I. Einführung
Die Bedeutung der Berücksichtigung kultureller Faktoren bei Planung, Implementierung und Evaluierung von Entwicklungsvorhaben für deren Erfolg und Nachhaltigkeit ist heute kaum noch umstritten, auch wenn die Zielrichtung und die Vorgehensweise unterschiedlich gesehen werden. Während Kulturwissenschaftler noch vor den ersten Planungsschritten eines Projektes eine umfassende Zielgruppenanalyse auf der Grundlage intensiver Studien vor Ort durchgeführt wissen wollen, bei der alle relevanten kulturellen Faktoren Berücksichtigung finden sollten, treten (staatliche) Entwicklungsinstitutionen in Deutschland eher für standardisierte Verfahren ein, die in der Lage sein müssen, relativ schnelle Ergebnisse zu liefern. 1985 wurde daher im BMZ der Referentenentwurf eines Rahmenkonzeptes zur Berücksichtigung sozio-kultureller Kriterien vorgelegt das nach erheblicher Überarbeitung 1988 in eine weltweite Erprobung ging und 1992 als „Rahmenkonzept sozio-kulturelle Kriterien für Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit“ verabschiedet und damit für alle Projekte und Programme der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) verbindlich wurde. Von seiten des BMZ wird dabei davon ausgegangen, daß eine vollständige Erfassung aller relevanten sozio-kulturellen Faktoren jeglichen zeitlichen und finanziell vertretbaren Rahmen sprengen würde, weswegen drei „Schlüsselfaktoren“ identifiziert wurden, nach denen sozio-kulturelle Aspekte zu untersuchen sind und Wertungen (Schlußfolgerungen) für die Länderarbeit des BMZ (entwicklungspolitische Länderkonzepte) und die Projektarbeit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vorgenommen werden sollen.
War im Referentenentwurf noch beabsichtigt, mit dem Konzept methodisch einen „planerischen Abkürzungsweg“ zu beschreiten bei dem es mit Standardfragen die drei „Schlüsselfaktoren“ schematisch abzuarbeiten galt, wurde in der Endversion des Konzeptes diese heftig umstrittene Ziel-formulierung vermieden. Vielmehr konzentriert sich das Rahmenkonzept auf die Inhalte einer Untersuchung, die jedoch im Hinblick auf Methodik, fachliche und zeitliche Aspekte oder die Art des Feedback völlig offengehalten wurden. Von daher blieb es innerhalb des Rahmenkonzeptes zunächst unklar, wie die drei Schlüsselfaktoren in den Projektstudien letztendlich bearbeitet werden könnten.
Trotz punktueller und/oder grundsätzlicher Kritik an den Schlüsselfaktoren wurden diese jedoch im wesentlichen aus dem Referentenentwurf in das definitive Konzept übernommen: 1. „Legitimität“ oder „Akzeptanz“ als Schlüssel-faktor für das „gesellschaftliche Wollen“. Welche Personen, Gruppen, Institutionen oder Ideen werden in einer Gesellschaft als verbindlich anerkannt und erzeugen aktive Gefolgschaft? j. 2. „Erreichter Entwicklungsstand“ als Schlüssel-faktor für das „Können“. Welches ist die wirtschaftliche und soziale „Kompetenz“ der Gesellschaft und der Zielgruppen? 3. „Sozio-kulturelle Heterogenität“. Da die überwiegende Mehrzahl der Entwicklungsländer nicht von einer homogenen Bevölkerung be wohnt wird, ist unter diesem Faktor nach Gruppen zu fragen, die sich in ethnischer Herkunft, Sprache und/oder Religion unterscheiden.
In der Praxis des BMZ sind diese Schlüsselfaktoren insofern zu berücksichtigen, als sie Ausgangs-fragen für die „Sozio-kulturellen Kurzanalysen“ darstellen, die wiederum eine Grundlage der BMZ-Länderkonzepte sind. Ferner sind die Schlüsselfaktoren bei den Evaluierungen des Ministeriums einzubeziehen. KfW und GTZ als Durchführungsorganisationen der deutschen staatlichen EZ müssen die Schlüsselfaktoren innerhalb der jeweils gültigen Berichts-und Gliederungsschemata bearbeiten. Die Erfahrungen von 1988 bis 1995 im Umgang mit dem Schlüsselfaktorenkonzept haben jedoch gezeigt, daß die praktische Anwendung erhebliche Schwierigkeiten bereitete: Einerseits wurde auf allen Arbeitsebenen der relativ hohe Abstraktheitsgrad des Konzeptes bemängelt, andererseits gab es Bearbeitungsprobleme aufgrund der fehlenden methodischen Hinweise. Letztendlich wurde die Interpretation der Schlüsselfaktoren (Formulierung konkreter Fragen) und das Problem, wie denn die Fragen praktisch beantwortet werden können, dem einzelnen Mitarbeiter der betroffenen Institution überlassen. Der vor einem unilinear-evolutionistischen Hintergrund interpretierbare Faktor „Erreichter Entwicklungsstand“ gab schließlich wiederholt Anlaß zur Kritik an dem gesamten Rahmenkonzept als nicht mehr zeitgemäß und brachte die Idee, sozio-kulturelle Aspekte bei der Projektplanung zu berücksichtigen, bei einigen Beteiligten generell in Mißkredit.
