Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Asyl für politisch Verfolgte und die Eindämmung von Asylrechtsmißbrauch | APuZ 46/1997 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 46/1997 Asyl für politisch Verfolgte und die Eindämmung von Asylrechtsmißbrauch Illegale Einreise und internationale Schleuserkriminalität. Hintergründe, Beispiele und Maßnahmen Probleme der Zuwanderung am Beispiel Berlins Zusammen leben: Die Integration der Migranten als zentrale kommunale Zukunftsaufgabe Was kann ein Einwanderungsgesetz bewirken?

Asyl für politisch Verfolgte und die Eindämmung von Asylrechtsmißbrauch

Michael Griesbeck

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ Dieser Satz im Art. 16 a des Grundgesetzes beschreibt Umfang und Grenzen des Asylrechts: Er besagt, daß eben nur politisch Verfolgte einen Anspruch auf Asyl haben und politisch nicht Verfolgten kein Asyl gewährt werden kann. Es ist jedoch eine Tatsache, daß viele Menschen, die nicht politisch verfolgt sind, seit langem und in sehr großer Zahl versuchen, in Deutschland Aufenthalt und finanzielle Unterstützung als Asylbewerber zu erlangen. Dabei wird zunehmend ein Teil dieser erhaltenen Gelder an Schleuserbanden gezahlt -wodurch sich ein verhängnisvoller Kreislauf für weitere Zuwanderung sowie für innergesellschaftliche Konflikte eröffnet hat. Viele Menschen machen sich auf den Weg. um der Not in ihrer Heimat zu entfliehen und in Europa -und hier insbesondere in Deutschland -eine neue Zukunft zu suchen. Dennoch können die sozialen, wirtschaftlichen oder allgemeinen politischen Verhältnisse im Herkunftsland nicht zur Gewährung von Asyl führen, da das Asylrecht nur für schutzbedürftige politisch Verfolgte gilt. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg -als dafür in Deutschland zuständige Behörde -hat in einem gesetzlich festgelegten Verfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl vorliegen. Die Entscheidungen werden unter Berücksichtigung der Rechtsprechung nach ausführlichen Anhörungen und nach sorgfältiger Einbeziehung aller möglichen Erkenntnisquellen getroffen. Die Praxis zeigt leider, daß die Asylverfahren größtenteils von Menschen in Anspruch genommen werden, deren vorgetragenes Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft ist oder bei denen die sonstigen rechtlichen Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht vorliegen. Typische Verfahrensverläufe und häufiges Vorbringen von Asylgründen werden in diesem Beitrag dokumentiert.

I. Einleitung

Als der Petitionsausschuß des Bayerischen Landtags am Juli 1997 die Zentrale des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAF 1) in Nürnberg besuchte, stellte dessen Vorsitzender, Dr. Helmut Ritzer (SPD), nach einem mehrstündigen Informationsaustausch fest: „Hier wird sehr sorgfältige Arbeit geleistet.“ Besonders beeindruckt war der Petitionsausschuß von der umfangreichen Informations-und Dokumentationsstelle des Bundesamtes, in der Informationen über alle Länder dieser Erde gesammelt, analysiert und den Mitarbeitern, die in den Außenstellen des Bundesamtes über die Asylanträge von Menschen entscheiden, die ein persönliches Verfolgungsschicksal in ihrem Heimatland vortragen, zur Verfügung gestellt werden.

Der Besuch erfolgte auf den Tag genau vier Jahre nach dem Inkrafttreten der großen Asylrechtsreform und 14 Monate nach ihrer Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht. Die Neuregelung des Asylrechts mit ihren drei Eckpfeilern Drittstaatenregelung, der Regelung über Herkunftsstaaten und Flughafenregelung wurde vielfach kritisiert. Trotz der Tatsache, daß das Parlament die Asylreform mit großer Mehrheit verabschiedet hatte, war sie starker Kritik ausgesetzt. Mitarbeiter des Bundesamtes wurden sogar wegen der Vollziehung des geltenden Rechts persönlich angefeindet. Das Bundesverfassungsgericht hat das neue Asylrecht eindrucksvoll bestätigt und dadurch einen Beitrag zum Rechtsfrieden geleistet. Verwaltung und Justiz können nun auf unbestreitbarer Rechtsbasis das geltende Recht konsequenter anwenden. Gleichzeitig erwies das neue Asylrecht seine Wirksamkeit. Es ist geeignet, den Mißbrauch des Asylrechts zu verhindern und wirklich politisch Verfolgten Asyl zu gewähren 1.

Die Zahl der Asylbewerber, die 1992 mit 438 000 einen Höchststand erreicht hatte, sank auf je ca. 1 127 000 in den Jahren 1994 und 1995 und auf 116 000 Erstantragsteller 1996. Im ersten Halbjahr 1997 waren ca. 53 000 Erstantragsteller zu verzeichnen -eine im europäischen Vergleich allerdings noch immer außerordentlich hohe Zahl. Gleichzeitig ist die Zahl der als asylberechtigt anerkannten Ausländer gestiegen. Waren es 1992 nur 9 189, so wurden 1996 vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 14 489 Personen als Asylberechtigte anerkannt. Dies zeigt deutlich die Schutzwirkung des neuen Asylrechts. Die von 4, 3 Prozent (1992) auf 7, 4 Prozent (1996) gestiegene Anerkennungsquote beweist, daß sich die Asylrechtsreform zum Vorteil der wirklich politisch Verfolgten ausgewirkt hat. Die Zahl der Asylbewerber aus den sicheren Herkunftsstaaten Rumänien und Bulgarien ist drastisch zurückgegangen, wie dies vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Hauptherkunftsländer waren in den letzten Jahren die Türkei, die Bundesrepublik Jugoslawien, Irak, Iran, Afghanistan, Armenien und Sri Lanka.

