Privatisierung im Transformationsprozeß beinhaltet sowohl die Rückgabe (Reprivatisierung oder Restitution) bisherigen Staats-oder Genossenschaftseigentums an die früheren Eigentümer als auch die Zulassung von neuem inländischem oder auch ausländischem Privateigentum in der Wirtschaft, vor allem aber wird darunter die Umwandlung von solchen kleineren und größeren Staatsbetrieben in privatwirtschaftliche Unternehmen verstanden, die keine früheren Eigentümer mehr vorweisen oder erst in sozialistischer Zeit entstanden waren. Wenig Probleme ergaben sich erwartungsgemäß bei der Privatisierung der kleineren Gewerbeeinheiten, die in allen Ländern sehr bald einsetzte. Bei der Privatisierung der Großbetriebe setzte jedes Land entsprechend seiner besonderen wirtschaftlichen Situation, seinem Entwicklungsstand und auch seiner speziellen politischen Konstellation (bürgerlich-konservative oder sozialistisch/sozialdemokratische Regierung) unterschiedliche Prioritäten. Ungarn mußte wegen seiner hohen Verschuldung vor allem auf die Erzielung von Einnahmen bedacht sein und suchte dementsprechend ausländische Käufer, Tschechien oder Rumänien verhielten sich anders, wobei sich für Tschechien trotzdem ausreichend Investoren fanden. Die russischen Reformer waren vorrangig auf einen schnellstmöglichen Bruch mit der Vergangenheit aus, Polen andererseits ließ sich Zeit und verlor sich in langwierigen Debatten über Gerechtigkeit und Gleichverteilung. Die Tschechen betonten die Wichtigkeit der Depolitisierung, d. h.der Trennung der Verbindungen zwischen Staat und Unternehmen, Estland versuchte mit seinem Privatisierungsprogramm „echte“ Kapitalseigner zu finden, die neues Kapital und Managementkenntnisse einbringen können. Man erkennt jedoch, daß der private Sektor in allen Transformationsländern deutlich an Bedeutung gewonnen hat, wobei eine erfolgreiche Massenprivatisierung die eigentlichen Unterschiede zwischen den Ländern bewirkt. In den Volkswirtschaften, die bereits in breitem Ausmaße die Große Privatisierung vollzogen haben, kann eine weitere Ausdehnung des Privatsektors nur noch durch den Zutritt neuer Unternehmen und das Wachstum bestehender Privatunternehmen erfolgen; Auslandsinvestitionen sind hier im übrigen auch eher zu erwarten als in Ländern, wo die Massenprivatisierung erst zögerlich vorankommt.
I. Vorbemerkungen
Während bei den Markt-und Preisreformen einige der Staaten Mittel-und Osteuropas bereits relativ schnell bemerkenswerte Fortschritte vorweisen konnten, stellten sich die technischen Probleme wie auch ideologischen Widerstände bei der Privatisierungzunehmend gewichtiger dar als ursprünglich angenommen. Gerade die Privatisierung wird jedoch von nahezu allen Ökonomen als das Herzstück des Transformationsprozesses bei der Umwandlung von staatssozialistischen Systemen in Marktwirtschaften erkannt. Auch in den Ländern Ostmittel-und Südosteuropas setzte sich sehr schnell die Erkenntnis durch, daß das private Eigentum für das Funktionieren einer Marktwirtschaft von grundlegender Bedeutung ist.
Versuche, Elemente des Marktes in die sozialistischen Volkswirtschaften ohne Änderungen der Eigentumsordnung („sozialistische Marktwirtschaft“) einzufügen, wie sie bei den verschiedensten Reformanstrengungen in Polen, Ungarn oder auch in der Tschechoslowakei bereits vor 1989 beobachtet werden konnten, brachten nicht den gewünschten Erfolg. Effizientes Marktverhalten und kollektive Eigentumsordnung waren offenbar nicht zusammenzubringen.
In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß in den letzten beiden Jahren vor dem politischen Wandel in Osteuropa in einigen Ländern -vor allem in den beiden liberalen Reformländern Ungarn und Polen -doch schon grundsätzliche Privatisierungskonzepte diskutiert wurden, die sich inhaltlich mit Möglichkeiten der Mitarbeiter-beteiligung (Mitarbeiteraktien) oder der Verteilung des gesamten staatlichen Vermögens unter die Mitglieder der Gesellschaft in Form von (zumeist gratis abzugebenden) Volksaktien beschäftigten. In dieser vorrevolutionären Zeit wurde allerdings die Vorstellung einer möglichen Reprivatisierung in Form der Rückgabe (Restitution) von Staatseigentum an die früheren Besitzer noch nicht angesprochen.
Die politische Wende Ende 1989 traf die einzelnen Länder Osteuropas in unterschiedlichen Stadien ihrer gesellschaftlichen und vor allem eigentums-politischen Entwicklung. In Polen und Ungarn hatten grundsätzliche Systemdiskussionen bereits einen mehrjährigen Vorlauf, zur Durchsetzung des Privateigentums als gleichberechtigter oder sogar vorrangiger Form des Produktiveigentums fehlte lediglich noch der endgültige politische Wandel. In Polen kam noch hinzu, daß der landwirtschaftliche Sektor ohnehin seit jeher überwiegend privatwirtschaftliche Eigentumsformen aufwies. Ganz anders stellte sich die Situation in der Tschechoslowakei dar, dem dritten ostmitteleuropäischen Land. Privates Produktionsmitteleigentum spielte bis zum Jahre 1989 praktisch keine Rolle, allerdings war die geistige Nähe zu mitteleuropäischen Eigentumsstrukturen zumindest in der Intelligenz nie aufgegeben worden. Trotzdem war die sozialistische Eigentumsordnung in keinem anderen Land des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) so konsequent verwirklicht worden wie in der Tschechoslowakei -sogar in der damaligen DDR gab es deutlich mehr private Gewerbetreibende als in der CSSR. Gleichfalls stark unterentwickelt war der privatwirtschaftliche Sektor in der Sowjetunion, aber auch in Rumänien und Bulgarien -von Albanien ganz zu schweigen.
