zu vermeiden. M. E. wäre es für die fiskalpolitische Disziplin in Europa darüber hinaus sehr hilfreich, wenn Staatskredite in den bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen der Gemeinschaft nicht mehr als völlig sichere Aktiva behandelt würden. Eine gewisse Risikovorsorge der Banken für den Fall eines Staatsbankrotts könnte erheblich dazu beitragen, einen solchen „worst case“ grundsätzlich zu verhindern
4. Die Einschätzung der Finanzmärkte
Die hier vorgetragene Prognose eines „harten“ Euro deckt sich sehr weitgehend mit der Einschätzung der internationalen Finanzmärkte. Wichtigster Indikator für die Inflationserwartungen der Anleger sind die langfristigen Zinsen. Diese setzen sich zusammen aus einer „realen“ Komponente, d. h. einer Ertragsrate, die der Konsumverzicht in einem Umfeld ohne Inflation erbringen würde, und einem Ausgleich für die erwartete Inflationsrate. Da sich die Realzinsen eher träge entwickeln, kann man daher an den Schwankungen der langfristigen Zinsen recht gut die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer ablesen.
Für die Umlaufrendite der D-Mark, die einen gewogenen Durchschnitt von längerfristigen Zinssätzen abbildet, zeigt sich dabei ein erstaunlicher Befund (Schaubild 1). Während diese Rate in der gesamten Nachkriegszeit nie nennenswert unter der Schwelle von sechs Prozent lag, bewegt sie sich seit zwei Jahren deutlich darunter. Da sich nun der Anlagezeitraum der entsprechenden Titel deutlich in die Zeit nach 1998 erstreckt, sind die Anleger weltweit offensichtlich der Überzeugung, daß der Euro eher eine noch stabilere Währung als die D-Mark werden wird.
Wenig überzeugend ist dabei die manchmal geäußerte Behauptung, die Abwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar, die vom Frühjahr 1996 bis zum Sommer 1997 andauerte, sei ein Indiz für ein Mißtrauen gegenüber dem Euro. Bei dieser Sichtweise würde man verkennen, daß derartige Schwankungen beim D-Mark/Dollar-Kurs in der Vergangenheit recht häufig aufgetreten sind, ohne daß dies mit einem Euro-Effekt hätte erklärt werden können. Zur Verdeutlichung der Größenordnungen sei auf die Abwertung der D-Mark in der Phase von 1980 bis 1985 verwiesen, wo eine Bewegung des Dollarkurses von rund 1, 80 DM auf bis zu 3, 47 DM aufgetreten war.
III. Die Vorteile der Währungsunion
Noch immer findet man recht häufig die Auffassung. die Währungsunion bringe für Deutschland keinerlei wirtschaftliche Vorteile. Wenn diese Vorstellung weit verbreitet ist, liegt dies vor allem daran, daß die Bedeutung des Wechselkurses für den Arbeitsmarkt meist weder in der ökonomischen Theorie noch in der wirtschaftspolitischen Diskussion vollständig erfaßt wird.
1. Währungsunion und Beschäftigung
Unstrittig dürfte sein, daß die nationalen Arbeitsmärkte mit dem Prozeß der Globalisierung zunehmend in ein wechselseitiges Konkurrenzverhältnis treten. Die international agierenden Unternehmen fragen Arbeitskräfte dort nach, wo sie -unter Berücksichtigung der Produktivität -am billigsten verfügbar sind. Der Preis, zu dem die nationalen Arbeitsmärkte Arbeitskräfte anbieten, wird dabei bestimmt durch die nationalen Lohnkosten und den Wechselkurs. Damit die nationalen Lohnkosten international vergleichbar werden, müssen sie über einen gemeinsamen Wechselkurs, z. B. gegenüber dem US-Dollar, umgerechnet werden. Bei dieser Sichtweise wird unmittelbar deutlich, daß Wechselkursschwankungen nicht anders zu beurteilen sind als Änderungen der Lohnkosten durch nationale Tarifabschlüsse. Das bedeutet auch, daß man den weithin geteilten Befund zu hoher Löhne mit Fug und Recht auch als eine Situation eines zu hohen Wechselkurses diagnostizieren kann.