Deutschland nimmt mehr als die Hälfte aller in den EU-Staaten Asylsuchenden auf. Hier ist eine gerechte Lastenverteilung auf EU-Ebene erforderlich.

II. Der Verfahrensablauf

Am Beginn des Verfahrens steht die Aufnahme der Personalien und Fotos des Asylbewerbers. Der Abgleich der Fingerabdrücke, die an das Bundeskriminalamt übermittelt und dort schnellstmöglich überprüft werden, trägt zur Vermeidung bewußt mißbräuchlicher Mehrfachantragstellungen maßgeblich bei. Notwendig ist allerdings auch ein Abgleich der Fingerabdrücke auf EU-Ebene, um eine Antragstellung in mehreren EU-Staaten zu vermeiden.

Hauptbestandteil des Asylverfahrens ist die Anhörung, in der Asylbewerber die Gründe für ihren Asylantrag darlegen und sie von einem der ca. 450 weisungsunabhängigen Einzelentscheider des Bun desamtes -in der Regel berufserfahrene Beamte oder Angestellte -zum vorgetragenen Verfolgungsschicksal befragt werden. Der Asylbewerber ist gesetzlich verpflichtet, die Gründe darzulegen, die für seine politische Verfolgung sprechen, Tatsachen hierzu zu nennen sowie vorhandene Urkunden vorzulegen. Um die Schutz-bedürftigkeit feststellen zu können, hat er auch Angaben über Wohnsitze, Reisewege, Aufenthalte in anderen Staaten zu machen und darüber, ob bereits in anderen Staaten oder in Deutschland ein Asylverfahren eingeleitet wurde oder durchgeführt ist. Über das wesentliche Vorbringen wird ein Protokoll gefertigt, das dem Antragsteller rückübersetzt und in Kopie übergeben wird.

Die Anhörung ist das Kernstück des Asylverfahrens. Sie erfordert auf Seiten der Entscheider umfassende Kenntnisse über das Asylrecht, das jeweilige Herkunftsland des Asylbewerbers sowie ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen. Die Unterstützung der Entscheider durch die Informations-und Dokumentationsstelle des Bundesamtes und dessen Datenbanksystem, in dem online mehrere hunderttausend Informationen über die Hauptherkunftsländer sowie die Rechtsprechung abgefragt werden können, ermöglichen eine kompetente Entscheidung. Zu den Erkenntnisquellen zählen neben Auskünften und Lageberichten des Auswärtigen Amtes auch Auskünfte und Berichte der Weltflüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR), von Amnesty International, Gutachten wissenschaftlicher Institute, Monographien mit asylrechtlichem Bezug sowie einschlägige Presseartikel. Zur Erhaltung des hohen Kenntnisstandes finden im Bundesamt regelmäßig Schulungen und Informationsveranstaltungen für Einzelentscheider statt, bei denen auch externe Experten, z. B. Mitarbeiter des UNHCR, Verwaltungsrichter, ein Lehrstuhlinhaber für Psychologie sowie Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, mitwirken. Eine Anhörung kann mehrere Stunden dauern -je nachdem, wie detailliert der Asylbewerber sein Schicksal vorträgt und wie viele Nachfragen erforderlich sind. Von den Einzelentscheidern wird große Sensibilität gefordert. Darüber hinaus schult das Bundesamt u. a. in Zusammenarbeit mit einem Psychologen und der Hilfsorganisation Refugio aus dem Kreis der ca. 450 Einzelentscheider über 100 Einzelentscheider mit Sonderaufgaben für die Befragung von Frauen, die ein geschlechtsspezifisches Verfolgungsschicksal vortragen, sowie von unbegleiteten Minderjährigen und Folteropfern.

Der Einzelentscheider prüft auch, ob der Asylbewerber tatsächlich aus dem Land kommt, aus dem er zu stammen vorträgt, und ob das vorgetragene Verfolgungsschicksal sowie das Vorbringen zum Reiseweg glaubhaft sind. Die letzte Fragestellung ist wichtig im Hinblick auf die Drittstaatenregelung des Art. 16 a Abs. 2 Grundgesetz, nach der ein Ausländer, der aus einem sicheren Drittstaat einreist, sich in Deutschland nicht mehr auf das Grundrecht auf Asyl berufen kann. Sichere Drittstaaten sind die Mitgliedstaaten der EU sowie Polen, die Tschechische Republik, die Schweiz und Norwegen.

Die Angaben zum behaupteten Verfolgungsschicksal sind oft ungenau und pauschal, so daß sich erst auf Nachfragen ein überprüfbares Schicksal erschließt. Teilweise werden widersprüchliche Angaben gemacht. Bei einer behaupteten Einreise per Flugzeug werden oft Unterlagen wie Ticket oder Bordkarte nicht vorgelegt, und es wird vorgetragen, der Schlepper habe die Unterlagen zurückgefordert.