Natürlich ist die Intensität des nach 1989 einsetzenden Privatisierungsprozesses in Ost-und Ost-mitteleuropa auch zu einem wesentlichen Teil durch die Tiefe des politischen Wandels in diesen Ländern bedingt. Dort, wo bürgerliche Parteien an die Macht kamen und sich behaupten konnten, setzte eine grundsätzlichere und durchgreifendere Privatisierungspolitik ein als in den Staaten, in denen die früheren Eliten es vermochten, sich -auch mit neuen Etiketten versehen -weiter im Entscheidungsprozeß zu behaupten. Letzteres traf beispielsweise bis vor kurzem für Rumänien zu; aber auch in Bulgarien oder erst recht in der Ukraine, in Belarus (Weißrußland) oder Rußland vermochten die Angehörigen der alten Machtstrukturen entweder über ihre Präsenz in den gesetzgebenden Organen oder wegen der Probleme, auf den untergeordneten Verwaltungs-und Managementebenen komplette Kaderwechsel durchzuführen, Privatisierungsanstrengungen zu verschleppen oder gar zu verhindern. Nach der Liberalisierung der Märkte und der Durchführung der grundsätzlichen Preisreformen können die Regierungen aber nicht auf Dauer große Teile einer dynamischen, sich grundsätzlich umorientierenden Wirtschaft kontrollieren. Sowohl die Fachleute in den Wirtschafts-und Finanzministerien als auch die politischen Entscheidungsträger in den Haushaltsausschüssen und sonstigen Gremien der Parlamente müssen überfordert sein, wenn es um Marktanpassungen und tiefgreifenden Strukturwandel von wirtschaftlich schon relativ fortgeschrittenen Volkswirtschaften geht. Zu viele Marktsignale in den nun dem Weltmarkt geöffneten Volkswirtschaften treten auf, und zu viele wirtschaftliche Überlegungen sind auf den verschiedenen Ebenen erforderlich, um über die notwendigen Veränderungen zu entscheiden. Dezentrale Eigentumsstrukturen auf der grundsätzlichen Basis privaten Besitzes des Produktionskapitals, das sich nicht immer in Finanz-oder materiellen Werten, sondern auch in Ideen, Patenten und sonstigen, auch immateriellen Eigenschaften ausdrükken kann, haben sich als die beste Voraussetzung erwiesen, Wettbewerbsbedingungen zu etablieren und wirtschaftliche Effizienz sowohl auf der Unternehmens-als auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene zu steigern.
II. Privatisierungsformen
Abbildung 13
Tabelle 1: Methoden der Privatisierung von mittleren und großen Unternehmen in sieben Transformationsländern, Stand Ende 1995 Quelle: The World Bank (Hrsg.), From Plan to Market. World Development Report 1996, New York 1996, S. 53.
Tabelle 1: Methoden der Privatisierung von mittleren und großen Unternehmen in sieben Transformationsländern, Stand Ende 1995 Quelle: The World Bank (Hrsg.), From Plan to Market. World Development Report 1996, New York 1996, S. 53.
Privatisierung ist ein Begriff, der sowohl die Rückgabe (Reprivatisierung oder Restitution) bisherigen Staats-oder Genossenschaftseigentums als auch die Zulassung von neuem inländischen oder auch ausländischen Privateigentum in der Wirtschaft einschließt, vor allem aber auch die Umwandlung von zumeist größeren Staatsbetrieben, die keine früheren Eigentümer vorweisen oder gar erst in sozialistischer Zeit entstanden waren, in privatwirtschaftliche Unternehmen beinhaltet. Dementsprechend unterscheidet man zunächst zwei Ausgangsformen der Privatisierung. Es sind dies -die Ausdehnung des bereits vorhandenen privatwirtschaftlichen Bereichs durch Zulassung der Neugründung von privaten Unternehmen;
dies geschah beispielsweise in Polen bereits in der ersten Hälfte der achtziger Jahre, als Inländer und vor allem Auslandspolen die bekannten „Polonia“ -Firmen ins Leben riefen;
-der Zutritt von ausländischem Kapital beziehungsweise von ausländischen Unternehmen durch Joint-ventures oder rein in ausländischem Besitz befindliche Betriebe.
Diese beiden Formen sind nur als Anfangsstrategien zu erkennen -sie wurden in einigen Ländern in der Tat auch schon vor 1989 zugelassen (zum Beispiel in Polen). Das grundsätzliche Eigentums-system im Inland wurde nicht angetastet, es handelte sich lediglich um eine vorsichtige Ausweitung des privaten Sektors und die Schaffung von privaten Joint-Venture-Enklaven. Die eigentlichen Privatisierungen im Sinne einer eigentumsrechtlichen Umformung betreffen hingegen die bereits vorhandenen Produktionsvermögen: -Restitution früheren Privateigentums an die rechtmäßigen Eigentümer. Dies geschah vorwiegend bei kleineren Geschäften, Reparaturwerkstätten, in der Landwirtschaft und natürlich auch bei Haus-und Wohnbesitz.