Wie sehr die beschäftigungspolitische Diskussion noch im Denken geschlossener Volkswirtschaften verhaftet ist, zeigt sich daran, daß fast nahezu jeder deutsche Wirtschaftswissenschaftler die zu hohen Löhne beklagt während doch viele Ökonomen der Auffassung sind, daß die Wechselkurse in den letzten fünf Jahren durchaus angemessen gewesen seien.
Der massive Beschäftigungsrückgang in West-und Ostdeutschland, der sich von 1992 bis 1997 auf rund zweieinhalb Millionen Arbeitsplätze belief, ist also in erheblichem Maße auf die starke Aufwertung der D-Mark in den Jahren von 1992 bis 1995 zurückzuführen. Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (Schaubild 2) war das deutsche Lohnkostenniveau schon vor den EWS-Krisen als überhöht anzusehen (gemessen am realen Wechselkurs auf der Basis von Lohnstückkosten). Die Aufwertungswellen vom Herbst 1992, Sommer 1993 und Frühjahr 1995 haben diese Situation noch erheblich verschärft. Von 1991, dem letzten „ruhigen“ Jahr im EWS, bis 1995 ergab sich eine Aufwertung der D-Mark gegenüber den EU-Währungen um 17, 2 Prozent. In der gleichen Zeit betrug der Anstieg der deutschen Lohnstückkosten in nationaler Währung lediglich 7, 2 Prozent.
Die Währungsunion bringt damit eindeutige Vorteile für den deutschen Arbeitsmarkt und die deutsche Wirtschaft insgesamt. Im Warenaustausch mit den EU-Ländern, auf die etwa 60 Prozent des deutschen Außenhandels entfallen, schafft sie das Aufwertungsrisiko der D-Mark für immer aus der Welt. Damit entfällt ein ganz erheblicher Risiko-faktor des „Standorts Deutschland“. Während Investoren unter den Verhältnissen des Status quo immer davon ausgehen müssen, daß eine Anlage, die sich bei den aktuellen Wechselkursen „rechnet“, jederzeit über Nacht obsolet werden kann, nur weil die D-Mark einen erneuten Aufwertungsschub erfahren hat, führt die Währungsunion dazu, daß Planungssicherheit geschaffen wird. Wer in Deutschland investiert und sich damit langfristig bindet, kann sich dann darauf verlassen, daß die gegebenen Kostenrelationen während der Laufzeit des Projekts nur noch von den nationalen Tarifabschlüssen bestimmt werden. Auch diese sind nicht vollständig prognostizierbar, doch halten sich die möglichen Abweichungen in einigermaßen geringen Grenzen. Oft wird dieser Argumentation entgegengehalten, die kräftige Exportentwicklung des Jahres 1997 zeige, daß es kein Kostenproblem in der deutschen Industrie gebe. Doch hier werden Ursache und Wirkung verwechselt. In der Tat sind die deutschen Unternehmen heute wieder sehr wettbewerbsfähig. Allerdings liegt das zum einen an der bereits erwähnten Abwertung der D-Mark und zum anderen daran, daß erhebliche Rationalisierungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, um sich auch noch bei dem überhöhten internationalen Kostenniveau am Weltmarkt halten zu können. Der Preis ist die hohe Arbeitslosigkeit. Die anhaltende Unsicherheit über die weitere Wechselkursentwicklung erklärt somit auch, wieso es trotz der eingetretenen D-Mark-Schwäche nicht zu nennenswerten Neueinstellungen gekommen ist. Unternehmen, die ihre Produktionsstruktur unter großen Mühen den Wechselkurs-und Kostenrelationen des Jahres 1995 angepaßt haben, schrecken sicherlich zu Recht davor zurück, ihre Belegschaften wieder nachhaltig auszuweiten.
Von einigen Kritikern der Währungsunion wird in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß die D-Mark auch in den siebziger und achtziger Jahren stark aufgewertet worden sei, ohne daß dies zu größeren Problemen geführt habe. Dabei wird jedoch übersehen, daß wir es heute mit einer grundlegend anderen Situation als damals zu tun haben. In diesen Phasen war die Inflationsrate in
Deutschland deutlich geringer als in den meisten anderen Ländern. Eine Aufwertung der D-Mark bedeutete damals, daß die deutschen Unternehmen auf einen gewissen Teil ihres Preis-und Kostenvorsprungs verzichten mußten. In den neunziger Jahren sind die Unterschiede in den Inflationsraten der EU-Länder verschwindend gering. Mit einer Höherbewertung der D-Mark kam es dann also unmittelbar zu einer Beeinträchtigung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit.