Immer häufiger kommt es vor, daß Antragsteller -um eine Rückführung zu vereiteln -angeben, daß sie keine Papiere besitzen. Als Herkunftsland geben sie oft einen Staat an, bei dem sie bessere Chancen auf Asyl erwarten. So gaben sich z. B. Asylbewerber, die in Wirklichkeit aus Ghana kamen, als Sudanesen oder Togoer aus; ein angeblicher Sudanese stammte aus Nigeria. Bei Zweifeln an der. angegebenen Staatsangehörigkeit umfaßt die Glaubwürdigkeitsprüfung auch Fragen nach Sachverhalten im Herkunftsland, die jeder Bürger dieses Landes leicht beantworten können müßte, z. B. Aussehen von Autokennzeichen, Geldscheinen, Telefonzellen usw.

Diese Glaubwürdigkeitsprüfung ist für die Entscheider eine große Belastung. Immer wieder stellen sie fest, daß Antragsteller nicht die Wahrheit sagen und daß vorbereitete Geschichten vorgetragen werden. Unter Asylbewerbern kursieren sogar schriftliche Anweisungen, wie man sich gegenüber dem Einzelentscheider zu verhalten und wie man auf seine Fragen zu antworten habe. Darüber hinaus ist zumindest aus einem afrikanischen Land bekannt, daß dort in der Presse öffentlich die „Argumente“ verbreitet werden, um in Deutschland Asyl zu erlangen. Das Bewußtsein, nicht Menschen, die wirklich unter politischer Verfolgung leiden, zu helfen, sondern betrügerisch ausgenutzt zu werden, um einen Aufenthaltsstatus mit den damit verbundenen -auch finanziellen -Vorteilen in Deutschland zu erlangen, ist für viele Einzelentscheider Teil der täglichen Arbeit. Erschwerend kommt für sie hinzu, daß oft in der Berichterstattung und von nicht wenigen Hilfsorganisationen nicht etwa dieser Mißbrauch des Asylrechts kritisiert wird, sondern im Gegenteil diejenigen, die im Interesse der wirklich politisch Verfolgten diesen Mißbrauch zu verhindern suchen.

Der Einzelentscheider trifft aufgrund der Anhörung und eventuell weiterer von ihm veranlaßter Ermittlungen sowie mit Hilfe von Erkenntnissen aus der Informations-und Dokumentationsstelle des Bundesamtes die Entscheidung über den Asyl-antrag. Maßgeblich ist grundsätzlich das individuelle Einzelschicksal. Ist der Einzelentscheider nach der Anhörung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Asylantrag unbegründet ist, hat er weiter zu prüfen, ob auf Grund der Situation im Heimatland des Asylbewerbers möglicherweise Umstände vorliegen, die gegen eine Abschiebung sprechen.

Die Entscheidung ergeht meistens schon nach wenigen Tagen. Die Verfahrensdauer wird jedoch auch von möglicherweise notwendigen Recherchen im Heimatland beeinflußt. Die Entscheidungen werden schriftlich begründet und den Beteiligten mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt. Der Asylbewerber kann in jedem Verfahrensstadium einen Rechtsbeistand hinzuziehen. Bei dem Verfahren handelt es sich um ein besonders ausgestaltetes förmliches Verwaltungsverfahren, das mit seinen bis ins Detail gehenden Regelungen, seinem Aufwand und seiner Sorgfalt in Europa -und wohl auch weltvzeit -einzigartig ist. Versuche, dem Asylverfahren in Deutschland eine angebliche Inhumanität zu unterstellen, sind insofern ungerecht, ja absurd.

III. Folgen der Entscheidungen

Wird ein Antragsteller vom Bundesamt als Asyl-berechtigter anerkannt, ist ihm von der Ausländer-behörde eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Asylberechtigte genießen die Rechtsstellung nach der Genfer Konvention, die u. a. zur Ausstellung eines internationalen Reiseausweises verpflichtet. Daneben werden Asylberechtigten eine Anzahl arbeits-und sozialrechtlicher Vergünstigungen eingeräumt. Wird der Antrag abgelehnt, kann der Asylbewerber gegen den Bescheid vor dem Verwaltungsgericht klagen. Die Gerichte bestätigen in über 90 Prozent der Fälle die Entscheidung des Bundesamtes. Bestätigt das Gericht die Ablehnung und das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen, ist der Asylbewerber in der Regel zur Ausreise verpflichtet. Gibt das Gericht dagegen dem Asylantrag statt oder stellt es das Vorliegen von Voraussetzungen einer Anerkennung bzw. von Abschiebungshindernissen fest, hebt es den Bescheid des Bundesamtes auf und verpflichtet das Bundesamt zur Anerkennung bzw. zur Festlegung von Abschiebungshindernissen.

Deutschland besitzt das aufwendigste Asylverfahren Europas. Die Kosten sind hoch: Für Asylbewerber wurden in der Bundesrepublik 1993 ca. 9, 7 Mrd., 1994 8, 0 Mrd. und 1995 5, 0 Mrd. DM (geschätzt) allein für Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausgegeben Dem Bu 0 Mrd. DM (geschätzt) allein für Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausgegeben 2. Dem Bund entstehen ferner u. a. Kosten durch die Erledigung der Aufgaben des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Die Gesamtausgaben des Bundesamtes betrugen 1995 370 Mio. und 1996 358 Mio. DM. Außerdem entstehen dem Bund auch bei den obersten Gerichten -dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht, soweit diese mit Asylverfahren befaßt waren -Kosten.

Die monatlichen Kosten für Asylbewerber sind in den dafür zuständigen Ländern unterschiedlich. Die Mehrzahl der Länder sieht sich außerstande, die Kosten auch nur annähernd vollständig statistisch zu erfassen. Als durchschnittliche Kosten pro Person und Monat für Unterbringung und Verpflegung (ohne Betreuungskosten) gibt Bayern für 1995 733 DM an 3. Hessen hat 1996 663 Mio. DM für Asylbewerber ausgegeben 4.