-Kleine Privatisierung, d. h. die Veräußerung oder Versteigerung kleinerer Betriebseinheiten, vorwiegend im Dienstleistungsgewerbe (Handel, Reparaturwerkstätten, Hotels, Pensionen) an interessierte Einzelpersonen; dies wurde häufig in öffentlichen Auktionen auf Gemeindeebene durchgeführt (in der Tschechoslowakei beispielsweise samstags).
-Große Privatisierung, d. h. die Überführung von staatlichem, größerem Unternehmenseigentum in privates Eigentum mittels verschiedener Privatisierungstechniken, wie Voucher-Privatisierung, Direktverkauf an inländische oder ausländische Kapitaleigner, Übergabe oder Verkauf an das Management (ManagementBuyout), Übergabe oder Verkauf an die Belegschaft (Employee-Buyout).
-Spontane Privatisierung, d. h. Versuch einer Übernahme von Eigentumsrechten an bisherigem Staatseigentum durch zum Teil zweifelhafte rechtliche Regelungen seitens der sozialistischen Nomenklatur.
In den meisten ostmittel-und südosteuropäischen Ländern wurde in der ersten Hälfte der neunziger Jahre der Gesamtprozeß der Privatisierung unter gleichzeitiger Zuhilfenahme der einzelnen Privati-sierungstechniken weitgehend vorangetrieben. Wenig Probleme ergaben sich erwartungsgemäß bei der Restitution und der Kleinen Privatisierung, die in allen Ländern sehr bald einsetzte. Hier waren die Interessen der alten sozialistischen Nomenklatur -der Parteioberen und der Manager -auch nicht direkt tangiert, weil es nicht um größere Vermögenswerte ging, die man sich gerne reservieren wollte. Man konnte hier ebenso wie bei der Restitution von kleinen Gewerbebetrieben vor allem das in allen sozialistischen Ländern so lange vernachlässigte Angebot an Dienstleistungen schnell und ohne großen Kapitaleinsatz qualitativ und quantitativ verbessern und zugleich neue Beschäftigungsmöglichkeiten finden, bevor die später zu erfolgende Sanierung der großen sozialistischen Staatsbetriebe entsprechende Arbeitskräfte freisetzte.
III. Probleme bei der Privatisierung der Großunternehmen
Abbildung 14
Tabelle 2: Beurteilung des Fortschritts in Privatisierung und Umstrukturierung Quelle: Nicholas Stern, The Transition in eastern Europe and the former Soviet Union: some Strategie lessons from the experience of 25 countries over six years, EBRD Working Paper 18, London 1997.
Tabelle 2: Beurteilung des Fortschritts in Privatisierung und Umstrukturierung Quelle: Nicholas Stern, The Transition in eastern Europe and the former Soviet Union: some Strategie lessons from the experience of 25 countries over six years, EBRD Working Paper 18, London 1997.
Sehr schnell zeigte sich, daß die größten Probleme bei der Großen Privatisierung, d. h. bei der Umwandlung der sozialistischen „Dinosaurier“, wie man die überdimensionierten Staatsbetriebe nannte, auftraten. Im Verlauf der bisher noch kurzen Transformationszeit haben sich dabei eine ganze Reihe verschiedenster Privatisierungsstrategien herausgebildet, denen zum Teil politische und soziale Überlegungen zugrunde lagen (Gerechtigkeitsanspruch), die zum anderen aber sowohl wirtschaftliche Gründe vorweisen als auch Gruppeninteressen folgen.
Dem Gerechtigkeitsanspruch zuzurechnen ist die Entwicklung des sogenannten Voucher- oder Couponmodells, in welchem die zu privatisierenden Unternehmen möglichst gleichmäßig (gerecht) an die Bevölkerung -die Werktätigen -übertragen werden sollen, da diese ihren Aufbau und ihr Wirken über die sozialistischen Jahre hinweg ermöglicht hatten. Der von den Werktätigen erwirtschaftete Profit war ja immer wieder in die Volkswirtschaft reinvestiert worden, so daß das nunmehr vorhandene Produktionskapital eigentlich der Bevölkerung gehörte! Um die Unternehmensanteile verteilen zu können, mußten die bisherigen Staatsbetriebe erst kommerzialisiert, d. h. in Aktiengesellschaften umgewandelt werden. Die Verteilung der Aktien beziehungsweise ihrer Vorstufe, der Vouchers oder Coupons, erfolgte dann in den einzelnen Ländern nach verschiedenen Mustern. Die Privatisierung von Groß-und Mittelbetrieben nach dem Voucher-Modell wurde vorwiegend aufgrund politischer Erwägungen gewählt, wenn nicht so sehr eine stabile und effektive Corporate Governance (Unternehmenskontrolle) und eine möglichst schnelle Umstrukturierung der Unternehmen als vielmehr die Entstaatlichung der Wirtschaft und die breite Verteilung des Produktivvermögens Hauptziele waren. Auf die Voucher-Methode griff man auch deshalb zurück, weil -bei entsprechendem Kapitalmangel im Inland und zu wenig Interesse seitens des ausländischen Kapitals -der Staat zu lange auf seinen Großbetrieben sitzenbleiben würde und ihm die notwendigen strukturellen Veränderungen für alle diese Betriebe gleichzeitig nicht zugetraut wurden.
Dementsprechend war auch der Direktverkauf von Unternehmen, der nur. dann in größerem Stil erfolgreich sein kann, wenn sowohl ein großes Angebot an attraktiven Staatsunternehmen als auch eine entsprechend kaufkräftige Nachfrage privater Investoren vorhanden sind, eine sehr mühevolle Angelegenheit und zahlenmäßig unbedeutend. (Eine Ausnahme bildet hier die ehemalige DDR, in der die Treuhandanstalt diese Aufgabe übernahm.) Nach anfänglichen Erfolgen bei wenigen lukrativeren Staatsunternehmen stagnierte der Verkauf mittels dieser Methode, und die Staatsholdings, die nach der Massenprivatisierung die restlichen Unternehmen versilbern möchten, müssen diese jetzt zuerst sanieren -eine Aufgabe, die sie gerne den Käufern überlassen hätten.