Die Währungsunion bietet also für Deutschland die große Chance, das erhebliche Standortrisiko gravierender Aufwertungen ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Damit besteht die berechtigte Hoffnung, daß es -nach den verschwindend geringen ausländischen Direktinvestitionen der letzten Jahre -in Zukunft wieder möglich sein wird, verstärkt ausländische Investoren für Deutschland zu interessieren.
2. Währungsunion und Geldpolitik
Auch ein zweiter wichtiger Vorteil der Währungsunion wird in der aktuellen Diskussion meist wenig beachtet. Er resultiert aus der Tatsache, daß es in Europa mit dem Binnenmarkt und den stark verbesserten Kommunikationstechnologien sehr bald zu einem einheitlichen Finanzmarkt kommen wird. Die Ländergrenzen werden also für Finanz-transaktionen bald kaum mehr eine Rolle spielen. So ist zum Beispiel damit zu rechnen, daß selbst Sichtguthaben vermehrt bei ausländischen Banken geführt werden, da es mit dem Internet relativ einfach ist, über solche Konten zu verfügen. Eine Studie von Christopher Johnson faßt diese Entwicklungen wie folgt zusammen: „Competition, deregulation, the euro and new technologies are accelerating the process of change which has been going on for many years already.“ Bei diesen Entwicklungen würde es auf mittlere Sicht als wenig zweckmäßig erscheinen, wenn die Geldpolitik für diesen Finanzraum in der Hand von vierzehn unabhängigen Notenbanken liegen würde. Schon in den letzten Jahren sind durch die hohen Auslandsguthaben deutscher Anleger immer wieder Probleme für die Geldmengenpolitik der Bundesbank aufgetreten. Mit dem Europäischen Zentralbanksystem verfügt Europa über ein institutionelles Arrangement, bei dem gewährleistet ist, daß die Geldpolitik im europäischen Finanzbinnenmarkt gleichsam aus einem Guß sein wird. Aus deutscher Sicht ist es dabei besonders vorteilhaft, daß die zukünftige gemeinschaftliche Geld-und Währungsordnung in allen wichtigen Punkten dem bewährten Modell des Bundesbankgesetzes entspricht.
3. Währungsunion und Transaktionskosten
Zu den „handfesten“ Vorteilen der Währungsunion zählt sicherlich auch, daß damit in Europa die Kosten des Umtauschs von Währungen entfallen. Vor allem für die Unternehmen bedeutet das eine erhebliche Kosteneinsparung, da sie bei Importen und Exporten innerhalb der EU keine Kurssicherung mehr vornehmen müssen. Für die privaten Haushalte entfällt bei Auslandsreisen der Währungsumtausch, wobei die damit verbundenen Einspareffekte allerdings nicht allzu hoch einzuschätzen sind. Neben diesen direkten Wirkungen dürften die wichtigeren Vorteile der Währungsunion jedoch darin zu sehen sein, daß es über den Euro zusätzlich zu einem stärkeren Wettbewerb auf den europäischen Finanzmärkten kommen wird Für die
Banken entfällt dann das Wechselkursrisiko, das bisher in der Regel noch mit einem Auslandsengagement verbunden war. Es ist daher zu erwarten, daß es durch die Währungsunion zu günstigeren Konditionen für die Kreditnehmer und Anleger kommen wird. Die Studie von Johnson faßt die kombinierten Effekte aus Euro und Finanzbinnenmarkt wie folgt zusammen: „Bank customers can expect to benefit from greater transparency in interest rates and charges, and from alternatives to traditional bank loans and deposits. Banks will have to go on cutting margins and fees to become more competitive, while reducing costs and increasing volume to become more profitable.“
IV. Die Erfahrungen der deutsch-deutschen Währungsunion von 1990