Den außerordentlich hohen Verwaltungsaufwand durch intensive Inanspruchnahme unserer Rechtswege -nicht zuletzt, um die Aufenthalts-und damit die Versorgungsdauer zu verlängern -machen auch folgende Zahlen deutlich: Bundesweit gingen 1995 in erster Instanz ca. 100 000 Asylklagen (1994: ca. 150 000) und ca. 30 000 sonstige Rechtsschutzanträge (1994: ca. 50 000) ein. In zweiter Instanz waren es noch ca. 25 000 Berufungen und Beschwerden wegen Nichtzulassung 5. Über die Hälfte der bei den Verwaltungsgerichten in Bayern eingehenden Fälle sind Fälle des Asyl-und Ausländerrechts Daß mit diesen kosten-und zeitaufwendigen Verfahren, die ganz überwiegend zu keinem anderen Ergebnis führen, die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland hinsichtlich ihrer anderen Aufgaben erheblich eingeschränkt wird, ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt.

IV. Asylbewerber und Schleuserkriminalität

Die Asylpraxis in Deutschland mit ihren rechtlichen Rahmenbedingungen kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern sie muß auch die zunehmende kriminelle Energie des Schleuserunwesens berücksichtigen. Viele Asylbewerber würden bei Kenntnis der rechtlichen und tatsächlichen Situation in Deutschland möglicherweise gar nicht hierher kommen. Kriminelle Schleuserbanden werben ihre Opfer unter Vortäuschung falscher Tatsachen an und versprechen ein besseres Leben in Deutschland. Ein immer größer werdender Anteil der illegal nach Deutschland einreisenden Ausländer bedient sich der Hilfe dieser skrupellosen Menschenhändler. Die dafür erforderlichen Schleuserlöhne in Höhe von meist mehreren tausend DM pro Person werden oftmals unter Einsatz sämtlicher eigener Mittel und finanzieller Hilfe von Verwandten aufgebracht oder bleiben geschuldet

Bereits der Transport über die Transitstaaten erfolgt meistens unter menschenunwürdigen oder sogar lebensbedrohlichen Umständen z. B. in tagelangen Fahrten in verschlossenen Containern ohne ausreichende Luftzufuhr. Die international operierenden Organisationen setzen die Geschleusten zum Abarbeiten des hohen Schlepperlohnes häufig für ihre kriminellen Machenschaften ein (z. B. für den Drogenhandel) oder zwingen sie mit erpresserischen Methoden in finanzielle Abhängigkeit, wobei für die Betroffenen dann oft ebenfalls der Weg in die Kriminalität führt.

Man muß deutlicher als bisher sehen, daß es sich bei der Schleuserkriminalität um einen Zweig des international agierenden Organisierten Verbrechens handelt. Die Transit-und Zielländer werden von ihm sehr genau beobachtet und auf ihre rechtlichen oder tatsächlichen „Lücken“ hin analysiert. Dabei spielen das Ausländer-und Asylrecht sowie die Asyl-und Abschiebepraxis -sicherlich auch die öffentliche Diskussion über Abschiebestopps -eine Rolle Die große Asylrechtsreform, die das Asylrecht wieder mehr auf die tatsächlich Schutz-bedürftigen konzentrierte, trug auch deshalb zum Asylbewerberrückgang bei, weil sie den Schleusern ihr Geschäft erschwerte. Aber auch auf kleinere Änderungen, wie z. B. die Änderung der Visaerteilungspraxis, reagieren die Schleuser: So ging die Zahl von Asylbewerbern aus Togo von 3 488 (1994) auf 994 (1995) zurück, als nach Einführung der Visumspflicht im Dezember 1994 der von kriminellen Schleusern bisher organisierte Weg nach Deutschland verschlossen worden war.

Schlepper gehen mit äußerster krimineller Energie vor und nehmen auch den Tod ihrer Opfer in Kauf. Immer wieder werden in Grenznähe oder auf Autobahnparkplätzen Ausländer aufgegriffen, die von Schleppern dort abgesetzt wurden. Ärztliche Versorgung oder Behandlung in einem Krankenhaus wird dann von deutschen Behörden übernommen. So wurden Anfang 1996 43 Bangladescher und vier Sri Lanker in der Nähe von Freising mit Unterkühlungen bzw. Erfrierungen aufgegriffen; im Dezember 1996 starb eine Sri Lankerin in Ost-Bayern an Erschöpfung bzw. an Erfrierungen