Um diese Schwierigkeiten zu vermindern, wurde der Verfasser zusammen mit Karin Gaesing und Stefan Neumann Ende 1995 vom Ministerium beauftragt, eine Operationalisierung des BMZ-Rahmenkonzeptes vorzunehmen, wobei die folgenden Aufgaben im Mittelpunkt der Bearbeitung stehen sollten: -die anwendungsorientierte Konkretisierung und Verdeutlichung der Schlüsselfaktoren (Formulierung von Schlüsselfragen, Benennung typischer Tatbestände, ,, best-practice“ -Hinweise)
mit dem Ziel, den Mitarbeitern von BMZ und Durchführungsorganisationen Entscheidungshilfen bei der Planung, Durchführung bzw. Steuerung, Kontrolle und Evaluierung von Projekten zu geben;
-die inhaltliche Überarbeitung des zweiten Faktors „Erreichter Entwicklungsstand“, der in der genannten evolutionistischen Form von vielen Bearbeitern durchaus nicht im Sinne des BMZ interpretiert wurde und durch eine bereits auf den ersten Blick ideologiefreie, nicht unbedingt rein kulturrelativistische Formulierung ergänzt werden sollte; -die Untersuchung des Verhältnisses von soziokulturellen Kriterien und Partizipation der Beteiligten. Letztere Frage wurde auf Vorschlag der Forschungsgruppe zusätzlich in die Terms of Reference der Studie aufgenommen.
Im folgenden werden einige grundlegende Empfehlungen der Studie zusammengefaßt, wobei der Verfasser in Abweichung vom Schema des Gutachtens und seiner Gewichtung vor allem den Aspekt der Partizipation in Verbindung mit den beiden Schlüsselfaktoren „Legitimität“ und „Kompatibilität“ (als Ersatz für den „erreichten Entwicklungsstand“) sowie das erweiterte Verständnis von „sozio-kultureller Heterogenität“ in den Mittelpunkt der Ausführungen stellen möchte.
II. Ein neues Verständnis der „Legitimität“ von Entwicklungsprojekten
Die traditionelle EZ der sechziger bis achtziger Jahre hat in erheblichem Umfang die Notwendigkeit von Projekten aus (möglichst gut begründeten) Anträgen abgeleitet, deren Inhalte sich mit eigenen Defizitanalysen und im optimalen Falle mit den betreffenden Länderkonzepten deckten. Es wurde unterstellt, daß vor allem in so scheinbar klaren Fällen wie bei der Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, der Einführung moderner ertragsverbessernder Anbautechniken in der Landwirtschaft, der Sanierung von Wohngebieten oder dem Bau von kleinen Staudämmen für Bewässerungszwecke die Bevölkerung mit einem Projekt schlichtweg einverstanden sein müßte.
Das BMZ-Rahmenkonzept „Sozio-kulturelle Kriterien“ bot in der bisherigen Interpretation keine entscheidende Änderung, indem unter dem Faktor „Legitimität“ vor allem nach der Akzeptanz einer einmal beschlossenen Maßnahme geforscht werden soll. Die Frage des „Ob“ (ob das Projekt überhaupt durchgeführt werden soll) wurde daher auch bei Projektstudien unter Berücksichtigung des betreffenden Schlüsselfaktors kaum mehr gestellt Akzeptanz und Partizipation wurden -wenn überhaupt -eher auf der Ebene des „Wie“ behandelt (Wie kann das bereits beschlossene Projekt durchgeführt werden?): Im Falle eines Forstprogramms in Westafrika wurde also nicht danach gefragt, ob die Bevölkerung überhaupt in diesem Bereich Pro-bleme sieht und etwas tun möchte, sondern es wurde angesetzt bei der Frage nach der Art und Weise der Durchführung der bereits mit der Regierung des Landes verabredeten Forstmaßnahmen (Aufforstung und Randzonenentwicklung).
Diese Vorgehensweise hat zwei bisher kaum beachtete, jedoch grundlegende Probleme im Verhältnis zu der potentiellen Zielgruppe aufgeworfen, die die Nachhaltigkeit von Projekten und Programmen auch bei einer gewissen Partizipation der Menschen (im Sinne von „Mitgestalten“) bei der späteren Durchführung erheblich gefährden, leider auch dann, wenn zunächst eine positive Projektabwicklung zu erwarten ist und auch de facto erfolgt:
Erstens wird bei diesem Verständnis von Akzeptanz nur wenig berücksichtigt, daß die beteiligten Menschen möglicherweise ganz andere Probleme haben, deren Lösung sie als vordringlicher ansehen als die des von Regierung und ausländischer EZ-Organisation unterstellten Problems. Letzteres mag durchaus vorhanden sein und auch von den Leuten bewußt wahrgenommen werden, nur eben nicht in der von den Entwicklungsexperten empfundenen Rangfolge. Entsprechend kann die Bereitschaft zum Mitmachen eine Zeitlang durchaus vorhanden sein. Bei einem Akutwerden des wichtigeren Problems (ein typisches Beispiel hierfür ist der saisonale Mangel an verfügbarem Einkommen) kommt es jedoch zum Stillstand in dem dann plötzlich nicht mehr als so prioritär wahrgenommenen Problembereich des Projektes.