Von den Kritikern der Währungsunion werden die Erfahrungen mit der deutsch-deutschen Währungsunion häufig als ein Beleg dafür herangezogen, daß die Europäische Währungsunion zu erheblichen Transfers von den reicheren EU-Ländern (vor allem Deutschland) in die wirtschaftlich schwächeren Regionen der Gemeinschaft führen müsse. Dieses Argument ist besonders suggestiv, weil das Ausmaß der Netto-Zahlungen von Westnach Ostdeutschland in der Tat erheblich ist: Seit 1990 belaufen sich die jährlichen Netto-Transfers auf rund 150 Mrd. DM. Doch trotz ihrer großen Popularität ist die Analogie zwischen der EWU und der deutsch-deutschen Währungsunion völlig unangebracht. Bei der DDR handelte es sich um ein sozialistisches und vom Weltmarkt völlig isoliertes Wirtschaftssystem, das mit der Übernahme der D-Mark gleichsam über Nacht den harten Bedingungen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs ausgesetzt wurde. Alle potentiellen Mitgliedsländer der EWU sind demgegenüber Marktwirtschaften, die spätestens seit der Vollendung des Binnenmarktes Ende 1992 real-wirtschaftlich eng miteinander verzahnt sind. Da es keinen entwickelten Devisenmarkt für die „Mark der DDR“ gab, mußte zudem der Kurs für die Umstellung auf die D-Mark im Juli 1990 unter großer Unsicherheit bestimmt werden. Zumindest im nachhinein dürfte außer Zweifel stehen, daß der Umstellungssatz 1 : 1 für die Stromgrößen (insbesondere die Löhne) nicht dem wirtschaftlichen Leistungsgefälle zwischen West und Ost entsprach. Demgegenüber können bei der EWU weitgehend die schon seit Jahren am Markt vorherrschenden Wechselkursrelationen übernommen werden. Als besonders gravierend erwies sich die rasche Annäherung der Ostlöhne an das westdeutsche Niveau, die unmittelbar nach der Währungsumstellung einsetzte Auch hierbei handelt es sich um ein singuläres Phänomen, das in keinem der EWU-Teilnehmerländer zu erwarten ist. Zu einem so gravierenden Abkoppeln der Löhne von der Produktivität konnte es nur deshalb kommen, weil die ostdeutsche Wirtschaft in den Jahren 1990/91 noch weit von den Verhältnissen einer Marktwirtschaft entfernt war. Die Mehrzahl der Unternehmen war noch nicht privatisiert, womit es keine privaten Kapitaleigner gab, die sich der mit diesen Lohnerhöhungen verbundenen Entwertung des Kapital-stocks hätten entgegensetzen können. Auch die Gewerkschaften waren damals erst im Aufbau begriffen, womit es den westdeutschen Gewerkschaften leicht fiel, in Ostdeutschland eine Politik der Lohnangleichung durchzusetzen, die vor allem im Interesse der westdeutschen Arbeitnehmer lag.
In der EWU sind ähnliche Entwicklungen kaum zu erwarten. Unter dem Einfluß des hohen weltweiten Wettbewerbs zwischen den nationalen Standorten und der allgemein hohen Arbeitslosigkeit ist es völlig unwahrscheinlich, daß beispielsweise die Tarifpartner in Portugal eine Politik verfolgen könnten, die zu einer raschen Annäherung der Löhne an das deutsche Niveau führen würde.
Alles in allem ist das Beispiel der deutsch-deutschen Währungsunion also völlig ungeeignet, um mögliche Entwicklungen in der Europäischen Währungsunion zu prognostizieren. So gesehen ist also auch nicht damit zu rechnen, daß es von 1999 an zu einem erhöhten Transferbedarf innerhalb der EWU kommen wird.
V. Zum Verlust des Wechselkurses als Anpassungsinstrument
Viele Ökonomen sehen den Hauptnachteil der Währungsunion darin, daß dann der Wechselkurs innerhalb Europas nicht mehr als Anpassungsinstrument zur Verfügung steht. Diese Argumentation, die auf der „Theorie optimaler Währungsräume" basiert, besitzt einen richtigen theoretischen Kern, sie entbehrt aber jeglicher empirischen Basis.