V. Inhalt und Grenzen des Asylrechts: Der Schutz vor politischer Verfolgung

Das Asylrecht schützt politisch Verfolgte. Politische Verfolgung liegt nach unserer Rechtsprechung vor, wenn sie dem einzelnen in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zufügt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes setzt der Begriff „Verfolgung“'einen Eingriff in Leben, Gesundheit, Freiheit oder andere Rechtsgüter voraus, der von erheblicher Intensität und dem Staat zuzurechnen ist. Politische Verfolgung ist der Mißbrauch hoheitlicher Herrschaftsmacht durch Ausgrenzung einzelner aus der übergreifenden Friedensordnung wegen persönlicher Merkmale wie Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung. Da der einzelne ohne den Schutz einer staatlichen Ordnung nicht menschenwürdig existieren kann, bietet ihm das Asylrecht im Falle seiner Verfolgung durch den Heimatstaat eine subsidiäre Zuflucht. Diese Sichtweise begrenzt zugleich den Schutzbereich des Asylgrundrechts Die Asylbewerber tragen zum Teil wirtschaftliche Not als Grund ihrer Flucht vor. Die Darlegung mangelhafter Zukunftsperspektiven, da die allgemeine ökonomische oder auch ökologische Situation schlecht sei, kann jedoch keinen Asylanspruch begründen. Das Asylrecht soll politisch Verfolgte schützen und hat nicht die Aufgabe, all denen Aufnahme zu gewähren, die hoffen, in Deutschland ihre Lebenssituation verbessern zu können Es kann nicht dazu dienen, Ausländer davor zu schützen, daß sie in dem Staat, dessen Staatsangehörige sie sind, in wirtschaftlicher Not leben müssen Es hat nicht die Aufgabe, den einzelnen vor krisenhaften Entwicklungen oder allgemeinen Unglücks-folgen zu bewahren. Soweit Schutz und Hilfe vor solchen Unglücksfolgen geboten erscheinen, sind sie nach allgemeiner Rechtsauffassung jedenfalls nicht über das Asylrecht zu gewähren.

Eine weitere Grenze des Asylrechts ist das Erfordernis der staatlichen Verfolgung. Verfolgungshandlungen Dritter, die an Asylmerkmale des Verfolgten (wie z. B.seine Ethnie) anknüpfen, sind dem Staat nur dann als politische Verfolgung zuzurechnen, wenn er selber einzelne oder Gruppen zu Verfolgungshandlungen anregt oder derartige Handlungen unterstützt oder sie bewußt tatenlos hinnimmt und dadurch dem Betroffenen den erforderlichen Schutz versagt

Eine Bürgerkriegssituation im Herkunftsland begründet grundsätzlich keinen Asylanspruch. Asyl kann nur bei staatlicher Verfolgung gewährt werden. Voraussetzung für eine vom Staat ausgehende oder ihm zurechenbare Verfolgung ist die effektive Gebietgewalt des Staates im Sinne wirksamer hoheitlicher Überlegenheit. Daher fehlt es an der Möglichkeit politischer Verfolgung, solange der Staat bei offenem Bürgerkrieg im umkämpften Gebiet faktisch nur noch die Rolle einer militärisch kämpfenden Bürgerkriegspartei einnimmt, als übergreifende effektive Ordnungsmacht aber nicht mehr besteht.

Dem Staat als politischem Verfolger stehen solche Organisationen gleich, die den Staat verdrängt haben oder denen dieser das Feld überlassen hat und die ihn daher insoweit ersetzen. Das kann dann der Fall sein, wenn sich eine staatsähnliche Herrschaftsmacht auf einem abgegrenzten Gebiet effektiv durchgesetzt und etabliert hat und die dort lebende Bevölkerung daher nunmehr einer neuen quasistaatlichen Hoheitsgewalt unterworfen ist. In dieser Funktion kann sie dann auch politisch verfolgen und den Verfolgten in eine den Schutz des Asylrechts im Ausland erfordernde Zwangslage versetzen

Die staatliche Verfolgung muß sich grundsätzlich auf den einzelnen beziehen. Allerdings ist unumstritten, daß eine Asylberechtigung vorliegt, wenn eine ganze Bevölkerungsgruppe von staatlicher Verfolgung betroffen ist. Jedoch setzt die Annahme einer solchen Gruppenverfolgung voraus, daß jedes Mitglied von der Gefahr der Verfolgung bedroht ist.

Asylrecht hat eine Schutzfunktion. Die Schutzlosigkeit des Asylsuchenden ist Voraussetzung eines Anspruchs auf Asyl und ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Artikel 16 a GG Asyl kann daher nicht gewährt werden, wenn dieser Schutz bereits andernorts in Anspruch genommen wurde oder werden konnte. Das ist dann der Fall, wenn der Flüchtling auf seinem Weg in die Bundesrepublik Deutschland bereits in einem anderen Staat hätte Schutz finden können. Das ist der Grund der Regelung über sichere Drittstaaten. Das Erfordernis der Schutzbedürftigkeit für einen Asylanspruch ist auch ratio der Regelung über sichere Herkunftsstaaten, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung verfolgt wird.

Die Schutzbedürftigkeit ist auch bedeutsam im Hinblick auf die inländische Fluchtalternative: Wird jemand von regionaler politischer Verfolgung betroffen, ist er erst dann politisch Verfolgter i. S. von Art. 16 a GG, wenn er dadurch landesweit in eine ausweglose Lage gerät, weil er auch in anderen Teilen seines Heimatlandes eine zumutbare Zuflucht nicht finden kann. Eine solche inländische Fluchtalternative setzt nach der Rechtsprechung voraus, daß der Verfolgte an einem sonstigen Ort in seinem Heimatland vor erneuter politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und daß ihm dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutsbeeinträchtigung gleichkommen Eine Flucht-alternative wird z. B. für Kurden in der Türkei angenommen. Ihnen steht eine inländische Flucht-alternative in der westlichen Türkei, insbesondere in den Großstädten, zur Verfügung. Von den 12-14 Millionen Kurden der Türkei leben nur noch 4-6 Millionen in ihren angestammten Siedlungsgebieten, die Mehrheit jedoch in den wirtschaftlich entwickelten Gebieten des Westens und der Mittelmeerküste.