Ein bekanntes, weil zumindest formal sehr gelungenes Beispiel für die Durchführung einer Voucher-Privatisierung ist die in Tschechien angewandte Methode, die bis zur Trennung des Staates Tschechoslowakei in zwei Einheiten auch in der Slowakei zur Anwendung kam: Über 4 000 zur Massenprivatisierung vorgesehene Staatsunternehmen sollten in zwei Wellen umgewandelt werden, wobei nicht alle Staatsbetriebe unbedingt in die Voucher-Privatisierung eingebracht werden sollten und auch bei den für die Massenprivatisierung ausgewählten nicht alle Anteilswerte für die Massen-verteilung vorgesehen waren. Vereinfacht läßt sich das Verfahren der Voucherprivatisierung in Tschechien und in der Slowakei wie folgt beschreiben Die Staatsunternehmen, die bisher vorwiegend einzelnen Ministerien direkt unterstanden hatten (Regiebetriebe), wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt und in das Eigentum der drei Nationalen Vermögensfonds (Föderaler, Tschechischer und Slowakischer) überführt. Jeder tschechoslowakische Bürger im Alter von mindestens 18 Jahren konnte ein nicht übertragbares Voucher-(oder Coupon-) Heft mit 1 000 Couponpunkten für einen Preis von 1 035 Kronen (ca. Gegenwert eines durchschnittlichen Wochenlohnes) erwerben. Diese Couponpunkte konnten dann in einem schrittweisen Preisbildungsprozeß im Verlauf von insgesamt fünf computerisiert durchgeführten Bieterrunden gegen Aktien eingetauscht werden, wobei sich entsprechend der Wertschätzung der einzelnen Unternehmen durchaus unterschiedliche Preise (Coupons je Aktie) ergaben. Diese Methode erlaubte eine annähernde Bewertung der zur Privatisierung gelangten Unternehmen und der ganze Prozeß konnte relativ schnell ablaufen. Da viele Bürger Unsicherheit aus Unkenntnis bezüglich des für sie völlig ungewohnten Verfahrens verspürten, war die Möglichkeit geschaffen worden, die Coupons neu entstandenen Investitionsfonds anzuvertrauen, damit diese im Bietungsprozeß für sie eintraten. Diese Investmentfonds, von denen sich ziemlich schnell über 400 gebildet hatten, boten sich auch für die weitere Verwaltung der so erworbenen Aktien an. Auf diese Weise hatte man zwar eine große Anzahl von Kleinaktionären. aber man hatte auch dubiosen Gesellschaften mit unseriösen Gewinnversprechen den Weg geebnet, sich Aktienpakete zu verschaffen, mit denen sie einen erheblichen Einfluß auf die Unternehmenspolitik einzelner Betriebe ausüben konnten. Zudem zeigte sich sehr schnell, daß diese Investmentfonds häufig unter Umgehung des offiziellen Börsenhandels Aktienpakete im Direktverkehr tauschten. Daß viele dieser Gesellschaften vor allem spekulative Zielsetzungen verfolgten, läßt sich anhand der Entwicklung eines der bekanntesten tschechischen Investmentfonds, des Harvard Capital & Consulting, zeigen: Mit einer ganzen Reihe von einzelnen Investmentfonds waren Hunderttausende von Anlegern angelockt worden, die durch geschickte Verwaltung des anvertrauten Kapitals auch Kursgewinne erzielten.
Inzwischen -Mitte August 1997 -ist jedoch die Liquidation der Harvard-Industrie-Holding, in der sechs ehemalige Investmentfonds zusammengeschlossen sind, von den Hauptaktionären beschlossen worden. Es wurden zwar rasche Gewinne erzielt, die Erwartung aber, daß diese Fonds mit den von ihnen verwalteten Aktionärspaketen aktiven. gestaltenden Restrukturierungseinfluß auf die beherrschten Unternehmen ausüben würden, wurde nicht erfüllt: Frühkapitalismus anstelle gezielter Corporate Governance!
Eine besondere Form der Privatisierung ist sicherlich der Verkauf an das bisherige Management (Management-Buyout) oder an die Belegschaft des Unternehmens (Employee-Buyout). Dies erfolgte häufig zu Vorzugsbedingungen, die entweder tatsächlich die Belegschaft begünstigen sollten oder die auf sehr zweifelhafte Art herbeigeführt wurden: Eine beliebte Methode der am Kauf interessierten Manager war es beispielsweise, das Unternehmen in kürzester Zeit durch Scheinverkäufe (an Beteiligte) seiner besten Anlagen zu berauben, es damit fast wertlos zu machen, und dann zum geringstmöglichen Preis zu kaufen; eine andere, bewußt -durch Mißmanagement -den Betrieb schnell herunterzuwirtschaften, um ihn dann zu kaufen und die Einzelteile gewinnbringend zu verkaufen. In diesen Fällen war aber fast immer die zumindest stille Billigung der politisch Verantwortlichen erforderlich.