Zweitens bleibt das grundsätzliche Prinzip des „Top-down-Approaches“, wenn auch in abgeschwächter Form, erhalten. Entschieden wird nicht von der beteiligten Bevölkerung, vor allem den direkten Zielgruppen, sondern stellvertretend „in ihrem Interesse“. Die Bevölkerung gestaltet unter Umständen durchaus mit, sie ist aber nicht Herr des Verfahrens, das andernfalls natürlich auch eine Nullvariante beinhalten müßte. Hier von Partizipation zu sprechen, ist zumindest fragwürdig. Solange unter diesem Begriff nur das Mitmachen und gegebenenfalls auch Erbringen von materiellen Leistungen verstanden wird, kann dieses Verfahren nur als konditioniert partizipativ angesehen werden. In einem moderneren Verständnis von Partizipation etwa bei Jules Pretty oder abgeschwächt auch im Sinne der deutschen Bürgerbeteiligung in der Bauleitplanung ist die Mitentscheidung aber das grundlegende Merkmal von Partizipation (neben der Mitgestaltung und Mit-verantwortung). Diese Situation hat sich bis heute nicht grundlegend verändert, wobei die staatliche EZ in Deutschland wie überall in der OECD natürlich in erheblichem Umfang vom Willen und den Anträgen der Partnerregierungen abhängig ist. Allerdings ließe sich eine Akzeptanz bei der Bevölkerung auf der Ebene des „Ob“ auch innerhalb der bilateralen staatlichen EZ einführen, indem nicht Sektoren und zu diesen bereits einzelne Projekte vorgegeben werden, sondern Interventionsregionen und ggf. qualitative Entwicklungsziele. Für die Identifizierung besonders armer Regionen lassen sich -übrigens auch unter Zuhilfenahme des Schlüsselfaktorenkonzeptes -halbwegs objektive Kriterien finden, und für diese Armutsregionen könnte ein bestimmter Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden. Von daher sind die Vorschläge zur Neuinterpretation der „Legitimität“ durchaus innerhalb der Verfahren der staatlichen EZ auch kurzfristig umsetzbar. Durch die Direktkooperation mit Nichtregierungsorganisationen (NROs) des Südens, wie sie in der deutschen staatlichen EZ zumindest vermehrt angestrebt wird, ließe sich auch ein Instrumentarium für diesen Ansatz schaffen.
Wurde bisher unter „Legitimität“ nach Personen und Institutionen innerhalb der Zielgruppen gefragt, die ein (bereits geplantes) Projekt unterstützen, d. h. vor allem die „Akzeptanz“ fördern könnten, so dient die Suche nach „legitimen“ Vertretern der Bevölkerung („Wer kann Auskunft geben zu welchen Fragen aufgrund welcher Legitimität?“) in unseren Vorschlägen nur der Identifizierung von Personen, die die weit wichtigeren Fragen nach dem „Wollen“ der Bevölkerung beantworten können: „Wollen die Menschen das Projekt und die einzelnen vorgeschlagenen Aktivitäten?“ und -wichtiger noch im Sinne des oben Gesagten zur Partizipation -: „Sind die einzelnen Maßnahmen von den Menschen selbst als ihre wichtigsten Prioritäten vorgeschlagen worden?“ Der Faktor „Legitimität“ wird im übrigen auch auf die durchführenden Organisationen angewendet. Nicht nur die Maßnahmen müssen gewollt sein, sondern auch die betreffenden Organisationen -und der Geber selbst muß akzeptiert werden!
Generell wird vorgeschlagen, bei der Bearbeitung des Faktors „Legitimität“ den Aspekt der Akzeptanz -außer bei den Durchführungsorganisationen -zugunsten des bereits im Konzept verwendeten Begriffs des „Wollens“ zurückzustellen, da Akzeptanz erstens die Angebotsorientierung der EZ unterstreicht und zweitens die Zielgruppe als passive Empfänger begreift.
III. Kompatibilität versus Entwicklungsstand
In der Expertendiskussion war der zweite Schlüsselfaktor „Erreichter Entwicklungsstand“ besonders umstritten. Angesichts der erkennbaren Projektpraxis und der vorangegangenen Debatte ist eine Verankerung dieses Teils des Schlüsselfaktoren-Konzeptes in evolutionistisch-modernisierungstheoretischen Positionen nicht zu bestreiten, auch wenn dies seitens des zuständigen Fachreferates im BMZ nicht (mehr) intendiert ist.
Explizit wurde zum Beispiel diese Unilinearität in der das Konzept begleitenden bzw. erläuternden Literatur in Formulierungen wie „Stand der produktiven Kräfte“ „nachholende Entwicklung“ oder „Erreichung des Klassenzieles“ zum Ausdruck gebracht. Auch die alternativen Begriffe „Kompetenz“ und „Können“ sind wegen der implizit enthaltenen Wertung -nämlich durchaus zu erwartender „Inkompetenz“ und „Nichtkönnens“ -ebenfalls problematisch. Aus „Kompetenz“ wird auch allzu'leicht „Kompetenzvorsprung“ (der Geberseite bzw.der Entwicklungsfachkräfte) oder „Kompetenzniveau“ und aus der Frage „Was können sie?“ allzuleicht „Was können sie (noch) nicht?“. Hierdurch ist dann die Einteilung der beteiligten Gruppen (Geber, Durchführungsorganisationen, Zielgruppen) in höher/tiefer, überlegen/unterlegen oder modern/traditional zumindest im Hintergrund spürbar.