VI. Beispielfälle

1. Vielfach wird eine regimekritische oder oppositionelle Haltung zur Begründung des Antrages auf Asyl vorgetragen. Eine regimekritische Einstellung ist jedoch für sich kein Asylgrund. Auch die Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei, was ebenfalls oft als Asylgrund vorgetragen wird, führt nicht automatisch zur Anerkennung als Asylberechtigter. So stellte das OVG Rheinland-Pfalz im Verfahren über die Asylberechtigung eines Armeniers, der vortrug, Mitglied der Daschnakzutjun-Partei zu sein, fest, daß diese größte oppositionelle Partei Armeniens zwar 1994 verboten wurde. Dennoch konnten die Mitglieder der Partei weiter ihre Arbeit fortsetzen, gaben Interviews, hielten Pressekonferenzen ab und traten gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien auf. In einer vom Außenministerium verbreiteten Erklärung sei explizit bestätigt worden, daß einfache Parteimitglieder in keiner Form belangt würden. Angesichts der geschätzten Mitgliederzahl der Partei (zwischen 8 000 und 10 000) müßten Fahndungen nach diesem Personenkreis bekannt werden, falls sie durchgeführt würden. Auch der UNHCR gehe nur von einer Gefährdung führender Parteimitglieder aus, weil sie der armenischen Untergrundorganisation DRO zugerechnet würden. Amnesty International meine lediglich, es sei sehr schwierig, abzuschätzen, inwieweit Mitgliedern der Partei Verfolgung drohe; dies dürfte unter anderem von der Position der betreffenden Mitglieder in der Partei abhängen. Soweit bekannt, so Amnesty International, würden sich Verfolgungsmaßnahmen nur gegen einige wenige Mitglieder richten. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte -so das Gericht -vermöge lediglich „nicht auszuschließen“, daß auch einfache Mitglieder verfolgt würden, räume aber gleichzeitig ein, dies nicht beweisen zu können. Angesichts dieser Informationen begründe die bloße Mitgliedschaft in der Daschnakzutjun keine beachtliche Verfolgungsgefahr mit Asylanspruch in Deutschland 2. Asylantragsteller aus dem Iran tragen als Asyl-grund häufig regimegegnerisches Handeln als Anhänger der Volksmojahedin, Verhaftung und erlittene Folter vor. Im Iran sind Mitglieder der Volksmojahedin einem hohen Risiko der Strafverfolgung ausgesetzt. Schon das Verteilen von Flugblättern mit regimefeindlichem Inhalt gilt als Beweis für staatsgefährdende Aktivitäten, die verfolgt werden. Bei glaubhafter Darlegung einer maßgeblichen Betätigung für die Volksmojahedin wird deshalb -in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung -bei Vorliegen der Schutzbedürftigkeit Asyl gewährt. 3. Vielfach wird auch Wehrdienstentziehung als Asylgrund vorgetragen. Kriegsdienstverweigerung für sich alleine gesehen ist jedoch nach ständiger Rechtsprechung kein Asylgrund. Die Strafbarkeit einer Wehrdienstverweigerung ist nur dann asylrelevant, wenn der Charakter der Maßnahme des Herkunftsstaates nicht ausschließlich der Aufrechterhaltung der Verteidigungsfähigkeit und der Sicherung der allgemeinen Wehrpflicht dient. Im asylrechtlichen Sinne verfolgt ist der Antragsteller nur dann, wenn es die erkennbare Absicht des Staates ist, von der Zielrichtung der Strafe her nicht nur die Einhaltung der Wehrpflicht zu sichern, sondern darüber hinausgehend eine in der Wehrdienstverweigerung zum Ausdruck kommende abweichende Geisteshaltung zu eliminieren, den Andersdenkenden einzuschüchtern bzw. eine Umerziehung erreichen zu wollen

So entschied z. B. das OVG Nordrhein-Westfalen im Fall eines Kosovo-Albaners, daß dahinstehen könne, ob das Vorbringen des Asylbewerbers zu den Umständen, die Anlaß für seine Flucht waren, uneingeschränkt glaubhaft sei. Zweifel ergäben sich wegen teilweise widersprüchlicher Angaben, so etwa zur Dauer der jährlichen Wehrübungen. Das Vorbringen des Asylbewerbers, er habe sein Heimatland verlassen, weil er weiteren Einberufungen zu Wehrübungen nicht habe Folge leisten wollen, rechtfertige nicht die Annahme der politischen Verfolgung. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo zum Zeitpunkt der Ausreise des Asylbewerbers wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder einer vermuteten politischen Gegnerschaft vorrangig einberufen worden seien 4. Zunehmend wird von Asylbewerbern versucht, nach Rücknahme ihrer Klage oder unanfechtbarer Ablehnung ihres Antrags durch das Stellen eines Folgeantrages und das Vorbringen von im Erstverfahren nicht vorgetragenen, z. T. angeblich neuen Asylgründen die Dauer ihres Aufenthalts mit den damit verbundenen -auch finanziellen -Vorteilen weiter zu verlängern. Die Zahl der Folgeanträge hat erheblich zugenommen: Waren im Januar 1996 noch ca. 18 Prozent der Antragsteller Folgeantragsteller, so belief sich im Juni 1997 ihr Anteil bereits auf 35 Prozent. In einem Fall wurden bereits sieben Folgeanträge gestellt, der erste davon 1990. Die Folgeanträge Nr. 3 und 4 wurden zwei Tage bzw. drei Monate nach der Rücknahme der Klage gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamtes und der Einstellung des Verfahrens durch das Gericht gestellt. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob es den Asylbewerbern und ihren Anwälten nicht mehr um die Prüfung des Bescheids des Bundesamtes durch ein unabhängiges Gericht geht, dessen Entscheidung dann akzeptiert wird, sondern alleine darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, den Aufenthalt zu verlängern. Der zunehmende Mißbrauch unseres rechtsstaatlichen Systems muß genau beobachtet werden. 5. Insbesondere große Medienaufmerksamkeit, die z. B. durch Unterstützergruppen bewußt auf einen bestimmten abgelehnten Asylbewerber gelenkt wird, kann dazu führen, daß vorgetragen wird, gerade diese Medienberichterstattung würde bei einer Abschiebung zu politischer Verfolgung der Betreffenden führen.