Vorzugsangebote für die Belegschaft oder einfach für Inländer wurden auch zum Zwecke der inländischen Nachfragemobilisierung bei gleichzeitiger Abschreckung von ausländischen Interessenten konstruiert. Zu beobachten war dies in Polen. Rumänien, in Ungarn 1994 und jetzt auch in der Slowakei
Der direkte Transfer von Unternehmenseigentum ohne Rückgriff auf die Voucher-Methode und ohne Entgelt -auch im Sinne einer sozialen Zielsetzung -wurde hingegen dort praktiziert, wo Ziel und Objekt der Eigentumsübertragung klar festgelegt waren: Unter diese Kategorie fallen zum Beispiel Restitutionen und Übertragungen von Eigentumsanteilen (Aktien) an Pensionsfonds oder Gemeinden, die aber größenmäßig nur eine untergeordnete Rolle spielten
Man kann grundsätzlich festhalten, daß sich die Privatisierung von mittelgroßen und großen Unternehmen viel komplizierter gestaltete, als ursprünglich erwartet wurde. Die neuen politischen Entscheidungsträger waren mit der Herausforderung konfrontiert, sehr komplexe und oft miteinander konkurrierende Privatisierungsziele in relativ kurzer Zeit zu erreichen, wobei häufig auch politisch unterstützte wirtschaftliche Interes-sen aufeinanderprallen. So kann beispielsweise die Erhaltung der Arbeitsplätze für ein Employee-Buyout-Programm sprechen, gleichzeitig aber der Druck von Seiten des Managements über die Politik zu einer Entscheidung für ein Management-Buyout führen, obwohl rein strategisches Denken in bezug auf künftige Wettbewerbspositionen vielleicht für den Verkauf an einen ausländischen Investor mit entsprechendem Kapital-und Knowhow-Einsatz spricht. Konsequent volkswirtschaftlich gedacht, mag möglicherweise die Schaffung eines starken heimischen Konzerns mittels Einschaltung inländischer Finanzierungsgesellschaften naheliegen. Diese Überlegungen können zusätzlich noch mit Restitutionsforderungen konfligieren oder auch angesichts einer schwierigen Schulden-lage die Möglichkeit einer Debt-Equity-Lösung (Umwandlung von Schulden in Unternehmensanteile) erfordern.
Bei jedem der Privatisierungsansätze müssen entsprechende Gegenüberstellungen zu anderen vorgenommen und dabei muß die vorrangige Zielvorstellung der Effizienzsteigerung des vorhandenen Kapitals im Auge behalten werden. Verbesserte Corporate Governance ist aber sicher in vielen der oben kurz angesprochenen Privatisierungsmethoden nicht unbedingt zu erwarten beziehungsweise kann im besten Falle suboptimal ausfallen Leichterer Zutritt zu Kreditmöglichkeiten oder kostengünstigem Know-how ist bei Berücksichtigung ausländischer Investoren eher anzunehmen als bei Übernahme der Unternehmung durch die Beschäftigten. Nicht zu vergessen ist ferner die Absicht, den Staatshaushalt durch Anteilsverkäufe mit dringend notwendigen Einnahmen für die Durchführung der Sozial-und Strukturprogramme zu versorgen.
Jedes Transformationsland hat entsprechend seiner besonderen wirtschaftlichen Situation, seinem Entwicklungsstand und auch seiner speziellen politischen Konstellation (bürgerlich-konservative oder sozialistisch/sozialdemokratische Regierung) im Privatisierungsprozeß unterschiedliche Prioritäten gesetzt. Ungarn mußte wegen seiner hohen Verschuldung vor allem auf die Erzielung von Einnahmen bedacht sein und suchte dementsprechend ausländische Käufer; Tschechien oder Rumänien verhielten sich anders, wobei sich für Tschechien trotzdem ausreichend Investoren fanden. Die russischen Reformer waren vorrangig auf einen schnellstmöglichen Bruch mit der Vergangenheit aus, Polen andererseits ließ sich Zeit und verlor sich in langwierigen Debatten über Gerechtigkeit und Gleichverteilung. Die Tschechen betonten die Wichtigkeit der Entpolitisierung, d. h.der Trennung der Verbindungen zwischen Staat und Unternehmen, Estland versuchte mit seinem Privatisierungsprogramm „echte“ Kapitalseigner zu finden, die neues Kapital und Managementkenntnisse einbringen können
Nicht nur die politisch-wirtschaftlichen Prioritäten, sondern auch die politisch-gesellschaftlichen Voraussetzungen unterschieden sich von Land zu Land, wenn es um die Entscheidung für die eine oder andere Methode ging. Es ging dabei um die politische Durchsetzungsmöglichkeit, beispielsweise darum, Direktverkäufe an Außenstehende, insbesondere Ausländer, gegen die primären Interessen der unmittelbar Beteiligten -der Beschäftigten und des Managements -durchzusetzen. Grundsätzlich standen sich hier die Alternativen „Topdown“ -Privatisierung oder Berücksichtigung und Belohnung der bisherigen Beschäftigten gegenüber. In der Tschechoslowakei und in der DDR hatten straffe zentralistische Strukturen und gut entwickelte Administrationen das Bild geprägt, die -nach dem Zusammenbruch -die Durchführung zentral gesteuerter Top-down-Programme erleichtern mußten. Völlig anders stellte sich die Lage in Polen oder auch in Slowenien mit deren traditionell starken und gut organisierten Gewerkschaften (Polen) beziehungsweise Eigentümerbelegschaften (Slowenien) dar. In der ehemaligen CSSR waren die Gewerkschaften zur Zeit der Wende wegen ihrer früheren Zugehörigkeit zum kommunistischen Machtapparat diskreditiert und somit einflußlos. Eine einfache Implementierung eines von oben gesteuerten und die gesamte Wirtschaft erfassenden Privatisierungsmodells wie in der Tschechoslowakei (Voucher-Methode) war daher in Polen und der Slowakei, aber auch in Rußland, wo wiederum die Manager enormen Einfluß bewahrt hatten, nicht so leicht vorstellbar. Zu viele Beteiligte hatten Ansprüche und Mitentscheidungsbedarf, was die Verzögerungen erklärt
Vor-und Nachteile der verschiedenen Privatisierungsmethoden können in einem einfachen Schema dargestellt werden, wie dies die Weltbank in ihrem Weltentwicklungsbericht versucht hat:
In Tabelle 1 ist zusammengestellt, welche der verschiedenen beschriebenen Methoden der Privatisierung von Mittel-und Großbetrieben in den jeweiligen Transformationsländern mit welcher Wirkung zur Anwendung kamen. Die Unterschiede sind deutlich.