In der Praxis wird daher auch bei der Bearbeitung des Schlüsselfaktors im Projektplanungsverfahren die „Kompetenz“ oder das „Können“ der Bevölkerung abgefragt, um induzierte Problemlösungen zu erarbeiten, die auf das Potential der Bevölkerung zugeschnitten sind. Natürlich ist dies gegenüber früheren Planungen am grünen Tisch in den Geberländern (die es aber im Einzelfall immer noch gibt) ein deutlicher Fortschritt, jedoch ist dieses Verfahren weder partizipativ noch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit als strategisches entwicklungspolitisches Ziel angemessen. Statt der Frage nachzugehen, wie die Menschen ein bestimmtes Problem früher gelöst haben und was sie heute daran hindert, dieses Problem mit eigenen Mitteln zu lösen, wird zwangsläufig nach Mitteln und Wegen gesucht, ein Projekt den Kenntnissen und Fähigkeiten der Bevölkerung anzupassen. Auch wenn dies im Einzelfall von den Planern nicht intendiert ist, so muß dieses Verfahren zwangsläufig zudem als angebotsorientiert angesehen werden.
Die Empfehlungen der Forschungsgruppe sehen in der Konsequenz vor, den Schlüsselfaktor „Entwicklungsstand“ durch „Kompatibilität“ zu ersetzen. Kompatibilität konzentriert die Untersuchung auf die Frage, ob bestehende oder gewünschte Lösungen mit möglichen externen Angeboten der EZ vereinbar („kompatibel“) sind. Mit anderen Worten: Wie kann mit externen Mitteln eingegriffen werden, um ein gemeinsam definiertes Ziel zu erreichen? Am Anfang stehen also die Wünsche der Zielgruppen, erst dann wird geprüft, welche anzubietenden Lösungen damit vereinbar (eben kompatibel) sind.
Die „Kompatibilität“ bezieht sich ebenso wie der „Entwicklungsstand“ auf die organisatorischen, technischen, normativen und wissensmäßigen Bereiche des sozio-kulturellen Systems einschließlich seiner Steuerungskapazitäten, die für Entwicklungsvorhaben von Belang sind; sie hat aber den Vorteil, nur die synchrone (auf Gleichzeitigkeit abhebende) Dimension der EZ hervorzuheben. Die „Kompatibilität“ drückt keine Linearität oder entwicklungspolitischen Zielvorgaben aus (diese sind gegebenenfalls unter dem Gesichtspunkt der „Legitimität“ zu bearbeiten) und betont die Wechselseitigkeit sowie den angestrebten symmetrischen Charakter der EZ. Entwicklung wird damit zu einem koevolutionären (nicht von außen vorbestimmten) Prozeß anstatt zu einem linearen.
Es sei ausdrücklich betont, daß „Kompatibilität“ nicht kulturelle Elemente miteinander vergleichen, sondern vielmehr prüfen will, ob mögliche externe Lösungen der EZ mit bisher praktizierten oder gewünschten Verfahren vereinbar sind. Im Mittelpunkt der Bearbeitung des Schlüsselfaktors „Kompatibilität“ steht damit auch die in letzter Zeit zunehmend beachtete Frage nach dem „lokalen Wissen“, wozu Sachkenntnis, technische Kenntnis und auch Handlungsfähigkeit gehören Auch wenn dieses Wissen in einer Bevölkerungsgruppe verschieden verteilt, unter Umständen wenig bewußt und noch weniger verbalisierbar ist, kann es insgesamt einen enormen Umfang und eine hohe innere Komplexität haben. In diesem Zusammenhang ist die Analyse der „Vereinbarkeit“ vor allem die gemeinsame Suche nach Mög-lichkeiten der Nutzung vorhandenen lokalen Wissens oder auch erst der Generierung bzw. Bewußtmachung dieses Wissens. Die ernsthafte Bearbeitung des Schlüsselfaktors „Kompatibilität“ setzt also ebenso wie die Behandlung der „Legitimität“ voraus, daß sich die EZ weniger angebotsorientiert verhält und daß eine „milieufremde moderne“ Lösung -wenn überhaupt -erst dann gewählt werden sollte, wenn die Weiterentwicklung der traditionellen Ansätze sich nach der Prüfung als nicht praktikabel erwiesen hat und zugleich das „Wollen“ des Neuen sichergestellt ist
Zumindest am Rande tauchte bei der Bearbeitung des Schlüsselfaktors „Kompatibilität“ im hier dargestellten Sinn die Frage auf, ob angesichts der verheerenden Umweltzerstörung in vielen Teilen der Erde nicht auch übergeordnete, vor allem eben ökologische Notwendigkeiten -unter Maßgabe strenger Kriterien -eine induzierte Lösung auch dann notwendig machen, wenn eine Kompatibilität mit bisherigen Problemlösungsstrategien, vorhandenen Techniken und Organisationsformen nicht gegeben ist. Diesbezüglich wurde vorgeschlagen, einen Dialog mit den beteiligten Gruppen vor Ort zu führen und dabei der Frage nachzugehen, unter welchen Bedingungen in extrem degradierten Gebieten Aufforstungen (oder: Naturverjüngungen, Einzäunungen von Weidegebieten, der Anbau von Futterpflanzen, die Anwendung ressourcenschonender Kulturtechniken usw.) doch möglich sind, obwohl sie weder in den bisherigen Ressourcenmanagementtechniken Vorkommen noch von den Zielgruppen (ZG) als prioritär angesehen werden. Es liegt nahe, in diesem Fall eine enge Verbindung zwischen „Kompatibilität“ und „Legitimität“ zu knüpfen und ausnahmsweise zu versuchen, die legitimen Repräsentanten der Bevölkerung für die neuen Gedanken zu gewinnen, mit dem Ziel, breite Zustimmung zu finden. Die hier verlangte Sensibilität, nicht doch in schulmeisterliche Attitüden zu verfallen, und eine erhebliche Methodenkenntnis in Kommunikation und sozialwissenschaftlichen Erhebungsmethoden, die für die Bearbeitung der Schlüsselfaktoren ins-gesamt als wichtig angesehen werden, sind an dieser Stelle als notwendige Qualitätsanforderungen an die Akteure besonders offensichtlich.