Im Grunde bezieht sich diese Theorie auf den in Kapitel III. 1 herausgearbeiteten Zusammenhang, wonach die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines nationalen Arbeitsmarktes gleichermaßen vom nationalen Lohnniveau wie vom Wechselkurs abhängt. Wichtige Annahmen der Theorie optimaler Währungsräume sind, daß ein Land jeweils nur ein Produkt herstellt und daß die Löhne nach unten inflexibel sind. Kommt es nun zu einem gravierenden Rückgang der Nachfrage für das Produkt eines bestimmten Landes, so kann dieses nur dann Vollbeschäftigung beibehalten, wenn der Wechselkurs angepaßt wird. Die Abwertung ist also ein Substitut für die per Annahme ausgeschlossene Nominallohnsenkung. Schließt man jetzt durch die Währungsunion den Wechselkurs als Anpassungsinstrument aus, dann führen solche Schocks („reale asymmetrische Schocks“) verstärkt zu Arbeitslosigkeit. Befürchtet wird dabei auch, daß damit erhöhte Transferzahlungen innerhalb der EU erforderlich werden.
In ihrer Schlichtheit hat diese Theorie durchaus eine gewisse Anziehungskraft. Bei genauerem Hinsehen erweist sie sich jedoch als völlig ungeeignet, um mögliche Fehlentwicklungen in der EWU zu prognostizieren. Problematisch ist schon die Annahme, daß sich jedes Land auf jeweils nur ein Gut spezialisiert, das in keinem anderen Land produziert wird. Alle europäischen Volkswirtschaften weisen demgegenüber eine stark diversifizierte Produktpalette auf. Damit ist es von vornherein wenig wahrscheinlich, daß es zu Nachfrageveränderungen kommen kann, die nur ein einzelnes EU-Land betreffen und dabei so groß sind, daß sich daraus gravierende gesamtwirtschaftliche Probleme ergeben
Wenn die Länder mehrere Produkte gleichzeitig produzieren, führt eine Anpassung mittels des Wechselkurses dazu, daß zwar ein Nachfrage-schock in einem Sektor behoben werden kann, gleichzeitig werden damit aber Störungen bei allen anderen Gütermärkten hervorgerufen. Als ein gesamtwirtschaftlich wirkendes Instrument ist der Wechselkurs eben nur dann in der Lage, Vertei-lungsstörungen effizient zu beseitigen, wenn jedes Land nur ein einziges Gut produziert. Besonders fragwürdig ist schließlich die Annahme, daß der Wechselkurs in verläßlicher Weise auf reale asymmetrische Schocks reagiert. In der gesamten Literatur zu optimalen Währungsräumen gibt es keine einzige Arbeit, die hierfür einen Beweis erbringt. Statt dessen findet man aber eine Fülle von ökonometrischen Studien zu flexiblen Wechselkursen, die einstimmig zu dem Ergebnis kommen, daß auf kurze und mittlere Sicht überhaupt keine stabilen Zusammenhänge zwischen fundamentalen ökonomischen Faktoren und dem Wechselkurs bestehen Die für die Argumentation der Euro-Kritiker so zentrale Ausgleichsfunktion des Wechselkurses entbehrt also jeglicher empirischer Basis. Man könnte hier allenfalls die Erfahrungen mit dem EWS in den achtziger Jahren anführen, wo es den Politikern immer wieder gelungen ist, die Wechselkurse so anzupassen, daß wirtschaftliche Spannungen zwischen den Teilnehmerländern verhindert werden konnten. Doch nach den EWS-Krisen der Jahre 1992/93 und der danach beschlossenen Ausweitung der Bandbreiten (von + 2, 25 auf ± 15 Prozent) ist der Rückweg in diese Welt der stufen-flexiblen Kurse versperrt. Jeder, der heute für eine Verschiebung der Währungsunion oder einen völligen Verzicht auf den Euro plädiert, muß damit rechnen, daß in Europa ein System flexibler Kurse vorherrschen wird. Dessen Unberechenbarkeiten zeigen die aktuellen Kapriolen des britischen Pfundes sehr deutlich.