In den letzten Jahren sind weitere Privatisierungsfortschritte in Tschechien, Ungarn und in den baltischen Staaten, hier vor allem in Estland, erzielt worden, Verzögerungen und Blockierungen hat es demgegenüber in der Slowakei, in Rumänien und vor allem in Bulgarien gegeben. In der Slowakei wurde, im Gegensatz zu Tschechien, die zweite große Welle der Voucher-Privatisierung abgebrochen, die bereits verkauften Coupons wurden in Staatsverschreibungen im Wert von je 10 000 Sk (verzinst zum Diskontsatz über 5 Jahre) umgewandelt, gleichzeitig soll der Verkauf von Unternehmen an Belegschaften und an Unternehmensleitungen erfolgen. Da sich -vor allem bei den sogenannten Direktverkäufen -in einigen Fällen heftiger Streit zwischen Regierung und Opposition über vermeintliche Begünstigungen entzündete, ist eine weitere Privatisierung zur Zeit in Frage gestellt. Im Bereich des Bankwesens, das dringend einer Entflechtung von Staat und Bankensektor bedarf, ist zunächst keine Einigung in Sicht. In der Tendenz sieht es daher in der Slowakei eher so aus, daß der staatliche, d. h.der Regierungseinfluß auf wichtige Wirtschaftsbereiche über politische Verbindungen erhalten bleibt, die sich allerdings später in echte privatwirtschaftliche Bereiche verwandeln können. Doch auch dann soll ein nicht unerheblicher Bereich der Wirtschaft -größere Unternehmen als strategisch wichtige Einheiten -noch direkt unter Staatsregie bleiben (Golden Share). Diese Undurchsichtigkeit hat in der zweiten Welle der Privatisierung nicht gerade zu vermehrtem Engagement ausländischer Unternehmen geführt, insbesondere nachdem diese durch die Neuordnung der Übergabepraxis auch explizit beim „Einkauf“ in slowakische Unternehmen behindert wurden.
Auch in Rumänien hat es nach einem ersten Privatisierungsschub, der vor allem im Bereich der Kleinen Privatisierung zu erkennen war, zunächst Verzögerungen bei der Massenprivatisierung gegeben; hier hat die neue Regierung Anfang des Jahres 1997 einen Neubeginn angekündigt. Dasselbe kann für Bulgarien festgehalten werden, wo die Privatisierung der Großunternehmen unter der sozialistischen Regierung Videnov trotz mehrmaliger Aufforderungen und Ermahnungen seitens des IWF zurückgestellt worden war.
Die seit Sommer 1997 im Amt befindliche neue konservative Regierung Kostov hat deshalb in ihrem Programm ganz bewußt der Schließung oder Privatisierung der zumeist unrentablen Staatsbetriebe Priorität eingeräumt.
IV. Zum Fortschritt und Stand der Privatisierung
Abbildung 15
Tabelle 3: Anteile der Privatwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt der Transformationsländer (in Prozent, Jahresmitte) Quelle: EBRD, entnommen aus Länderanalysen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Tschechische Republik/Slowakische Republik, Hauptbericht März 1997, Frankfurt am Main 1997, S. 7.
Tabelle 3: Anteile der Privatwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt der Transformationsländer (in Prozent, Jahresmitte) Quelle: EBRD, entnommen aus Länderanalysen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Tschechische Republik/Slowakische Republik, Hauptbericht März 1997, Frankfurt am Main 1997, S. 7.
Eine vergleichende Einschätzung, welchen Fortschritt die einzelnen Transformationsländer mit ihrer Privatisierung und der gleichzeitig erforderlichen Umstrukturierung der Betriebe erzielt haben, ist einem im April 1997 erschienenen Report der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE, häufiger ist die englische Abkürzung EBRD) zu entnehmen. Die Erfolgsbeurteilung reicht von 1 (wenig Fortschritt) bis 4+ (Standard entspricht fortgeschrittenen westlichen Industrieländern). Diese simplifizierte Klassifizierung wurde vom Büro des Chefökonomen der EBRD erstellt (vgl. Tabelle 2).
In ihrem Transition Report 1995, Investment and Enterprise Development, hatte die EBRD bereits eine zusammenfassende Gegenüberstellung der Privatisierungserfolge in den Transformationsländern versucht Hierbei stützte sie sich vor allem auf offizielle nationale statistische Quellen der Finanzministerien, der Statistischen Ämter und der jeweiligen Privatisierungsbehörden. Bestimmte statistische Probleme müssen dabei berücksichtigt werden, so daß auch die von der Bank angegebenen Zahlen grundsätzlich nur als Schätzungen angesehen werden dürfen.
Es muß auch bedacht werden, daß die Statistischen Ämter in den Transformationsländern den privaten beziehungsweise nichtstaatlichen Sektor unterschiedlich definieren. Die einen schließen hierin alle Unternehmen ein, die eine mehrheitlich private Eigentümerstruktur aufweisen. Andere definieren als Privatsektor nur den Bereich, in dem keine Unternehmen mit vermischter Eigentümerschaft vorzufinden sind. Schließlich gibt es eine ganze Reihe von Zwischenformen, die allerdings meist als private Wirtschaftstätigkeit definiert werden. Beispielsweise ist man dazu über-gegangen, das Wirtschaftsergebnis einer in staatlichem Besitz befindlichen Unternehmung, die von einem Privatunternehmen geleast wurde, ebenfalls als privat zu bezeichnen und sie deshalb in den offiziellen Statistiken im Privatsektor aufzuführen.