IV. Sozio-kulturelle Heterogenitäten
Der dritte und letzte Schlüsselfaktor „Heterogenität“ galt während der Diskussion der letzten 15 Jahre immer als wenig umstritten. Dies mag allerdings daran gelegen haben, daß einerseits die Berücksichtigung ethnischer Verschiedenheit allgemein einleuchtete, andererseits aber im Konzept des BMZ dem Faktor im Vergleich mit den beiden anderen nur nachrangige Bedeutung beigemessen wurde. Immerhin wurde aus der zunächst vorgeschlagenen rein „ethnischen Heterogenität“ des Entwurfes im heute gültigen Konzept eine „soziokulturelle Heterogenität“ mit sehr viel größerem Bearbeitungsbereich. Die sozio-kulturelle Heterogenität erfaßt in ihrer begrifflichen Klärung durch die Forschungsgruppe die Verschiedenheit zwischen den an einem EZ Vorhaben beteiligten bzw. von ihm betroffenen Gruppen, insbesondere unter Beachtung der von den Akteuren selbst wahrgenommenen Verschiedenheit Die Untersuchung der Heterogenität bezieht sich also auf die sozialen (sozio-ökonomischen) Unterschiede, auf „Gender“ -oder geschlechtsspezifische Unterschiede und auf Unterschiede, die ethnisch-kulturell bedingt sind. Daneben umfaßt die Frage nach der sozio-kulturellen Heterogenität auch das Verhältnis der ZG zu benachbarten Gruppen. Darüber hinaus ermöglicht der Faktor im nationalen Rahmen überhaupt erst die Identifizierung der Zielgruppen der EZ. War zunächst in der Interpretation des Konzeptes durch das BMZ selbst aus analytischen Gründen die soziale bzw. sozio-ökonomische Heterogenität ausgeklammert worden, so wurde jetzt vorgeschlagen, alle Arten von projektrelevanten Heterogenitäten, insofern sie von den Beteiligten selbst als solche wahrgenommen werden, zu untersuchen wie zum Beispiel die Unterschiede zwischen Arm und Reich, Jung und Alt, „Gender“ -bezogene, ethnische, religiöse oder „sozio-professionelle“ und andere Heterogenitäten. In der Praxis soll die Bearbeitung der soziokulturellen Heterogenität die Unterschiede zwischen den beteiligten Gruppen (nicht allein bezüglich der direkten ZG) aufdecken, wobei zwei verschiedene Ziele verfolgt werden können: 1. Bei dem hier nicht befürworteten angebots-orientierten Ansatz wird nach den möglichen unterschiedlichen Auswirkungen eines Projektes auf die verschiedenen Gruppen innerhalb der ZG gefragt. Im gleichen Sinne wird die Frage gestellt, ob für den Projekt-bzw. Entwicklungserfolg eine kulturelle Homogenität der Zielgruppe(n) erforderlich ist. Ist dies der Fall, dann kann eine Aufteilung der ZG in (homogenere) Sub-Gruppen erwogen werden. Die sozio-kulturelle Heterogenität bleibt in diesem Ansatz ein nachrangiger Faktor. 2. Wird nicht das Projekt als Ausgangspunkt der Untersuchung gewählt, sondern ein vermuteter Bedarf benachteiligter Bevölkerungsgruppen an Unterstützung (als Ergebnis der Untersuchung der sozio-kulturellen Heterogenität auf Länderebene, deren Ergebnisse ja in die BMZ-Länderkonzepte einfließen sollen), kann sehr viel offener gefragt werden, wer diese Gruppen sind und woraus ihre Benachteiligung resultiert. Sind auf diese Weise besonders benachteiligte Gruppen definiert und exakt beschrieben, kann das „Wollen“ der potentiellen Zielgruppen und die „Kompatibilität“ mit externen Beiträgen sehr viel präziser erfaßt werden. Die sozio-kulturelle Heterogenität ist in diesem Fall ein von der Bedeutung her den beiden anderen gleichrangiger Schlüsselfaktor.