In einem Fall hat ein Gericht die Abschiebung einer kurdischen Familie in die Türkei ausgesetzt und das Bundesamt verpflichtet, das Asylbegehren unter Berücksichtigung der intensiven Berichterstattung in den Medien nochmals zu prüfen. In der Entscheidung führte das Gericht zwar aus, daß ihm bisher keine Fälle bekannt seien, in denen abgeschobene türkische Asylbewerber nach ihrer Rückkehr von staatlichen Verfolgungsmaßnahmen deshalb betroffen worden seien, weil über ihren Fall in den deutschen bzw. türkischen Medien berichtet wurde. Dennoch sei im vorliegenden Fall eine nochmalige Überprüfung des Asylbegehrens unter Berücksichtigung dieser jüngsten Vorgänge vorzunehmen, weil über das Verfolgungsschicksal der Antragsteller in einer Weise berichtet worden sei, die geeignet sein könne, türkischen Staatsorganen öffentlich erhebliche asylrelevante Übergriffe gegen die Antragsteller vorzuwerfen. Angesichts der bei einer Rückkehr routinemäßig durchgeführten Einreisekontrollen und der Möglichkeit einer Bestrafung wegen Verunglimpfung des türkischen Staates sei es denkbar, daß die öffentliche Behauptung von massiven Übergriffen die Antragsteller in das besondere Blickfeld der Sicherheitskräfte gebracht habe.

Das Gericht wies allerdings unmißverständlich darauf hin, daß es keinen Anlaß gebe, von den bisherigen gerichtlichen Entscheidungen in den früheren Asylverfahren abzuweichen und das bisherige Asylvorbringen neu zu bewerten. In den früheren Verfahren hätten die Antragsteller nämlich die Gründe für ihr Asylbegehren mehrfach gewechselt bzw. gesteigert, oder ihre Glaubwürdigkeit sei durch die Vorlage eines nachweislich gefälschten Haftbefehls sowie die Vorlage eines asylrechtlich irrelevanten Dokumentes nachhaltig erschüttert worden. Für nicht nachvollziehbar hielten die Richter auch das Verhalten der Ehefrau, die ihre behaupteten Asylgründe erst mehr als sieben Jahre nach ihrer Einreise präzisiert und zudem zuerst gegenüber den Medien und nicht gegenüber den für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständigen Behörden und Gerichten offenbart habe 6. Zunehmend werden während eines Gerichts-verfahrens oder vor einer Folgeantragstellung politische Aktivitäten aufgenommen, häufig etwa die Gründung von Exilorganisationen. In einem Fall war der Kläger, ein abgelehnter Asylbewerber aus Togo, vor seiner Ausreise weder Mitglied einer Oppositionspartei noch für eine solche tätig. Wenige Monate vor der Berufungsverhandlung wurde er zum Präsidenten einer erst 1995 gegründeten Exilorganisation gewählt, die nur ca. 50 Mitglieder hatte. 7. In der örtlichen Presse erregte -auch wegen der daraus resultierenden Erkenntnisse zur Schleusertätigkeit -der Fall von Asylbewerbern, die angeblich aus Burma kamen, großes Aufsehen: Anfang des Jahres 1995 häuften sich die Asylanträge aus dem Herkunftsland Myanmar (Burma) um ein Vielfaches. So wurden von 1990 bis 1994 nur 131 Asylanträge aus Burma gestellt, in den ersten acht Monaten des Jahres 1995 dagegen insgesamt 176. Aufgrund von vorgefundenen Unterlagen und des ähnlichen Vorbringens der Antragsteller drängte sich der Verdacht auf, daß es sich in Wirklichkeit um Staatsangehörige von Bangladesch handelte, die mit falschen Papieren und offensichtlich gut vorbereitet ins Asylverfahren gingen und durch die falsche Angabe zum Herkunftsland ihre Chance auf Anerkennung vergrößern wollten. Die Polizei stellte fest, daß es sich hierbei um eine großangelegte Schleuseraktion handelte. Acht Männer wurden als mutmaßliche Mitglieder einer Schlepperbande vor Gericht gestellt. Ihnen wurde vorgeworfen, für mehrere tausend Mark pro Person 60 Menschen aus Bangladesch nach Deutschland geschleust zu haben. In Deutschland erhielten die „Kunden“ eine neue Identität und alle nötigen Unterlagen sowieAnweisungen, wie sie sich gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu verhalten hätten. In seinem Schlußplädoyer wies der Oberstaatsanwalt darauf hin, daß echte politische Flüchtlinge, die gefoltert worden und dem Tod entronnen seien, zunehmend wegen solcher Asylbewerber auf Mißtrauen stoßen

VII. Fazit

Das Grundrecht auf Asyl gilt nur für wirklich schutzbedürftige politisch Verfolgte. Die Praxis zeigt jedoch, daß das Asylverfahren -auch weil Schleuserbanden hier einen Markt entdeckt haben -größtenteils von Menschen in Anspruch genommen wird, die aus anderen als Asylgründen nach Deutschland kommen und hier eine Chance sehen, einen Aufenthaltsstatus und die damit verbundene finanzielle Unterstützung zu erlangen, die ein gesichertes Verbleiben in Deutschland ermöglichen.