Einen Wandel in der Zuordnung haben weiter in den meisten Ländern Kooperativen und Produktionskollektive erfahren, die früher als Teil des sozialistischen Sektors aufgeführt wurden. In den meisten Fällen ist die frühere Staatskontrolle über die Kooperativen im Vollzug der neuen Gesetzgebung deutlich zurückgegangen beziehungsweise gänzlich verschwunden, in einigen Ländern findet man jedoch den Staat im kooperativen Sektor immer noch als wichtigen Einflußfaktor.
Ein schwieriges statistisches Problem ist ferner die Erfassung der sogenannten Schattenwirtschaft. Da sich hierdurch zunächst eine allgemeine Unterschätzung der gesamtwirtschaftlichen, insbesondere der im privaten Sektor zu registrierenden Tätigkeit ergibt, haben die offiziellen Statistischen Ämter in Bulgarien, Estland, Litauen, Polen, Rumänien, Rußland und Ungarn Schätzungen der Ergebnisse der Schattenwirtschaft in ihre Bruttoinlandsprodukt-und Privatsektor-Aktivitäten eingebaut, während anderseits solche Anpassungen in Kroatien oder der Tschechischen Republik nicht erfolgen. Allgemein wird der Anteil der Schatten-wirtschaftauf 10 bis 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) geschätzt, wobei die Unterschiede von Land zu Land erheblich sind. In Ungarn liegt die nationale Schätzung bei rund 30 Prozent, wovon die Hälfte in die offizielle Berechnung des BIP übernommen wird. In Estland hatte man für das Jahr 1994 einen Wert von 20 Prozent am Gesamt-BIP angenommen, ein Wert, der auch in Slowenien zugrunde gelegt wird. Für Bulgarien hatte man für 1994 einem Anteil von 16, 8 Prozent am BIP geschätzt, für Rumänien hingegen nur 10 Prozent.
Statistische Mängel wurden von der EBRD weiter im Bereich des früher so genannten nichtmateriellen Sektors, d. h.des Dienstleistungsbereichs, festgestellt. Die statistische Vernachlässigung der im Sozialismus „nichtproduktiv“ genannten Tätigkeiten mußte dazu führen, daß die Statistischen Ämter zunächst Probleme in der Erfassung dieser gerade im Transformationsprozeß einen sehr starken Aufschwung erlebenden Bereiche hatten.
Es wird aus den verschiedenen Statistiken aber zumindest sehr deutlich, daß zunächst vor allem in der Landwirtschaft die Privatisierung am meisten vorangeschritten ist. In praktisch allen Transformationsländern weist hier der nichtstaatliche Sektor bereits Wertschöpfungsanteile von über 70 Prozent auf, wobei man die Kooperativen ebenfalls diesem Sektor zuordnen muß. Stark ausgeweitet hat sich daneben aber auch der Privatsektor im Dienstleistungsbereich, allerdings gibt es noch deutliche Unterschiede. So erreichen private Dienstleistungen in Polen bereits einen Anteil von 89 Prozent an den gesamten Dienstleistungen, während -am anderen Ende der Skala -die Ukraine erst 23 Prozent vorweisen kann. Auch Moldawien mit einem 34prozentigen und Rumänien mit einem 35prozentigen Anteil der privaten an den gesamten Dienstleistungen hinken noch hinterher.
Nimmt man die Beschäftigungszahlen als Maßstab für den erreichten Grad der Entstaatlichung, so sind auch hier die größten Anteile fast durchgängig in der Landwirtschaft zu finden. So arbeiten beispielsweise in Litauen nur noch rund 4 Prozent aller in der Landwirtschaft Beschäftigten in Staats-betrieben, in Rußland 15 Prozent, in Weißrußland hingegen doch noch 87 Prozent. Die entsprechenden Zahlen lauten für Bulgarien 34, für Tschechien 23, für Rumänien 10, für Moldawien 70 und für Georgien 17 Prozent. Gerade in der Landwirtschaft muß aber berücksichtigt werden, daß zum nichtsta für Moldawien 70 und für Georgien 17 Prozent. Gerade in der Landwirtschaft muß aber berücksichtigt werden, daß zum nichtstaatlichen Sektor eben auch die Kooperativen gezählt werden. So findet man beispielsweise in Tschechien rund die Hälfte aller in der Landwirtschaft Tätigen in den Kooperativen 9.
Während man auch für den Dienstleistungsbereich grundsätzlich feststellen kann, daß bis auf die -zum Teil auch in westlichen Ländern noch im Staatsbesitz befindlichen -zentralen Dienstleistungen wie Post und Telekommunikation sowie öffentlicher Verkehr der Großteil privat angeboten wird, stellt sich das Bild für die Industrie weit differenzierter dar. So bestehen zum Beispiel in Tschechien, der Slowakei und in Ungarn schon höhere Anteile der nichtstaatlichen Industrie an der gesamten industriellen Wertschöpfung, und zwar in Höhe von 59, 54 und nochmals 54 Prozent, und auch Rußland kann bereits 55 Prozent nicht-staatlicher Industrie vorweisen, aber Polen (38 Prozent) und erst recht Rumänien (15 Prozent) sowie Bulgarien (18 Prozent) hinken noch deutlich hinterher. Man erkennt klar, daß in den letztgenannten Ländern die Große Privatisierung noch nicht richtig angelaufen ist -eine Feststellung, die im übrigen auch für Kroatien (39 Prozent), die Ukraine (38 Prozent) oder Georgien (22 Prozent) zutrifft.