In der Konsequenz des in diesem Beitrag vertretenen Ansatzes kann die sozio-kulturelle Heterogenität nicht nur als „Korrektiv“ zu den beiden anderen Faktoren gesehen werden, wie dies von Köhler vorgeschlagen wurde Sie ist vielmehr ein völlig gleichrangiger Schlüsselfaktor. Vielleicht sogar am wichtigsten ist die Rolle der sozio-kulturellen Heterogenität bei dem allerdings in dieser Konsequenz noch einzufordernden eigentlich ersten Schritt des entwicklungspolitischen Planungsverfahrens, der Ermittlung des Bedarfes für eine Intervention und der hieran anschließenden Auswahl der Zielgruppen. Ein „Wollen“ der nicht nach nachvollziehbaren Kriterien ausgewählten Zielgruppen ist so lange absolut nachrangig, wie die ser Bedarf nicht festgestellt wurde und damit eine Legitimation für das EZ-Vorhaben an sich (noch) nicht gegeben ist. Daher sollte zukünftig unter „sozio-kultureller Heterogenität“ zuerst einmal im Länderkontext nach besonders benachteiligten (gesellschaftlichen bzw. ethnischen, auch religiösen) Gruppen als potentiellen ZG der deutschen EZ bzw. eines einzelnen Vorhabens gefragt werden: „Welche Kasten, soziale Schichten, Religionsgruppen etc. sollen wegen ihrer marginalen Situation primär von der deutschen EZ/vom Projekt begünstigt werden?“
Erst wenn benachteiligte Gruppen und ggf. auch benachteiligte Regionen eines Landes identifiziert sind, kommen die beiden anderen Schlüsselfaktoren zum Zuge. Ist das „Wollen“ festgestellt, ein Projekt von beiden Seiten legitimiert und die Frage der Kompatibilität zumindest aufgegriffen -sie wird im Laufe der Implementierung auch weiterhin gestellt werden müssen, da die Suche nach angepaßten Lösungen ein das Projekt durchlaufender Prozeß ist wird die „sozio-kulturelle Heterogenität“ erneut relevant. Wahrscheinlich sogar zeitgleich mit den anderen Aspekten werden die sozialen, geschlechtsspezifischen und ethnisch-kulturell bedingten Unterschiede innerhalb der Zielgruppe(n) erhoben werden müssen. „Welche der genannten Gruppen (soziale Schichten oder Klassen, Kasten, Altersgruppen, Ethnien, Männer, Frauen etc.) werden das Projekt besonders unterstützen, und von welcher Seite ist Widerstand zu erwarten?“ ist eine Frage, die in diesem Zusammenhang ebenfalls zu stellen ist. Schließlich wird nach den Auswirkungen auch des allgemein gewünschten Vorhabens auf das sozio-kulturell heterogene Milieu gefragt: „Werden bestimmte Gruppen durch die Maßnahmen negativ beeinflußt (Männer, Frauen, andere Kastenangehörige, junge oder alte Leute usw.)?“
Alle drei sozio-kulturellen Schlüsselfaktoren können im Projektplanungsverfahren (vor allem der Prüfung) auch beim Vorhandensein eines mustergültigen BMZ-Länderkonzeptes nur durch eine adäquate Untersuchung vor Ort beantwortet werden. Aus diesem Grunde wurden der inhaltlichen Operationalisierung der Schlüsselfaktoren zwei übergreifende methodische Fragen beigegeben: -Sind die Antworten auf die unter den Schlüsselfaktoren zu stellenden Fragen auf der Grundlage einer Zielgruppenanalyse in der möglichen Projektregion erfolgt? -Lassen die Antworten einen empathischen Zugang zu den Betroffenen/Beteiligten erkennen? Beide Fragen sind aus dem Verständnis des BMZ-Konzeptes heraus, das sich in keiner Weise als Grundlage für „Desk-studies“ oder Plausibilitätsprüfungen eignet, sondern der empirischen Daten-erhebung bedarf, für jede Studie zwingend zu bejahen. Ein empathischer Zugang zu den Beteiligten ist schon deswegen notwendig, da bei einer Handlungsorientierung die (subjektive) Sicht der Akteure wichtiger ist als die Kenntnis der scheinbar „objektiven“, oft aber lediglich konstruierten Merkmale. Kommunikation ohne Empathie hat in der EZ nichts zu suchen.