Mit ihrer Ausrichtung auf Nachfrageschocks läßt die Theorie optimaler Währungsräume zudem völlig unberücksichtigt, daß es in der Vergangenheit vor allem überhöhte nationale Lohnabschlüsse gewesen sind, die einen Bedarf an Wechselkursänderungen hervorgerufen haben. Auch hier gilt natürlich, daß man -bei gleichsam flexiblen Wechselkursen -eine Kompensation durch den Wechselkurs nicht einfach voraussetzen kann. Mit dem Eintritt in die Währungsunion ist jedoch zusätzlich mit einer Verhaltensänderung der Tarifpartner zu rechnen. Da nun allgemein feststeht, daß überhöhte Löhne nicht mehr einfach durch den Wechselkurs ausgeglichen werden, wird es von vornherein zu vorsichtigeren Abschlüssen kommen. Mit den Worten von Olaf Sievert heißt dies: „Der unausdrückliche nationale Vorbehalt, daß man auf gravierende Lohnfehler mit Wechselkursveränderungen antworten kann, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen wiederherzustellen, fällt weg. Gottlob. Er gehört zu den schädlichsten Einladungen zum Fehlverhalten, mit deren Folgen die Wirtschaftspolitik zu tun hat. Gewerkschaftler und Arbeitgeber in Europa haben teilweise schon in den achtziger Jahren diese Lektion gelernt -im Zuge der allgemeinen Härtung des EWS. Mit der Schaffung der Währungsunion werden die Verantwortlichkeiten allen vollständig klar sein.“ Empirisch läßt sich Sieverts Argumentation recht gut untermauern, wenn man einmal die Lohnentwicklungen in denjenigen EU-Ländern betrachtet, die seit 1987 nahezu feste Wechselkurse gegenüber der D-Mark aufweisen. Hier kann man durchweg feststellen, daß die Tarifpartner bemüht waren, Abschlüsse unterhalb der deutschen Lohnerhöhungen zu vereinbaren. Im Ergebnis hat sich damit der Abstand zwischen den deutschen Tarifen und Lohnkosten in Ländern wie Frankreich, Belgien und den Niederlanden erheblich vergrößert.
So gesehen ist es also unproblematisch, wenn der Wechselkurs als Anpassungsinstrument entfällt. Die Währungsunion schafft klare Spielregeln für den „Wettbewerb der Länder und Regionen um Arbeitsplätze“ und vermeidet somit von vornherein die lohnpolitischen Fehlentwicklungen, die in der Vergangenheit immer wieder eine Wechselkursänderung erfordert haben.
VI. Währungsunion und politische Union
Zum festen Repertoire einiger Euro-Gegner zählt die Behauptung, ohne politische Union sei die europäische Währungsunion (EWU) nicht überlebensfähig. Da eine solche weitreichende Integration auf absehbare Zeit nicht zu erwarten ist, sagt man damit letztlich nichts anderes, als daß man den Euro besser bis auf weiteres vertagen solle. Die ausschließlich strategische Funktion dieses Arguments wird deutlich, wenn man sich einmal fragt, wie die EWU zu beurteilen wäre, wenn es 1999 gleichzeitig zu einer weitgehenden politischen Union in Europa kommen würde.
Für die EZB wären die Effekte recht eindeutig. Sie hätte es dann nicht mehr mit 15 autonomen Nationalstaaten zu tun, sondern mit einer europäischen Bundesregierung. Auch wenn die Unabhängigkeit der EZB im Vertrag von Maastricht gut verankert ist, hätte es die Bank dann sicherlich schwerer, sich gegenüber politischen Pressionen zur Wehr zu setzen. Dies würde vor allem daraus resultieren, daß man es dann nicht nur mit einem einheitlichen Konjunkturzyklus, sondern auch mit einem gemeinsamem Wahlzyklus in der EU zu tun hätte. Gravierende Probleme könnten auch daraus resultieren, daß es in einem europäischen Bundesstaat zu einer Aufweichung der nationalen Verantwortlichkeiten in der Beschäftigungspolitik kommen würde. Die in einem einheitlichen Staats-gebilde anzustrebende Gleichheit der Lebensverhältnisse würde eine mit den Produktivitätsunterschieden nicht zu vereinbarende Lohnangleichung begünstigen. Und anders als unter den Bedingungen des integrationspolitischen Status quo, wo Transfers in ärmere EU-Regionen stets an eine ausdrückliche Zustimmung der reichen Länder gekoppelt sind, hätte man es in der politischen Union voraussichtlich mit einem quasi automatisch wirkenden Finanzausgleich zu tun.