Entsprechend differenziert ist auch die Beschäftigungsstruktur in der Industrie. In Tschechien, Litauen und Ungarn findet man bereits 48, 62 und 57 Prozent aller Industriebeschäftigten im nicht-staatlichen Sektor, in Rußland hingegen lediglich 21 Prozent -ein Hinweis auf die deutlich höhere Produktivität des Privatsektors in diesem Land, wenn man auf den Wertschöpfungsanteil (55 Prozent) blickt 10. Daß in Rumänien und Georgien ebenfalls nur 21 Prozent (bei einem Wertschöpfungsanteil von 15 bzw. 22 Prozent) erreicht werden, und in Bulgarien gar nur 8 Prozent, war zu erwarten
V. Zusammenfassung
Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß im Jahr 1996 bereits mehr als die Hälfte der Transformationsländer einen Anteil von über 50 Prozent der Privatwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt vorweisen kann. Doch dürfen daraus keine verallgemeinernden Schlußfolgerungen gezogen werden. Insbesondere aus Tabelle 3 kann man sehr schnell erkennen, daß Globaldaten zu Fehlschlüssen führen können. Der höhere Anteil des Privatsektors am BIP in Albanien beispielsweise ist dadurch zustande gekommen, daß zwar die Landwirtschaft fast völlig reprivatisiert ist, der Dienstleistungsbereich des weiteren dadurch gekennzeichnet ist, daß eine Vielzahl von Einmann-Unternehmen (Kioske) entstanden ist, wo zum Teil nur Einzelprodukte verkauft werden, des weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten in Kleinstbars geschaffen worden sind, im Bereich der Industrie jedoch nur sehr wenige Unternehmen noch produzieren und somit das Produktionsniveau der Industrie auf höchstens 15 bis 20 Prozent der Vorwendezeit geschätzt wird. Auch im Falle Polens muß der relativ hohe Anteil des Privatsektors insofern mit einer Anmerkung versehen werden, als dort zwar Landwirtschaft und Dienstleistungen zu über 90 Prozent in privater Hand sind, im Industriebereich jedoch noch die Große Privatisierung eines gehörigen Schubes bedarf, um diesen Sektor als wirklich privatisiert bezeichnen zu können.
Daß nicht unbedingt der Anteil des Privatsektors am BIP auch schon ein Indiz für den relativen Wohlstand eines Landes darstellen muß, zeigt beispielsweise auch die Gegenüberstellung von Slowenien und der Länder der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS): Ukraine, Kasachstan, Usbekistan, Moldawien und Weißrußland. In der Tat ist in Slowenien erst 1996 der Großteil der Privatisierungsprogramme der 1 400 zur Vorlage verpflichteten Unternehmen genehmigt worden; hiervon hatte bis zum Jahresende 1996 erst höchstens die Hälfte der Unternehmen mit der Umsetzung begonnen. Während sich aber dieser Prozeß in Slowenien klar in Bewegung befindet, stehen entsprechende Fortschritte beispielsweise in Weißrußland und der Ukraine noch aus bzw. sind kaum zu erkennen.
Die immer noch hohen Beschäftigungszahien im staatlichen Sektor in den GUS-Ländern sind andererseits aber auch darauf zurückzuführen, daß sich viele Beschäftigte im staatlichen Bereich in unbezahltem Urlaub befinden und weiterhin als grundsätzlich Beschäftigte gezählt werden. Andererseits ist der Anteil des Privatsektors am Bruttoinlandsprodukt schon deutlich angestiegen, weil die dort Beschäftigten auch tatsächlich Wertschöpfung betreiben. Überhaupt muß man immer wieder vor Quervergleichen warnen, da die entsprechenden
Definitionen häufig grundsätzlich verschieden sind. So zählt beispielsweise Bulgarien den kooperativen Bereich nicht zum Privatsektor, während Rußland und auch Lettland dies sehr wohl tun.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielt auch die mangelnde Bereitschaft der Länder, sich gegenüber Direktinvestitionen aus dem Ausland zu öffnen (Überfremdungsangst), sowie andererseits auch die Bereitschaft westlicher Investoren, sich in bestimmten Ländern zu engagieren. Man erkennt jedoch, daß der private Sektor in allen Transformationsländern deutlich an Bedeutung gewonnen hat, wobei eine erfolgreiche Massenprivatisierung die eigentlichen Unterschiede zwischen den Ländern bewirkt. In den Volkswirtschaften, die bereits im breiten Ausmaße die Große Privatisierung vollzogen haben, kann eine weitere Ausdehnung des Privatsektors in erster Linie nur noch durch den Zutritt neuer Unternehmen und das Wachstum bestehender Privatunternehmen erfolgen; Auslandsinvestitionen sind hier im übrigen auch eher zu erwarten, als in Ländern, wo die Massenprivatisierung erst zögerlich vorankommt.
Franz-Lothar Altmann, Dr. rer. pol., Dipl. -Vw., geb. 1942; Stellvertretender Leiter des Südost-Instituts München; Geschäftsführender Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e. V; verantw. Redakteur von „OsteuropaWirtschaft“ und „Südosteuropa“. Veröffentlichungen: Zahlreiche Publikationen zu Fragen der politischen und Wirtschaftsentwicklung und der Transformation in Ostmittel-und Südosteuropa sowie zu den Außenwirtschafts-und den politischen Beziehungen mit diesen Ländern.
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