V. Sozio-kulturelle Analysen und die Partizipation der Zielgruppen
In der entwicklungspolitischen Literatur besteht teilweise die Tendenz, eine Zielgruppenpartizipation und die Anwendung des sozio-kulturellen Rahmenkonzeptes in einer unserer Ansicht nach unzulässigen Weise zu vermengen, indem -Partizipation oft mit einer Berücksichtigung der sozio-kulturellen Rahmenbedingungen gleichgesetzt wird, d. h., es wird unterstellt, daß bei einem partizipativ zu planenden oder geplanten Vorhaben automatisch auch die sozio-kulturellen Umstände berücksichtigt würden bzw. wurden und -umgekehrt auch eine Berücksichtigung der sozio-kulturellen Schlüsselfaktoren automatisch im Sinne der Zielgruppen sei und mithin Partizipation impliziere. Allenfalls die erste Gleichsetzung ist bedingt richtig in dem Sinne, daß ein von den Beteiligten und besonders den ZG akzeptierter und erfolgreich praktizierter partizipatorischer Ansatz im Projekt in der Regel auf eine gute Berücksichtigung der sozio-kulturellen Rahmenbedingungen hindeutet. Allerdings erschöpft sich die Behandlung der sozio-kulturellen Faktoren nicht in der Partizipationsfrage. Vielmehr sind umgekehrt die Kenntnisse der sozio-kulturellen Rahmenbedingungen (und zwar der lokalen wie der nationalen) für die Aufnahme eines jeden Dialoges mit den ZG natür-lieh auch mit dem Ziel der Einleitung von Partizipationsprozessen unabdingbar. Erst die Berücksichtigung der „sozio-kulturellen Heterogenität“ führt uns ja bekanntlich zu den potentiell benachteiligten Gruppen, und über die „Legitimität“ werden die tatsächlich zu berücksichtigenden Personen im Partizipationsprozeß erst definiert. Damit ist auch die These widerlegt, daß eine spezielle Beobachtung sozio-kultureller Faktoren sich weitestgehend erübrigen würde, wenn das jeweils betroffene soziale Umfeld von Entwicklungsmaßnahmen ernsthaft als gleichberechtigter Verhandlungspartner anerkannt würde, weil dann Vorstellungen und Denkweisen der „anderen“ sozio-kulturellen Dimension quasi automatisch wirksam würden Herauszufinden, wer das „betroffene soziale Umfeld“ eigentlich ist, mit dem man gleichberechtigt verhandeln will, ist eine der Hauptaufgaben des Schlüsselfaktorenansatzes.
Auch sämtliche „modernen“ partizipatorischen Planungsansätze von den „Participatory Rural Appraisals“ bis zum „Participatory Learning and Action“ bedürfen einer profunden Kenntnis der sozio-kulturellen Rahmenbedingungen. Diese „Appraisals“ sind Hilfsmittel, um zu einem frühen Zeitpunkt die Gegenwartsprobleme und Zukunftsvorstellungen eines ausgewählten Teiles der Bevölkerung in Erfahrung zu bringen. Sie sind eine Zugangsmethode und ersetzen in keiner Weise die kontinuierliche Partizipation der Bevölkerung im gesamten Planungs-und Implementierungsprozeß Ein „Appraisal“ bedarf stets einer sorgfältigen Vorbereitung durch Sozial-bzw. Kulturwissenschaftler, wozu eine begrenzte Zielgruppenanalyse zur Erfahrbarmachung der sozio-kulturellen Heterogenität und der Legitimität gehören. Erst diese Untersuchung ermöglicht die Beteiligung der „richtigen“ Personen an den „Appraisals“, zu denen im Falle eines geplanten armutsorientierten Projektes in Indien ja nicht die stets am schnellsten herbeieilenden Großgrundbesitzer, Dorfchefs, „Social workers“, Brahmanen usw. gehören sollen, sondern die Kleinstbauern und Landlosen aus zumeist niedrigeren Kasten. Folglich ist mit Hilfe der Schlüsselfaktoren erst herauszufinden, wer partizipieren sollte, dann erst können die entsprechenden „Appraisals“ an die kulturellen Bedingungen angepaßt eingesetzt werden. Die Auswahl der einzelnen Methoden und ihre Anpassung an die jeweilige Situation bedarf im übrigen ebenfalls umfassender Kenntnisse des sozio-kulturellen Hintergrundes, da Gender-Gesichtspunkte, die Rolle der Altersklassen, Meidungsgebote usw.den Ablauf der „Appraisals“ in erheblichem Umfang beeinflussen. Wenn im islamischen Tadschikistan Männer und Frauen, Jung und Alt, Dorfchef und Kleinstbauer ohne Probleme gemeinsam diskutieren können, so ist dies in der ebenfalls islamischen North-Western-Frontier-Province in Pakistan sicher kaum zu erwarten. Aber nicht nur für die Beantwortung des „Was geht nicht?“, sondern auch für das „Was geht?“ sind umfassende Vorkenntnisse über die sozio-kulturellen Bedingungen unerläßlich.
VI. Veränderungen im entwicklungspolitischen Instrumentarium und weiterer Handlungsbedarf
Sowohl im Hinblick auf eine zielgerichtete Bearbeitung der sozio-kulturellen Faktoren als auch hinsichtlich einer umfassenden Partizipation im obengenannten Sinne sind Veränderungen im Instrumentarium, d. h. in den Verfahren und Abläufen der EZ, notwendig. Das entscheidendste Hindernis ist dabei nicht die wiederholt zitierte „Souveränität der Partner“ und die „engen Grenzen“, die die Kooperation zwischen staatlichen Institutionen setzt. Auch in der bilateralen staatlichen EZ ist die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, ja die gesamte Abwicklung selbst von Großprojekten durch solche NROs bereits erfolgreich praktiziert worden Partizipation, die zunächst das „Wollen“ in den Vordergrund stellt, wird im Rahmen von bereits beschlossenen Vorhaben nur sehr rudimentär möglich sein, wo doch zumeist nur noch eine Beteiligung an der Art der Projektdurchführung erfolgen kann. Innerhalb von bilateral zwischen den Regierungen vereinbarten Zielsetzungen, die sich -die deutsche EZ-Konzeption wirklich ernst genommen -allerdings in Richtung auf die Armutsbekämpfung bewegen müssen (auf der Grundlage einer Länder-Armutsanalyse, die benachteiligte Regionen und Gruppen ausweist), könnte es dagegen den potentiellen Zielgruppen überlassen werden, die Ziele der externen Unterstützung und die Art und Weise ihrer „Gewährung“ (sozio-kulturel-ler Faktor „Kompatibilität“) entscheidend mitzubestimmen. Wesentliche Veränderungen werden im projektbezogenen Planungsverfahren vorzunehmen sein. Die notwendigen Instrumente und Methoden, auch das benötigte Know-how über das Fachpersonal stehen hierfür im wesentlichen zur Verfügung, auch wenn sie bisher nur spärlich genutzt werden. An erster Stelle eines Planungsverfahrens in der Technischen Zusammenarbeit (TZ) steht nicht mehr die „Zielorientierte Projektplanung“ (ZOPP), bei deren erstem und zweitem Schritt bereits die Projektwege zum Teil auf Jahre vorgegeben werden sondern die Zielgruppenanalyse unter Berücksichtigung der sozio-kulturellen Schlüsselfaktoren. Diese ZG-Analyse ist vor Ort durch Fachkräfte durchzuführen, die über eine erhebliche methodische Kompetenz und grundlegende Kenntnisse der betreffenden Kultur(en) verfügen sollten. Sie haben zwingend insoweit eine „kulturelle Kommunikationsfähigkeit“ aufzuweisen, als sie in der Lage sein müssen, die „legitimen Vertreter“ der Bevölkerung zu identifizieren und Informationen nach ihrer Bedeutung und ihrem Inhalt zu verstehen und zu bewerten
Im Prinzip gilt dasselbe für die Finanzielle Zusammenarbeit, bei der allerdings in noch größerem Umfang als bei der TZ die Ziele des jeweiligen Projektes bereits vorgegeben sind. Vor einer technischen (Feasibility-) Studie, nach deren Vorlage es nur noch selten ein „Zurück“ gibt, sollte hier eine sozio-kulturelle Analyse durchgeführt werden, bei der es ebenfalls zunächst das „Wollen“ der Bevölkerung zu klären gilt. Gesichtspunkte der „Legitimität“ könnten bei der FZ auch grundsätzlich verbessert werden, indem die Programme direkt von -teilweise noch zu erarbeitenden -armutsorientierten Länderkonzepten abgeleitet werden, die ihrerseits ja in erheblichem Umfang das Ergebnis der Berücksichtigung sozio-kultureller Heterogenitäten sind. Im späteren Projektverlauf bei TZ und FZ müssen neue Wege gefunden werden, um die partizipative Feinplanung und später eine ebenso partizipative Implementierung durchführen zu können.
Hierauf kann in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden. Jedoch sind neben anderen die folgenden Kriterien zu berücksichtigen: -Generelle Offenheit und größtmögliche Transparenz sind eine Grundbedingung für die partnerschaftliche Arbeit. Die Ziele der Akteure sind stets explizit zu machen. Zur Förderung der Kompatibilität sollte von der Geberseite frühzeitig auf mögliche Risiken im Projektverlauf hingewiesen werden. -Die Bevölkerung und ihre Repräsentanten müssen das Recht haben, die Ziele und Aktivitäten eines Projektes in vertretbarer Weise (ein Minimum an Planungssicherheit ist zu garantieren) und vor dem Hintergrund einer größtmöglichen Kompatibilität jederzeit verändern zu können. -Die Möglichkeit eines Projektabbruches muß als „normale“ Alternative offenstehen. -Während des gesamten Projektverlaufes sind sozio-kulturelle Heterogenitäten zu beobachten. So ist zu prüfen, ob nicht gegebenenfalls einzelne Gruppen (Frauen, [junge] Männer, soziale oder religiöse Gruppen usw.) von den Maßnahmen unerwartete Nachteile zu erwarten haben.
Zur konsequenten Umsetzung einer sozio-kulturell sensiblen EZ sind insgesamt also keine revolutionären Veränderungen der deutschen EZ notwendig. Innerhalb des bestehenden Apparates können in kurzer Zeit einzelne Verfahren modifiziert werden. In nur zwei Jahren wäre es möglich, mit den meisten Partnern im Rahmen der bilateralen Verhandlungen neue Wege zu formulieren. Selbst „schwierige“ Partner haben in anderer Hinsicht (z. B. bezüglich der Akzeptanz von Sektor-anpassungen oder neuerdings der NRO-Einbeziehung) erstaunliche Flexibilität gezeigt. Das notwendige (auf dem Arbeitsmarkt vorhandene) kultur-und sozialwissenschaftliche Personal kann teilweise sofort, sonst innerhalb weniger Jahre rekrutiert bzw. aus-und für den speziellen Zweck der EZ fortgebildet werden. Nicht einmal die Konzeptionen müssen grundlegend verändert werden. Vielfach würde es ausreichen, so grundlegende Papiere wie das Zielgruppen-oder das Selbsthilfe-konzept des BMZ einfach stärker zu berücksichtigen.