Wenig überzeugend sind die Argumente, mit denen die Notwendigkeit der politischen Union für eine funktionsfähige EWU hergeleitet wird. Dies gilt vor allem für die Verweise auf gescheiterte Münzunionen. Abgesehen davon, daß einige dieser Arrangements durchaus ein langes Leben hatten -die lateinische Münzunion (Frankreich, Italien, Schweiz, Belgien und Griechenland) hielt sich immerhin von 1865 bis 1926 -, hat diese Analogie soviel Plausibilität wie der Vergleich einer Pferdekutsche mit einem modernen Pkw. Bei den Münzunionen handelte es sich um rein münztechnische Abkommen, die in der Phase der Gold-und Silberwährung für eine supranationale Normierung der Münzen in bezug auf den Gold-und Silbergehalt sorgten. Was damals überhaupt nicht zur Diskussion stand, war die Frage einer gemeinsamen Geldpolitik der Mitgliedsländer. Diese wurde damals -gleichsam passiv -durch die weltweite Gold-und Silbergewinnung bestimmt. Kurz, die Probleme, die sich den Münzunionen stellten -insbesondere die unvermeidbaren Schwankungen des Wertes von Gold und Silber -werden sicherlich keine Rolle für die EWU spielen. Und für die heute zentrale Frage, wie die EZB eine optimale Geldpolitik unter den Bedingungen definitiver Papierwährungen konzipieren soll, sind die historischen Beispiele schlichtweg irrelevant.
Begründet wird der Bedarf an einer politischen Union schließlich auch damit, daß mit der EWU ein erhöhter Bedarf an innergemeinschaftlichen Transfers entstünde, da Auf-und Abwertungen nicht mehr als wirtschaftspolitische Ausgleichsinstrumente eingesetzt werden könnten. Dies führt wieder auf die bereits diskutierte und verneinte Frage, ob der Wechselkurs tatsächlich in der Lage ist, landesspezifische Schocks gezielt aufzufangen.
VII. Zusammenfassung
Der Euro hat gute Aussichten, eine mindestens ähnlich stabile Währung wie die D-Mark zu werden: Die Geldpolitik wird in der Hand einer unabhängigen Zentralbank liegen. Von der Lohnpolitik ist auf absehbare Zeit kein nennenswerter Kostendruck zu erwarten. Die Fiskalpolitik in den EU-Ländern bedarf sicherlich einer nachhaltigen Konsolidierung. Negative Effekte auf die Geldpolitik sind jedoch weitgehend auszuschließen, da eine Finanzierung von Haushaltsdefiziten durch die EZB im EG-Vertrag ausdrücklich untersagt wird. Die Vorteile der Währungsunion für die deutsche Wirtschaft bestehen darin, daß der Euro das Standortrisiko unberechenbarer D-Mark-Aufwertungen weitgehend beseitigen wird. Damit wird es auch für ausländische Investoren wieder attraktiver werden, sich in Deutschland zu engagieren. Zudem sorgt das Europäische Zentralbankensystem dafür, daß der europäische Finanzmarkt über eine effiziente und stabilitätsorientierte Geld-und Währungsordnung verfügen wird. Wenig begründet sind Befürchtungen, wonach die Währungsunion zu einem erhöhten Transferbedarf innerhalb der EU führen wird. Unangebracht ist auch der Verweis auf die Erfahrungen der deutsch-deutschen Währungsunion, da es dabei in erster Linie um ein Problem der Wirtschaftstransformation ging und nicht um einen währungspolitischen Zusammenschluß von hochentwickelten Industrieländern. Nicht überzeugend ist auch der Verweis auf die sogenannte Theorie optimaler Währungsräume, wonach der Wechselkurs ein effizientes Anpassungsinstrument bei länderspezifischen Störungen darstelle. Hierbei wird vor allem übersehen, daß sich flexible Wechselkurse in der Praxis nur selten nach fundamentalen volkswirtschaftlichen Faktoren ausrichten. Eine politische Union ist für die Funktionsweise der Währungsunion auf absehbare Zeit nicht erforderlich. Im Gegenteil: In einem europäischen Bundesstaat könnte es sehr leicht zu Prozessen kommen, die die Funktionsfähigkeit der Währungsunion beeinträchtigen.
Peter Bofinger, Dipl. -Vwt, Dr. rer. pol., geb. 1954; Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes; seit 1992 o. Prof, für Volkswirtschaftslehre, Geld und internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Würzburg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Geldtheorie und internationalen Wirtschaftspolitik; zuletzt: (zus. mit Julian Reischle und Andrea Schächter) Geldpolitik: Ziele, Institutionen, Strategien und Instrumente, München 1997.
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