Für den Mitarbeiter des Bundesamtes, der trotz seiner alltäglichen Erfahrungen von Täuschung gewissenhaft angehört und nach Einbeziehung aller möglichen Erkenntnisquellen eine Entscheidung getroffen hat, in der Gesetz und Rechtsprechung abgebildet werden und die oft unter großem Aufwand in mehreren Gerichtsinstanzen bis hin zum Verfassungsgericht bestätigt wird, für diesen Mitarbeiter stellt sich nicht selten die Frage, ob die Entscheidungen des demokratisch gewählten Gesetzgebers, der rechtsstaatlich handelnden vollziehenden Gewalt und der unabhängigen Justiz nur dann akzeptiert werden, wenn sie Sympathisanten-Gruppen gefallen, und mißachtet werden -z. B. auch im Wege des sogenannten Kirchenasyls -, obwohl rechtskräftig festgestellt wird, daß weder Asylgründe noch Abschiebungshindernisse vorliegen.

Humanitäres Engagement allein schafft kein Recht, das über dem der Gerichte und der demokratisch legitimierten Organe steht. Eine Entscheidung mag subjektiv als ungerecht empfunden werden. Da jedoch Asylrecht vor staatlicher Verfolgung Schutz gewährt, sind emotionale Vorwürfe an die Adresse der Entscheider des Bundesamtes unangebracht, wenn der Antragsteller keine staatliche Verfolgung erlitten hat, sondern durch andere Gründe, z. B. durch Werbung von Schleusern, zur Flucht veranlaßt wurde.

Angesichts der großen Zahl derer, die aus anderen als asylrelevanten Gründen nach Deutschland kommen und unser Asylrecht mißbräuchlich in Anspruch nehmen, würden sich die Mitarbeiter des Bundesamtes wünschen, sie müßten nicht so viel Zeit und Energie darauf verwenden, tatsächlich Verfolgte von angeblich Verfolgten zu unterscheiden, sondern könnten wirklich politisch Verfolgten die Hilfe und den Schutz unserer Gesetze zuteil werden lassen. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat als einzige Behörde die Erfahrung, die Informationen und die Kompetenz dazu.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Kurt Schelter/Hans-Georg Maaßen, Das deutsche Asylrecht nach der Entscheidung von Karlsruhe, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, (1996), S. 408 ff.

  2. Vgl. Bundestagsdrucksache (BT-Drs.) 13/5223.

  3. Vgl. Hans Ingo von Pollern, Die Entwicklung der Asylbewerberzahlen im Jahre 1996, in: Zeitschrift für Ausländer-recht und Ausländerpolitik, (1997), S. 95.

  4. Vgl. Nürnberger Zeitung vom 21. 6. 1997.

  5. Vgl. Annette Ramelsberger, „Denen werden einfach Märchen erzählt“, in: Süddeutsche Zeitung vom 5. 8. 1997. Anm.der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von Klaus Severin in diesem Heft.

  6. Vgl. „Für 2 000 Dollar in den goldenen Westen“, in: Süddeutsche Zeitung vom 5. 8. 1997, wo ausgeführt wird, daß Kurden mit bosnischen Papieren versorgt werden, da Bosnier in Europa „mit größerem Entgegenkommen rechnen können“. .

  7. Zu den einzelnen Fällen vgl. BT-Drs. 13/7376; ferner: „Der Tod an der Grenze: erschöpft, erfroren, ertrunken“, in: Süddeutsche Zeitung vom 5. 8. 1997.

  8. Vgl. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 6. 8. 1996, abgedr. in: Deutsches Verwaltungsblatt (DVBI), (1997), S. 182 f.

  9. Vgl. BVerfG Entscheidungssammlung zum Ausländer-und Asylrecht (EZAR) 202, Nr. 20.

  10. Vgl. BVerwG vom 6. 8. 1996, in: DVB 1, (1997), S. 182, 185.

  11. Vgl. BVerfG, EZAR 201, Nr. 20.

  12. Vgl. BVerwG vom 6. 8. 1996, in: DVB 1, (1997), S. 182 f.

  13. Vgl. BVerwG vom 6. 8. 1996, in: DVB 1, ebd.

  14. Vgl. BVerwG vom 29. 8. 1995, in: Neue Zeitschrift Verwaltungsrecht -Rechtsprechungsreport 96, 293 m. w. N.

  15. Vgl. OVG Rheinland-Pfalz vom 5. 11. 1996-11 A 12863/96. OVG, Ausländer-und Asylrecht. Schnelldienst, (1997), S. 68.

  16. Vgl. BVerwGE 81, 41 (42).

  17. Vgl. OVG NRW vom 25. 4. 1996 -13 A 698/94. A.

  18. Vgl. Pressemitteilung Verwaltungsgericht Neustadt vom 3. 9. 1996.

  19. Vgl. Nürnberger Nachrichten vom 26. 7. 1996 und vom 2. 4. 1997; Nürnberger Zeitung vom 7. 6. 1997.

Weitere Inhalte

Michael Griesbeck, Dr. iur., MA., geb. 1960; 1988-1996 im Bundesministerium des Innern; seit 1. 7. 1996 Abteilungsleiter für Grundsatzangelegenheiten, Internationale Aufgaben und Informationstechnik im Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg.